Zu diesen weitverbreiteten Eingriffen zählen etwa Ballondilatationen oder das Einsetzen von Stents, mit denen die Gefäße erweitert und die volle Durchblutung wiederhergestellt werden sollen. „Die minimal-invasive Technik wurde bisher bevorzugt und unabhängig vom Stadium der Erkrankung und dem Gesundheitszustand der Patient:innen zur Verbesserung der Durchblutung durchgeführt“, erklärt dazu Prof. Dr. med. Markus Steinbauer. In den Jahren 2021/2022 war der Leiter des Gefäßzentrums und Chefarzt der Klinik für Gefäßchirurgie am Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg der Präsident der DGG und damit maßgeblich in den Prozess involviert. Er zeichnet den anstehenden Wandel in der Therapie der Durchblutungsstörungen nach: Wenn überhaupt, sollen Eingriffe künftig später und weniger häufig zum Einsatz kommen, stattdessen sollen Lebensstiländerungen und Medikamente an Bedeutung gewinnen. „Insgesamt geht es bei der Therapie der pAVK hin zu einer stärker individualisierten Behandlung“, sagt Steinbauer. Eine entsprechende neue S3-Leitlinie soll in diesem Jahr erscheinen.
Besonders für jene Erkrankte mit den frühen pAVK-Stadien I und II kommen die geänderten Therapieleitlinien infrage. „Das beinhaltet eine Änderung der Lebensführung von Betroffenen. Diese sollen Risikofaktoren für Gefäßerkrankungen reduzieren und erhalten eine begleitende, langfristige medikamentöse Therapie“, so Steinbauer. Betroffene sollen mit gesunder Ernährung, Bewegung und Rauchverzicht den Ursachen für Arteriosklerose wie Diabetes und Bluthochdruck entgegentreten.
Dazu kommt: „Nicht jeder Patient, nicht jede Patientin ist aufgrund der Anatomie oder des Wundbefundes für eine minimal-invasive Intervention geeignet“, erläutert Steinbauer. Manchmal führt eben kein Weg an einer offenen chirurgischen Operation vorbei. Und manchmal führt schlicht kein Weg hin: Vor allem ältere und gebrechliche Menschen hat Steinbauer dabei im Blick: Bei manchen müsse man „eine Demenz, eine Minderernährung, eine Anämie oder ein zu erwartendes postoperatives Delir berücksichtigen und abwägen, ob eine konservative oder palliative Therapie vorzuziehen ist.“
Für den Bereich Orthopädie-Technik dürfte die Trendwende bei der pAVK-Behandlung in verschiedenen Bereichen Konsequenzen haben – beispielsweise bei diabetesadaptierten Hilfsmitteln, in der Kompressionsstrumpfversorgung und nicht zuletzt in der Prothetik: Die neue Leitlinie hat zum erklärten Ziel, die Zahl der Amputationen weiter zu reduzieren. „Hier können wir bereits große Erfolge verzeichnen, die unter anderem auf die Verbesserung der Versorgung durch zertifizierte Gefäßzentren zurückzuführen sind“, sagt Steinbauer. Seit 2005 ist die Amputationsrate der unteren Extremitäten um mehr als 38 Prozent zurückgegangen.
Von der neuen Behandlungsform profitieren könnten nach heutigem Stand sehr viele gefäßkranke Menschen: Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Angiologie (DGA) sind alleine in Deutschland etwa 4,5 Millionen Menschen von pAVK betroffen; in der Altersgruppe der über 65-Jährigen etwa jeder Fünfte. Die DGG spricht deshalb von einer Volkskrankheit, die weltweit mehr als 236 Millionen Menschen beeinträchtigt.
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