Recy­cling-Fila­ment schont Geld­beu­tel und Natur

Kreislaufwirtschaft zielt darauf ab, den Lebenszyklus von Materialien und Produkten durch Recyc­ling, Reparatur, Wiederverwendung und Aufbereitung zu verlängern. Das kann die Umwelt schonen, ist für das Darmstädter Start-up Qitech aber vor allem eins: einfach logisch. Aus Plastikabfall stellt das Team recyceltes Filament für den 3D-Druck her und produziert Maschinen, die die Wiederaufbereitung dort ermöglichen, wo der Abfall entsteht – im Betrieb selbst.

War­um sich das nicht nur aus Grün­den der Nach­hal­tig­keit lohnt, son­dern auch wirt­schaft­lich aus­zahlt, erläu­tert Geschäfts­füh­rer Milan von dem Bus­sche im Gespräch mit der OT-Redaktion.

OT: Sie haben die Fir­ma mit 16 Jah­ren gegrün­det. Nicht unbe­dingt ein Alter, in dem man sich mit Recy­cling beschäf­tigt. Was hat Sie zur Fir­men­grün­dung inspiriert?

Milan von dem Bus­sche: Mei­ne Freun­de und ich haben damals Han­dy­hül­len mit dem 3D-Dru­cker her­ge­stellt. Durch die Pro­to­ty­pen ent­stand viel Müll. Und Geld für Fila­ment hat­ten wir nicht. Da dach­ten wir uns: Kön­nen wir nicht aus den alten Hül­len neu­es Fila­ment machen? Getrie­ben wur­den wir dabei nicht von dem Gedan­ken, etwas für die Umwelt zu tun. Wir fan­den es ein­fach logisch, wert­vol­le Kunst­stof­fe nicht zu ver­bren­nen, son­dern sie im Kreis­lauf zu füh­ren. Das ist auch heu­te noch unse­re Devi­se. Re­cycling ist nicht immer sinn­voll, aber manch­mal – und in die­sem Fall – eben schon.

OT: Wie genau läuft der Recy­cling-Pro­zess bei Ihnen ab?

Von dem Bus­sche: Das Plas­tik, das wir ver­ar­bei­ten, bezie­hen wir aus ver­schie­de­nen regio­na­len Quel­len. Dazu gehö­ren zum Bei­spiel Fuß­leis­ten, Zuschnitt­res­te und vor allem Deckel von Glas­fla­schen. Aus den Deckeln machen wir die Spu­len und aus dem Rest das Fila­ment. Wir schred­dern das Plas­tik und schmel­zen das ent­stan­de­ne Gra­nu­lat bei 200 bis 300 Grad zu einem lan­gen Faden, der anschlie­ßend gekühlt und zur Über­wa­chung des Fila­mentdurch­mes­sers mit Lasern gemes­sen wird. Das Fila­ment wird dann auf Spu­len gewi­ckelt, sodass es von unse­ren Kun­den für den 3D-Druck genutzt wer­den kann.

OT: Auf Ihrer Web­site kann man Sie buch­stäb­lich in ­Fla­schen­de­ckeln baden sehen. War­um genau haben Sie sich für die­ses Abfall­pro­dukt entschieden?

Von dem Bus­sche: Das hat tat­säch­lich einen ganz bana­len Grund (lacht). Wir hat­ten frü­her kei­nen Schred­der und haben den Küchen­mixer von mei­ner Mut­ter benutzt. Das meis­te war zu groß, eine Tup­per­do­se pass­te da zum Bei­spiel nicht rein. Was wir brauch­ten, waren sehr klei­ne Plas­tik­tei­le. Deckel konn­ten wir durch die Unter­stüt­zung von Restau­rants, Hotels und Arzt­pra­xen schnell und viel sam­meln. Mitt­ler­wei­le arbei­ten wir mit einem Was­ser­her­stel­ler zusam­men, bei dem die Mehr­weg­de­ckel nach der Rück­nah­me ohne­hin abge­schraubt wer­den. Die nächs­te Her­aus­for­de­rung war es dann, die Farb­rein­heit zu gewährleisten.

OT: Wie ist Ihnen das gelungen?

Von dem Bus­sche: Fla­schen­de­ckel haben vie­le ver­schie­de­ne Far­ben. Wenn man sie mischt, kommt ein Braun­ton her­aus. Das Pro­blem ist: Wenn man ein­mal alles ver­mischt hat, kriegt man die Far­ben nie wie­der aus­ein­an­der. Wir wol­len aber nicht nur die Wahl zwi­schen Schwarz und Braun haben. Wir set­zen auf farb­rei­nes Recy­cling und haben des­we­gen eine Fla­schen­de­ckel-Sor­tier­ma­schi­ne ent­wi­ckelt. Rote Deckel wer­den zu roten Plas­tik­schnip­seln und die­se zu roten Spu­len. Für uns war das ein Durch­bruch. Denn erst durch die Sor­tier­ma­schi­ne ist der Pro­zess für uns wirt­schaft­lich geworden.

OT: Kön­nen Unter­neh­men ihren Plas­tik­müll bei Ihnen zum Recy­cling abgeben?

Von dem Bus­sche: Ja, ab einer Men­ge von zehn Kilo­gramm im Monat.

Normalerweise sind Spulen Wegwerfprodukte – Qitech stellt sie dagegen aus Recyclingmaterial her. Mit einer Maschine wird das Filament später aufgewickelt. Foto: Qitech
Nor­ma­ler­wei­se sind Spu­len Weg­werf­pro­duk­te – Qitech stellt sie dage­gen aus Recy­cling­ma­te­ri­al her. Mit einer Maschi­ne wird das Fila­ment spä­ter auf­ge­wi­ckelt. Foto: Qitech


OT: Es gibt auch die Mög­lich­keit, die Maschi­nen direkt ins Haus zu holen. Ergibt das auch für klei­ne Betrie­be Sinn?

Von dem Bus­sche: Wir ver­kau­fen die Maschi­nen an Uni­ver­si­tä­ten, Labo­re und an Auto­mo­bil­kon­zer­ne, die Ent­wick­lungs­ab­tei­lun­gen haben. Für klei­ne­re Betrie­be lohnt es sich nicht, eine Maschi­ne anzu­schaf­fen. Als Ori­en­tie­rung: Man bräuch­te pro Monat jeweils über 50 Kilo­gramm an Abfall, damit es wirt­schaft­lich sinn­voll ist, einen Kreis­lauf zu erzeu­gen. Ver­wen­det man aller­dings, wie zum Bei­spiel bei Pro­the­sen, Spe­zi­al­ma­te­ri­al wie Car­bon­fa­ser, sieht das anders aus. Je teu­rer das Mate­ri­al, des­to eher wird Recyc­ling auch bei klei­nen Men­gen attraktiv.

OT: Wer sich kei­ne eige­ne Maschi­ne hin­stel­len möch­te, kann das Fila­ment bei Ihnen kau­fen. Ren­tiert sich das für Unternehmen?

Von dem Bus­sche: Wir sind mit 19,99 Euro pro Rol­le güns­ti­ger als 80 Pro­zent ande­rer Anbie­ter bei Ama­zon. Und dadurch, dass wir mit Refills arbei­ten, bie­ten wir einen wei­te­ren Vor­teil: Her­kömm­li­che Fila­mentspu­len sind Ein­mal­spu­len. Bei uns kauft man aller­dings nur ein Mal eine ­Spu­le, und danach nur noch das Fila­ment. Dadurch sta­peln sich – und das habe ich oft genug bei Unter­neh­men gese­hen – kei­ne Ein­weg­spu­len mehr.

OT: Lohnt es sich noch aus wei­te­ren Grün­den, in Müll zu investieren?

Von dem Bus­sche: Frü­her oder spä­ter wird man für jedes Kilo Müll zah­len müs­sen. Und Plas­tik wird durch CO2-Emis­si­ons­prei­se immer teu­rer wer­den. Es wird sich also mehr und mehr loh­nen, sei­ne Mate­ria­li­en im Kreis­lauf zu halten.

OT: Wie steht es um die Qua­li­tät Ihres Fila­ments? Gibt es ­Unter­schie­de zu her­kömm­li­chem Filament?

Von dem Bus­sche: Man muss sich von dem Gedan­ken „Recy­cling ist gleich B‑Ware“ lösen. Unser Fila­ment ist qua­li­ta­tiv sehr hoch­wer­tig. Wich­tig ist die Durch­mes­ser­kon­stanz des Mate­ri­als – der Durch­mes­ser muss bei 1,75 Mil­li­me­ter lie­gen. Mög­li­che Abwei­chun­gen stel­len wir durch Mes­sun­gen sicher. Was man aller­dings beach­ten muss: Mit jedem Recy­cling­zy­klus ver­liert das Mate­ri­al zwei bis zehn Pro­zent an Stär­ke. Das ist ein akzep­ta­bler Ver­lust, den man aber im Hin­ter­kopf behal­ten muss. Der tat­säch­li­che Ver­lust hängt letzt­end­lich davon ab, wie man das Mate­ri­al ver­ar­bei­tet, genau­er gesagt, wie lan­ge es unter hei­ßen Tem­pe­ra­tu­ren gerie­ben wird. Wenn man die­se Pha­se ver­kürzt, kann man den Effekt auf das Mate­ri­al mini­mie­ren. Wie das gelin­gen kann, dazu betrei­ben wir viel Forschung.

OT: Wie oft kann man den Recy­cling-Pro­zess wiederholen?

Von dem Bus­sche: Der­zeit so um die sie­ben Mal. Das folgt dem Prin­zip von Cas­ca­ding, auch Down­cy­cling genannt. Das Fila­ment kommt in den Kreis­lauf und wird recy­celt. Dar­aus wird dann Fila­ment, das viel­leicht nicht mehr die NASA benutzt, son­dern der Zahn­tech­ni­ker. Dar­aus wird wie­der­um Fila­ment, das nur noch der Hob­by­ist benutzt. Am Ende der Ket­te wird schließ­lich ein Blu­men­topf aus dem Mate­ri­al gefer­tigt. Und erst dann geht es in die Verbrennung.

OT: Wer Nach­hal­tig­keit sagt, muss auch nach Green­wa­shing fra­gen. Wie grün sind Sie wirklich?

Von dem Bus­sche: Das ist gar nicht so leicht zu beant­wor­ten. Wir pro­du­zie­ren regio­nal in Darm­stadt und bezie­hen auch das Plas­tik von Fir­men aus Deutsch­land. Aller­dings muss man sagen: 70 Pro­zent unse­res Umsat­zes machen wir durch Maschi­nen­bau. Ich wür­de sagen, nur rund 30 Pro­zent der Tei­le kom­men von deut­schen Her­stel­lern. Davon bezie­hen bestimmt zehn Pro­zent ihr Mate­ri­al aus Fern­ost oder den USA. Wenn wir unse­re Tei­le aber nur von deut­schen Lie­fe­ran­ten bezie­hen wür­den, wäre das Irr­sinn – und Green­wa­shing. Egal ob Kugel­la­ger, Schrau­ben oder Fräs­teile – vie­le deut­sche Lie­fe­ran­ten kau­fen die Tei­le im Aus­land ein, um sie wie­der zu ver­kau­fen. Kom­plett regio­nal könn­ten wir also ohne­hin nicht pro­du­zie­ren. Aber wir machen, was mach­bar ist. Wir sind noch nicht groß genug, als dass wir einen Effekt auf die CO2-Bilanz in Deutsch­land haben. Wir sind nur ein klei­nes Zahn­rad. Aber wir sind eine Art Leucht­turm­pro­jekt. Denn wir machen hoch­qua­li­ta­ti­ves Recy­cling und regen dadurch hof­fent­lich zum Umden­ken in der Gesell­schaft an. Recy­cling muss nicht schlecht und teu­er sein.

OT: Ist Recy­cling die Zukunft?

Von dem Bus­sche: Vor Recy­cling muss immer Wie­der­ver­wen­dung und Spar­sam­keit ste­hen. Man soll­te nicht unnö­tig Pro­to­ty­pen oder Spu­len pro­du­zie­ren, nur weil man weiß, dass man sie recy­celn kann. Mehr­weg­spu­len blei­ben sinn­vol­ler. Genau­so wie der Mehr­weg­kaf­fee­be­cher sinn­vol­ler ist als der Papp­be­cher. Eine gute Regel lau­tet: „­redu­ce, reu­se, recy­cle“, also redu­zie­ren, wie­der­ver­wen­den, recy­celn. Lei­der sprin­gen vie­le zu oft direkt zum letz­ten Schritt.

Mit dem Javis Pro Extruder schmelzen Geschäftsführer ­Milan von dem Bussche (links) und Paul Nehme, verantwortlich für den Bereich Entwicklung und Konstruktion, das Granulat ein und verarbeiten es zu neuem Filament. Foto: Qitech
Mit dem Jar­vis Pro Extru­der schmel­zen Geschäfts­füh­rer ­Milan von dem Bus­sche (links) und Paul Neh­me, ver­ant­wort­lich für den Bereich Ent­wick­lung und Kon­struk­ti­on, das Gra­nu­lat ein und ver­ar­bei­ten es zu neu­em Fila­ment. Foto: Qitech


OT: Vor fünf Jah­ren haben Sie Qitech gegrün­det. Was ­waren die größ­ten Her­aus­for­de­run­gen bei der Ent­wick­lung und ­Opti­mie­rung Ihrer Prozesse?

Von dem Bus­sche: Nach dem Abitur haben wir nicht direkt ange­fan­gen zu stu­die­ren, son­dern uns aus­chließ­lich der Fir­ma gewid­met. Wir haben mit gera­de mal 18 Jah­ren eine Hal­le mit einer Flä­che von 2.500 Qua­drat­me­tern plus Park­platz gemie­tet und hat­ten ein Team aus zehn Leu­ten. An die­sem Punkt hat das Fir­men­wachs­tum das persön­liche Wachs­tum über­holt. Wir hat­ten viel Flä­che, vie­le Leu­te, aber wenig Ahnung davon, wie man Mit­ar­bei­ter führt, ein Unter­neh­men betreibt, wor­auf es beim Pro­duk­ti­ons­ma­nage­ment oder der Buch­hal­tung ankommt. Wir muss­ten also eine Ent­wick­lung durch­ma­chen und in sehr unter­schied­li­che Rol­len hin­ein­wach­sen: vom Tüft­ler zum Grün­der und vom Grün­der zum Unter­neh­mer. Die­se Zeit war defi­ni­tiv ein Lear­ning: Fir­men­wachs­tum und per­sön­li­ches Wachs­tum müs­sen mit­ein­an­der Schritt halten.

OT: Was raten Sie ande­ren jun­gen Men­schen, die „nur“ eine Idee und Lust auf mehr haben. Was braucht es, um erfolg­reich zu sein?

Von dem Bus­sche: Ich kann jedem emp­feh­len, so wie wir bei Ideen­wett­be­wer­ben wie „Jugend forscht“ oder „Jugend grün­det“ mit­zu­ma­chen. Der Gewinn bei „Start up Teens“ mit 10.000 Euro war unser Start­ka­pi­tal. Selbst wenn das Preis­geld gering ist oder es kei­nes gibt, hilft die Teil­nah­me dabei, die Idee zu for­men und zu fes­ti­gen. Denn man muss für sol­che Wett­be­wer­be Busi­ness­plä­ne erar­bei­ten und Fra­gen­ka­ta­lo­ge beant­wor­ten. Dabei merkt man oft erst, ob die Idee wirk­lich funk­tio­nie­ren kann und wo die Rei­se hin­gehen soll.

OT: Wer früh anfängt, hat auch noch viel Zeit vor sich: Wo soll Ihre Rei­se hin­ge­hen? Was sind Ihre nächs­ten Ziele?

Von dem Bus­sche: Wenn wir uns aus­ru­hen wür­den, wür­den wir mit den aktu­el­len Pro­zes­sen in den nächs­ten Jah­ren gut ver­die­nen – zumin­dest als Stu­den­ten. Aber bei uns geht es wei­ter. Ande­re Start-ups mes­sen ihren Erfolg an Umsatz­zah­len, wir vor allem an der Pro­duk­ti­ons­flä­che. Und die soll in den nächs­ten Jah­ren grö­ßer wer­den. Mein Her­zens­the­ma sind die Fla­schen­de­ckel. Unser Wunsch ist, dass wir jeden Tag eine LKW-Ladung an Fla­schen­de­ckeln bekom­men, die dann mög­lichst schnell sor­tiert wer­den. Frü­her waren wir bei einer Sor­tier­ge­schwin­dig­keit von einem Deckel alle zwei Sekun­den. Jetzt sind wir schon bei zwei Deckeln die Sekun­de. Künf­tig wol­len wir auf zehn ­Deckel die Sekun­de kom­men. Außer­dem arbei­ten wir dar­an, dass die Nach­füll­pa­ke­te für die Spu­len auto­ma­tisch – der­zeit pas­siert das noch per Hand – gegrif­fen und in Kar­tons ver­packt wer­den. Dafür wol­len wir eine Maschi­ne entwickeln.

OT: Steht über all dem ein gro­ßer Plan?

Von dem Bus­sche: Ja, unse­re Visi­on ist es, in unse­rem Hei­mat­dorf Oppen­heim mit einer eige­nen gro­ßen Hal­le ein „Hid­den Cham­pi­on“ zu wer­den. Wir wol­len Welt­markt­füh­rer im Bereich Kunst­stoff­re­cy­cling von 3D-Druck-­Ma­te­ria­li­en werden.

Die Fra­gen stell­te Pia Engelbrecht.

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