Die gelernte Krankenschwester stieg vor 25 Jahren in die Geschäftsführung der Medizintechnik & Sanitätshaus Harald Kröger GmbH mit Sitz in Massen (Niederlausitz) ein. Die im Juli 1990 als Einzelhandelsbetrieb für medizinischen Bedarf gegründete Firma eröffnete 1992 das erste Sanitätshaus und betreibt mittlerweile 15 Filialen im Land Brandenburg. Als geschäftsführende Gesellschafterin leitet die 62-jährige Kröger-Schumann auch die weiteren Unternehmen des Firmenverbundes mit insgesamt rund 280 Mitarbeiter:innen: Kröger’s Centrum für technische Orthopädie, die auf Ernährung spezialisierte Bases GmbH sowie die Heim-Therapie-Service GmbH.
OT: Haben sich die Anforderungen der Kund:innen an den Sanitätshandel verändert?
Petra Kröger-Schumann: In den letzten zehn bis 15 Jahren haben sich Wünsche und Ansprüche stark gewandelt. Jenseits der klassischen Angebote fragen unsere Kund:innen zunehmend Lifestyle-Artikel wie Kleinfitnessgeräte oder Bademoden sowie Pflegeprodukte nach. Vor allem aber suchen sie ganzheitliche Unterstützung, wenn es in der Familie plötzlich einen Pflegefall gibt. Es ist dann unsere Aufgabe, in kürzester Zeit praktikable Lösungen zu finden, die für spürbare Erleichterungen im Alltag der Menschen sorgen. Oft ist dies mit einigen Herausforderungen verbunden, denen wir uns aber gerne stellen.
OT: Welche Auswirkungen hat das?
Kröger-Schumann: Auf die zusätzlichen Wünsche haben wir in unseren Fachgeschäften mit einer größeren Sortimentsvielfalt sowie neu geschaffenen Ausstellungsflächen für Reha- und Pflegehilfsmittel reagiert. Ist ein Produkt mal nicht vorrätig, aber lieferbar, bestellen wir es umgehend. Die Veränderungen in der Nachfrage spiegeln sich außerdem in der Namensgebung wider: Inzwischen bezeichnen wir unsere 15 Filialen nicht mehr als Sanitätshäuser, sondern als Gesundheitsfachgeschäfte. Dort sollen die Menschen alles erhalten, was zum Gesundbleiben und ‑werden beiträgt. Anders als in den Großstädten schlägt sich bei uns im ländlichen Raum Südbrandenburgs der Wunsch nach längeren Öffnungszeiten aber noch nicht nieder. Wir öffnen deshalb nach wie vor zwischen 8 und 18 Uhr, was für die Mitarbeiter:innen natürlich auch familienfreundlicher ist. Schlussendlich haben wir bereits mit dem Ausbau vom medizinischen Fachhandel zu einem Vollversorger sowie der Gründung des Firmenverbundes auf die veränderten Bedürfnisse der Kund:innen und des Gesundheitsmarktes reagiert. Vom klassischen Sanitätshaussortiment über Orthopädie- und Orthopädieschuh-Technik, Podologie, Homecare- und Physiotherapie bis zu Ernährungsberatung und Essensversorgung reicht heute unsere Angebotspalette.
OT: Was hat im Arbeitsalltag besonders große Auswirkungen auf das Zeitmanagement der Mitarbeiter:innen – und damit letztlich auf die Work-Life-Balance?
Kröger-Schumann: Die bürokratischen Anforderungen im Gesundheitssektor sind im Allgemeinen enorm gestiegen. Das liegt vor allem an den komplizierten Vertragsgestaltungen mit den Krankenkassen. Inzwischen beschäftigen wir circa 75 Mitarbeiter:innen nur in der Verwaltung. Trotzdem bleibt an den Mitarbeiter:innen im Verkauf oder den Werkstätten noch viel bürokratischer Aufwand hängen, schließlich müssen alle Leistungen – insbesondere die handwerklichen – transparent sein und detailliert dokumentiert werden. In der Corona-Pandemie fiel einiges an Bürokratie weg, was aus unserer Sicht gerne so bleiben kann.
Im Gespräch abholen
OT: Wie unterstützen Sie die Work-Life-Balance Ihrer Mitarbeiter:innen?
Kröger-Schumann: Die Bereichsleiter:innen suchen regelmäßig das Gespräch mit den Kolleg:innen, um sie dort abzuholen, wo sie privat und beruflich gerade stehen. Gibt es Probleme im Privatleben, weil zum Beispiel ein Elternteil schwer erkrankt ist, Pflege oder Hilfsmittel braucht, unterstützen wir selbstverständlich – ob mit Sachleistungen oder reduzierter Arbeitszeit für die betreffenden Mitarbeiter:innen. Das Gleiche gilt für Kolleg:innen, die eine Kinderbetreuung benötigen. Allerdings möchte nicht jede oder jeder darüber sprechen, wenn es privat Schwierigkeiten gibt. Das muss man natürlich respektieren. Um körperliche und seelische Fitness zu stärken, bieten wir zudem kostenfrei Gesundheitskurse vom Anti-Stress-Seminar bis zum Power-Work-out an.
OT: Welchen Einfluss hatte die Corona-Pandemie auf die Work-Life-Balance?
Kröger-Schumann: Die kurzfristigen Auswirkungen liegen auf der Hand. Mitarbeiter:innen mit betreuungsbedürftigen Kindern standen unter einem extremen Druck. Auch hier haben wir versucht, gemeinsam Lösungen zu finden. Zeitweilig mussten wir auch Kurzarbeit beantragen, sodass die Arbeitszeit einiger Mitarbeiter:innen auf 30 oder 35 Stunden pro Woche reduziert war, so aber auch mehr Zeit für die Familie blieb. Einige haben das sicher als eine positive Auswirkung der Corona-Pandemie wahrgenommen.
OT: Haben sich die Erwartungen der Mitarbeiter:innen an ihre Arbeit und ihr Leben während der Corona-Pandemie verändert?
Kröger-Schumann: Das können wir noch gar nicht richtig abschätzen. Wir sind gerade erst dabei, in einen Vor-Corona-Alltag zurückzufinden. Es gibt aber erste Mitarbeiter:innen, die uns signalisieren, sie würden in Zukunft weiterhin gern verkürzt arbeiten wollen. Wir bereiten uns darauf vor, falls solche Wünsche verstärkt an uns herangetragen werden. Zumal wir seit Jahren beobachten, dass weniger Arbeitszeit für immer mehr Kolleg:innen wichtiger ist als zum Beispiel eine Gehaltserhöhung von 100 Euro im Monat.
Mehr Wertschätzung
OT: Welche politischen Faktoren müssten sich ändern, um Ihr Unternehmen zu unterstützen?
Kröger-Schumann: Wir wünschen uns endlich eine Fokussierung der Politik auf den familiengeführten Mittelstand. Unsere Sorgen und Nöte werden nicht zur Kenntnis genommen, obwohl wir für eine Versorgung aus der Region für die Region sorgen – von der Orthopädie-Technik über die Reha-Technik bis hin zur Physio- und Ergotherapie. Wo sollen die Menschen in den ländlichen Regionen denn solche Angebote finden, wenn nicht beim Mittelstand? Stattdessen verlieren wir regelmäßig Mitarbeiter an den öffentlichen Dienst, da dort Konditionen gelten, die wir uns nicht leisten können, da wir zu einem großen Teil von den Krankenkassen refinanziert werden. Deren Erstattungskosten für ostdeutsche Leistungserbringer liegen in einigen Fällen immer noch deutlich niedriger als für solche aus den alten Bundesländern. Dabei haben wir die gleichen Aufwendungen bei der Warenbeschaffung und zahlen auch nicht weniger für Strom, Gas oder Wasser. Hinzu kommt, dass die Einkaufspreise in der Pandemie rasant nach oben geschnellt sind. Unser Ertrag sinkt damit massiv. Dazu gehören auch Verluste, die durch sich ständig verändernde politische Regeln entstehen. So haben wir zum Beispiel in großen Mengen Schnelltests erworben, um den zeitweise sehr großen Bedarf zu decken. Inzwischen braucht man kaum noch Tests und wir müssen sie um ein Vielfaches unter dem Einkaufspreis anbieten. Wir brauchen also ganz klar mehr Wahrnehmung, Wertschätzung und Unterstützung seitens der Politik.
Die Fragen stellte Ruth Justen.
- Nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) findet betriebliche Gesundheitsförderung für eine bessere Work-Life-Balance von Arbeitnehmer:innen noch zu selten in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) statt, obwohl diese 58 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Deutschland vereinen.
- Dabei herrschen laut Ministerium doch gerade bei den KMUs mit großer Autonomie, kurzen Kommunikationswegen, flachen, personenbezogenen Hierarchien und hoher Flexibilität ideale Voraussetzungen vor, um betriebliche Gesundheitsfürsorge zum Wohle der Beschäftigten und der Unternehmen zu implementieren.
- So könnten Arbeitnehmer:innen ihren Gesundheitszustand verbessern, ihren Arbeitsplatz und Arbeitsablauf mitgestalten und ihre Arbeitszufriedenheit steigern, was wiederum zur Steigerung der Produktivität und Qualität, der Imageaufwertung der Unternehmen und Festigung der Beziehung von Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen führe.
- Nicht zuletzt belohnt der Staat Unternehmen mit betrieblicher Gesundheitsfürsorge mit Steuervorteilen. Tipps zur Umsetzung von betrieblicher Gesundheitsförderung finden sich unter bundesgesundheitsministerium.de.
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