Ob die Workshops eine gute Resonanz hervorriefen und wie zufrieden die Organisatoren mit den Veranstaltungen waren, das verrät Petra Menkel, Bandagistenmeisterin und Geschäftsführerin der Paul Schulze Orthopädie & Bandagen GmbH in Berlin sowie Vorstandsmitglied des Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik (BIV-OT), im Gespräch mit der OT-Redaktion.
OT: Mit dem Workshopangebot für Sanitätshausfachangestellte haben Sie bei der OTWorld 2024 einen neuen Weg eingeschlagen. Hat es sich ausgezahlt, in den Ausbau zu investieren?
Petra Menkel: Die OTWorld war in diesem Jahr ein besonderes Highlight für uns alle. Besonders beeindruckt hat mich das neue Workshopformat, das uns erstmals die Gelegenheit bot, gemeinsam am Patienten Versorgungen zu diskutieren. In insgesamt 33 Workshops konnten Mediziner, Orthopädie(schuh)techniker und Therapeuten in einem praxisnahen Umfeld zusammenkommen, um ihr Fachwissen zu vertiefen und ihre praktischen Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Dieser neue Ansatz war ein voller Erfolg. Es war besonders schön zu sehen, wie intensiv und engagiert die Teilnehmer die Workshops nutzten. Auch für Sanitätshausfachangestellte gab es ein neues Workshopformat, das sich als äußerst wertvoll erwies. Hier hat sich unsere Investition von Zeit, Geld und viel Frauen-Power definitiv gelohnt. Der Raum für das Sanitätshausformat war perfekt gestaltet – eine ideale Mischung aus Sanitätshaus und Schulungsraum. Die Liege, die Exponate, die Schaufensterpuppen und vor allem die Patienten boten uns die Möglichkeit, die im Vortrag erwähnten Hilfsmittel noch genauer zu betrachten und zu diskutieren.
Ein großer Dank geht an den OTWorld-Aussteller, der uns hervorragend für die Workshops ausgerüstet hat. Ohne dieses Engagement wäre es nicht möglich gewesen, ein solches Umfeld zu schaffen. Es ist diese Zusammenarbeit und Unterstützung, die unsere Branche weiter voranbringt und es uns ermöglicht, immer bessere Versorgungen für unsere Patienten zu gewährleisten.
OT: Im Fokus der Workshops standen die Versorgung bei Lympherkrankungen, nach Schlaganfall und Brustkrebs. Haben Sie mit der Themenauswahl den richtigen Nerv getroffen?
Menkel: Zur Programmreihe für das Sanitätshaus haben wir uns auf Themen fokussiert, die für die tägliche Arbeit in unseren Häusern von großer Bedeutung sind. Besonders hervorzuheben sind die lymphatischen Versorgungen. Diese beschäftigen unsere Branche sehr, da die Zahl der Erkrankungen stetig steigt und die Sensibilität der Ärzte in diesem Bereich zugenommen hat. Lymphatische Erkrankungen werden inzwischen früher erkannt und in interdisziplinären Teams behandelt. Dieser Ansatz ermöglicht eine effektivere und umfassendere Versorgung der Patienten. Im Gegensatz zum weit verbreiteten Irrtum bei Politik und gesetzlichen Krankenkassen erfordert die Versorgung bei Lympherkrankungen eine hohe Kompetenz und enge Zusammenarbeit von allen beteiligten Berufsgruppen. Hier reicht es nicht, Kompressionsstrümpfe aus der Schachtel zu ziehen, wie es in Apotheken vielfach geschieht und seit dem Wegfall der Präqualifizierung für Apotheken von der Politik als ausreichende Versorgung ausgewiesen wurde. Zudem will der GKV-Spitzenverband in der aktuellen Fortschreibung auf elementare Qualitätsvoraussetzungen verzichten, die eine leitliniengerechte Versorgung nicht mehr gestatten. Um die Versorgung optimal zu gestalten und Folgeschäden zu vermeiden, müssen wir im Sanitätshaus die Patientinnen und Patienten anfassen, genau hinsehen und messen, Gewebe prüfen und auf Schmerzen achten. Zudem muss das gesamte Sortiment im Blick behalten werden. Das alles braucht Wissen und Zeit, für die eine handwerkliche Ausbildung und entsprechende Weiterbildung notwendig ist, um die Menschen korrekt und individuell zu versorgen. All das wollten wir mit der Programmreihe den Mitarbeitern in den Sanitätshäusern vertieft vermitteln.
Ein weiterer Schwerpunkt war das Thema Brustkrebs. Hier sind wir einen ganz neuen Weg gegangen, indem wir den Fokus nicht nur auf unsere Kunden, sondern auch auf unsere Mitarbeiterinnen und deren psychische Gesundheit gelegt haben. In unserem Beruf erwarten wir von unseren Mitarbeitern, dass sie stets fröhlich, offen und empathisch sind. Doch in einer zunehmend stressigen Arbeitswelt ist das eine große Herausforderung. Zur OTWorld haben wir intensiv darüber gesprochen, was jede Einzelne und was wir als Führungskräfte tun können, damit die Arbeit weiterhin Spaß macht und uns nicht ausbrennen lässt. Die Keynote-Sprecherin Prof. Dr. Ricarda Rehwaldt mit ihrem Vortrag „Die Verbindung von Kreativität und Perfektion: Glücklich arbeiten in medizinischen Fachberufen“ hat mich diesbezüglich sehr inspiriert. Nur wenn wir selbst glücklich und gesund sind, können wir unsere Kunden optimal versorgen.
Ein weiteres wichtiges Thema war der Schlaganfall und die damit einhergehenden körperlichen Beeinträchtigungen. Dies ist ein Dauerthema, das wir bisher im Rahmen des Weltkongresses noch nicht intensiv im Sanitätshausbereich besprochen haben. Dabei kommen die Betroffenen oft als erstes zu uns ins Sanitätshaus. Es ist essenziell, die möglichen Auswirkungen eines Schlaganfalls zu kennen, um die richtigen Versorgungsentscheidungen zu treffen: Reicht eine konfektionierte Versorgung oder ist eine Maßanfertigung notwendig? Die Möglichkeiten einer ganzheitlichen Versorgung sind groß und sollten im Interesse der Patienten voll ausgeschöpft werden. Nicht zu vergessen, die Schlaganfallversorgung und die damit verbundenen Hilfsmittel sind auch wirtschaftlich ein bedeutender Faktor für unsere Branche.
Die diesjährige Themenauswahl traf also genau die Schwerpunkte, die zurzeit im Fokus unserer Versorgungen stehen. Die Workshops boten eine hervorragende Gelegenheit, sich über diese wichtigen Themen auszutauschen und gemeinsam mit Referenten, Patienten und Teilnehmern neue Ansätze für unsere tägliche Arbeit zu entwickeln.
OT: Hauptzielgruppe waren die Mitarbeiter:innen im Sanitätshaus. Daneben sollten Techniker:innen, Ärzt:innen und Physiotherapeut:innen profitieren. Wie war das Verhältnis im Publikum?
Menkel: Das Verhältnis im Publikum war sehr unterschiedlich und bunt gemischt, was die OTWorld besonders lebendig gemacht hat. In einigen Workshops konnten wir viele Ärzte und Physiotherapeuten begrüßen, die einen wichtigen Beitrag zu den Diskussionen leisteten. In anderen Workshops waren Vertreter der Krankenkassen anwesend, was für uns ebenfalls sehr wertvoll war, da wir so unterschiedliche Perspektiven und Bedürfnisse kennenlernen konnten.
„Sanifeen“ und Orthopädietechniker waren in allen Workshops vertreten, was mich besonders gefreut hat. Sie sind das Herzstück unserer täglichen Arbeit und ihre Präsenz und ihr Engagement haben gezeigt, wie wichtig ihnen die Weiterbildung und der Austausch sind.
Allerdings sehe ich noch großes Potenzial, mehr „Sanifeen“ für die OTWorld zu begeistern. Viele trauen sich noch nicht so richtig, aber wir arbeiten intensiv daran, diese Hemmschwelle abzubauen. Die OTWorld bietet eine fantastische Gelegenheit, Wissen zu erweitern, sich zu vernetzen und neue Impulse für die tägliche Arbeit zu bekommen. Ich bin zuversichtlich, dass wir in den kommenden Jahren noch mehr „Sanifeen“ bei uns begrüßen können.
OT: Welche Rückmeldungen haben Sie von den Teilnehmenden erhalten?
Menkel: Zu unserer großen Freude haben wir von den Teilnehmenden durchweg positive Reaktionen erhalten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer lobten die interessanten Vorträge, die gut strukturierte interdisziplinäre Teamarbeit und die anschaulichen Patientenvorstellungen. Besonders geschätzt wurde die herstellerunabhängige Darstellung der Hilfsmittel. Dies ermöglichte es den Teilnehmern, sich ein umfassendes Bild zu machen und verschiedene Optionen ohne Vorbehalte zu vergleichen.
Diese positiven Rückmeldungen zeigen uns, dass unser Konzept aufgegangen ist und wir die Bedürfnisse und Erwartungen der Fachleute aus verschiedenen Bereichen gut getroffen haben. Es ist immer wieder ermutigend zu sehen, wie begeistert die Teilnehmer von der praxisnahen und interdisziplinären Ausrichtung der Workshops sind. Dieses Feedback motiviert uns, weiterhin in solche Formate zu investieren und sie stetig weiterzuentwickeln.
OT: Werden Sie das Konzept 2026 erneut aufleben lassen?
Menkel: Mir und auch den anderen Mitstreitern hat es so viel Spaß und Freude bereitet, dass ich davon überzeugt bin, dass alle wieder mitmachen. Die Begeisterung und das Engagement, die wir bei der OTWorld 2024 erlebt haben, waren wirklich inspirierend. Mit der Erfahrung und dem erhaltenen Feedback bin ich sicher, dass wir unsere Workshopreihe zur OTWorld 2026 noch ein bisschen besser machen können. Ich freue mich schon sehr darauf!
Die Fragen stellte Pia Engelbrecht.
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