Was ist New Work?

New Work – diese zwei Wörter haben Führungskräfte, Entscheider und Personalverantwortliche in vielen Branchen schon häufiger gehört. Doch was bedeutet eigentlich diese „Neue Arbeit“?

Gibt man das Begriffs­paar bei der größ­ten Such­ma­schi­ne im Inter­net in das Such­feld ein, dann erhält man unfass­ba­re 25 Mil­li­ar­den Tref­fer. Das heißt, dass ent­we­der vie­len Men­schen New Work abso­lut ver­ständ­lich ist und sie des­halb Inhal­te im World Wide Web ver­brei­ten, oder dass es Unsi­cher­hei­ten dar­über gibt, was denn nun New Work eigent­lich ist. Betrach­tet man die ein­zel­nen Tref­fer, dann kommt man zügig zu der Erkennt­nis, dass es zu dem The­ma Erklä­rungs­be­darf gibt.

Rück­blick

Als Begrün­der der New-Work-Theo­rie gilt Fri­th­jof Harold Berg­mann. Im sach­sen-anhal­ti­ni­schen Wei­ckels­dorf gebo­ren, floh die Fami­lie vor den Natio­nal­so­zia­lis­ten zunächst nach Öster­reich. Nach der Matu­ra ging Berg­mann in die USA, wo er stu­dier­te und anschlie­ßend lehr­te. Dort ent­wi­ckel­te er auch sei­ne New-Work-Theo­rie, deren zen­tra­le Wer­te Selbst­stän­dig­keit, Frei­heit und Teil­ha­be an Gemein­schaft sein soll­ten. Berg­mann hat­te sich in sei­ner Zeit als Phi­lo­so­phie-Pro­fes­sor aus­gie­big mit dem The­ma Arbeit aus­ein­an­der­ge­setzt. Als Wen­de­punkt kann man Berg­manns Erfah­run­gen in Flint bezeich­nen. Dort woll­te Gene­ral Motors, der Auto­mo­bil­pro­du­zent, die Hälf­te sei­ner Beleg­schaft ent­las­sen. Berg­mann, der neben sei­ner Pro­fes­sur auch in der Auto­fa­brik – oder wahl­wei­se als Preis­bo­xer – arbei­te­te, schlug eine Lösung in eine ganz ande­re Rich­tung vor. Statt 50 Pro­zent der Mit­ar­bei­ten­den zu ent­las­sen, soll­te die kom­plet­te Beleg­schaft nur jeweils sechs Mona­te im Jahr arbei­ten und die ande­ren sechs Mona­te in dem von Berg­mann gegrün­de­ten „Zen­trum für Neue Arbeit“ dar­über nach­den­ken, wel­che Arbeit sie „wirk­lich, wirk­lich will“. Berg­mann stell­te damit das Sys­tem der Lohn­ar­beit infra­ge und prä­sen­tier­te mit New Work auch gleich einen Gegen­ent­wurf. „Nicht wir soll­ten der Arbeit die­nen, son­dern die Arbeit soll­te uns die­nen“, heißt es in sei­nem Buch „Neue Arbeit, neue Kul­tur“. Kurz­um: Statt stumpf Arbeits­kraft gegen Geld zu tau­schen, soll Arbeit nun erfül­lend sein.

Ent­wick­lung

Fri­th­jof Berg­mann for­mu­lier­te sei­ne The­sen zur Neu­en Arbeit in den 1970er-Jah­ren. Lan­ge Zeit war die­se Theo­rie nicht pra­xis­taug­lich und des­halb auch eher ein – fast schon mys­ti­sches – Ziel im Bereich der Arbeits­or­ga­ni­sa­ti­on. Doch die Idee war nun ein­mal in der Welt und es arbei­te­ten sich im Lau­fe der Zeit immer mehr Men­schen dar­an ab und for­mu­lier­ten ihre eige­nen Aus­prä­gun­gen und Defi­ni­tio­nen von New Work. Ein Ergeb­nis davon ist, dass sich Arbeitnehmer:innen mehr Fle­xi­bi­li­tät im Beruf wün­schen, um die Arbeit, die sie machen, auch ger­ne zu machen. Das beginnt bei der Arbeits­zeit. Nicht erst seit der Gene­ra­ti­on Z gehört das Gleit­zeit­mo­dell zum Reper­toire in vie­len Unter­neh­men. Es schafft nicht nur mehr Fle­xi­bi­li­tät für Arbeitnehmer:innen, ihren All­tag zu gestal­ten, um bei­spiels­wei­se Fami­lie und Beruf zu ver­ei­nen, son­dern es trägt auch dazu bei, dass die Mit­ar­bei­ten­den leis­tungs­fä­hi­ger sind – Stich­wort „Eulen“ und „Ler­chen“. Denn: Nicht jeder Arbeit­neh­men­de ist früh­mor­gens bereit, vol­ler Ener­gie in den Arbeits­tag zu star­ten, ande­re wie­der­um müs­sen um die Mit­tags­zeit ihre Akkus wie­der auf­la­den. Ganz aktu­ell schlägt etwa Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lau­ter­bach vor, dass man sich, um der erwart­ba­ren extre­men Hit­ze in den kom­men­den Jah­ren bes­ser zu begeg­nen, an Län­dern aus dem Süden ori­en­tiert und mit­tags eine län­ge­re Pau­se macht. Die­ser Vor­schlag ist – auch unter Mediziner:innen – nicht ganz unum­strit­ten, wür­de aber grund­sätz­lich eine fle­xi­ble­re Arbeits­zeit­ge­stal­tung vor­aus­set­zen, um es über­haupt in Erwä­gung zu ziehen.

Wäh­rend vor der Coro­na­pan­de­mie das The­ma Home­office bei vie­len Fir­men noch auf gro­ßen Wider­stand traf, ist zumin­dest die Bereit­schaft gestie­gen, einen Teil der Arbeits­zeit in den eige­nen vier Wän­den zu gestal­ten. Im Jahr 2022 waren es laut Sta­tis­ti­schem Bun­des­amt rund 25 Pro­zent aller Beschäf­tig­ten, die teil­wei­se oder ganz im Home­of­fice arbei­te­ten. Die Zah­len zei­gen aber auch, dass die Bereit­schaft, im Home­of­fice arbei­ten zu wol­len und auch zu kön­nen, je nach Bran­che stark vari­iert. Im Bereich der IT-Dienst­leis­tun­gen arbei­ten drei von vier Beschäf­tig­ten von zu Hau­se aus. Im Gesund­heits­we­sen dage­gen nur 6,6 Pro­zent aller Ange­stell­ten. Die­se Zahl zeigt, dass New Work kein Kon­zept ist, das sich mit fes­ten Leit­li­ni­en über jede Bran­che glei­cher­ma­ßen stül­pen lässt. Viel­mehr müs­sen Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen im Dia­log schau­en, wie sich die Bedin­gun­gen von bei­den Sei­ten so anpas­sen las­sen, dass gro­ße Zufrie­den­heit herrscht. Dafür gibt es aber mehr Stell­schrau­ben als Gleit­zeit und Homeoffice.

Bei­spiels­wei­se grei­fen eini­ge Arbeit­neh­men­de auf Job­sha­ring zurück. Vor­sicht: Dies ist nicht gleich­zu­set­zen mit einem klas­si­schen Teil­zeit­mo­dell. Denn bei einem Job­sha­ring tei­len sich ver­schie­de­ne Arbeitnehmer:innen eine Arbeits­stel­le und müs­sen die­se selbst­stän­dig orga­ni­sie­ren und die an sie gestell­ten Auf­ga­ben lösen. Dies eröff­net Arbeitnehmer:innen Mög­lich­kei­ten, bedeu­tet für den Arbeit­ge­ben­den aber Sicher­heit. Kon­kret kön­nen sich z. B. zwei Per­so­nen eine Stel­le tei­len. Per­son A kommt mon­tags, diens­tags und jede zwei­te Woche mitt­wochs in die Werk­statt und erle­digt in einem klas­si­schen Acht­stun­den­tag ihre Arbei­ten. Per­son B kommt mitt­wochs bis frei­tags und führt die Arbei­ten fort, ohne dass ein Vor­ge­setz­ter den Sta­tus der Arbei­ten koor­di­nie­ren muss. Oder Per­son A kann auf­grund von Kin­der­be­treu­ung nur vor­mit­tags arbei­ten, Per­son B ist Schüler:in oder Studierende:r und nur in den Nach­mit­tags­stun­den ver­füg­bar – gemein­sam beset­zen sie eine Stel­le, die dem Arbeit­ge­ben­den nützt und ihnen ein zu ihrem Lebens­mo­dell pas­sen­des Arbeits­mo­dell liefert.

Aber nicht nur die Arbeits­zeit, son­dern auch der Arbeits­platz bie­tet Mög­lich­kei­ten zu einer fle­xi­blen Aus­ge­stal­tung. In vie­len Büros wird daher Desk­s­ha­ring betrie­ben. Man kommt rein, setzt sich an einen frei­en Platz und legt sofort los. Dafür müs­sen die tech­ni­schen Vor­aus­set­zun­gen an jedem Arbeits­platz iden­tisch sein, sodass jede und jeder an jedem Arbeits­platz glei­cher­ma­ßen gut arbei­ten kann. Die Vor­tei­le davon lie­gen auf der Hand. Erfah­run­gen, Ideen und Pro­blem­lö­sun­gen kön­nen ein­fa­cher zwi­schen den Arbeitnehmer:innen trans­por­tiert wer­den, da sich die Zusam­men­set­zung der Büros immer wie­der ändert. Außer­dem kön­nen so auch kurz­zei­tig für ein Pro­jekt die teil­neh­men­den Per­so­nen zusam­men­kom­men – ohne grö­ße­ren Zeit- und Res­sour­cen­auf­wand. Auch in der Werk­statt kön­nen Mitarbeiter:innen von die­sem Kon­zept pro­fi­tie­ren. Ana­log zum Desk­s­ha­ring kann man das Work­benchs­ha­ring ein­füh­ren. Aus­zu­bil­den­de kön­nen bei­spiels­wei­se von den ver­schie­de­nen Erfah­run­gen der Gesel­len und Meis­ter pro­fi­tie­ren und anders­her­um neu­es Wis­sen aus der Berufs­schu­le oder Semi­na­ren an die eta­blier­ten Kolleg:innen wei­ter­ge­ben. Eine Win-win-Situa­ti­on, die es mit fes­ten Plät­zen nicht geben wird.

New Digi­tal Work

Natür­lich konn­te in den 1970er-Jah­ren noch nie­mand seri­ös vor­her­sa­gen, wie sich die tech­ni­schen Rah­men­be­din­gun­gen ver­än­dern wür­den. Die Digi­ta­li­sie­rung ist wei­ter­hin voll im Gan­ge und erfasst immer mehr Lebens- und auch Arbeits­be­rei­che. Eine aktu­el­le gemein­sa­me Stu­die des Insti­tuts­teils Wirt­schafts­in­for­ma­tik des Fraun­ho­fer FIT und Fuji­tsu Deutsch­land beschäf­tigt sich des­we­gen mit dem The­ma New Digi­tal Work. Was ist das? „New Digi­tal Work bezeich­net die geziel­te Ver­bin­dung der Vor­tei­le von digi­ta­ler, agi­ler, selbst­be­stimm­ter und fle­xi­bler Arbeit in einer moder­nen Arbeits­ge­stal­tung“, lau­tet die Ant­wort von Dr. Julia Lanzl, Fraun­ho­fer FIT, die mit­ver­ant­wort­lich für die Stu­die war. 65 Füh­rungs­kräf­te wur­den im Rah­men der Stu­die befragt und haben umfas­send geant­wor­tet. Eine Erkennt­nis: Wer als Arbeit­ge­ber jetzt und in der Zukunft attrak­tiv sein will, der muss han­deln. Immer mehr Mit­ar­bei­ten­de for­dern die Neue Digi­ta­le Arbeit ein, wie aus der Stu­die her­vor­geht. In Gesprä­chen im Unter­neh­men haben 61 der 65 Befrag­ten eine hohe Prä­senz des The­mas wahr­ge­nom­men – vor zwei Jah­ren waren es nur 15.

Ins­ge­samt hat das For­schungs­team sie­ben Kern­er­geb­nis­se her­aus­ge­ar­bei­tet, die Trei­ber, aber auch Hin­der­nis­se für New Digi­tal Work benen­nen. Zen­tra­le Trei­ber für den Wan­del sind eine moder­ne Unter­neh­mens­kul­tur und eine Ver­bes­se­rung des Recrui­tin­gs sowie der Mit­ar­bei­ter­bin­dung. Wich­tig ist es, dass nicht nur Zie­le defi­niert wer­den, son­dern auch deren Errei­chen über­prüft wird. „Unse­re Umfra­ge legt nahe, dass New Digi­tal Work auch in den nächs­ten Jah­ren ein rele­van­tes The­ma in Orga­ni­sa­tio­nen blei­ben wird. Denn es ist zu erwar­ten, dass sich die Arbeits­welt auf der Grund­la­ge neu­er Tech­no­lo­gien und gesell­schaft­li­cher Ver­än­de­run­gen auch lang­fris­tig kon­ti­nu­ier­lich wei­ter­ent­wi­ckeln und es zu wei­te­ren tief­grei­fen­den Ver­än­de­run­gen in der Arbeits­ge­stal­tung kom­men wird“, heißt es in den Ergeb­nis­sen der Studie.

Was ist New Work?

New Work ist kein ein­deu­ti­ges Kon­zept. Es ist viel­mehr dar­auf aus­ge­legt, dass die Arbeitnehmer:innen ihre Poten­zia­le erken­nen und ent­fal­ten. Unter­neh­men pro­fi­tie­ren davon, weil sie zufrie­de­ne Arbeitnehmer:innen haben, die ihre Auf­ga­ben mit hoher Moti­va­ti­on erle­di­gen und damit auf ihre Wei­se effi­zi­ent sind. New Work ist übri­gens nicht der berühm­te Obst­korb, den vie­le Unter­neh­men anbie­ten, son­dern eine grund­sätz­li­che Ände­rung. New Work kann nicht von einem auf den ande­ren Tag ver­ord­net wer­den, es benö­tigt einen hohen Rück­halt bei Füh­rungs­kräf­ten wie Beleg­schaft, denn es wer­den eta­blier­te Struk­tu­ren auf­ge­bro­chen. Gera­de jün­ge­re Men­schen sehen in die­sen Ver­än­de­run­gen viel Posi­ti­ves und haben durch Digi­ta­li­sie­rung und Kri­sen der ver­gan­ge­nen Jah­re noch ein­mal laut­stark for­mu­liert, wie sie sich das Neue Arbei­ten vor­stel­len. Wie das am Ende aus­se­hen wird? Die Ant­wort dar­auf liegt in jedem ein­zel­nen Unternehmen.

Hei­ko Cordes

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