Arm­pro­the­sen – zwi­schen dezent und auffällig

Für den einen ist nur die Funktion entscheidend. Der andere traut sich mit Blick auf die neue Prothese nicht aus dem Haus, fühlt sich unwohl, zu groß ist die Angst vor den Blicken Fremder, zu groß ist die Angst, sich selbst zu verlieren. Ästhetik oder Optik gelten oft als nice-to-have, dabei sind sie für viele Prothesenträger:innen ein absolutes must-have, identitätsstiftend und ein entscheidender Faktor für Lebensqualität und Teilhabe.

Der gro­ße Boom an Arm­pro­the­sen kam nach den bei­den Welt­krie­gen. Die Funk­ti­on stand hier im Fokus, schließ­lich muss­ten die Betrof­fe­nen schnellst­mög­lich wie­der ihren All­tag bestrei­ten kön­nen. Mit der Zeit kamen Pro­the­sen dank mecha­ni­scher Greif­kom­po­nen­ten mehr und mehr an die Phy­sio­lo­gie, an die natür­li­che Optik einer Hand ­her­an, spä­ter dann durch die Wei­ter­ent­wick­lung der tra­di­tio­nel­len mecha­ni­schen zur myo­elek­tri­schen Pro­the­se sowie durch die Ent­wick­lung mul­ti­ar­ti­ku­lie­ren­der Hände.

Als Boris Bert­ram, Lei­tung Arm­pro­the­tik und Sili­kon­la­bor am Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Hei­del­berg, sich vor 14 Jah­ren in die­sem Bereich spe­zia­li­sier­te, waren unauf­fäl­li­ge Arm­pro­the­sen mit haut­far­be­ner Optik der dama­li­ge Stan­dard – gezwun­ge­ner­ma­ßen, denn die Her­stel­ler boten ledig­lich die­se an. Mit der Zeit wur­den Ange­bot und Nach­fra­ge nach auf­fäl­li­gen, indi­vi­du­el­len Pro­the­sen grö­ßer – und sind mitt­ler­wei­le so groß wie nie. Für den Ortho­pä­die­tech­ni­ker ist das aber auch eine Fra­ge des Kul­tur­krei­ses. Wäh­rend im ara­bi­schen Raum eher pysio­lo­gi­sche, rea­lis­ti­sche und unauf­fäl­li­ge Pro­the­sen gewünscht sind, tra­gen Betrof­fe­ne im anglo­ame­ri­ka­ni­schen Raum selbst­be­wusst auf­fäl­li­ge, beson­ders tech­nisch aus­se­hen­de Lösun­gen. Den zuneh­men­den Trend von Natür­lich­keit zum Hin­gu­cker beob­ach­tet Bert­ram unter­des­sen in Deutsch­land und begrüßt die­se Ent­wick­lung: Vie­le Patient:innen möch­ten ihre Ver­sor­gung nicht mehr ver­ber­gen, son­dern wer­den zuneh­mend selbst­be­wuss­ter. Auch wenn Funk­tion und Pass­form an ers­ter Stel­le ste­hen, stellt laut „Qua­li­täts­stan­dard im Bereich Pro­the­tik der obe­ren Extre­mi­tät“ eben­so das Ver­mei­den bzw. Redu­zie­ren von psy­chi­scher Belas­tung und Stig­ma­ti­sie­rung eine zen­tra­le Funk­ti­on dar. Eine Auf­ga­be, die zudem im Sozi­al­ge­setz­buch IX ver­an­kert ist. Dort heißt es unter §4: „Die Leis­tun­gen zur Teil­ha­be umfas­sen die not­wen­di­gen Sozi­al­leis­tun­gen, um unab­hän­gig von der Ursa­che der Behin­de­rung die per­sön­li­che Ent­wick­lung ganz­heit­lich zu för­dern und die Teil­ha­be am Leben in der Gesell­schaft sowie eine mög­lichst selb­stän­di­ge und selbst­be­stimm­te Lebens­füh­rung zu ermög­li­chen oder zu erleich­tern.“ Bert­ram weiß: „Aus ortho­pä­die­tech­ni­scher Sicht ste­hen Pass­form und Funk­ti­on ins­be­son­de­re bei außer­ge­wöhn­li­chen Gestal­tungs­wün­schen immer im Vor­der­grund. Jede Spie­le­rei muss in ers­ter Linie funk­tio­nie­ren.“ Aus Pati­en­ten­sicht kann, muss aber die Funk­ti­on nicht Prio­ri­tät sein. Manch­mal läuft ihr die Ästhe­tik den Rang ab. Dann heißt es unter Umstän­den, Kom­pro­mis­se zu schlie­ßen. „Die Iden­ti­fi­ka­ti­on mit dem Hilfs­mit­tel ist uns wich­tig“, betont Bert­ram. „Wer sei­ne eige­nen Wün­sche in das Hilfs­mit­tel ein­flie­ßen las­sen kann, macht das Hilfs­mit­tel zu sei­nem Hilfsmittel.“

Vor­bei soll­ten die Zei­ten sein, in denen Betrof­fe­ne aus Angst und Scham nicht die eige­nen vier Wän­de ver­las­sen wol­len. Beson­ders Kin­dern lässt sich mit bun­ten Far­ben, Mus­tern und Co. ein Lächeln auf das Gesicht zau­bern. Bert­ram erin­nert sich an ein jun­ges Mäd­chen, das einen selbst­ge­zeich­ne­ten Stern auf ihrer Pro­the­se haben woll­te. Die­sem Wunsch kam das Team nur zu gern nach. Eben­so der Vor­la­ge einer ande­ren, Design stu­die­ren­den Pati­en­tin, deren Modell über schwarz-wei­ße Kon­tu­ren und eine inte­grier­te Smart­watch ver­füg­te. Die­se Zeich­nung ver­such­ten die Kolleg:innen eins zu eins umzu­set­zen. Alles, was man am Kör­per trägt, ist für ihn letzt­lich auch Ästhe­tik, sagt der Ortho­pä­die­tech­ni­ker, der sei­ne Bril­le auch nicht nur nach Kas­sen­preis, son­dern nach Optik aus­ge­wählt hat. Ande­re gehen viel­leicht sogar nach Tages­out­fit und besit­zen ver­schie­de­ne Model­le zum Tau­schen, ändern ihre Fri­sur, ihre Kra­wat­ten­far­be etc. Ist das eben­falls in der Pro­the­tik gang und gäbe? „Es wäre schön, wenn immer­hin die funk­tionellen Wech­sel, also zum Bei­spiel unter­schied­li­che Greif­kom­po­nen­ten für ver­schie­de­ne Auf­ga­ben, zu weni­ger Dis­kus­sio­nen mit den Kran­ken­kas­sen füh­ren wür­den“, erklärt Bert­ram. Für Kin­der wer­den in Hei­del­berg opti­sche Wech­sel mit ver­schie­de­nen Tex­til­über­zü­gen bereits ange­bo­ten. Auch funk­tio­nel­le Cover­wech­sel fin­den statt, etwa um Patient:innen die Mög­lich­keit zu geben, über ihre Sili­kon­kos­me­tik zwecks Arbeit ein robus­tes und schüt­zen­des Faser­ver­bund­co­ver zu legen. Abseits des Stan­dards wür­den sol­che Extra­wün­sche aber meist von den Kran­ken­kas­sen abge­lehnt. Gemäß dem Mot­to „Alles für den Pati­en­ten“ leh­ne sich das Team jedoch manch­mal wei­ter aus dem Fens­ter und ver­su­che, die Kas­sen zu über­zeu­gen. Begrün­den lässt sich das nicht zuletzt mit der Com­pli­ance. „Es geht immer um die Indi­vi­dua­li­sie­rung und die Iden­ti­fi­ka­ti­on mit dem Hilfs­mit­tel. Die Pati­en­ten müs­sen sich wohl­füh­len“, so Bert­ram. „Für schön sind wir nicht zustän­dig, nur für die Funk­ti­on“, ein Argu­ment, das er bei der Ableh­nung einer Ver­sor­gung regel­mä­ßig von Kran­ken­kas­sen zu hören bekommt. Ins­be­son­de­re phy­sio­lo­gi­sche Kos­me­ti­ken oder Fin­ger­pro­the­sen wür­den mit Ver­weis dar­auf sel­ten geneh­migt. Dabei ist die Optik für vie­le Patient:innen aber genau das: eine Funk­ti­on bzw. die für sie wich­tigs­te Funk­ti­on. Eine Funk­ti­on, die Teil­ha­be ermög­licht. „Wenn ein ­Pati­ent das Haus ohne eine ästhe­tisch anspre­chen­de Pro­the­se nicht ver­las­sen kann, kann er nicht teil­ha­ben.“ Und: Fin­ger­pro­the­sen haben zusätz­lich immer etwas Funk­tionelles, ver­grö­ßern die Hand­flä­che und ver­bes­sern die Greif­funk­ti­on, machen das Tip­pen am PC mög­lich. Eine Umfra­ge unter Träger:innen von E. Biddiss und T. Chau aus 2007 ergab, dass eine unzu­rei­chen­de Ästhe­tik abseits von Pass­form und Co. sogar ein Aus­schluss­kri­te­ri­um für das Tra­gen einer Pro­the­se sein kann. Bert­ram wünscht sich ­daher sei­tens der Kran­ken­kas­sen mehr Offen­heit, weiß aber auch, dass nicht jeder Wunsch eines Pati­en­ten erfüllt wer­den kann und soll­te. Er rät des­we­gen dazu, abzu­wä­gen, wel­cher Auf­wand für die Soli­dar­ge­mein­schaft ver­träg­lich ist. Denn im Gegen­satz zu 3D-gedruck­ten Pro­the­sen­co­ver für die unte­ren Extre­mi­tä­ten han­delt es sich bei sol­chen für die obe­ren i. d. R. um Son­der­an­fer­ti­gun­gen, deren Her­stel­lung mehr Auf­wand benö­tigt und damit mehr Kos­ten verursacht.

„Muss es denn aus­se­hen wie eine Hand?“

Müs­sen es eigent­lich immer fünf Fin­ger sein, oder sind dar­über hin­aus Pro­the­sen abseits der mensch­li­chen Phy­sio­lo­gie gewünscht und mach­bar? Sel­ten und ja. „Muss es denn aus­se­hen wie eine Hand? Wir stel­len die­se Fra­ge sehr offen­siv.“ Auch hier rich­tet sich die Ver­sor­gung in ers­ter Linie nach der Funk­ti­on. Wozu wird die Hand oder wozu wer­den die Fin­ger benö­tigt? Wel­che Anzahl braucht es? Vier Fin­ger kön­nen bei einer Teil­hand­ver­sor­gung sinn­voll sein, wenn zum Bei­spiel ein kom­plet­ter Strahl ent­fernt wur­de und die Hand somit erheb­lich schlan­ker ist. Durch den Ver­zicht auf einen Fin­ger pas­sen die Dimen­sio­nen bes­ser, auch wenn die Hand­schuh­wahl, etwa im Win­ter, dadurch nicht not­wen­di­ger­wei­se ver­ein­facht wird.

Denkt der OTler an sei­ne Patient:innen zurück, fällt ihm ein jun­ger Mann ein, der nur Dau­men und klei­nen Fin­ger hat­te. Gemein­sam ent­schie­den sie sich, Zei­ge- bis Ring­fin­ger mit einer gro­ßen Greif­flä­che aus­zu­glei­chen. Schwim­men und Hand­ball­spie­len stel­len seit­dem kein Pro­blem mehr dar. Zusätz­li­ches Plus: Es war genug Platz für blaue Kro­ko­di­le auf der grün gestal­te­ten Prothese.

Für einen wei­te­ren Pati­en­ten mit nur einem Fin­ger fer­tig­te Bert­ram eine Pro­the­se mit ver­stell­ba­rem Dau­men, sodass der Trä­ger Gegen­stän­de fest­hal­ten und ein­klem­men konn­te. Zudem konn­te er den Dau­men weg­klap­pen, um sei­nen eigent­li­chen Fin­ger frei bewe­gen und unein­ge­schränkt tas­ten zu kön­nen. „Das sah wild aus, war ganz weit weg von einer klas­si­scher Hand­pro­the­se“, erzählt Bert­ram. Klingt nach Aus­nah­me, ist im Hau­se aber durch­aus Alltag.

Egal ob Imi­ta­ti­on der Haut­far­be, opti­sche Nach­bil­dung von Venen, Haa­ren oder Som­mer­spros­sen: Was körper­liche Merk­ma­le betrifft, ist der Gestal­tungs­spiel­raum groß. Gren­zen sind bei Haut­ver­än­de­run­gen wie zum Bei­spiel Som­mer­bräu­ne oder Durch­blu­tungs­si­tua­tio­nen wie Bläs­se oder Rötung erreicht. Ansons­ten gilt für Bert­ram: kei­ne poli­ti­schen, men­schen­ver­ach­ten­den und dis­kri­mi­nie­ren­den Moti­ve, kei­ne Gefähr­dung der Sicher­heit (z. B. durch Ein­griff in Ener­gie­ma­nage­ment, um ein Han­dy zu laden) und kei­ne Waf­fen. Ob tat­säch­lich zusätz­li­ches Gewicht, wie bei einem Smart­phone, ein­ge­baut wer­den soll, muss mit den Patient:innen bespro­chen werden.

Der OTler macht im Gespräch häu­fig die Erfah­rung, wie wich­tig eine ganz­heit­li­che Auf­klä­rung ist. „Ich dach­te, es gibt nur Haut­far­be“, stell­te eine Pati­en­tin über­ra­schend beim Anblick der bun­ten Model­le im Show­room fest. „Wir ermun­tern die Pati­en­ten dazu, selbst­be­wusst aufzu­treten und ihre kör­per­li­che Ein­schrän­kung bzw. die Pro­the­se nicht zu ver­ste­cken. Zumin­dest möch­ten wir ihnen die Opti­on dazu geben.“ Und das kann u. a. der klas­sisch coo­le Car­bon­look sein, Mus­ter mit Steam­punk in Holz­op­tik samt Mes­sing­ele­men­ten oder auch eine auf­wen­dig gefer­tig­te, bun­te Unter­arm­pro­the­se im 60er-Jah­re-Hip­pie-Stil mit Bul­li dar­auf. Alles mach­bar. Alles schon gemacht.

Held auf dem Schulhof

Bei Kin­dern sind neben Far­ben vor allem Moti­ve aus Lieb­lings­se­ri­en und ‑comics oder Logos von Fuß­ball­ver­ei­nen beliebt. Ande­re Kund:innen beka­men Ver­zie­run­gen mit Strass­stei­nen, einen Ein­steck­schacht für USB-Sticks oder eine Smart­watch inte­griert. Viel Spaß berei­te­te dem Ortho­pä­die­tech­ni­ker die Fer­ti­gung einer Pro­the­se für einen Che­mi­kan­ten mit Fore­quar­te­ram­pu­ta­ti­on. In den Unter­arm arbei­te­te er die Struk­tur­for­mel für das Glücks­hor­mon Sero­to­nin ein und ergänz­te einen USB-Port im Ober­arm­seg­ment mit Klap­pe für Kabel, Stick oder Power­bank. Ein Blue­tooth-Laut­spre­cher peppt das Modell eines blin­den Jun­gen auf, der damit stets auf sei­ne Hör­spie­le zugrei­fen kann. „Egal wie, Haupt­sa­che geil“, war der Wunsch eines ande­ren Pati­en­ten, der mit Stolz sei­ne Arm­pro­the­se inklu­si­ve inte­grier­tem Smart­phone trägt und der „Held auf dem Schul­hof“ ist; sogar die Lokal­zei­tung berich­te­te über ihn. „Es sind ­wil­de Din­ge mög­lich. Das macht viel Spaß. Für alle Betei­lig­ten ist es ein Hin­gu­cker“, beschreibt Bert­ram sei­nen Beruf mit Herzblut.

Super­held oder aber bemit­lei­dens­wer­tes Wesen? Gibt es nur die­se zwei Optio­nen? Die Gesell­schaft setzt Men­schen mit Behin­de­run­gen oft­mals einen Stem­pel auf, berich­te­te jüngst René Schaar, Gleich­stel­lungs­be­auf­trag­ter des Nord­deut­schen Rund­funks (NDR) im Gespräch mit der OT. ­Sei­ner Mei­nung nach sind jedoch bei­de Auf­fas­sun­gen falsch. Weder der mit Bedro­hung asso­zi­ier­te Begriff Cyborg noch der Behin­der­te, dem die Kom­pe­tenz abge­spro­chen wird, sind auch für Prof. Dr. Ber­tolt Mey­er, Pro­fes­sor für ­Arbeits‑, Orga­ni­sa­ti­ons- und Wirt­schafts­psy­cho­lo­gie an der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät (TU) Chem­nitz und High­tech-Pro­the­sen­hand­trä­ger, das Ziel.

Kön­nen moder­ne, tech­nisch aus­se­hen­de Pro­the­sen also das nach wie vor vor­han­de­ne Stig­ma einer Behin­de­rung kom­pen­sie­ren, oder ver­stär­ken sie das Anders­sein? ­„Unkon­ven­tio­nel­le Arm­pro­the­sen wer­den unse­rer Erfah­rung nach eher posi­tiv bewer­tet. Sie haben den Wow-Fak­tor. Das bestärkt unse­re Pati­en­ten dar­in, ihre Pro­the­se selbst­be­wusst und mit Stolz zu tra­gen“, berich­tet Bert­ram. Was die Gesell­schaft dage­gen eher irri­tie­re: auf natür­lich gemach­te Pro­the­sen, die beim nähe­ren Betrach­ten dann doch als sol­che erkannt wer­den. „Das kann Ableh­nung för­dern und man ver­fällt wie­der auf die Mit­leids­schie­ne“, beschreibt er das Phä­no­men „Uncan­ny Val­ley“, also den para­do­xen Effekt in der Akzep­tanz dar­ge­bo­te­ner simu­lier­ter Figu­ren bei Zuschauer:innen. Dem­nach wird bei stei­gen­dem Grad an Rea­lis­mus von künst­li­chen Figu­ren ein bestimm­ter Punkt erreicht, an dem die Figur nicht mehr als rea­lis­tisch akzep­tiert wird. Statt­des­sen löst der Anblick Unbe­ha­gen aus. Aber egal, ob hoch­tech­nisch aus­se­hen­de oder auf natür­li­che Optik gemach­te Pro­the­se: Der Ortho­pä­die­tech­ni­ker sieht in der unter­schied­li­chen Wahr­neh­mung ein „gesell­schaft­li­ches Grund­satz­pro­blem einer man­gel­haf­ten Akzep­tanz von Andersartigkeit“.

Qua­li­täts­stan­dard darf nicht leiden

Auch wenn Addi­ti­ve Fer­ti­gung in der OT-Bran­che grund­sätz­lich immer mehr Fahrt auf­nimmt, sprin­gen Bert­ram und sein Team auf die­sen Zug nur behut­sam auf. Denn noch ist die Tech­nik für sie in die­sem Bereich nicht aus­ge­reift. „Der Qua­li­täts­stan­dard und die Belas­tungs­fä­hig­keit dür­fen nicht lei­den“, betont er. „Nur weil etwas per 3D-Druck her­ge­stellt wur­de, ist es nicht auto­ma­tisch bes­ser.“ Es gibt Limi­ta­tio­nen – und die betref­fen vor allem Sta­bi­li­tät und Gewicht. Eine Sili­kon­kos­me­tik bei­spiels­wei­se sei hygie­nisch viel bes­ser auf­zu­be­rei­ten als ein gedruck­ter Schaft, Faser­ver­bund mecha­nisch viel belast­ba­rer. „Fle­xi­bi­li­tät und Ästhe­tik von Sili­kon sind uner­reicht. Da kommt kein ande­res Ver­fah­ren her­an.“ Und den­noch: Digi­ta­le Ver­fah­ren ermög­li­chen laut Bert­ram grund­sätz­lich vie­le neu­ar­ti­ge Wege. Dabei weist er ins­be­son­de­re auf deren Ein­satz für eigens ent­wi­ckel­te, indi­vi­du­el­le Son­der­kon­struk­tio­nen und Pass­tei­le hin, die u. a. den Habi­tus durch Ver­stell­bar­keit unter­stüt­zen können.

Wo könn­te die Rei­se künf­tig hin­ge­hen? „Ich wür­de mir noch bes­se­re, noch kräf­ti­ge­re, robus­te­re Greif­kom­po­nen­ten oder eigens ent­wi­ckel­te, indi­vi­du­el­le Son­der­kon­struk­tio­nen wün­schen“, bekennt Bert­ram, der die Funk­tion ­ges­tern wie heu­te wie mor­gen im Zen­trum jeder Ver­sor­gung sieht. Und mit Blick auf Ästhe­tik? Dabei denkt der Or­thopädietechniker vor allem an neue Lösun­gen für Hand­schu­he, die übli­cher­wei­se auf­grund von Ver­un­rei­ni­gun­gen und Ris­sen nicht all­zu lang­le­big sind. „Es gibt Kunst­stof­fe, die Ris­se selbst wie­der ver­schlie­ßen kön­nen. Das wäre span­nend für Über­zü­ge.“ Nach heu­ti­gem Stand sind die­se aber noch nicht fle­xi­bel genug für die Her­stel­lung von Pro­the­sen. Aber viel­leicht in 30 Jahren?

Pia Engel­brecht

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