Zielsetzung
In den letzten Jahren wurde die Passteil-Entwicklung in der Armprothetik rasch vorangetrieben. Diese Qualität in der Technik muss sich aber auch in der Schafttechnik widerspiegeln. Ziel der Versorgung ist es, dass der Anwender durch gut gefertigte flexible oder teilflexible Silikonschäfte die Armprothesenversorgungen noch besser handhaben kann. Zudem ist es notwendig, Probleme wie die Pflege der Versorgung, das eingeschränkte Bewegungsausmaß, schlechte Steuerungskontrolle und Komforteinschränkungen deutlich zu reduzieren.
Der Anwender mit einem transradialen Amputationsniveau sollte darüber hinaus ein deutlich größeres Bewegungsausmaß erreichen können. Dies muss mit einer optimalen Ansteuerkontrolle der Myo-Systeme für den Anwender einhergehen. Gleichzeitig ist eine längere Tragedauer gepaart mit besserer Hygiene bei funktionellen Prothesen für den Anwender zu ermöglichen.
Die nachfolgenden Beispiele machen deutlich, dass der Einsatz von Silikonprodukten in der Armprothetik zeitgemäß ist. Mithilfe von Silikonschäften kann zudem die Zeit zwischen den Schafterneuerungen bei Heranwachsenden verlängert werden. Anwender erleben so weniger Umstellungen durch ständige Veränderungen.
Erstellung von TR-HTV-Definitiv-Silikonschäften
Ein gut sitzender und funktioneller HTV-Prothesenschaft bedingt eine aufwendige Schaftanpassung. Nach einer individuellen Maßnahme erstellt der Techniker zuallererst einen Volumenschaft, um die Passform zu kontrollieren. Dieser kann aus einem harten Klarsichtmaterial bestehen. Auch die Art und Weise der An- und Ausziehtechnik wird in dieser Phase bereits besprochen.
Im Anschluss wird der erste flexible Schaft getestet (Abb. 1). Hier ist zuweilen bereits die Nutzung einer Rahmenkonstruktion sinnvoll. Danach wird eine Testprothese (Abb. 2) erstellt. Da die künstliche Unterarmverlängerung Lage und Einstellung der Elektroden beeinflussen kann, erfolgt im nächsten Schritt deren Feinabstimmung. Für eine funktionelle Erprobung sollte die Testversorgung für einen definierten Zeitraum mitgegeben werden. So kann der Anwender zusammen mit seinem Ergotherapeuten die Versorgung prüfen. Vor allem im Alltag sollte die Testversorgung auf ihren funktionellen Zugewinn durch die Schaftgestaltung erprobt werden.
Gerade bei funktionellen Prothesen ist es dem Anwender in der Testphase möglich, Schwachstellen festzustellen, um anschließend den Definitivschaft (Abb. 3) mit diesen Erkenntnissen zu verbessern. Jede neue Schaftgestaltung sollte den Bewegungsradius erhöhen und dem Anwender mehr Freiheiten gewähren.
Versorgung 1
HTV-TR-Schaft / Physiolino-Versorgung / 11 Monate altes Dysmelie-Kind
Bei Dysmelie-Kindern, die in sehr jungem Alter Prothesen erhalten, sind zwei Dinge zu beachten: Die Kinder müssen sich mit der Versorgung „anfreunden“ und die Familie muss ein Prothesensystem an die Hand bekommen, an das sie sich schnell und unkompliziert gewöhnen kann. Die Versorgung sollte insgesamt aus Silikon bestehen. Das in diesen Fällen genutzte HTV-Silikon kann komplett weich gestaltet werden, sodass die Bewegung nicht eingeschränkt wird.
Eine zwischen den HTV-Schichten liegende Karbonspange gibt der Versorgung seitlichen Halt, ohne das Kind in der Bewegungsfindung und ‑erlernung einzuschränken. Das Anziehen wird für die Eltern – in diesem Fall – durch das Verwenden einer Anziehhilfe (Abb. 4) erleichtert.
Zusätzlichen Halt und gleichzeitig Bewegungsfreiheit gewährt ein Silikonkragen (Abb. 4), der vom HTV-Schaft auf den Oberarm gerollt wird. Das ist ein guter Weg, Kleinstkinder, Eltern, Ergotherapeuten und Erzieher in Kindertagesstätten an spätere myoelektrische Armversorgungen heranzuführen. Bei der Maßnahme ist darauf zu achten, dass die Stumpfverhältnisse berücksichtigt werden und das Bewegungsmaß der Kinder so wenig wie möglich eingeschränkt wird. Die Versorgung sollte das Kind gerade in der Beuge nicht so weit limitieren, dass es weiterhin Spielzeug und andere Gegenstände beidhändig zu greifen versucht und zwischen beiden Händen hält. Auch in der Streckung sollte möglichst kein fester Endanschlag zu spüren sein.
Bei den nachfolgend vorgestellten Schaftversorgungen kann ein Vermessen des Beugewinkels erfolgen, aber die Gestaltung des Schaftes muss auf die Anforderungen des Anwenders zugeschnitten sein. Er legt die endgültige für ihn sinnvolle Randgestaltung fest.
Ein reiner Gipsabdruck wird nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen. Gerade bei Dysmelie-Stümpfen ist der Einsatz von Impresil (Abb. 5) anzuraten, weil so sämtliche Fingeransätze sehr gut abgebildet werden.
Versorgung 2
HTV-TR-Schaft / Kinderdysmelie-Stumpfversorgung
Insbesondere bei Heranwachsenden ist die regelmäßige Schaftneuerstellung zu berücksichtigen. Hier noch harte, unflexible Schäfte einzusetzen, kommt ihnen nicht zugute. Junge, noch im Wachstum befindliche Patienten brauchen große Freiheit bei maximalem Halt und größtmöglicher Funktionskontrolle. Das ständige Neugewöhnen an Folgeschäfte bedeutet einen Zeitverlust und eine Einschränkung der Freiheit. Deshalb ist es empfehlenswert, nicht alle vier bis sechs Monate neue Schäfte anfertigen. Auch hier zeigt sich, wie sinnvoll der Einsatz von HTV-Schäften ist. Zudem ist es bei Kindern wichtig, ihnen das An- und Ausziehen leicht zu machen.
Die Beuge (Abb. 6) kann mit dem HTV-Silikon in einer weicheren Shore-Härte gestaltet werden. So lässt sich, wenn nötig, weit über die Beugefalten hinaus ein Schaft fertigen. Auch für den tragenden Außenschaft ist nur eine Rahmengestaltung (Abb. 7) erforderlich. Anwender haben so die Chance, ein Feedback (Abb. 8) von ihrer Umgebung zu erhalten.
Versorgung 3
HTV-TR-Schaftversorgung mit Ventilvarianten
Für HTV-Schäfte gibt es verschiedene Anziehmöglichkeiten. Ein einfaches Ausstoßventil (Abb. 9a) versetzt Anwender in die Lage, mithilfe einer Lotion in den Schaft zu gleiten. Die zu verdrängende Luft wird dabei aus dem Ventil gepresst. Zum Ausziehen der Versorgung reicht es, etwas Luft in den Schaft zu lassen, indem der Anwender zum Beispiel den Finger oder ein Hilfsmittel (Einführung eines Kunststoffstabes) in den Schaft steckt, um ihn zu belüften.
Alternativ kann man auch ein Ventil mit Belüftungsmöglichkeit (Abb. 9b) einsetzen. Das hängt von der Stumpflänge und dem Patientenwunsch ab. Lange Stümpfe etwa müssen zum Ausziehen belüftet werden, da die Haftung der Schäfte sehr hoch ist.
Wenn ein Anwender eine Anziehhilfe benutzt, ist der Einsatz eines Saugschaftventils zweckmäßig (Abb. 10).
Mögliche Kontraindikation
Ein maßgefertigter Silikonschaft ist in den meisten Fällen ein sinnvoller und notwendiger Bestandteil einer Armprothesenversorgung. Unter bestimmten Umständen kommt die Verwendung eines Silikonsschaftes dennoch nicht in Frage. Beispielsweise gibt es Anwender, die seit Jahren an ein Hartschaftsystem gewöhnt sind und kein neues Material ausprobieren möchten. Wichtig für die Versorgungsentscheidung sind auch die Lebensumstände des Anwenders, auf die Rücksicht genommen werden muss. Allergien gegen das Silikonmaterial sind dem Autor nicht bekannt. Sie zählen somit nicht zu den Ausschlussargumenten.
Ergebnisauswertung
Alle mit HTV-Schäften ausgestatteten Anwender haben einen größeren Bewegungsspielraum mit ihrer Versorgung erhalten. Besonders langjährig prothesenerfahrene Patienten, die in ihren Vorversorgungen harte, rigide Schäfte kannten, erfreuen sich an diesem Funktionsvorteil. Die Ansteuerung der Systeme und die Funktionskontrolle bei myoelektrischen Versorgungen sind einfacher. Die Ausgleichbewegungen, die bei harten Schaftsystemen erforderlich sind, werden deutlich reduziert. Auch die Pflege der Schäfte ist ein klarer Funktionsvorteil. Bei intensiver Beratung, was die Anziehweise der Versorgung betrifft, ist das Erreichen einer guten, vom Anwender angenommen Versorgung gewährleistet. Die Lebensqualität der Patienten wird damit deutlich erhöht.
Der Autor:
Hans-Magnus Holzfuß
Gesundheitszentrum Greifswald GmbH
Fleischmannstraße 6
17489 Greifswald
h.holzfuss@gesundheitszentrumgreifswald.de
Begutachteter Beitrag/Reviewed paper
Holzfuß H‑M. Schaftdesigns in der TR-Prothetik. Orthopädie Technik, 2013; 64 (5): 24–27
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