Austragungsort des interdisziplinären Fußsymposiums mit angeschlossener Ausstellung war am 3. und 4. Februar das Remarque Hotel in Osnabrück. Im Interview mit der OT-Redaktion blicken OSM Tino Sprekelmeyer, 1. Vorsitzender der Studiengemeinschaft, und dessen Stellvertreter OSM Michael Volkery gemeinsam auf den Verlauf der Veranstaltung zurück. Im Vordergrund standen der fachliche Austausch zwischen den Disziplinen und ein Blick auf die Zukunft des Handwerks, begleitet von Spezialthemen wie etwa der Fehlerkultur in der Gesundheitsversorgung oder dem Versorgungsstandard in der Einlagenversorgung.
OT: Wie hat sich die enge Zusammenarbeit der Studiengemeinschaft mit dem Klinikum Osnabrück in der Vergangenheit entwickelt und in welchem Maße profitieren Medizin und Handwerk gleichermaßen von der Veranstaltung?
Tino Sprekelmeyer: Seinerzeit sind wir mit einem Sportsymposium in Osnabrück gestartet und es hat sich seither eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe entwickelt. Jedes Jahr setzen wir uns vom Vorstand der Studiengemeinschaft mit Prof. Dr. Engelhardt und einigen seiner Kollegen zusammen und entwickeln ein gemeinsames Programm, in dem der interdisziplinäre Versorgungsanspruch im Vordergrund steht. Beiden Partnern ist es wichtig, dass die konservative Versorgung auch postoperativ ein wichtiger Baustein ist. Daher versuchen wir zu den verschiedenen Themen rund um den Fuß und die untere Extremität neben den medizinischen Themen auch immer handwerkliche Beiträge zu platzieren. Es ist uns allen wichtig, sowohl die Orthopädietechniker und Orthopädieschuhmacher als auch die Physiotherapeuten und die Mediziner mit unseren Themen zu erreichen, um alle Beteiligten zusammenzubringen.
OT: Nach welchen Kriterien haben Sie im Vorfeld die Auswahl der Schwerpunktthemen von der Sportversorgung bis zum geriatrischen Patienten getroffen?
Michael Volkery: Die Auswahl der Themen für unser Fachprogramm orientiert sich natürlich primär am Bedarf unserer Mitglieder. Wir versuchen Themenfelder auszuwählen, welche sich durch neues Fachwissen, Trends oder Innovationen im Wandel befinden. Hier entscheidet der Vorstand der Studiengemeinschaft in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Engelhardt und seinem Team jedes Jahr aktuell. Insbesondere die Impulse aus der Ärzteschaft beeinflussen die Auswahl stark, da sie häufig neue Versorgungsoptionen aufzeigen, bevor diese am Markt etabliert sind.
OT: Die regen Diskussionen im Anschluss an die einzelnen Vorträge zeugen von einem großen Bedarf am interdisziplinären Austausch. Warum kommt dieser im Tagesgeschäft oft zu kurz und wie kann hier Besserung erzielt werden?
Sprekelmeyer: Es zeigt, wie wichtig solche Veranstaltungen sind. Dies ist im Grunde der Schlüssel, da es im Alltag bei allen Disziplinen zeitlich eng zugeht. Daher brauchen wir solche Formate des gemeinsamen Austausches. Die Studiengemeinschaft hat in der Vergangenheit auch neben der Jahrestagung jährliche kleinere Qualitätszirkel veranstaltet, was aber durch die Coronazeit leider etwas eingeschlafen ist. Dies könnte eine weitere Möglichkeit der Vernetzung zwischen den Disziplinen sein. Eines steht fest: In Zeiten des Fachkräftemangels in der Patientenversorgung wird die interdisziplinäre Vernetzung immer wichtiger, um auch in Zukunft effizient und straff versorgen zu können. Den Klinikern ist es ebenfalls ein Herzenswunsch, die Technische Orthopädie weiterhin zu pflegen, da sie einen wichtigen Baustein darstellt und einen sehr hohen Stellenwert in der Versorgung der Menschen hat. Dies wird immer sehr deutlich von allen Referenten betont.
OT: PD Dr. Renée Andrea Fuhrmann hat im Rahmen des Fußsymposiums eine eindringliche wie unterhaltsame Ehrengastlecture zum Komplikationsmanagement in der Fußchirurgie gehalten. Wie ausgeprägt ist eine offene bzw. transparente Fehlerkultur im Versorgungsalltag?
Volkery: Auf Seiten der Technischen Orthopädie sehen wir in den letzten Jahren eine deutliche Kehrtwende. Durch den Wunsch der Versorgungsoptimierung werden Versorgungen deutlich besser hinterfragt und Standards implementiert. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Kompendium „Qualitätsstandard im Bereich Fuß und Schuh“ der Deutschen Gesellschaft für interprofessionelle Hilfsmittelversorgung. Insbesondere die Mitglieder der Studiengemeinschaft haben sich dem Ziel verschrieben, „aus ihren Fehlern zu lernen“ und eine transparente Fehlerkultur zu leben. Seit 2020 erhebt die Gemeinschaft im Rahmen ihres Qualitätsmanagementsystems randomisierte Daten zu Versorgungen im Bereich der PG 31 – Schuhe. Diese Registerdaten lassen sich mit allen Poolteilnehmern vergleichen. So kann die Qualität der eigenen Versorgung im Bezug zur durchschnittlichen Versorgung verglichen werden. Daraus resultierend lassen sich potenzielle Fehlerquellen im eigenen Versorgungablauf finden und kontinuierlich überwachen.
OT: Sie beide sind in den Symposien nicht nur als Referenten in Erscheinung getreten, sondern auch als Chair der Sessions. Welche Beiträge sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Sprekelmeyer: Ich denke, es ist die Mischung innerhalb der verschiedenen Themenblöcke, die es ausmacht, dass alle Beiträge eindringlich und interessant sind. In diesem Jahr hatten wir in vielen Sessions aufeinander aufbauende Beiträge und dies sind dann die Beiträge, die man in Erinnerung behält, um beobachten zu können, wie die Disziplinen aus den Bereichen Klinik, Technische Orthopädie und Orthopädie-Schuhtechnik zusammenarbeiten und aufeinander aufbauen. Es zeigt, wie wichtig es ist, die Versorgungsprozesse abzustimmen, damit es zu einer erfolgreichen Patientenversorgung kommt. Auch kritische Töne sind wichtig, um von fehlgeschlagenen Patientenversorgungen ebenfalls zu lernen. Hier wird deutlich, dass die Themen auf Augenhöhe behandelt und auf welch hohem Niveau die Beiträge diskutiert und besprochen werden.
OT: Unter dem Titel „Klartext“ nahm sich Thomas Stief am Ende des ersten Veranstaltungstages des Themas „Einlage“ an. Was waren die zentralen Aussagen seines Impulses?
Volkery: Einlagen gehören zu den am häufigsten verschriebenen Hilfsmitteln in Deutschland. Leider erfüllen nicht alle Versorgungen im Bereich der PG 08 den gewünschten Qualitätsstandard. Häufig werden Einlagen im „Schnellverfahren“ gefertigt, von nicht ausgebildetem Personal angemessen und abgegeben. So entsteht eine Aushöhlung der Versorgungsqualität, die das Produkt Einlage auf Kostenträgerseite angreifbar macht. Die zentrale Aussage im „Klartext“ von Thomas Stief war, dass eine hochwertige Einlagenversorgung transparent, nachvollziehbar und systematisch erfolgen muss – unter Berücksichtigung eines klar strukturierten Versorgungsalgorithmus, der vom Assessment über die Zieldefinierung bis zur Nachsorge greift und konsequent umgesetzt wird.
OT: Das Fußsymposium warf zum Abschluss unter der Überschrift „OST 2030“ unter Einbeziehung der Teilnehmer:innen einen Blick in die Zukunft. Welche Themen beschäftigt die Orthopädie-Schuhtechnik aktuell und absehbar im Besonderen?
Sprekelmeyer: Zu dem Thema „Wie sieht die Orthopädie-Schuhtechnik 2030 aus?“ haben wir in Osnabrück einen sogenannten Open Space abgehalten. Dabei sammelten rund 50 Kolleg:innen Ideen und Aspekte, die sie für wichtig und nachverfolgbar erachten. Im Anschluss wurden die gesammelten Stichworte mit Punkten gewichtet, um ein grundsätzliches Stimmungsbild aus der Gruppe zu erhalten. Die sich dadurch ergebenen Aufgabenfelder waren: erstens: Lehre und Ausbildung/Fachkräftemangel, zweitens: Forschung und Innovation/Registerforschung, drittens: OST in den Medien/Digitalisierung sowie viertens die Frage: Gibt es 2030 noch ein OST-Handwerk? In einzelnen Kleingruppen wurde im Folgenden der jeweilige Status quo skizziert, die zu erwartende und gewünschte Entwicklung diskutiert, deren beeinflussende Faktoren und Rahmenbedingungen herausgearbeitet, unser persönliches Engagement dokumentiert und das Ergebnis dessen den anderen Gruppen präsentiert. Fest steht, dass der Wille zur Veränderung und Weiterentwicklung für jeden Einzelnen, aber auch für die gesamte Branche besteht. Dass sich bei unserer Veranstaltung mehr oder weniger spontan 50 Orthopädieschuhmacher:innen zusammengefunden und in einem offenen Rahmen miteinander über die Herausforderungen der Zukunft diskutiert haben, kann einen als Fazit nur positiv stimmen.
Die Fragen stellte Michael Blatt.
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