Nor­bert Stein: 36 Jah­re tätig im Dienst des Handwerks

Norbert Stein war 36 Jahre lang für den Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik tätig. Im Juli 2020 feierte der Justiziar und Geschäftsführer seinen Abschied.

Hel­mut Kohl befand sich gera­de in sei­ner ers­ten Amts­pe­ri­ode als Bun­des­kanz­ler und Hei­ner Geiß­ler ver­ant­wor­te­te das Minis­te­ri­um für Gesund­heit, als Nor­bert Stein im Som­mer 1983 sein 2. Staats­examen als Jurist ableg­te und sich sogleich bei der anste­hen­den Stel­len­su­che mit einem Ein­stel­lungs­stopp im Öffent­li­chen Dienst kon­fron­tiert sah. Schließ­lich ent­schied sich Stein gegen eine Anstel­lung in einer Kanz­lei und 1984 für den Bun­des­in­nungs­ver­band für Ortho­pä­die-Tech­nik (BIV-OT) als Arbeit­ge­ber. Eine Wahl, die lan­ge nach­wir­ken soll­te, denn  der dama­li­ge Berufs­no­vi­ze blieb dem Spit­zen­ver­band 36 Jah­re lang treu.

Anzei­ge

Zum Abschied im Juli 2020 erin­nert sich Nor­bert Stein zunächst an die Rah­men­be­din­gun­gen ab Mit­te der 1980er-Jah­re: „Eigent­lich befan­den wir uns bis heu­te fort­wäh­rend in einer soge­nann­ten Gesund­heits­re­form.“ Die ers­te ver­meint­li­che Kri­se des Hand­werks, die Stein in sei­ner neu­en Funk­ti­on mit­er­leb­te, war die poli­ti­sche Ent­schei­dung, dass die jähr­li­che Preis­er­hö­hung der Bun­des­pro­the­sen­lis­te für zwei Jah­re ein­ge­fro­ren wer­den soll­te. Nor­bert Stein schmun­zelt rück­bli­ckend: „Damals kam sofort die Fra­ge auf: Wie soll die Bran­che das über­ste­hen?“ Rich­tig ernst wur­de es dann tat­säch­lich Mit­te der 1990er-Jah­re. Unter Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Horst See­ho­fer stand der Plan zur Debat­te, die Ver­sor­gung von Ein­la­gen, Ban­da­gen und Kom­pres­si­ons­wa­ren kom­plett aus der Kos­ten­über­nah­me der Kran­ken­kas­sen her­aus­zu­neh­men. Durch das Enga­ge­ment vom Ver­band unter der Prä­si­dent­schaft von Hans Udo Kers­t­ing, der Indus­trie und nicht zuletzt eines mit Bun­des­mi­nis­ter See­ho­fer befreun­de­ten Ortho­pä­die­tech­ni­ker-Meis­ters aus Ingol­stadt konn­te Schlimms­tes ver­hin­dert wer­den. In die­ser Zeit wuchs aller­dings im BIV-OT die Erkennt­nis, dass für die Zukunft die poli­ti­sche Arbeit pro­fes­sio­na­li­siert wer­den muss­te. Im Zuge des­sen über­nahm Nor­bert Stein wei­te­re Auf­ga­ben im Ver­band und 1997 das Amt des Geschäftsführers.

Zeit der Wiedervereinigung

Zehn  Jah­re zuvor war er vor allem mit der Bera­tung von ein­zel­nen Mit­glieds­be­trie­ben beschäf­tigt. Die Innun­gen und Lan­des­in­nun­gen waren Mit­te der 1980er Jah­re bei wei­tem noch nicht so orga­ni­siert und spe­zia­li­siert auf­ge­stellt wie heu­te, son­dern oft noch von den regio­na­len Kreis­hand­wer­ker­schaf­ten ver­tre­ten. Span­nend war für Stein ins­be­son­de­re auch die Wen­de­zeit, um die ost­deut­schen Ver­tre­tun­gen in den Bun­des­in­nungs­ver­band zu inte­grie­ren. „Von 1990 bis 1992 war ich häu­fig in den neu­en Bun­des­län­dern, in Ber­lin, Erfurt oder Ros­tock unter­wegs.“ Das Rei­sepen­sum hat­te mit­un­ter auch tech­no­lo­gi­sche Grün­de, wie Nor­bert Stein her­vor­hebt: „Es gab nur weni­ge Tele­fon­lei­tun­gen in der DDR. Man konn­te die Kol­le­gen also nur schlecht errei­chen.“ Ohne Fax­ge­rä­te, geschwei­ge denn Inter­net­an­schlüs­sen, wur­de damals noch ein Groß­teil der Kor­re­spon­denz über die Post abge­wi­ckelt, was stets eine gewis­se Zeit­span­ne in Anspruch nahm.

Poli­ti­sche Arbeit

Zu den Kern­auf­ga­ben Steins Mit­te der 1990er-Jah­re gehör­te auch die Pro­fes­sio­na­li­sie­rung der Fach­be­rei­che Wirt­schafts­aus­schuss und Berufs­bil­dungs­aus­schuss. Um die Jahr­tau­send­wen­de galt es mehr­fach die Bedeu­tung der Meis­ter­pflicht und der Meis­ter­prä­senz gegen­über poli­ti­schen Inter­ven­tio­nen zu ver­tei­di­gen. „Seit Herr Kers­t­ing Prä­si­dent war, galt stets die Ver­bands­li­nie, gegen­über der Poli­tik seri­ös auf­zu­tre­ten und kei­ne über­zo­ge­nen For­de­run­gen zu stel­len. Die­se Hal­tung hat maß­geb­lich dazu bei­getra­gen, dass man häu­fig den Inter­es­sen der Pati­en­ten und aber auch den Betrie­ben gefolgt ist“, stellt Nor­bert Stein heraus.

Sei­te an Sei­te mit dem Präsidium

Unter den nach­fol­gen­den BIV-OT-Prä­si­den­ten Frank Jütt­ner und Klaus-Jür­gen Lotz wur­de fol­ge­rich­tig die poli­ti­sche Arbeit noch wei­ter ver­stärkt. „Ich möch­te beto­nen, dass alle Prä­si­den­ten sich die Zeit genom­men haben, inhalt­lich mit­zu­ge­stal­ten. Dies gilt sicher­lich so nicht für alle Ver­bän­de.“ Dar­über hin­aus ver­weist Stein noch dar­auf, dass bei aller Ent­schei­dungs­be­fug­nis stets eine offe­ne Dis­kus­si­ons­kul­tur geherrscht habe. Ange­spro­chen auf die Fra­ge, wel­ches Ver­bands­pro­jekt in mehr als drei Jahr­zehn­ten beim Bun­des­in­nungs­ver­band denn die meis­te Zeit in Anspruch genom­men hat, muss Nor­bert Stein nicht lan­ge über­le­gen: „Das war auf jeden Fall die Neu­ord­nung des Aus­bil­dungs- und Meis­ter­prü­fungs­be­rufs­bil­des Anfang der 2010er-Jah­re. Das war eine zähe Ange­le­gen­heit, die mehr als drei Jah­re gebraucht hat.“

Team­er­folg

Gespannt habe er auch stets die Ent­wick­lung und das Wachs­tum des Welt­kon­gres­ses hin zur Mar­ke OTWorld ver­folgt, im Zuge des­sen unter ande­rem die Con­fairm­ed GmbH als eige­ne Aus­glie­de­rung des BIV-OT instal­liert wor­den ist. Par­al­lel dazu wuch­sen im Spit­zen­ver­band auch die Abtei­lun­gen Ver­trä­ge und Ver­lag. „Zu Beginn mei­ner Anstel­lung waren im Ver­band rund zehn Per­so­nen haupt­amt­lich beschäf­tigt. Damals muss­te und konn­te jeder alles machen.“ Mit dem Aus­bau der Abtei­lun­gen habe mit der Zeit die Spe­zia­li­sie­rung immer mehr zuge­nom­men, ein­her­ge­hend auch mit einer grö­ße­ren Per­so­nal­fluk­tua­ti­on. Das war und ist sicher­lich auch dem Zeit­geist geschul­det. Ich habe immer ger­ne für den Ver­band und mit sei­nen Mit­ar­bei­tern gear­bei­tet.“ Zum Abschied hat er noch einen Hin­weis für den Ver­band und sei­ne Beschäf­tig­ten: „Nur Zusam­men­ar­beit kann zum Erfolg füh­ren – man ist nie Einzelkämpfer.“

Micha­el Blatt

 

Gruß­wort
„Er war doch schon immer da“ – wer­den vie­le Mit­glie­der aus dem Fach sagen. Nor­bert Stein war über Jahr­zehn­te die „fach­lich juris­ti­sche Insti­tu­ti­on“ unse­res Faches in der Ver­bands­po­li­tik. Er war kein Mensch, der sich den Vor­der­grund stellt und gera­de des­we­gen mit vie­len sehr unter­schied­li­chen Per­sön­lich­kei­ten des Berufs­tan­des gut zusam­men­ar­bei­ten konn­te. In sei­nem Arbeits­le­ben hat er eini­ge Prä­si­den­ten und Vor­stän­de kom­pe­tent beglei­tet und ihnen in der Aus­übung Ihres Ehren­am­tes gehol­fen und loy­al zur Sei­te gestan­den. Im Zusam­men­wir­ken mit den Gre­mi­en des BIV-OT stand Nor­bert Stein für die Kon­ti­nui­tät des Ver­ban­des und des­sen Posi­tio­nen nach innen und nach außen.
Im per­sön­li­chen Aus­tausch, ob im Vor­stand oder einer Dele­gier­ten­ver­samm­lung war Nor­bert Stein immer im The­ma. Auf sei­ne „juris­ti­sche Art“ hat er ruhig und ver­läss­lich sei­ne Mei­nung und Ein­schät­zung geäu­ßert, ohne die­se als Prä­ju­diz zu set­zen. Vie­len Mit­glie­dern konn­te er als Ver­bands­ju­rist auf direk­tem Weg hel­fen. Sei­ne wesent­li­che Mit­wir­kung bei den poli­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen, z. B. der Ein­füh­rung der kos­ten­sen­ken­den Geset­ze, wird nicht ver­ges­sen werden.
Aner­kannt und geschätzt darf hier deut­lich gesagt wer­den: Nor­bert Stein hat sich um die­ses Fach ver­dient gemacht, er wird nicht ver­ges­sen werden.

Hans Udo Kers­t­ing, Prä­si­dent des BIV-OT von 1996 bis 2005

 

Gruß­wort
Ich den­ke ger­ne zurück an mei­ne ers­te Teil­nah­me an einer Dele­gier­ten­ver­samm­lung des BIV-OT Anfang der 1990er-Jah­re unter Prä­si­dent Wil­fried Kno­che, in die ich als neu­er Bun­des­bür­ger hin­ein­ge­wählt wur­de. In die­ser für mich neu­en Umge­bung fiel mir gleich auf, dass immer wenn es sich um die recht­li­che Bewer­tung eines Vor­gangs dreh­te, Herr Ass. Nor­bert Stein auf­ge­ru­fen und um sei­ne Ein­ord­nung gebe­ten wur­de. Mit Ach­tung des Vor­stan­des und der Dele­gier­ten konn­te er sei­ne Aus­füh­run­gen machen. Die­ser Ein­druck, dass der Ver­band hier einen Men­schen hat, der sich immer sach­lich und mit hoher Kom­pe­tenz den auf­ge­wor­fe­nen Fra­gen stellt, hat sich bei mir immer gehalten.
In den Jah­ren mei­ner akti­ven Mit­wir­kung im Bun­des­in­nungs­ver­band war Herr Stein mein unein­ge­schränk­ter Part­ner, der mit mir und dem Vor­stand den Ver­band durch alle Höhen und Tie­fen geführt hat.
Bis heu­te habe ich Ihn nicht anders erlebt, als eine aus­ge­gli­che­ne, mit Sach­ver­stand agie­ren­de Füh­rungs­per­sön­lich­keit, vor der ich „den Hut zie­he“. Inzwi­schen ist unser Geschäfts­füh­rer Herr Ass. Stein fast zum „Urge­stein“ gewor­den, den wir mit Hoch­ach­tung verabschieden.

Frank Jütt­ner, Prä­si­dent des BIV-OT von 2005 bis 2011

 

Gruß­wort
Nach nun­mehr 36 Jah­ren im Dienst des BIV als Geschäfts­füh­rer, Jurist und stil­ler Macher tritt Nor­bert Stein nun sei­nen wohl­ver­dien­ten Ruhe­stand an. Ich schät­ze ihn als abso­lu­ten Ken­ner der Bran­che, er hat wie kaum ein ande­rer immer nüch­tern und fach­lich ver­siert die Kom­mu­ni­ka­ti­on mit den Innun­gen und Ver­bän­den geführt und alle waren immer dank­bar für sei­ne qua­li­fi­zier­te Ein­schät­zung. Damit hat Herr Stein den Weg des BIV-OT der letz­ten Jahr­zehn­te maß­geb­lich geprägt.
In mei­ner Zeit als Vize- und dann als Prä­si­dent des BIV-OT war mir Herr Stein immer eine sta­bi­le und ver­läss­li­che Stüt­ze mei­ner Arbeit. Er wird gera­de in der poli­ti­schen Land­schaft in Ber­lin sehr geschätzt und war ein immer ein ger­ne gese­he­ner Gast bei allen Sitzungen.
Per­sön­lich schät­ze ich Herrn Stein als ver­läss­li­chen Freund und bin stolz dar­auf ein Stück sei­nes Weges beglei­tet zu haben. Ich hof­fe, er bleibt noch lan­ge gesund, um all die Hob­bys und Wün­sche die er hat, umzu­set­zen und zu genießen.

Klaus-Jür­gen Lotz, Prä­si­dent des BIV-OT von 2011 bis 2020

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