Basketbälle fliegen von links nach rechts, schräg über mir zieht sich eine junge Frau an einer Kletterwand hoch und im Augenwinkel sehe ich, wie jemand auf Skiern die Piste runterfährt: Während ich bei meinem ersten Besuch der Rehacare nicht genau wusste, was auf mich zukommt, bin ich dieses Mal darauf vorbereitet, dass es beim Eintreten in Halle 7 sportlich hoch her gehen wird. Für mich bietet das „Sportscenter“ den idealen Einstieg in das Messegeschehen, denn hier wird sichtbar, wie die ausgestellten Hilfsmittel tatsächlich Teilhabe ermöglichen und Menschen mit Behinderungen dadurch ihr Potenzial voll entfalten können.
Außer mir zieht es Mitte September mehr als 34.000 Fachbesucher sowie Betroffene und deren Angehörige in die Düsseldorfer Messehallen, um sich inspirieren zu lassen, Neues auszuprobieren und Kontakte zu knüpfen. Vier Tage lang dreht sich alles rund um Rehabilitation, Prävention, Inklusion und Pflege. Mehr als 800 Aussteller präsentieren ihre bewährten Produkte, Innovationen und Dienstleitungen – und das auch durch Unterstützung von Anwendern. So zeigt Lea Habekost zum Beispiel, wie sie sich mit der siebten Generation des Exoskeletts Rewalk trotz ihrer Paraparese hinsetzen, aufstehen und laufen kann. Für sie bietet das Hilfsmittel eine enorme Erleichterung im Alltag, sei es beim Spazierengehen, beim Griff zum obersten Küchenschrank oder bei der „Kommunikation auf Augenhöhe“ mit ihren Freunden. „Ich kann wieder über einen Jahrmarkt gehen. Das hätte ich im Rollstuhl nie gemacht“, berichtet sie. „Das sind Erlebnisse, die vergisst man nicht.“
Bei HKK Bionics treffe ich auf Anwenderin und Werkstudentin Claire Horsbrugh. Sie trägt seit 2023 die motorisierte Orthese „Exomotion hand one“ und möchte diese seitdem nicht mehr missen. „Sie erleichtert mir viele Kleinigkeiten im Alltag wie Brot schneiden oder die Tür aufmachen, die für gesunde Menschen selbstverständlich sind.“
In Halle 6 fallen mir gleich mehrere Hingucker auf. Automobile Sodermanns hat neben aktuellen Modellen auch einige Klassiker mitgebracht, allesamt behindertengerecht umgebaut. Die neue Oldtimer-Fläche macht deutlich: Nostalgie und moderne Technik müssen sich nicht ausschließen. „Viele Kunden bedauern es, dass meist nur neue Fahrzeuge umgebaut werden und freuen sich, dass sie ihre Schätzchen wieder aus der Garage holen können“, berichtet Nancy Grüter von der steigenden Nachfrage.
Einen der buntesten Stände hat wohl „Queerhandicap“ – und das nicht nur nach außen. Der Verein „zeigt Regenbogenflagge“, setzt sich für die Rechte und Sichtbarkeit von Lesben, Schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen sowie queeren Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen ein – ein Thema, das laut des Vereins aktuell viel zu kurz kommt.
Fokusthema „Künstliche Intelligenz“
Am „Treffpunkt Rehacare“ finden täglich Vorträge und Podiumsdiskussionen in Kooperation mit Verbänden, Gesundheitsversorgern, Verlagen, Landschaftsverbänden und weiteren Unterstützern statt. Eines der Fokusthemen lautet: „Künstliche Intelligenz im Sanitätshaus“. Wie und wo fangen Betriebe am besten an? „Man sollte immer vom Problem her denken und die eigenen Prozesse hinterfragen“, betont Dr. Katharina Pohl, KI-Ingenieurin bei Opta-Data, statt auf Biegen und Brechen KI implementieren zu wollen. Ein großes Problem vieler Betriebe: Fachkräftemangel. Und on top: immer mehr Anforderungen und bürokratische Prozesse. „Viele Fachkräfte müssen Dinge machen, die sie eigentlich gar nicht machen sollten“, berichtet Shane Füller, Gründer von „Anni.Care“. Mit KI-Telefonie will das Unternehmen seine Kunden vom ständigen Klingeln entlasten und ihnen mehr Zeit für die eigentlichen Aufgaben, die Zeit am Patienten, ermöglichen. Die Reaktion der Anrufer? „Es gibt Kunden, die lassen sich darauf ein, und Kunden, die sofort einen Berater wünschen. Jede Umstellung ist erst einmal ungewohnt“, so Füller. Auf die zentralen Vorbehalte vieler Betriebe gegen die Einführung von KI ging Güven Karakuzu, IT-Labs, ein. Allen voran werde das Thema Datenschutz genannt. Zudem erlebe er immer wieder folgende Einstellung: Wenn etwas am Anfang nicht zu hundert Prozent läuft, dann ist es auch nicht gut. „Dabei muss man bedenken: Menschen machen auch Fehler.“ Groß sei zudem die Angst vieler Mitarbeiter davor, ersetzt zu werden. „Ja, der Job wird sich verändern, aber man darf KI nur unterstützend sehen. Es braucht immer Menschen, die die Prozesse überwachen“, so Karakuzu.
Pia Engelbrecht
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