„Die Verschiebung hat der DGIHV, dem BIV-OT und natürlich auch den Betrieben die dringend notwendige Luft gegeben, weitere Vorbereitungen zur Umsetzung zu treffen“, sieht Dipl.-Ing. Axel Sigmund vom Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik und Mitglied in der Arbeitsgruppe MDR in der Deutschen Gesellschaft für interprofessionelle Hilfsmittelversorgung e. V. (DGIHV), einen reellen Mehrwert in der Entscheidung, die Frist für die MDR-konforme Umsetzung zu verschieben. „Viele bereiten sich schon intensiv vor und haben schon einige Anpassungen vorgenommen; die Unterlagen des BIV-OT (zwei Musterhandbücher zu DIN EN ISO 13485:2016 und ISO 9001:2015; Anm. der Redaktion) und der DGIHV (MDR-Leitfaden für Hersteller von Sonderanfertigungen, MDR-Leitfaden für Händler, MDR-Entscheidungshilfen; Anm. der Redaktion) haben den Betrieben sehr viel geholfen. Es folgen noch weitere Vorlagen in den nächsten Wochen und Monaten“, gibt Sigmund eine Einschätzung dazu ab, wie gut die Betriebe vorbereitet sind und stellt weitere hilfreiche Dokumente in Aussicht. Andere Betriebe indes sind dringend in Zugzwang, weil sie bisher noch keine nötigen Vorkehrungen getroffen haben. Die Komplexität des Themas, Abwarten, bis noch mehr Unterlagen verfügbar sind oder Informationsmangel könnten mögliche Gründe hierfür sein, schätzt Sigmund.
Denn auch jetzt, rund vier Wochen vor Ablauf der Übergangsfrist, ist das Interesse an Einsteigerseminaren noch sehr hoch, wie beispielsweise der Zulauf beim Onlineseminar „MDR und Qualitätsmanagement für die Orthopädie-Technik – leicht gemacht“ der Confairmed GmbH zeigt. So nehmen Dipl.-Ing. (FH) Sebastian Kaltenbach und Axel Sigmund noch einmal Teilnehmer am 3. Mai, 14. Juni und 20. September gemeinsam mit auf die Reise in die MDR und ins QM. Darin geht es speziell um die Anpassung der QM-Systeme „ISO 9001:2015“ bzw. „ISO 13485:2016“ an die MDR. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwerben im Rahmen eines vierstündigen Webinars die notwendige Qualifikation, das bereits im Betrieb integrierte QM-System weiter zu entwickeln und die Forderungen der MDR einzupflegen. Im Anschluss stehen die Referenten für Fragen zur Verfügung.
Leistungserbringer im Gesundheitswesen, die schon Vorkenntnisse haben, werden in dem digitalen Kombiseminar „EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR)“ und „DIN EN ISO 13485:2016“ von Roland Weghorn (QMRW Qualitätsmanagement) in Kooperation mit MDC Medical Device Certification GmbH über die spezifizierten Anforderungen und Auswirkungen der neuen Verordnung in Sanitätshäusern und Betrieben der Orthopädie-Technik informiert. Die Termine für die modulare Zweitagesschulung sind am 1./2. Juni. Eine Buchung einzelner Module ist ebenfalls möglich.
Betriebe stolpern über die „verantwortliche Person”
Neben dem großen Thema Qualitätsmanagement haben sich noch weitere Themen herauskristallisiert, bei denen die Betriebe vertiefende Hilfen benötigen. Wie die Erfahrung von Dipl.-Ing. (FH) Sebastian Kaltenbach, leitender Auditor der ZDH-ZERT GmbH, gezeigt hat, stolpern die Betriebe zunehmend auch über die „verantwortliche Person“ nach Artikel 15 MDR, die für die Einhaltung der Regulierungsvorschriften verantwortlich ist. Mit der Einführung der „verantwortlichen Person“ hat die EU Teile des deutschen Sicherheitsbeauftragten MPG in das europäische Recht übertragen. „Die Erfahrungen mit dem Sicherheitsbeauftragten MPG waren nach über 20 Jahren durchaus positiv; Schulungen haben ein angemessenes Niveau in der Branche sichergestellt, so dass das Meldewesen gegenüber Herstellern und Behörde in Deutschland überwiegend gut funktioniert hat“, erklärt Kaltenbach. „Man möge nun aber nicht übersehen, dass sich die verantwortliche Person doch wesentlich vom Sicherheitsbeauftragten MPG unterscheidet. Neben der Verantwortung für das Medizinprodukte-Beobachtungs- und Meldesystem –nun als „Überwachung nach dem Inverkehrbringen, Vigilanz und Marktbeobachtung“ erweitert – kommen weitere Aufgaben für die verantwortliche Person hinzu, z. B. die Verantwortung für die Konformität – also die Verantwortung für die Sicherheit der hergestellten Sonderanfertigungen und die Verantwortung, dass eine angemessene Dokumentation erstellt und aktuell gehalten wird.“ Die Fragen, die mit der Erweiterung der Aufgaben aufkommen, werden von Kaltenbach und Sigmund in einem Online-Kompaktseminar „Die verantwortliche Person für die Regulierungsvorschriften der MDR“ geklärt, das die Confairmed GmbH drei Mal, am 17. Mai, 21 Juni und 4. Oktober anbietet.
Jedes Unternehmen müsse sich zunächst einen Überblick über die neue Rechtslage verschaffen und sich dann auf die „Suche“ nach praktikablen und praxisnahen Umsetzungsmöglichkeiten machen. „Je nach Struktur und Größe eines Unternehmens ergeben sich mehrere Möglichkeiten die verantwortliche/n Person/en nach Artikel 15 zu benennen und die Person/en bei der Wahrnehmung zu unterstützen“, führt Kaltenbach aus. Dabei stellen sich einige Fragen, wie z. B.: Was beabsichtigt der Gesetzgeber? Wer übernimmt bereits jetzt vergleichbare Aufgaben? Wer darf die Aufgaben wahrnehmen? Wie können die Aufgaben ggf. auf mehreren Schultern verteilt werden und wie können die notwendigen Prozesse fortwährend sichergestellt werden?“
Mit der „verantwortlichen Person“ nach Artikel 15 müssen sich diejenigen Betriebe auseinandersetzen, unter deren Dach herstellende Prozesse laufen. „Das heißt, dass schon bei der Herstellung von Einlagen in Sonderanfertigung mindestens eine Person benannt und qualifiziert werden muss, so dass sie ihre Aufgaben erfüllen kann. Für Dienstleistungsprozesse im Sanitätsfachhandel, bei der Anpassung von Bandagen und CE-gekennzeichneten Orthesen sowie im Homecare-Bereich und in der Reha wird die verantwortliche Person nicht benötigt“, so Kaltenbach.
Besondere Anforderungen an einzelne Akteure
Besondere Anforderungen bringt die MDR auch für Hersteller, Sonderanfertiger und Händler-Importeure sowie Bevollmächtigte mit sich. Auf die speziellen Fragen, die aus diesem Bereich immer wieder geäußert werden, hat die Confairmed GmbH reagiert und drei Kurzwebinare in ihr MDR-Seminarprogramm aufgenommen. Um „Spezielle Anforderungen an das QM-System von Herstellern“, „Spezielle Anforderungen an Sonderanfertiger“ sowie „Spezielle Anforderungen an Händler-Importeure und Bevollmächtigte“ dreht es sich jeweils am am 25. Mai. Alle drei Seminare sind einzeln buchbar. Den größten Informationsbedarf bei der passgenauen Umsetzung der MDR bei den einzelnen Akteuren im Markt sieht Referent Roland Weghorn in folgenden Punkten: „Neue Händlerpflicht: Nicht konforme Produkte dürfen nicht mehr verkauft werden (Pflicht zur Produktkontrolle), Händlerpflicht zur Nachweisführung der Konformität aller Handelsprodukte, proaktives Verfahren zur Marktbeobachtung bei Herstellern/Sonderanfertigern, 100-prozentige Rückverfolgbarkeit im B2B-Bereich (zwischen Wirtschaftsakteuren/Gesundheitseinrichtungen) für Handelsware, Wirkung des Einsatzes von Normen (ISO 9001, 13485).“ Wo die Akteure vertiefende Hilfen benötigen, fasst Roland Weghorn zusammen: „Materialien seitens der Innungsverbände zur klinischen Bewertung von Sonderanfertigungen (produktspezifische Risikoanalysen, Literatur-Recherche), Unterstützung durch die ERPHersteller, wie obige neue Anforderungen in den Systemen umgesetzt werden können (manche Hersteller äußern sich hierzu nicht einmal), unterstützendes System zur Nachweisführung der Konformität aller Handelsprodukte sowie Unterstützung beim Aufbau eines Systems nach ISO 13485:2016 zur Nachweisführung, dass die Anforderungen der MDR (zumindest in Bezug auf das QM-System) eingehalten werden.“
Pünktlich zum 26. Mai sollten die Betriebe ihre Anpassung an die MDR in trockenen Tüchern haben: „Sofern es nicht Corona-bedingt zu einer erneuten Verschiebung kommt, tritt ab dem 26. Mai die MDR endgültig verbindlich in Kraft. Insofern sollte dann alles bereit sein“, gibt Axel Sigmund den Betrieben mit auf den Weg. „Für alle Hersteller, die bisher noch kein QM-System in ihren Betrieben haben, empfehlen wir dringend jetzt mit der Einführung zu beginnen. Alle anderen sollten noch ausreichend Zeit für die Überarbeitung und Anpassung ihres vorhandenen QM-Systems haben.“
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