2. Betriebs­be­fra­gung zu Corona-Auswirkungen

Das Virus SARS-CoV-2 beeinflusst große Bereiche des Lebens in der Bundesrepublik noch immer nachhaltig. Auch wenn Krankenhäuser und Arztpraxen ihre Leistungen langsam wieder hochfahren: Sanitätshäuser und orthopädie-technische Betriebe arbeiten nach wie vor unter schwierigen Bedingungen, um die Versorgung der Bevölkerung mit Hilfsmitteln zu sichern. Die zweite Befragung des Bundesinnungsverbands für Orthopädie-Technik (BIV-OT) zu den „Corona-Auswirkungen 2020“ unter Mitgliedsbetrieben im Mai ergab: Die für die Patientenversorgung notwendige Verfügbarkeit von persönlicher Schutzausrüstung hat sich deutlich verbessert allerdings erleben die Unternehmen fortlaufende hohe Umsatz- sowie Auftragseinbrüche.

„Die Gefahr, dass mit der Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung ein rele­van­tes Seg­ment des Gesund­heits­we­sens kol­la­biert, ist nicht gebannt. Die Situa­ti­on ist noch weit von einer Nor­ma­li­tät ent­fernt“, kon­sta­tiert BIV-OT-Prä­si­dent Alf Reu­ter, der 14 Lan­des­in­nun­gen und mehr als 2.500 Haupt­be­trie­be mit ins­ge­samt rund 40.000 Beschäf­tig­ten ver­tritt. Das zei­ge die aktu­el­le Befra­gung zu den Aus­wir­kun­gen der Coro­na-Kri­se auf die Bran­che, an der zwi­schen dem 4. und 10. Mai 2020 bun­des­weit 357 Mit­glieds­be­trie­be des BIV-OT teil­ge­nom­men haben (1. Befra­gungs­wel­le im April: 599 Betrie­be). Ins­ge­samt habe sich die Lage im Ver­gleich zur ers­ten Befra­gung zwar ver­bes­sert, so Reu­ter: „Die Häu­ser haben sich mit hohem Enga­ge­ment auf die Ver­sor­gung unter schwie­ri­gen Bedin­gun­gen ein­ge­stellt, bei­spiels­wei­se per­sön­li­che Schutz­aus­rüs­tung (PSA) beschaf­fen kön­nen. Hier haben unse­re die gemein­sa­men Anstren­gun­gen vom GKV-Spit­zen­ver­band und uns bzgl. der Ver­wal­tungs­ver­ein­fa­chun­gen gut gegrif­fen. Aller­dings machen mir die hohen Ein­brü­che bei der Auf­trags­la­ge wei­ter Sor­gen. Hier sieht man deut­lich, dass der nor­ma­le Kli­nik­be­trieb nicht zum Nor­mal­be­trieb über­ge­hen konn­te und auch die Arzt­be­su­che und Ver­ord­nun­gen der nie­der­ge­las­se­nen Ärz­te noch deut­lich unter dem Durch­schnitt liegt. Hier droht nach wie vor für vie­le Betrie­be ein finan­zi­el­ler Kol­laps. Auch das wei­te­re Ver­schie­ben von not­wen­di­gen Ver­sor­gun­gen kommt an sei­ne Gren­zen – wenn das wei­ter so geht lau­fen wir Gefahr, dass Pati­en­ten gesund­heit­li­che Schä­den riskieren.“

Ein­ge­schränkt arbeitsfähig

Auch die Aus­wer­tung der zwei­ten Befra­gung zu den Coro­na-Aus­wir­kun­gen im Mai ergab in etli­chen Betrie­ben kei­ne vol­le Arbeits­fä­hig­keit in den ver­schie­de­nen Ver­sor­gungs­seg­men­ten. Indes stell­ten sich die Ein­schrän­kun­gen weni­ger aus­ge­prägt dar als bei den Ant­wor­ten im April. Die Anga­ben, wel­che Berei­che im Unter­neh­men „eher bzw. voll arbeits­fä­hig“ sind, lau­te­ten bei den befrag­ten Unter­neh­men wie folgt: Sani­täts­haus 63,5 Pro­zent (Anga­be bei 1. Befra­gung: 42,5); Ortho­pä­die-Tech­nik 62,1 Pro­zent (1. Befra­gung: 48,5 Pro­zent); Ortho­pä­die-Schuh­tech­nik 45,6 Pro­zent (1. Befra­gung: 44,2 Pro­zent); Reha 64,9 Pro­zent (1. Befra­gung: 53,1 Pro­zent); Home Care 64,1 Pro­zent (1. Befra­gung: 47,6 Pro­zent) und Medi­zin­tech­nik 54 Pro­zent (1. Befra­gung: 42,2 Prozent).

Der Man­gel an PSA bleibt ein The­ma in den Häu­sern, frei­lich nicht mehr so aus­ge­prägt und mit ande­ren Schwer­punk­ten. So wur­de feh­len­des Des­in­fek­ti­ons­mit­tel von 45,1 Pro­zent der Befrag­ten als ein Grund benannt, der „aktu­ell oder inner­halb der nächs­ten Woche“ zu Ein­schrän­kun­gen ihrer Lie­fer­fä­hig­keit führt (Anga­be bei 1. Befra­gung: 71,3 Pro­zent) – gefolgt von FFP2/3‑Mundschutz mit 38,94 Pro­zent (1. Befra­gung: 82,3 Pro­zent) und Ein­weg­hand­schu­hen mit 38,94 Pro­zent (1. Befra­gung: 54,1 Pro­zent). In der ers­ten Befra­gung im April führ­te noch der FFP2/3‑Mundschutz das Ran­king an.

Nach wie vor Engpässe

„In den Ant­wor­ten der Betrie­be las­sen sich immer noch Eng­päs­se bei der Ver­sor­gung der Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten able­sen, trotz­dem sich die Sach­la­ge auf vie­len Fel­dern deut­lich ver­bes­sert hat“, stellt BIV-OT-Prä­si­dent Reu­ter fest. „Bei meh­re­ren Pro­dukt­grup­pen (PG) erwies sich die Lie­fer­fä­hig­keit auf­grund feh­len­der Han­dels­wa­re oder Mate­ria­li­en zur Pro­duk­ti­on als ein­ge­schränkt. Das betrifft in beson­ders hohem Maße die zum Ver­brauch bestimm­ten Pfle­ge­hilfs­mit­tel (PG 54), hier scheint sich die Lage im Ver­gleich zur ers­ten Befra­gung gar nicht ent­spannt zu haben.“ Aus­ge­präg­te­re Gefähr­dun­gen der Lie­fer­fä­hig­keit offen­bart die Befra­gung eben­falls bei Inha­la­ti­ons- und Atem­the­ra­pie­ge­rä­ten (PG 14), Pfle­ge­hilfs­mit­teln zur Körperpflege/Hygiene und zur Lin­de­rung von Beschwer­den (PG 51) sowie zur Erleich­te­rung der Pfle­ge (PG 50) und Kran­ken­pfle­ge­ar­ti­keln (PG 19).

Har­te wirt­schaft­li­che Einschnitte

Erneut leg­te die Befra­gung wirt­schaft­li­che Fol­gen der Coro­na-Kri­se für die Unter­neh­men offen, spe­zi­ell Umsatz- und Auf­trags­ein­brü­che. So gaben 92,2 Pro­zent der Befrag­ten an, dass ihr Umsatz im April 2020 im Ver­gleich zum April 2019 abge­nom­men bzw. stark abge­nom­men habe (1. Befra­gung, Ver­gleich März: 82 Pro­zent). Für die Auf­trags­la­ge sag­ten dies 90,3 Pro­zent (1. Befra­gung, Ver­gleich März: 88,8 Pro­zent). „Im Medi­an hat der Umsatz dem­nach um durch­schnitt­lich 30 Pro­zent und die Auf­trags­la­ge im Durch­schnitt um 35 Pro­zent abge­nom­men“, stellt Reu­ter fest. In naher Zukunft wird von den befrag­ten Fir­men eine Bes­se­rung erwar­tet: Im Aus­blick auf den Fol­ge­mo­nat Juni ergab die Befra­gung ein freund­li­che­res Bild, Ein­bu­ßen wer­den im Vor­jah­res­ver­gleich aber wei­ter­hin erwartet.

Reak­tio­nen auf die wirt­schaft­li­chen Rea­li­tä­ten las­sen sich in den Ant­wor­ten auf die Fra­ge „Wel­che Maß­nah­men im Hin­blick auf Ihre Beschäf­tig­ten pla­nen Sie für Ihren Betrieb umzu­set­zen?“ able­sen: 45,1 Pro­zent der befrag­ten Betrie­be pla­nen dem­nach Urlaub für (Tei­le der) Beleg­schaft (1. Befra­gung: 61,4 Pro­zent), 43,7 Pro­zent den Abbau von Arbeits­zeit­kon­ten (1. Befra­gung: 60,3 Pro­zent), 42,02 Pro­zent Kurz­ar­beit, sofern die­se noch nicht umge­setzt wur­de (1. Befra­gung: 70,6 Pro­zent) sowie 12,04 Pro­zent die Kün­di­gung von Mit­ar­bei­tern (1. Befra­gung: 16,4 Pro­zent) und 9,52 Pro­zent zie­hen vor­über­ge­hen­de Betriebs­schlie­ßun­gen (Stand­or­te oder Filia­len) in Erwä­gung (1. Befra­gung: 8,8 Prozent).

Poli­ti­sche Unter­stüt­zung gefragt

„Die Sani­täts­häu­ser und ortho­pä­die-tech­ni­schen Betrie­be arbei­ten wei­ter­hin mit Hoch­druck dar­an, eine qua­li­täts­ge­si­cher­te Ver­sor­gung mit allen not­wen­di­gen Hilfs­mit­teln zu gewähr­leis­ten“, unter­streicht Reu­ter. „Des­halb sind Schlie­ßun­gen nur ein aller­letz­ter Aus­weg, eben­so wie Kün­di­gun­gen.“ Letzt­lich hän­ge vie­les davon ab, wie sich die Ver­sor­gung in den Kran­ken­häu­sern und Arzt­pra­xen in den nächs­ten Wochen ent­wi­ckelt: „Bis­lang sind die meis­ten elek­ti­ven – also plan­ba­ren – ambu­lan­ten und sta­tio­nä­ren Ope­ra­tio­nen ver­scho­ben wor­den, etli­che Arzt­pra­xen hat­ten ihre Arbeit ein­ge­schränkt, genau­so wie Phy­sio­the­ra­peu­ten. Das Gesund­heits­we­sen muss wie­der ‚hoch­fah­ren’ – und vor allem müs­sen die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten wie­der Ver­trau­en fas­sen und in die Pra­xen kom­men. Denn sonst droht eine Ver­schlep­pung nöti­ger Behand­lun­gen inklu­si­ve Fol­ge­schä­den“, so Reuter.

Außer­dem sei die Poli­tik gefragt: „Unse­re Betrie­be müs­sen end­lich deut­lich als sys­tem­re­le­van­ter Kom­plex des Gesund­heits­we­sens benannt wer­den“, betont er. „Eben­so wie Kli­ni­ken, Ärz­te und Heil­mit­tel­er­brin­ger sind auch unse­re Betrie­be ein tra­gen­der Pfei­ler des GKV-Sys­tems und für die qua­li­täts­ge­si­cher­te und flä­chen­de­cken­de Ver­sor­gung unver­zicht­bar. Da kann das Bun­des­mi­nis­te­ri­um in Sachen Schutz­schirms nicht mit zwei­er­lei Maß mes­sen. Denn es gibt noch kei­ne Ent­war­nung. Exper­ten rech­nen mit einer zwei­ten Coro­na-Wel­le im Herbst. Dann soll­ten nicht Feh­ler ein zwei­tes Mal pas­sie­ren. Man darf die Sicher­heit der Ver­sor­gung nicht fahr­läs­sig gefährden.“

Um die wei­te­ren Aus­wir­kun­gen der Coro­na-Kri­se auf die Bran­che zu doku­men­tie­ren, wird die Befra­gung der Mit­glieds­be­trie­be des BIV-OT fort­ge­setzt. Die drit­te Befra­gungs­wel­le wird ab 01. Juni bis ein­schließ­lich 14. Juni stattfinden.

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