OT: Genau wie in der Mode gibt es auch in der Gestaltung von Innenräumen stets Trends. Welche haben Sie für das Jahr 2022 bei der Einrichtung von Ladenlokalen ausgemacht?
Christoph Hafemeister: Es ist immer schwierig Trends an Jahren und Jahreswechseln festzumachen. In diesem Jahr haben wir in der Farbgestaltung jedoch des Öfteren die Bewegung weg von reinem Weiß hin zu einer Kombination von warmen Tönen ausmachen können. Im Zuge dessen wurden auch mehr Naturmotive sowie Holztöne eingesetzt und das Fachgeschäft damit akzentuiert. Auch die Ware auf der Fläche wird stärker reduziert und es wird auf eine qualitativ hochwertigere und bewusstere Präsentation der Ware gesetzt. Wichtig ist dabei jedoch, dass die Einrichtung trotzdem im Großen und Ganzen eine gewisse Zeitlosigkeit mit sich bringt, da die Umbauzyklen im Gegensatz zu anderen Branchen länger sind.
OT: Welche Trends haben Sie bereits jetzt im Blick, die in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen werden?
Hafemeister: Als großes Thema für die kommenden Jahre wird uns klar die Digitalisierung begleiten. Hier vor allem, wie die digitalen Elemente im Verkaufs- und Beratungsprozess unterstützend wirken können und diesen optimieren. Auch der Einsatz von nachhaltigeren Materialien wird zunehmen genauso wie die Modularität der Einrichtung, sowohl in der Optik als auch in der Funktion. Ein weiterer Trend oder eine weitere Entwicklung, die wir beobachten konnten, ist die stärkere Spezialisierung und Fokussierung auf einzelne Warengruppen.
OT: Kommen wir ganz konkret zum Sanitätshaus. Welche grundlegenden Anforderungen muss ein Sanitätshaus im Jahr 2022 erfüllen?
Hafemeister: Grundlegende Anforderungen, die ein Sanitätshaus in der aktuellen Zeit erfüllen muss, sind vor allem die Beratung und Behandlung von Patient:innen. Die Entwicklung geht hier immer stärker in Richtung eines Konzeptes mit allumfassender Versorgung. In dieser Funktion sind sie die Ansprechpartner:innen und Berater:innen, wenn es um die richtigen medizinischen Produkte geht, die den Patient:innen helfen sollen. Dafür ist es enorm wichtig, dass das Sanitätshaus sowohl offline als auch online gut aufgestellt und möglichst barrierefrei ist.
OT: Was ist aus Ihrer Sicht darüber hinaus unerlässlich für einen modernen Auftritt?
Hafemeister: Es gibt verschiedene Punkte, die unerlässlich für den modernen Auftritt eines Sanitätshauses sind. Besonders wichtig dabei ist, dass das Konzept, welches entwickelt wird, zum Unternehmen und zu dessen Ausrichtung passt. Es muss authentisch sein und darf nicht unnatürlich wirken. In dieses Konzept sollten sich auch digitale Elemente nahtlos einfügen und dieses abrunden. Es muss eine Atmosphäre geschaffen werden, in der sich die Kund:innen wohlfühlen und auch sicher. Dies hat besonders Priorität bei sensiblen Produkten und Beratungen. Dies kann zum Beispiel durch ein Duft- und Klangkonzept unterstützt werden.
Bei Digitalisierung auf Stand sein
OT: Stichwort Digitalisierung. Was müssen Planer berücksichtigen, um alle Anforderungen eines digitalen Sanitätshauses zu erfüllen?
Hafemeister: Essenziell für die Planung ist natürlich, dass der Planer erst einmal die verschiedenen Möglichkeiten der Digitalisierung und deren Anbieter am Markt kennt. Das reine Kennen der Möglichkeiten reicht hierbei jedoch nicht aus, der Planer muss auch wissen, wie die digitalen Elemente funktionieren, welche Synergien und Vorteile es beim Einsatz der verschiedenen Elemente gibt und wie diese Elemente schlussendlich zielführend eingeplant und eingebaut werden müssen. Denn nur so kann der größte Nutzen erkannt und ausgeschöpft werden. Hier hilft vor allem eine enge Kommunikation mit den verschiedenen Dienstleistern und ein stetiger Austausch über die neusten Möglichkeiten und deren Nutzen.
OT: Sie arbeiten mit vielen Sanitätshäusern zusammen. Welche Erfahrungen haben Sie mit den Wünschen der Entscheider:innen gemacht?
Hafemeister: Hier hat sich herauskristallisiert, dass viele Entscheider:innen bereits eine gute Vorstellung davon haben, wie die neue Einrichtung aussehen und funktionieren soll. Sollte es noch keine genaue Vorstellung geben, kann aber oftmals gesagt werden, wie es nicht sein soll. Auch dies hilft in der Planungsphase, um schneller an das optimale Ergebnis zu kommen. Die Wünsche der Entscheider:innen sind dabei sehr verschieden. Diese unterscheiden sich regional, nach Größe des Unternehmens und auch danach, welche Kundengruppe vorrangig bedient wird. Grundsätzlich lässt sich jedoch sagen: Je intensiver sich im Vorhinein Gedanken darüber gemacht werden, wofür das Unternehmen und die neue Einrichtung stehen sollen, desto besser werden die Ergebnisse.
OT: Gab es Fälle, in denen Wunsch und Ausgangslage zu weit auseinanderlagen?
Hafemeister: Es kommt vor, dass vor allem am Anfang der Projektphase Wünsche geäußert werden, die mit der Ausgangslage nicht vereinbar sind. Dies betrifft oftmals vor allem das verfügbare Budget und die Wünsche und Vorstellungen, wie das Fachgeschäft nachher aussehen soll. Als Ladenbauer ist es unsere Aufgabe dann die optimale Mitte zu ermitteln, um das bestmögliche Ergebnis mit den zu Verfügung stehenden Mitteln und der Ausgangslage zu erhalten. Auch der Umbauzeitraum und die Dauer eines Projektes spielt hier mit rein, vor allem, wenn neben den Möbeln auch weitere Gewerke mit umgebaut werden sollen.
Achtung, Planungsfalle!
OT: Welche Planungsfallen gibt es für Inhaber:innen?
Hafemeister: Wichtig ist, dass im Vorhinein klar ist, welches Budget für welche Teile des Umbaus zur Verfügung steht. Denn nur so lassen sich eine realistische Einschätzung und Planung erstellen, die den Wünschen entsprechen. Darüber hinaus ist es ungemein wichtig, dass der Inhaber oder die Inhaberin sich seinen oder ihren eigenen Waren- und Zielgruppen bewusst ist und damit entsprechende Prioritäten setzen kann. Nur so kann eine Planung gewährleistet werden, die den Bedürfnissen entspricht und einen Nutzen bringt. Auch hierbei gilt teilweise „weniger ist mehr“. Lieber Schwerpunkte setzen und reduziert Ware präsentieren als alle Produkte in allen Variationen und Farben zu zeigen, die aktuell am Markt verfügbar sind.
OT: Umbau und Erneuerung sind stets mit Kosten verbunden. Welche Argumente haben Sie für einen Ladenumbau und die Investition in einen neuen Auftritt?
Hafemeister: Wenn er richtig gemacht ist, überwiegt der Nutzen die hineingesteckten Investitionen deutlich. Dieser Nutzen ist dabei nicht nur umsatzbasiert, sondern viel breiter gestreut. Durch ein moderneres Auftreten und der gesteigerten Attraktivität des Geschäftes können neue Kundengruppen akquiriert und gewonnen werden. Durch die Optimierung von Prozessen und Arbeitsabläufen in der Umbauphase können zudem Kosten und Zeit eingespart werden. Zudem können z. B. durch neue Techniken und Baumaterialien Energiekosten eingespart werden. Daraus ergibt sich, dass durch einen Umbau sowohl Kosten eingespart als auch Umsatzpotenziale ausgeschöpft werden können. Dies sichert die Wettbewerbsfähigkeit und kann auch der Abwanderung von Kund:innen an Mitbewerber entgegenwirken.
OT: Wie sieht es mit der Benutzung des Ladenlokals während eines Umbaus aus? Gibt es da Möglichkeiten den Betrieb aufrechtzuerhalten oder ist aus ihrer Erfahrung heraus eine kurzzeitige – aber dafür vollständige – Schließung die bessere Alternative?
Hafemeister: Pauschal lässt sich diese Frage nicht beantworten, es kommt darauf an. Aus unserer Sicht als Ladenbauer ist es natürlich immer sinnvoller, wenn es eine Vollschließung gibt und wir das Objekt in einem umbauen können, vor allem so bald weitere Gewerke wie Trockenbau, Elektrik etc. beteiligt sind. Je nach Größe und Umfang der umzubauenden Fläche ist aber auch ein Umbau während des laufenden Betriebes möglich, sofern genügend Ausweichflächen bestehen.
Mitarbeiter:innen mit ins Boot holen
OT: Welche Rolle sollten die Mitarbeiter:innen im Rahmen des Umbaus bzw. der Neugestaltung einnehmen?
Hafemeister: Wir merken immer wieder, dass es sehr wichtig ist, dass Mitarbeiter:innen miteinbezogen werden und Wünsche äußern dürfen. Besonders die Mitarbeitenden haben oftmals noch eine andere Sichtweise auf das Alltagsgeschäft und die Abläufe, die tagtäglich vollzogen werden. Durch die Einbeziehung der Mitarbeiter:innen lassen sich oft Optimierungen dieser Alltagsabläufe erzielen, dies steigert nicht nur die Mitarbeiterzufriedenheit, sondern auch die Effektivität im Alltag. Jedoch sollten diese Anmerkungen und Wünsche immer noch unter den unternehmerischen Gesichtspunkten sowie der strategischen Ausrichtung des Unternehmens bewertet werden.
OT: Haben Sie Erfahrungen damit gemacht, dass ein Chef oder eine Chefin ein Konzept verwirklichen, die Belegschaft aber nicht mitziehen wollte? Und was bedeutet diese Differenz für den Arbeitsalltag?
Hafemeister: Bis dato haben wir so einen Fall noch nicht mitbekommen. Es ist höchstens vorgekommen, dass es Differenzen in der Sichtweise von Abläufen und Prozessen im Arbeitsalltag gab, diese wurden aber im Laufe des Projektes ausgemerzt und es wurde eine Lösung gefunden.
OT: Sanitätshäuser haben manchmal Versorgungsschwerpunkte, wie zum Beispiel in der Brustkrebsversorgung oder für Lympherkrankungen. Vereinfacht so eine Spezialisierung die Gestaltung eines Auftritts oder sorgt es für mehr „Baustellen“, weil nicht das berühmte „Schema F“ zur Anwendung kommen kann?
Hafemeister: Dies stellt keine Problematik dar, sofern vorab die Vorstellungen der Inhaber:innen klar sind und die nötigen Informationen zur Verfügung stehen. Ein „Schema F“ ist generell nur selten und wenn dann nur bis zu einem bestimmten Punkt möglich, da jedes Konzept individuell auf die Anforderungen und Bedürfnisse der Inhaber:innen zugeschnitten ist.
OT: Wie viel Zeit sollten Inhaber:innen einplanen – vom ersten Planungstag bis zur finalen Fertigstellung für die Um- oder Neugestaltung ihrer Immobilie?
Hafemeister: Auch hier lässt sich keine pauschale und allgemeingültige Aussage treffen. Grundsätzlich benötigen wir aktuell ungefähr ein halbes Jahr von der ersten Planung bis zu Eröffnung der neuen Immobilie. Die benötige Zeit hängt dabei von vielen Faktoren ab: Werden auch weitere Gewerke gemacht, wie schnell gibt es Rückmeldungen, wie viele Planungsänderungen gibt es und wie sieht die Verfügbarkeit der gewünschten Materialien aus. Zu guter Letzt spielt natürlich auch die Größe der umzubauenden Fläche eine große Rolle.
OT: Wie sieht es mit dem Thema Nachhaltigkeit aus? Wird dies häufig nachgefragt?
Hafemeister: Bis dato ist dies noch kein so großes Thema und spielt aktuell eine eher untergeordnete Rolle in den Anfragen. Trotzdem versuchen wir es natürlich, soweit möglich, proaktiv mit einzubringen und vor allem selbst als Hersteller der Möbel aktiver zu sein und verschiedene Lösungen zu erarbeiten und anzubieten.
OT: Computer, Scanner, 3D-Drucker – viele technischen Geräte haben einen großen Energiehunger. Wird hier – auch im Angesicht der aktuell verschärften finanziellen Situation, was Energiebeschaffung angeht – der Wunsch geäußert, mit erneuerbaren Energien, z. B. Sonnenkollektoren auf dem eigenen Dach, zu arbeiten?
Hafemeister: Auch das ist bis dato noch kein Thema in den Gesprächen und Anfragen gewesen. Grundsätzlich spricht aber natürlich nichts dagegen. Vor allem wenn sowieso die elektrische Infrastruktur geändert wird, kann es durchaus Sinn ergeben diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen.
OT: Viele Hersteller von Hilfsmitteln bieten den Sanitätshäusern Materialien zur Produktvorstellung an. Wie berücksichtigen Sie dies bei der Gestaltung eines Objekts?
Hafemeister: Bei der Erstellung unserer Planungen berücksichtigen wir gerne die Materialien zur Produktvorstellung, sofern gewünscht. Diese versuchen wir dann mit in das Konzept einfließen zu lassen, sodass diese nicht als Fremdkörper wirken und das gesamtheitliche Einrichtungskonzept stören, sondern im Einklang mit diesem stehen. Dabei sollten entsprechende Schwerpunkte in den Warengruppen gesetzt werden.
Service bei der Planung mitdenken
OT: Gibt es Anfragen zu Serviceleistungen außerhalb des eigenen Tätigkeitsbereichs? Legen Sanitätshäuser Wert darauf, dass zum Beispiel in Wartezonen kostenlos das Smartphone aufgeladen werden kann. Wie sieht es mit E‑Bike-Ladestationen oder mit erfrischenden Getränken aus?
Hafemeister: In den Planungen werden nach Wunsch auch solche technischen Möglichkeiten miteingebaut. Hierzu zählen in den Wartezonen zum Beispiel der Einbau von kabelgebundenen oder kabellosen Ladegeräten, die Möglichkeit Getränke zu kühlen und Kaffee anbieten zu können. Durch solche Annehmlichkeiten lassen sich zudem die Verweildauer der Kund:innen im Geschäft und die Attraktivität des Geschäftes signifikant erhöhen. Auch durch eine E‑Bike-Ladestation oder eine Ladestation für elektrische Rollstühle und Scooter lässt sich eine Barrierefreiheit schaffen, mit der man sich von anderen Geschäften positiv absetzen kann.
OT: Was war das „verrückteste“ Gimmick, das sich eine Kundin oder ein Kunde gewünscht hat?
Hafemeister: Wir betreuen die Sanitätshausbranche nun schon seit über 15 Jahren, in denen uns viele verschiedene Ideen und Gimmicks entgegengekommen sind. Es wurde sich zum Beispiel gewünscht einen lebensgroßen Baum, einen Wasserfall oder einen Kamin ins Geschäft zu integrieren. Doch oft sind es auch auf den ersten Blick verrückte Gimmicks, die den Unterschied machen. Zum Beispiel haben wir auf Wunsch ein in der Mitte durchgeschnittenes Auto mit in das Konzept eingeplant, sodass nur noch Kofferraum und Rücksitzbank vorhanden waren. Damit konnte bereits beim Beratungsgespräch demonstriert werden, wie sich Produkte im Alltag bei reellen Situationen am Auto verhalten.
OT: Wenn Sie einer Betriebsinhaberin oder einem Betriebsinhaber drei Ratschläge geben könnten, welche wären das?
Hafemeister: Lieber weniger Ware zeigen und dafür die Ware, die man zeigt, höherwertig präsentieren, um damit auch ein Ambiente zu schaffen, welches Beratung signalisiert und nicht nur bloßen Abverkauf.
Je besser die Vorbereitung und je klarer die Ziele im Vorhinein sind, desto besser und schneller wird das gewünschte Ergebnis erreicht und erzielt.
Durch eine modulare Einrichtung in Funktion und Design ist man nachhaltiger und vor allem langfristiger optimal aufgestellt, um auf verschiedene Veränderungen wie Trends oder veränderte Warengruppen zu reagieren.
Die Fragen stellte Heiko Cordes.
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