Nach der Operation gilt eine Immobilisation mittels Becken-Bein-Gips als Goldstandard, um eine Redislokation des Hüftgelenkes, eine Dehiszenz der gerafften Hüftgelenkskapsel oder eine Sekundärdislokation der Osteotomien zu verhindern. Da die Immobilisation im Gips Risiken wie Hautschädigungen, Sensibilitätsstörungen, Muskelatrophie u. a. birgt, werden in einigen Zentren alternative Verfahren eingesetzt. Die Verwendung von Schaumstofflagerungssystemen scheint anhand erster Ergebnisse ein sicheres Verfahren zu sein, welches die potenziellen Risiken einer Immobilisation mindert und gleichzeitig ausreichend Stabilität bietet.
Einleitung
Die angeborene oder sich entwickelnde Hüftgelenksdysplasie ist häufig mit einer Fehlentwicklung des proximalen Femurendes assoziiert. Trotz einer unmittelbar nach der Geburt begonnenen Therapie ergibt sich im weiteren Entwicklungsverlauf bei einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von Fällen die Notwendigkeit zur operativen Behandlung. Schwere Formen treten insbesondere bei Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen wie z. B. der Infantilen Zerebralparese oder Spina bifida auf. Die Behandlung der Hüftgelenksdysplasie stellt insbesondere nach dem Laufbeginn eine Herausforderung dar, da eine Verkürzung des extraartikulären Gewebes, eine acetabuläre Dysplasie, eine Verkürzung des Kapselgewebes sowie eine vermehrte femorale Antetorsion häufig eingetreten sind 1 2.
Während im Säuglingsalter eine geschlossene Reposition und anschließende Retentionsbehandlung möglich sind, stellt im Kleinkindesalter und danach die operative Hüftgelenksrekonstruktion die Methode der Wahl dar (Abb. 1). In der Literatur wird neben einer Verlängerung von verkürzten Sehnen und einer Kapsulotomie des Hüftgelenkes ebenfalls eine Osteotomie des proximales Femurs sowie des Beckens in vielen Fällen als notwendig angesehen 3456.
Allen Eingriffen gemein ist eine Verbesserung der acetabulären Dysplasie bzw. eine Überdachung des Femurkopfes. Nach der Operation ist eine Immobilisation und Fixierung des Hüftgelenkes notwendig, um eine Redislokation des Hüftgelenkes, eine Dehiszenz der gerafften Hüftgelenkskapsel oder eine Sekundärdislokation der Osteotomien zu gewährleisten. Als Mittel der Wahl für die Immobilisation wird in der Literatur ein Becken-Bein-Gips für die ersten 4 bis 12 postoperativen Wochen angegeben 4789.
Durch den Gips ist das Hüftgelenk in leichter Beugung, etwa 10 Grad Innenrotation sowie etwa 20 bis 30 Grad Abduktion fixiert. Die Immobilisation verhindert, eigenständig gehen und stehen zu können. Der Gips schränkt ebenfalls die Körperpflege ein und führt zu Hygieneproblemen. Darüber hinaus birgt die Gipsimmobilisation weitere Risiken wie etwa Hautschädigungen, Sensibilitätsstörungen, Lähmungen, Durchblutungsstörungen, Muskelatrophie und Bewegungseinschränkungen auch der angrenzenden Gelenke.
Aufgrund dieser Risiken reduzieren bereits einige Autoren die Zeit der Immobilisierung 7. Es gibt sogar Autoren, welche postoperativ auf eine Immobilisierung im Gips verzichtet haben und über gute Ergebnisse nach Hüftgelenksrekonstruktion berichteten 10.
Kinder mit neuromuskulären Erkrankungen, Stoffwechselerkrankungen oder Fehlbildungssyndromen weisen häufig aufgrund verschiedener Faktoren eine eingeschränkte Knochenqualität auf 11. Es ist bekannt, dass insbesondere bei Patienten mit hohem Muskeltonus sowie einer schlechten Knochenqualität das Risiko eines Implantatversagens oder eines Stellungsverlustes nach durchgeführter Osteotomie erhöht ist. Moderne Implantate versuchen die Rate an Dislokationen zu vermindern 12, trotzdem sollte bei diesem Patientenkollektiv postoperativ auf eine Immobilisation nicht verzichtet werden. Um dennoch die potenziellen Risiken wie schlechte Hygiene, Hautschädigungen, Sensibilitätsstörungen, Lähmungen, Durchblutungsstörungen, Muskelatrophie und Bewegungseinschränkungen der Gelenke zu vermeiden, drängt sich die Frage nach alternativen Immobilisationsmethoden auf.
Seit einigen Jahren wird in manchen Zentren die Immobilisation mit einem Schaumstofflagerungssystem durchgeführt (Abb. 2). In diesem werden die Patienten mit Klettverschlüssen fixiert, um eine optimale Sicherung der Hüftgelenksstellung zu gewährleisten. Die Möglichkeit, das System einfach und unkompliziert an- und abzulegen, besteht. Dies erleichtert die Pflege sowie medizinische Maßnahmen wie Wundkontrollen bzw. Verbandswechsel erheblich. In einer retrospektiven Studie wurden die Ergebnisse von 27 Kindern (33 Hüften), welche nach Femur- und Beckenosteotomie aufgrund einer Hüftgelenksdysplasie in einer Schaumstofflagerungsschiene immobilisiert wurden, berichtet. Die Studie zeigte keine relevanten Komplikationen, welche auf das Lagerungssystem zurückzuführen waren13.
Die Schaumstofflagerungsschienen sollten bereits präoperativ vom Orthopädie-Techniker angefertigt werden, damit das Operationsteam unmittelbar postoperativ nach der Verbandsanlage die Schiene anlegen kann und das operierte Hüftgelenk somit optimal immobilisiert ist. Die Bestimmung der Maße für das Lagerungssystem kann mit Hilfe moderner Scanner einfach durchgeführt (Abb. 3) und am Computer nachbearbeitet werden (Abb. 4).
In vielen Fällen empfehlen die Autoren, das Lagerungssystem auch über die postoperative Immobilisationszeit hinaus anzuwenden. Durch das Lagerungssystem werden nicht nur die Hüftgelenke in einer günstigen Stellung abduziert, sondern auch die Kniegelenke gestreckt und somit die ischiocrurale Muskulatur gedehnt. Insbesondere bei Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen bzw. spastisch erhöhtem Muskeltonus schützt diese Individualanfertigung vor Kontrakturen und progredienten Deformitäten. Im Bereich der Unterschenkel sollte bei der Herstellung der Lagerungssysteme darauf geachtet werden, ob ggf. zusätzlich Nachtlagerungsschienen getragen werden, welche entsprechend Platz im System benötigen. Zu erwägen ist hierbei, ob durch das Lagerungssystem auf einen Teil der bestehenden Nachtlagerungsschienen verzichtet werden kann. Für die Langzeittherapie können ebenfalls Systeme für die Bauch- oder Seitenlage angefertigt werden, um den Schlafkomfort für Bauch- oder Seitenschläfer zu erhöhen.
Fazit
Insbesondere Patienten mit hohem Muskeltonus bzw. neuromuskulären Erkrankungen sollten nach operativer Hüftgelenksrekonstruktion immobilisiert werden, um ein optimales Operationsergebnis zu gewährleisten. Seit vielen Jahren werden in einigen Zentren postoperativ Schaumstofflagerungssysteme verwendet, um neben einer Verbesserung von Pflegbarkeit und Hygiene auch eine frühfunktionelle physiotherapeutische Beübung zu ermöglichen. In einer kürzlich erschienenen Studie konnte gezeigt werden, dass der Einsatz von Schaumstofflagerungssystemen nach operativer Hüftgelenksrekonstruktion keine relevanten Gefahren birgt. Anhand der vorhandenen Daten kann daher der Einsatz von individuell angefertigten Schaumstofflagerungsschienen befürwortet werden.
Für die Autoren:
Priv.-Doz. Dr. med. Matthias C. M. Klotz
Facharzt für Orthopädie & Unfallchirurgie
Zusatzbezeichnung Kinderorthopädie
Leitender Oberarzt der Universitätsklinik für Orthopädie & Traumatologie
Kepler Universitätsklinikum
Krankenhausstraß 9
A‑4020 Linz
Matthias.Klotz@kepleruniklinikum.at
Begutachteter Beitrag/reviewed paper
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