Spach­tel­mas­se in der Orthopädie-Technik

K. Knape, R. Gerstenberger
Die in der Orthopädie-Technik verwendeten Spachtelmassen sind überwiegend Reaktions- und Mehrkomponentenspachtel auf Basis ungesättigten Polyesters. Hinzu kommen Füllstoffe, Pigmente und Hilfsstoffe. Die Autoren vermitteln einen Überblick über die wesentlichen Arten und Anwendungsformen von Spachtelmassen in der Orthopädie-Technik und beschreiben die Eigenschaften der gängigen Fabrikate. Der Beitrag basiert auf einer Seminararbeit, die im Rahmen der Meisterausbildung an der BUFA erstellt wurde.

Ein­lei­tung

Spach­tel­mas­se wird umgangs­sprach­lich als brei­ar­ti­ge Sub­stanz defi­niert, die vor allem für ober­fläch­li­che Aus­bes­se­rungs­ar­bei­ten u. a. im Modell­bau, im Karos­se­rie­bau oder im Stu­cka­teur­we­sen ver­wen­det wird 1. Der Begriff „Spach­tel­mas­se” geht auf das noch heu­te übli­che Auf­tra­gen mit einem Spach­tel zurück. Der Name Spach­tel als Hand­werk­zeug wird vom latei­ni­schen „spa­tu­la” (klei­ner Rühr­löf­fel) oder dem ita­lie­ni­schen „spa­to­la” (klei­nes Schäu­fel­chen) abge­lei­tet 2. Wei­ter unten wird ver­tie­fend auf die Defi­ni­ti­on der Spach­tel­mas­se in der Ortho­pä­die-Tech­nik eingegangen.

Che­mi­sche Ver­bin­dun­gen von Spach­tel­mas­sen las­sen sich den kova­len­ten Bin­dun­gen zuord­nen und gehö­ren damit zu den orga­ni­schen oder anor­ga­ni­schen Poly­me­ren 3. Kova­len­te Bin­dun­gen sind Atom­bin­dun­gen, die dann auf­tre­ten, wenn Nicht­me­tall­ato­me mit­ein­an­der eine che­mi­sche Bin­dung eingehen.

Ein Bei­spiel für die Anwen­dung anor­ga­ni­scher Poly­me­re als Spach­tel­mas­se in der Ortho­pä­die-Tech­nik ist Gips. In die­sem Arti­kel wird jedoch aus­schließ­lich auf die orga­ni­schen Poly­me­re als Spach­tel­mas­se und damit auf die Kunst­stof­fe eingegangen.

Da auch die Ortho­pä­die-Tech­nik von der gro­ßen Viel­falt der Kunst­stoff­ei­gen­schaf­ten pro­fi­tiert, kom­men Kunst­stof­fe als moder­ne, inno­va­ti­ve Mate­ria­li­en mehr und mehr zum Ein­satz. Im Anwen­dungs­ge­biet der Ortho­pä­die-Tech­nik ste­hen neben den che­mi­schen und tech­no­lo­gi­schen vor allem die mecha­ni­schen Eigen­schaf­ten von Kunst­stof­fen im Vor­der­grund. Ins­be­son­de­re gelan­gen Kunst­stof­fe zum Ein­satz, die last­tra­gen­de Funk­tio­nen über­neh­men (wie z. B. Spach­tel­mas­sen). Wird die Trag­struk­tur des Bau­teils wesent­lich vom ver­wen­de­ten Werk­stoff bestimmt, spricht man nach Saecht­ling auch von einem „Struk­tur­werk­stoff” 3. Wie Abbil­dung 1 zeigt, wer­den die Spach­tel zu den Beschich­tungs- und Ver­füll­stof­fen gezählt. Auch wenn die Werk­stoff­ei­gen­schaft für die Ortho­pä­die-Tech­nik eine ent­schei­den­de Rol­le spielt, ist die Bau­teil­ei­gen­schaft als kom­ple­xes Zusam­men­spiel von Werk­stoff, Gestalt und Ver­ar­bei­tung zu betrach­ten 3.

Defi­ni­ti­on der Spach­tel­mas­se für die Orthopädie-Technik

Spach­tel­mas­sen in der Ortho­pä­die-Tech­nik sind vis­ko­se Gemen­ge aus einem flüs­si­gen Bin­de­mit­tel orga­ni­scher oder anor­ga­ni­scher Art, Füll­stof­fen, Pig­men­ten und Hilfs­stof­fen 4 5 6. Zu den Bestand­tei­len im Einzelnen:

Bin­de­mit­tel

Bin­de­mit­tel sind Stof­fe, die flüs­si­ge Mate­ria­li­en oder Fest­stof­fe mit einem fei­nen Zer­tei­lungs­grad (Pul­ver) zusam­men­hal­ten, ver­kle­ben oder ver­kit­ten 7. Das in der Ortho­pä­die-Tech­nik ein­ge­setz­te Bin­de­mit­tel ist unge­sät­tig­tes Poly­es­ter, gelöst in Sty­rol oder Methyl­me­thacry­lat, wobei durch einen Reak­ti­ons­star­ter (Här­ter) der Zustand der Spach­tel­mas­se von vis­kos zu hart ver­än­dert wird 6 8. Das heißt, das Bin­de­mit­tel wird in flüs­si­ger Form den zu bin­den­den Füll­stof­fen zuge­setzt. Bei­de Stof­fe wer­den inten­siv ver­mischt, damit sie sich gleich­mä­ßig ver­tei­len und alle Par­ti­kel des Füll­stoffs gleich­mä­ßig mit dem Bin­de­mit­tel benetzt wer­den. Durch die Art des Bin­de­mit­tels kön­nen dem Füll­stoff neue Ver­ar­bei­tungs- und Mate­ri­al-Eigen­schaf­ten ver­lie­hen wer­den 1.

Füll­stof­fe

Die ein­ge­setz­ten Füll­stof­fe sind par­ti­kel­för­mi­ge orga­ni­sche oder anor­ga­ni­sche Sub­stan­zen in fes­ter Form. Für die Anwen­dung als Spach­tel­mas­se die­nen sie der Volu­men­er­hö­hung bei gleich­zei­ti­ger Gewichts­re­du­zie­rung. Außer­dem wird durch die Volu­men­er­hö­hung eine Ver­rin­ge­rung der Schwin­dung des Bin­de­mit­tels durch die radi­ka­le Copo­ly­me­ri­sa­ti­on erreicht. In Bezug auf die Schwin­dung kön­nen Span­nun­gen und Riss­bil­dun­gen im Mate­ri­al mini­miert bzw. ver­mie­den wer­den. Bei Reak­ti­ons­har­zen, zu denen auch die Poly­es­ter­spach­tel gehö­ren, wird die Tem­pe­ra­tur­spit­ze beim Här­ten durch die Füll­stof­fe her­ab­ge­setzt 9.

Die in der Ortho­pä­die-Tech­nik ein­ge­setz­ten Füll­stof­fe sind z. B. Micro­bal­loons, Baum­woll­fa­ser­füll­stof­fe oder Glasfaserfüllstoffe.

  • Micro­bal­loons sind Mikro­hohl­ku­geln aus Bor­si­li­kat­glas mit einem Durch­mes­ser von 5 bis 250 µm 10.
  • Baum­woll­fa­ser­füll­stof­fe wei­sen durch die gemah­le­nen kur­zen Fasern eine sehr fei­ne Struk­tur auf, sodass sich der Füll­stoff gut von der Harz­mas­se umschlie­ßen bzw. durch­trän­ken lässt. Auf­grund der fase­ri­gen Struk­tur wird eine hohe Fes­tig­keit der Spach­tel­mas­se sichergestellt.
  • Die glas­fa­ser­för­mi­gen Füll­stof­fe als aus­ge­bil­de­tes fein inein­an­der ver­filz­tes Netz­werk die­nen vor allem der Erhö­hung der Zug- und Reiß­fes­tig­keit 11, aber auch der Stei­fig­keit und Här­te. Je län­ger die Faser ist, umso fes­ter wird die Struktur

Pig­men­te

Farb­mit­tel, die unlös­lich in Löse- oder Bin­de­mit­teln sind, wer­den als Pig­men­te bezeich­net; lös­li­che orga­ni­sche Farb­mit­tel dage­gen nennt man Farb­stof­fe 12. Pig­men­te die­nen aus­schließ­lich zur gedeck­ten Durch­fär­bung des Kunst­stof­fes 8. Sie sind in der Ortho­pä­die-Tech­nik des­halb von Bedeu­tung, da u. a. im Pro­the­sen­bau oft gewünscht ist, eine natür­li­che Haut­fär­bung zu erzeugen.

Hilfs­stof­fe

Hilfs­stof­fe sind Zusatz­stof­fe, die in gerin­gen Men­gen vom Her­stel­ler der Spach­tel­mas­se zuge­setzt wer­den, um bestimm­te Pro­duk­tei­gen­schaf­ten zu errei­chen. Sie sind auch als Addi­ti­ve oder Zusatz­stof­fe bekannt und wer­den benutzt, um einen posi­ti­ven Effekt auf Her­stel­lung, Lage­rung und Ver­ar­bei­tung zu erzielen.

Die Addi­ti­ve kön­nen in zwei Grup­pen ein­ge­teilt wer­den: Ver­ar­bei­tungs­ad­di­ti­ve und Gebrauchs­ad­di­ti­ve. Zu den Ver­ar­bei­tungs­ad­di­ti­ven, die in der Ortho­pä­die-Tech­nik ein­ge­setzt wer­den, zäh­len z. B. Ver­ar­bei­tungs­sta­bi­li­sa­to­ren, Trenn­mit­tel, Beschleu­ni­ger, Emul­ga­to­ren oder Initia­to­ren. Den Gebrauchs­ad­di­ti­ven wer­den z. B. Pig­men­te in gerin­ger Kon­zen­tra­ti­on zuge­ord­net 13.

Ein­ord­nung in die Werk­stoff­leh­re und Arten von Spachtelmassen

Die Ein­ord­nung der Spach­tel­mas­se in die Werk­stoff­leh­re erfolgt wie von Saecht­ling in Abbil­dung 2 dar­ge­stellt über die che­mi­schen Ver­bin­dungs­ver­hält­nis­se der ato­ma­ren Struk­tu­ren 3.

Die hier zu betrach­ten­den Spach­tel­mas­sen las­sen sich den nicht-metal­li­schen orga­ni­schen Poly­me­ren zuord­nen. Die im Bereich der Ortho­pä­die-Tech­nik ein­ge­setz­ten Spach­tel­mas­sen wer­den jedoch nicht als rei­ne Kunst­stof­fe ange­wen­det, son­dern in Kom­bi­na­ti­on mit ande­ren Werk­stof­fen ein­ge­setzt. Kom­bi­niert wer­den z. B. Duro­plas­te und Ther­mo­plas­te in Ver­bin­dung mit anor­ga­ni­schen Füll­stof­fen. Somit kann fest­ge­hal­ten wer­den, dass Spach­tel­mas­sen in der Ortho­pä­die-Tech­nik vor­wie­gend als Ver­bund­werk­stof­fe Anwen­dung finden.

Aus Sicht der Werk­stoff­leh­re las­sen sich Spach­tel­mas­sen ganz all­ge­mein nach dem Auf­trags­ver­fah­ren (z. B. Zieh­spach­tel, Streich­spach­tel, Spritz­spach­tel), dem Bin­de­mit­tel (z. B. Kunst­harz­spach­tel, Disper­si­ons­spach­tel) und dem Anwen­dungs­zweck (z. B. Holz­spach­tel, Metall­spach­tel, Karos­se­rie­spach­tel) klas­si­fi­zie­ren 14. Die in der Ortho­pä­die-Tech­nik ver­wen­de­ten Spach­tel­mas­sen wer­den den Reak­ti­ons- und Mehr­kom­po­nen­ten­spach­teln auf Basis von unge­sät­tig­tem Poly­es­ter zugeordnet.

Spach­tel­mas­sen in der Ortho­pä­die-Tech­nik und ihre Anwendung

Spach­tel­mas­sen auf Basis von unge­sät­tig­tem Polyesterharz

Die am häu­figs­ten in der Ortho­pä­die-Tech­nik ver­wen­de­ten Spach­tel­mas­sen basie­ren auf dem Bin­de­mit­tel unge­sät­tig­tes Poly­es­ter­harz (UP), in Sty­rol oder in Methyl­me­thacry­lat gelöst. Erst durch die Här­t­er­zu­ga­be kommt es zur Struk­tur- und damit zur Zustands­än­de­rung des Bin­de­mit­tels (UP gelöst in Sty­rol oder Methylmethacrylat).

Unge­sät­tig­tes Poly­es­ter­harz (UP)

UP (Abb. 3) dient als Bin­de­mit­tel und besteht aus mehr­wer­ti­gen Alko­ho­len (z. B. Gly­ko­len oder Gly­ze­rin) sowie unge­sät­tig­ten oder teil­wei­se gesät­tig­ten Dicar­bon­säu­ren (z. B. Mal­ein­o­der Fumar­säu­re) in Form zwei­di­men­sio­na­ler linea­rer Poly­es­ter­ket­ten 15. Die C=C‑Doppelbindungen im Poly­es­ter kön­nen mit Was­ser­stof­fen, ande­ren Ato­men oder auch gan­zen Atom­grup­pen reagieren.

Sty­rol

Sty­rol ist eine farb­lo­se, nied­rig­vis­ko­se, süß­lich rie­chen­de und ent­zünd­li­che Flüs­sig­keit. Es wird zur Her­stel­lung von poly­me­ren Pro­duk­ten (ther­mo­plas­ti­schen Kunst­stof­fen) wie z. B. Poly­sty­rol sowie dem iso­lie­ren­den Schaum­stoff Sty­ro­por ver­wen­det. Es ist als reak­ti­ons­fä­hi­ges Mono­mer wich­ti­ger Bestand­teil unge­sät­tig­ter Poly­es­ter­har­ze. In Kom­bi­na­ti­on mit dem unge­sät­tig­ten Poly­es­ter ver­duns­tet das Sty­rol weder im zäh­flüs­si­gen noch im fes­ten Zustand des Gemischs 16. Sty­rol gehört zu den aro­ma­ti­schen Koh­len­was­ser­stof­fen und ist in Was­ser gering lös­lich, in den meis­ten orga­ni­schen Lösungs­mit­teln (u. a. Ace­ton) dage­gen gut lös­lich. Sty­rol ist auch unter den Begrif­fen Phe­nyl­ethy­len oder Vinyl­ben­zol bekannt.

Das Mole­kül (Abb. 4) besteht aus einem Ben­zol­ring und einer Vinyl­grup­pe. Die Struk­tur­for­mel für Sty­rol lau­tet H5C6-CH=CH2, die Sum­men­for­mel C8H8. Das Mischungs­ver­hält­nis zwi­schen UP und Sty­rol beträgt unge­fähr 2 : 1. Je höher die Sty­ro­l­an­tei­le, umso gerin­ger die Fließ­fä­hig­keit des Spach­tels 17. Zudem ist Sty­rol im Gemisch beson­ders gut für die radi­ka­li­sche Copo­ly­me­ri­sa­ti­on (Abb. 5) mit den unge­sät­tig­ten Poly­es­ter­ket­ten geeignet.

Methyl­me­thacry­lat (MMA)

Methyl­me­thacry­lat (Abb. 6) ist eine farb­lo­se, öli­ge Flüs­sig­keit mit aro­ma­ti­schem Geruch. Zudem ist es leicht ent­zünd­lich, ver­duns­tet leicht und hat einen Sie­de­punkt von 101 °C. Es ist auch unter dem Namen „Methacryl­säu­re­me­thyl­es­ter” bekannt. Anstel­le von Sty­rol besteht die Mög­lich­keit, Methyl­me­thacry­lat mit UP zu mischen 18. Wie auch Sty­rol kann MMA durch Zuga­be eines Per­oxids gezielt poly­me­ri­siert werden.

Radi­ka­le Copo­ly­me­ri­sa­ti­on durch Härterzugabe

Copo­ly­me­ri­sa­ti­on wird ange­wen­det, um eine Ver­än­de­rung der mole­ku­la­ren Eigen­schaf­ten von vis­kos zu fest her­bei­zu­füh­ren. Die Copo­ly­me­ri­sa­ti­on zwi­schen linea­rem, unver­netz­tem, unge­sät­tig­tem Poly­es­ter­harz und Sty­rol oder MMA wird erst durch die Zuga­be eines Här­ters aus­ge­löst. Der Här­ter kann als Pas­te oder Pul­ver zuge­ge­ben wer­den. Der Initia­tor für die Radikal­reaktion ist ein orga­ni­sches Per­oxid, das soge­nann­te Dibenzoylperoxid.

Durch den per­oxi­dischen Star­ter wer­den nach dem Mischen der Kom­po­nen­ten schon bei Raum­tem­pe­ra­tur die rela­tiv kur­zen Poly­es­ter­ket­ten quer­ver­netzt 16. Das insta­bi­le Diben­zoyl­per­oxid zer­fällt bereits unter gerin­gem Ener­gie­auf­wand in Radi­ka­le, die die C=C‑Doppelbindungen von UP und Sty­rol bzw. MMA lösen 18. Die Koh­len­stof­fe des Bin­de­mit­tels mit den frei­en Elek­tro­nen sind nun in der Lage, eine che­mi­sche Bin­dung (kova­len­te Bin­dung) mit dem Sty­rol oder MMA ein­zu­ge­hen. Das heißt, eine Copo­ly­me­ri­sa­ti­on erfolgt. Die mit der Här­tung der UP-Har­ze einher­gehende Frei­ga­be von Reak­ti­ons­wär­me hat zur Fol­ge, dass es zur Volu­men­schwin­dung des Mate­ri­als kommt. Die Schwin­dung, die bei 4 bis 9 % 13 liegt, kann mit­hil­fe von Füll­stof­fen ver­rin­gert werden.

Um Formänder­ungen an tra­gen­den Struk­tu­ren (z. B. Pro­thesenschäften) zu ver­hin­dern, soll­te der Spach­tel voll­stän­dig aus­ge­här­tet sein. Die Här­tungs­zeit kann zwi­schen weni­gen Minu­ten und eini­gen Stun­den betra­gen 15. Die nach der Copo­ly­me­ri­sa­ti­on aus­re­agier­ten Poly­es­ter­har­ze (Abb. 7) sind drei­di­men­sio­nal vernetzt.

Han­dels­fa­bri­ka­te und Anwen­dung in der Orthopädie-Technik

Ange­sichts der unter­schied­li­chen Ver­wen­dungs­mög­lich­kei­ten und einer Viel­zahl von Her­stel­lern von Spach­tel­mas­sen kön­nen im Rah­men die­ser Über­sicht nur all­ge­mei­ne Hin­wei­se zu Ein­satz­mög­lich­kei­ten gege­ben wer­den. Die Eig­nung die­ser Pro­duk­te für spe­zi­el­le Anwen­dungs­zwe­cke muss grund­sätz­lich – auch im Hin­blick auf die Ver­ar­bei­tungs­tech­nik, die Eigen­schaf­ten der zu ver­kle­ben­den Mate­ria­li­en sowie die spä­te­re Bean­spru­chung der Kle­be­fu­gen – durch eige­ne pra­xis­be­zo­ge­ne Ver­su­che sicher­ge­stellt wer­den. Zudem wird hier nur auf einen ein­schlä­gi­gen Her­stel­ler ein­ge­gan­gen; Han­dels­na­men ande­rer Her­stel­ler wer­den ergänzt. Die Über­sicht erhebt somit kei­nen Anspruch auf Voll­stän­dig­keit, son­dern soll einen Über­blick über gän­gi­ge Fabri­ka­te gewährleisten.

Ortho­cryl-Spach­tel (Otto Bock)

Hier­bei han­delt es sich um ein Poly­es­ter­harz, das in Methyl­me­thacry­lat gelöst ist. Ortho­cryl-Spach­tel eig­net sich zum Ein­kle­ben von Schie­nen und Ankern in Holz- und Kunst­stoff­trich­tern und für Pro­be­ver­lei­mun­gen an Anpro­be­schäf­ten. Er haf­tet gut auf vie­len Werk­stof­fen, schrumpft nicht und kann rela­tiv dick auf­ge­tra­gen wer­den. Die Ver­ar­bei­tung soll­te bei Raum­tem­pe­ra­tur erfol­gen. Höhe­re Tem­pe­ra­tu­ren ver­kür­zen die Aus­här­te­zeit, nied­ri­ge­re Tem­pe­ra­tu­ren ver­län­gern sie.

Das Mischungs­ver­hält­nis beträgt 100 g Ortho­cryl-Spach­tel zu 3 g Här­ter­pul­ver oder Här­ter­pas­te. Die Ver­ar­bei­tungs­zeit liegt dann bei ca. 4 Minu­ten; der Spach­tel ist nach 8 Minu­ten unab­hän­gig von der Stär­ke des Auf­tra­gens aus­ge­här­tet. Ortho­cryl-Spach­tel ist bestän­dig gegen Was­ser, Ben­zin, Mine­ral­öle, ver­dünn­te Lau­gen und Säu­ren 19.

Ver­gleich­ba­re Han­dels­pro­duk­te sind bei­spiels­wei­se Acryl-Leichts­pach­tel (Fa. Wag­ner Poly­mer­tech­nik) und Acryl-Spach­tel (Fa. Streifeneder).

Akemi Schnell­s­pach­tel (Otto Bock)

Akemi Schnell­s­pach­tel ist ein in Sty­rol gelös­tes unge­sät­tig­tes Poly­es­ter­harz. Durch sei­ne schnel­le Aus­här­tung, gute Haft­bar­keit und Elas­ti­zi­tät eig­net er sich vor allem zum Ein­las­sen und Befes­ti­gen von Schie­nen an Holz- und Gieß­harz­pro­the­sen, zum Fixie­ren und Ein­spach­teln diver­ser Werk­stof­fe, zum Ver­en­gen von Schäf­ten aus Holz, Gieß­harz und Leicht­me­tall sowie zum Auf­fül­len die­ser Werk­stof­fe. Er ist leicht zu bear­bei­ten, gut schleif­bar und mit Farb­pas­te ein­färb­bar. Das Mischungs­ver­hält­nis beträgt 2 bis 4 g Här­ter auf 100 g Spach­tel. Die Topf­zeit beträgt 2 bis 6 Minu­ten. Akemi Schnell­s­pach­tel ist gegen Was­ser, Ben­zin, Mine­ral­öle und ver­dünn­te Lau­gen und Säu­ren bestän­dig 19.

Ein ver­gleich­ba­res Han­dels­pro­dukt ist Poly­es­ter-Schnell­s­pach­tel der Fa. Wag­ner Polymertechnik.

Otto Bock Leichtspachtel

Otto Bock Leichts­pach­tel ist ein in Sty­rol gelös­tes, unge­sät­tig­tes Poly­es­ter­harz mit spe­zi­el­len Leicht­füll­stof­fen (Kunst­stoff­hohl­ku­geln mit ca. 20 µm Durch­mes­ser). Die­ser Füll­stoff ist für die gerin­ge Dich­te und somit das gerin­ge Gewicht des Spach­tels ver­ant­wort­lich. Leichts­pach­tel eig­net sich durch sei­ne gute Haft­fä­hig­keit und her­vor­ra­gen­de Schleif­bar­keit zum Ver­en­gen von Holz- und Kunst­stoff­schäf­ten sowie zum Ein­spach­teln diver­ser Werk­stof­fe. Er här­tet bei Raum­tem­pe­ra­tur schnell aus, wobei das Mischungs­ver­hält­nis von 2 bis 4 % Här­ter­an­teil nicht unter- oder über­schrit­ten wer­den soll­te. Die Ver­ar­bei­tungs­zeit beträgt maxi­mal 4 Minu­ten. Durch sei­ne gerin­ge Dich­te und sei­ne Sprö­dig­keit soll­te Leichts­pach­tel nur zum Ver­fül­len und nicht zum Ver­kle­ben ver­wen­det wer­den 19.

Ver­gleich­ba­re Han­dels­pro­duk­te sind Leichts­pach­tel SL (Fa. Wag­ner Poly­mer­tech­nik), UP-Sys­tem Light­plast (Fa. Voss­che­mie) und Strei­fen­e­der easy-Leichts­pach­tel (Fa. Streifeneder).

Sicher­heits­hin­wei­se, Lage­rung und Entsorgung

Für die Ver- und Bear­bei­tung, Lage­rung und Ent­sor­gung die­ser Spach­tel­mas­sen gel­ten die Vor­schrif­ten der ent­spre­chen­den Sicher­heits­da­ten­blät­ter der Her­stel­ler, die Betriebs­an­wei­sun­gen der Berufs­ge­nos­sen­schaf­ten bzw. die Gebrauchs­an­lei­tun­gen der Lieferanten.

Die bei der Ver­ar­bei­tung und Lage­rung von Spach­tel­mas­sen und Här­tern ent­ste­hen­den gesund­heits­ge­fähr­den­den Dämp­fe und Gase müs­sen den Vor­schrif­ten ent­spre­chend mit geeig­ne­ten Sys­te­men abge­saugt wer­den. Zur Absau­gung die­ser Stof­fe haben sich Gieß­harz-Arbeits­plät­ze bewährt. Gase, Dämp­fe und Schweb­stof­fe wer­den dabei mit­hil­fe einer Ent­lüf­tung abge­saugt und die Schweb­stof­fe in einem inte­grier­ten Fil­ter auf­ge­fan­gen. Bei Nicht­vor­han­den­sein einer Absau­gung muss für gute Belüf­tung gesorgt sein. Nah­rungs­mit­tel und Geträn­ke müs­sen von den gesund­heits­ge­fähr­den­den Werk­stof­fen fern­ge­hal­ten wer­den. Bei der Ver- und Bear­bei­tung darf nicht geges­sen, getrun­ken, geraucht oder geschnupft wer­den. Berüh­run­gen mit der Haut, den Augen und der Klei­dung soll­ten ver­mie­den wer­den. Hier­für müs­sen geeig­ne­te Arbeits­schutz­maß­nah­men wie Augen­schutz­bril­le, Schutz­hand­schu­he und ‑klei­dung ver­wen­det wer­den. Vor Pau­sen und dem Arbeits­en­de müs­sen die Hän­de und evtl. das Gesicht gerei­nigt und anschlie­ßend für eine opti­ma­le Haut­pfle­ge gesorgt werden.

Even­tu­el­le Ver­gif­tungs­er­schei­nun­gen kön­nen erst nach meh­re­ren Stun­den auf­tre­ten, sodass nach Unfäl­len eine län­ge­re Über­wa­chungs­pha­se not­wen­dig ist. Müdig­keit, Gleich­ge­wichts- und/oder Kon­zen­tra­ti­ons­stö­run­gen, Übel­keit, Rei­zun­gen der Augen, der Atem­we­ge, der Haut und des Magen-Darm-Trak­tes sind mög­li­che Sym­pto­me. Offe­ne Flam­men dür­fen nicht in direk­ten Kon­takt mit unbe­ar­bei­te­ten Pro­dukt­mas­sen kom­men, die aus­ga­sen können.

Spach­tel­mas­sen sol­len in dicht ver­schlos­se­nen Behäl­tern auf­be­wahrt wer­den und dür­fen nicht in die Kana­li­sa­ti­on oder in Ober­flä­chen- und Grund­was­ser gelan­gen. Der Auf­be­wah­rungs­ort soll­te kühl, tro­cken und gut belüf­te­tet sein.

Bei der Ent­sor­gung sind die jewei­li­gen Abfall­schlüs­sel zu beach­ten. Die Pro­duk­te müs­sen unter Beach­tung die­ser Vor­schrif­ten in einer geeig­ne­ten und dafür zuge­las­se­nen Anla­ge ent­sorgt wer­den. Geöff­ne­te Ver­pa­ckun­gen soll­ten geleert oder zur Aus­här­tung gebracht werden.

Zusam­men­fas­sung

„Unge­sät­tig­te Poly­es­ter zeich­nen sich durch ihre äußerst viel­sei­ti­ge Ein­setz­bar­keit bei rela­tiv nied­ri­gem Kos­ten­auf­wand in der Her­stel­lung aus. Sie sind ein­fach zu hand­ha­ben, kön­nen allein oder ggf. zusam­men mit klei­ne­ren Men­gen ande­rer Poly­me­re ein­ge­setzt wer­den und las­sen sich mit einer gro­ßen Anzahl von Füll­stof­fen ver­ar­bei­ten, da sie ein aus­ge­zeich­ne­tes Benet­zungs­ver­mö­gen auf­wei­sen. All die­se Vor­tei­le lie­ßen die unge­sät­tig­ten Poly­es­ter zu einem der wich­tigs­ten indus­tri­ell genutz­ten Poly­me­re wer­den” 20.

Aus Sicht der Ver­fas­ser haben sich die Anwen­dungs­ge­bie­te für Spach­tel­mas­sen in der Ortho­pä­die-Tech­nik in den letz­ten Jahr­zehn­ten ver­än­dert. Wur­den frü­her Spach­tel­mas­sen vor­wie­gend ein­ge­setzt, um z. B. in Schäf­ten Aus­gleichs­ar­bei­ten durch­zu­füh­ren, die­nen sie heu­te über­wie­gend der Befes­ti­gung von Ankern und Schie­nen an Schäf­ten. Die ursprüng­li­chen Spach­tel wur­den beson­ders als Füll- und Aus­gleichs­spach­tel ver­wen­det, sodass eine last­tra­gen­de Funk­ti­on weni­ger von Bedeu­tung war. Die moder­nen Spach­tel­mas­sen wie Ortho­cryl, Akemi-Schnell­s­pach­tel oder ver­schie­de­ne Glas­fa­ser­spach­tel hin­ge­gen sind gegen­wär­tig in der Lage, die­se last­tra­gen­de Funk­ti­on zu über­neh­men. Hier­bei wer­den zusätz­li­che sichern­de Maß­nah­men empfohlen.

Die Anwen­dungs­ge­bie­te von Spach­tel­mas­sen in der Ortho­pä­die-Tech­nik haben sich des­halb ver­scho­ben, weil ande­re, moder­ne Kunst­stof­fe gut nach­zu­be­ar­bei­ten sind. Konn­te die Pass­form von Holz, das frü­her Stan­dard­pro­dukt war, nach der Fer­ti­gung nicht mehr kor­ri­giert wer­den, kam ein ent­spre­chen­der Spach­tel zum Ein­satz. Heu­te ist es einer­seits mög­lich, durch Erwär­mung das ein­ge­setz­te Kunst­stoff­ma­te­ri­al in gerin­gem Maße zu ver­for­men, ande­rer­seits kön­nen Kunst­stof­fe als Aus­gleichs­ma­te­ri­al ein­ge­klebt wer­den (Pelot­ten).

Die Anwen­dung von Spach­tel­mas­sen auf der Basis von unge­sät­tig­tem Poly­es­ter in der Ortho­pä­die-Tech­nik ist auf­grund des güns­ti­gen Prei­ses, der Viel­sei­tig­keit, der guten Wit­te­rungs­be­stän­dig­keit, der guten Färb­bar­keit sowie der guten Schleif­bar­keit von gro­ßer Bedeutung.

Die Autoren:
Dipl.-OTM Kars­ten Knape
Jütt­ner Ortho­pä­die KG
Beh­ring­stra­ße 1 a
99734 Nord­hau­sen

Ron­ny Gerstenberger
Jütt­ner Ortho­pä­die KG
Mei­en­berg­stra­ße 3
99084 Erfurt

Begut­ach­te­ter Artikel/reviewed paper

Zita­ti­on
Kna­pe K, Gers­ten­ber­ger R. Spach­tel­mas­se in der Ortho­pä­die-Tech­nik. Ortho­pä­die Tech­nik, 2014; 65 (1): 20–25
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