Während diese Fragen allzeit im Hinterkopf blieben, galt es, sich über die Innovationen, Trends und Produktneuheiten auf der Messe zu informieren und auszutauschen, alle Eindrücke aufzusaugen sowie eigene Fragestellungen und Aha-Momente für den Weg nach Hause zu bewahren. Eines ist bei der Messe stets gesichert: Wer sich lang nicht mehr gesehen hat oder bis dato nur digital im Austausch stand, stolperte in Köln garantiert über die Füße alter Bekannter.
Orthopädie-Schuhtechnik, Orthopädie-Technik, Medizin, Sanitätsfachhandel, Physiotherapie und Co.: Am 20. und 21. Oktober traf in Köln zusammen, was zusammen gehört und in Zusammenarbeit die bestmögliche Versorgung der Patient:innen ermöglicht. 170 Firmen aus Deutschland, dem deutschsprachigen Ausland und Europa waren auf einer Fläche von mehr als 9.000 Quadratmetern anzutreffen. Vertieft wurden die Themen im „Forum“, das direkt auf der Messe zu finden war. Firmen stellten hier ihre technologischen Innovationen, Produkte und Dienstleistungen vor, Bildungsträger präsentierten ihre Konzepte.
Ein Abstecher zu Kongress und Seminaren war nicht weit. Einen Schwerpunkt bildete in diesem Jahr das Thema „Analysieren, verstehen, versorgen“. Die Referent:innen zeigten auf, warum es notwendig ist, die funktionellen Zusammenhänge im menschlichen Bewegungsapparat genau zu kennen, um die Ursachen von Fußfehlstellungen und Co. effektiv behandeln zu können. Prof. Dr. Bernhard Greitemann, Klinik Münsterland in Bad Rothenfelde, plädierte angesichts der drohenden Ausweitung des Onlinegeschäfts für die „analoge“ Patientenversorgung und forderte eine berufspolitische Instanz im Umfeld der Orthopädie-Schuhtechnik. Wenn das Zurechtfräsen einer Schachteleinlage mangels Individualisierung schon an den Patient:innen vorbeigeht, so sei das bei der Online-Versorgung erst recht der Fall. Greitemann kritisierte die von Politik und Krankenkassen vorangetriebene Entmenschlichung im Zuge der Digitalisierung und schlug eine Bresche für die individualisierte Hilfsmittelversorgung. „Wenn die Digitalisierung über Online-Hilfsmittelversorgung erreicht wird, sind wir Fachleute nicht mehr gefragt. Es wird zu einem Fachmangel am Patienten kommen.“ Anschaulich und strukturiert stellte Greitemann die Leistungen der Versorgung von Mensch zu Mensch dar, geschmückt mit prägnanten Beispielen für Unterschiede von Krankheitsbildern und dem sich daraus ergebenden Bedarf, der sich nur im persönlichen Kontakt wirklich erschließen lässt. Dieser Aussage schloss sich Dr. Stephan Biesenbach, Ärztlicher Leiter Medifit Schwelm, für den „einen Fuß zu begreifen“ bei der Behandlung unerlässlich ist, an.
Warum braucht es einen Versorgungsstandard? Um diese Frage zu beantworten, holte Michael Möller, Möller Orthopädie Schuh Technik, zunächst zum Faktencheck aus. Nie zuvor habe es so viele Hilfsmittel gegeben. Das Hilfsmittelverzeichnis sei unübersichtlich, ebenso die Vertragslandschaft der Verbände und Kostenträger. Für ihn ist das im vergangenen Jahr erschienene Kompendium „Qualitätsstandard im Bereich Fuß und Schuh“ notwendig, um die Versorgungsqualität sicherzustellen und eine Grundlage für die Vertragsgestaltung zu schaffen. „Wir haben uns von den Kostenträgern immer austricksen lassen. Jetzt haben wir eine Basis“, betonte Möller. Und das auch mit Blick auf die nach wie vor nicht komplett vom Tisch gewischte Online-Einlagenversorgung. Damit traf er bei Michael Volkery, Technische Orthopädie Volkery, auf offene Ohren. Er referierte über das Versorgungskonzept beim Knick-Senk-Fuß und machte dabei deutlich: Es braucht eine Anamnese und ebenso eine Nachkontrolle. Beides sei bei einer Online-Versorgung nicht möglich.
„Mein Betrieb – meine Zukunft“ war das zweite Schwerpunktthema des Kongresses. Seit Jahren hat die Branche mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen. Viele Betriebsinhaber:innen suchen aktuell einen Nachfolger oder werden sich in naher Zukunft mit dieser Thematik auseinandersetzen müssen. Wie der Schritt in die Existenzgründung gelingen kann, erläuterte Anton Bitter, Geschäftsführer a.b.s Beratung. Im Seminar vertiefte er die Inhalte und gab den Teilnehmer:innen die Möglichkeit, alle unter den Nägeln brennenden Fragen zu stellen. Im vollen Seminarraum spürte man: Das Interesse an diesem Thema ist hoch, ebenso aber auch die Verunsicherung und der Wunsch nach Aufklärung und Unterstützung.
Am Rande der OST-Messe gab der Spitzenverband OST (SpiOST) in Person des 1. Vorsitzenden Jens Schulte und seinem Stellvertreter Andreas Dibbert bekannt, dass der Verband in Berlin als eingetragener Verein registriert worden ist und zukünftig als maßgebliche Interessenvertretung der Orthopädieschuhmacher:innen ein Anhörungsrecht beim Bundesministerium für Gesundheit (BMG), dem GKV-Spitzenverband und dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G‑BA) besitzt.
Anja Knies und Pia Engelbrecht
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