„Blick über den Tel­ler­rand“ bie­tet Mehrwert

Die OTWorld 2022 ist das erste große persönliche Treffen der Branche seit vier Jahren. Grund genug für die OT-Redaktion auf Stimmenfang im Fach zu gehen und einmal abzufragen, was sich verändert hat und worauf sich die Protagonisten der Orthopädie-Technik freuen.

Prof. Dr. med. Bern­hard Grei­temann ist Lei­ter der Reha­kli­nik Müns­ter­land der LVA West­fa­len in Bad Rothen­fel­de. Ehren­amt­lich enga­giert er sich in einer Viel­zahl von Orga­ni­sa­tio­nen. Er ist unter ande­rem Vor­sit­zen­der des deut­schen Able­gers der Inter­na­tio­nal Socie­ty for Pro­sthe­tics and Ortho­tics (ISPO).

Anzei­ge

OT: Trotz der schwe­ren welt­po­li­ti­schen Lage mit dem Ukrai­ne-Krieg ist die OTWorld ein Treff­punkt für die inter­na­tio­na­le Zusam­men­ar­beit der Bran­che. Wie wich­tig ist es in so schwe­ren Zei­ten den Dia­log über Lan­des­gren­zen auf­recht zu erhalten?

Prof. Dr. Bern­hard Grei­temann: Der Wert einer inter­na­tio­na­len Ver­net­zung unter Exper­ten, die sich fried­lich zu wis­sen­schaft­li­chen oder prak­ti­schen The­men aus­tau­schen, war immer schon eines der Kern­zie­le der ISPO. Der dadurch ent­ste­hen­de Mehr­wert durch den „Blick über den Tel­ler­rand“, das „Zuhö­ren kön­nen“ bei Argu­men­ten und Lösungs­mög­lich­kei­ten ande­rer, hat vie­le Behand­lungs­an­sät­ze befruch­tet. Dies hat in der inter­na­tio­na­len Poli­tik in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten erkenn­bar nicht statt­ge­fun­den, mit den fata­len Fol­gen, die wir jetzt alle sehen. Der Dia­log unter­ein­an­der ist und bleibt emi­nent wich­tig und unver­zicht­bar! Wir alle soll­ten ver­su­chen, durch Nut­zung unse­rer per­sön­li­chen Kon­tak­te und Netz­wer­ke, die­sen unse­li­gen Krieg zu been­den und den rus­si­schen Kol­le­gen ein wah­res Bild der Lage zu vermitteln.

OT: Coro­na, Flut und nun Krieg – die Schlag­zahl der Kri­sen hat sich in den ver­gan­ge­nen Jah­ren erhöht. Wel­che Anpas­sun­gen muss­te die Bran­che vor­neh­men, um den neu­en Bedin­gun­gen gerecht zu werden?

Grei­temann: Eine Leh­re für die west­eu­ro­päi­schen Fir­men wird aus die­ser Kri­se sicher sein, dass Stand­or­te für Pro­duk­ti­ons­an­la­gen nicht nur unter dem Gesichts­punkt einer mög­lichst kos­ten­güns­ti­gen Fer­ti­gung, son­dern auch mit Blick auf Sicher­heit und ver­läss­li­che Arbeits­plät­ze aus­ge­wählt wer­den. Ich gehe davon aus, dass vie­le Fir­men daher ihre Schwer­punk­te auf den hei­mi­schen Bereich bzw. West­eu­ro­pa legen wer­den. In der OT-Bran­che erwar­te ich ggf. eine per­so­nel­le Ver­stär­kung durch gut aus­ge­bil­de­te Flücht­lin­ge aus der Ukrai­ne, die ange­sichts der Zer­stö­run­gen in ihrem Hei­mat­land aus mei­ner Sicht zumin­dest kurz- bis mit­tel­fris­tig hier­blei­ben wer­den. Wie in jedem Krieg wird die Zahl der ver­sor­gungs­be­dürf­ti­gen Ver­letz­ten in der Ukrai­ne selbst – und ggf. dann auch hier – sehr hoch sein.

OT: Die OTWorld wird 2022 wie­der in Leip­zig statt­fin­den. Wäre es aus Ihrer Sicht wün­schens­wert, wenn mög­lichst  vie­le Inhal­te digi­ta­li­siert wer­den wür­den, damit die inter­na­tio­na­len Ver­tre­ter, die aus diver­sen Grün­den nicht per­sön­lich teil­neh­men, den­noch am Wis­sens­aus­tausch par­ti­zi­pie­ren können?

Grei­temann: Ich per­sön­lich schät­ze mehr den direk­ten Aus­tausch. Aus der Erfah­rung aus zahl­rei­chen Video­ses­si­ons und ‑kon­gres­sen her­aus kann ich für mich sagen, dass die Dis­kus­si­ons­freu­dig­keit des Audi­to­ri­ums bei Mee­tings ad per­so­nam deut­lich höher, somit der Nähr­wert deut­lich bes­ser ist. Vor­teil der digi­ta­len Lösun­gen ist natür­lich, dass ich mir die ein­zel­nen Topics ggf. inten­si­ver und mehr­fach anse­hen kann. Zudem ist ein brei­te­res Spek­trum der Zuhö­rer­schaft zu ver­zeich­nen, was die Inter­na­tio­na­li­tät durch ent­fal­len­de lan­ge Anrei­se­zei­ten angeht. Damit kön­nen die Inhal­te sicher wei­ter­ver­brei­tet wer­den, ich habe aber den Ein­druck, dass es sich weni­ger posi­tiv auf den wis­sen­schaft­li­chen Dis­kurs auswirkt.

Die Fra­gen stell­te Hei­ko Cordes.

 

Eine Gesamt­über­sicht aller Kurz­in­ter­views zur OTWorld 2022 fin­den Sie hier.

Tei­len Sie die­sen Inhalt