Moder­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on mit den Mit­glie­dern ausbauen

Am 10. März 2020 übernahm Alf Reuter nach einem einstimmigen Votum der Bundesdelegiertenversammlung des Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik die Präsidentschaft von seinem Vorgänger Klaus-Jürgen Lotz. Als Vizepräsident war Reuter in den vergangenen drei Jahren bereits ganz „nah dran“ an allen wichtigen Entscheidungen und Geschehnissen. Nun ist er selbst an der Verbandsspitze und gibt an dieser Stelle einen Einblick in die Ziele seiner Amtszeit, was die aktuelle Coronakrise für das OT-Handwerk bedeutet und vieles mehr.

OT: Herr Reu­ter, Herz­li­chen Glück­wunsch zur Wahl zum Prä­si­den­ten des Bun­des­in­nungs­ver­ban­des für Ortho­pä­die-Tech­nik. Was waren Ihre ers­ten Gedan­ken nach­dem die Wahl­ent­schei­dung bekannt gege­ben wurde?

Anzei­ge

Alf Reu­ter: Freu­de dar­über, dass es kei­ne Gegen­stim­me gege­ben hat. Das ist ein star­kes Votum und ein gro­ßer Ver­trau­ens­vor­schuss für mich und mei­ne Präsidentschaft.

OT: Wie lan­ge dau­er­te der Pro­zess bis letzt­lich die Ent­schei­dung fiel zu kandidieren?

Reu­ter: Die­ser Pro­zess dau­er­te meh­re­re Jah­re. Denn schon wenn man als Vize­prä­si­dent kan­di­diert, schaut man mit einem Auge auf das Amt des Präsidenten.

OT: Wel­che Argu­men­te haben Sie davon über­zeugt, sich zur Wahl zu stellen?

Reu­ter: Die Ortho­pä­die-Tech­nik hat mir so viel gege­ben, dass es jetzt erst­mal heißt zurück­zu­ge­ben. Dann habe ich in den drei Jah­ren als Vize­prä­si­dent gese­hen, wo die Her­aus­for­de­run­gen der nächs­ten Jah­re lie­gen und ich glau­be, ich kann da hel­fen. Außer­dem hat mir der eine oder ande­re sehr erfah­re­ne Kol­le­ge gesagt: „Alf, das musst du machen!“

OT: Wie lief für Sie ganz per­sön­lich die Dele­gier­ten­ver­samm­lung ab?

Reu­ter: Der gesam­te Tag hat­te ein sehr stram­mes Pro­gramm und die Damen von der Pro­to­koll­ab­tei­lung des BIV-OT sind in die­sem Fall gna­den­los. Erst ein­mal lag der Fokus dar­auf, kei­nen Form­feh­ler zu bege­hen, aber dafür hat­te ich zum Glück Herrn Nor­bert Stein, unse­ren Jus­ti­zi­ar im Bun­des­in­nungs­ver­band, neben mir. Zwi­schen­durch gab es Foto­ter­mi­ne, Gesprächs­ter­mi­ne und natür­lich auch die Vor­be­rei­tung auf das Früh­lings­fest. Da blieb wenig Zeit dar­über nach­zu­den­ken, was da eigent­lich im Moment passiert.

OT: Wel­che Auf­ga­ben ihres Vor­gän­gers Klaus-Jür­gen Lotz wol­len Sie fortführen?

Reu­ter: Eine Kunst des Prä­si­den­ten ist es, vie­le Bäl­le in der Luft zu hal­ten, ohne dass es anstren­gend aus­sieht. Dar­in ist und bleibt Klaus-Jür­gen Lotz ein Meis­ter. Es gibt nur weni­ge Hand­werks­ver­bän­de, die so mit der Poli­tik und angren­zen­den Ver­bän­den aus der Medi­zin und der Indus­trie ver­netzt sind, wie wir. Die­se Ver­net­zungs­ar­beit im glei­chen Maße fort­zu­füh­ren sehe ich als mei­ne Auf­ga­be an.

OT: Wel­che neu­en Schwer­punk­te wol­len Sie setzen?

Reu­ter: Einer­seits kommt die Arbeit des BIV häu­fig nicht bei unse­ren Mit­glie­dern an, so dass sich für man­che die Fra­ge stellt: ‚Wofür brau­chen wir die vom BIV über­haupt?‘ Das möch­te ich ändern. Außer­dem wird es nach der Coro­na­kri­se mei­ne Auf­ga­be sein, durch die gesam­te Bun­des­re­pu­blik zu rei­sen und zu fra­gen, wo den Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen der Schuh drückt. Ich bin selbst Unter­neh­mer, aber nicht so ver­mes­sen, um zu mei­nen, dass ich alles weiß, was für unser Fach rele­vant ist. Der BIV sind nicht ‚die da oben‘, son­dern wir alle

OT: Wel­che Her­aus­for­de­run­gen sehen Sie für das Jahr 2020?

Reu­ter: Wir müs­sen die­se Coro­na­kri­se über­ste­hen! Dafür kämp­fe ich, dafür kämpft der BIV. Alles ande­re soll­ten Sie mich danach fragen.

OT: Was bedeu­tet das Enga­ge­ment als Prä­si­dent für Sie privat?

Reu­ter: Ich habe jetzt weni­ger Zeit für die noch schö­ne­ren Din­ge als die Ortho­pä­die-Tech­nik. Aber sie ken­nen sicher den Witz wo der Rab­bi sagt: „Das Leben fängt an, wenn der Hund tot und die Kin­der aus dem Haus sind.“ Da befin­de ich mich jetzt. Aber ohne die Tole­ranz und Unter­stüt­zung mei­ner Frau wäre mei­ne Prä­si­dent­schaft sicher so nicht möglich.

OT: Wie sieht es mit der Auf­ga­ben­tei­lung zwi­schen prä­si­dia­lem Ehren­amt auf der einen und der haupt­amt­li­chen Tätig­keit beim OTZ Lich­ten­au aus?

Reu­ter: Ich habe das gro­ße Glück eine ganz her­vor­ra­gen­de Mann­schaft von Team­lei­tern in mei­nem Unter­neh­men zu haben. Die­se Kol­le­gen hal­ten mir mit ihrer Arbeit den Rücken frei. Genau so sieht es beim BIV aus. Wir geben eine Fach­zeit­schrift her­aus, um die uns welt­weit die Kol­le­gen benei­den, wir ver­le­gen Fach­bü­cher, wir rich­ten alle zwei Jah­re mit der OTWorld eine inter­na­tio­na­le Leit­mes­se und Welt­kon­gress aus, wir hal­ten der­zeit mehr als 50 selbst ver­han­del­te Ver­trä­ge, wir haben eine Bun­des­fach­schu­le für Ortho­pä­die-Tech­nik, die welt­weit zu den wis­sens­ver­mit­teln­den Leucht­tür­men unse­res Fachs zählt. Hier wie dort arbei­ten abso­lu­te Spe­zia­lis­ten auf Top-Niveau. Für die Ver­stär­kung der poli­ti­schen Arbeit, die in den ver­gan­ge­nen neun Jah­ren haupt­säch­lich und allein Klaus-Jür­gen Lotz ver­ant­wor­tet hat, bau­en wir gera­de eine Stabs­stel­le Kom­mu­ni­ka­ti­on auf. Mei­ne Auf­ga­be ist im Unter­neh­men wie im Ver­band: das gro­ße Gan­ze im Auge haben, wei­ter zu den­ken, zu füh­ren und Impul­se zu geben.

OT: Wel­che Unter­stüt­zung erhof­fen Sie sich in ihrer Amtszeit?

Reu­ter: Einig­keit und Zusam­men­halt. Es wird immer unter­schied­li­che Mei­nun­gen geben. Wich­tig ist, im Sin­ne der Einig­keit die­se Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten aus­zu­tra­gen und nach gemein­sa­men Lösun­gen zu suchen, die das Fach weiterbringen.

OT: Wie wird die Auf­ga­ben­ver­tei­lung zwi­schen Ihnen und Ihrem Vize­prä­si­den­ten Albin May­er sein?

Reu­ter: Albin May­er hat neben der Vize­prä­si­dent­schaft auch das Amt des Vor­sit­zen­den des Wirt­schafts­aus­schus­ses inne. Herr May­er wird sich daher haupt­säch­lich um den Bereich Wirt­schaft und Ver­trä­ge küm­mern. Das hat er schon die ver­gan­ge­nen Jah­re getan und wird die­se erfolg­rei­che Arbeit fortsetzen.

 

OT: Eine Ihrer ers­ten „Amts­hand­lun­gen“ war die Ent­schei­dung, die OTWorld auf Grund der Coro­na­vi­rus-Epi­de­mie zu ver­schie­ben, mit­zu­tra­gen. Haben Sie sich die­sen rasan­ten Ein­stieg in ihre Prä­si­dent­schaft so vorgestellt?

Reu­ter: Nein, damit kann nie­mand rech­nen. Aber Flag­ge oder auch kla­re Kan­te zu zei­gen, gehört zu die­sem Amt dazu.

OT: Ein Wort zu Covid-19 bezie­hungs­wei­se dem Umgang mit dem Coro­na­vi­rus. Der BIV-OT hat eine eige­ne Task-Force ein­ge­rich­tet. Wie schät­zen Sie die Situa­ti­on für die Sani­täts­häu­ser ein?

Reu­ter: Wir haben in unse­rem Fach einen Zusam­men­halt wie schon lan­ge nicht mehr. Der­zeit arbei­ten im Hin­ter­grund alle Leis­tungs­er­brin­ger­ver­bän­de und die Kol­le­gen von der Ortho­pä­die-Schuh­tech­nik mit dem BIV rund um die Uhr auf einer Web-Platt­form an Lösun­gen, die uns allen die Arbeit erleich­tert. Die Ober­meis­ter und Geschäfts­füh­rer der Lan­des­in­nun­gen bespre­chen in kur­zen Abstän­den in Video­kon­fe­ren­zen soli­da­risch was als nächs­tes zu tun ist. Natür­lich ist die Situa­ti­on kri­tisch. Wir haben kei­ne oder wenig Schutz­aus­rüs­tung. Uns wird zu man­chen Ein­rich­tun­gen der Zutritt ver­wehrt. Uns droht bei posi­ti­ver Tes­tung eines Mit­ar­bei­ters die Schlie­ßung. Aber wir sind gut auf­ge­stellt und ver­netzt und wer­den alles Erdenk­li­che tun, um die här­tes­ten Spit­zen abzumildern.

OT: Wel­che Fol­gen erwar­ten Sie aus die­ser Krise?

Reu­ter: Das kann der­zeit nie­mand abse­hen, dazu müss­te man Hell­se­hen. Natür­lich haben wir ver­schie­de­ne Sze­na­ri­en durch­dacht. Der Haupt­fak­tor ist und bleibt die Zeit. Wie lan­ge unter­lie­gen wir den Restrik­tio­nen. Ich hof­fe aber, dass wir den Zusam­men­halt in die Nach-Coro­na-Zeit ret­ten können.

OT: Das The­ma Digi­ta­li­sie­rung wird aktu­ell viel­leicht vom Coro­na­vi­rus in den Schat­ten gestellt, doch zeigt die Kri­se nicht viel­leicht gera­de jetzt, wo die nöti­gen Stell­schrau­ben zu dre­hen sind, was zum Bei­spiel den digi­ta­len Umgang mit den Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten angeht?

Reu­ter: Die berüh­rungs­lo­se Form­ab­nah­me hat auf jeden Fall einen neu­en Stel­len­wert bekom­men. Aber las­sen Sie mich einen ande­ren, ganz wesent­li­chen, Punkt anspre­chen: die Kom­mu­ni­ka­ti­on. In den ers­ten Tage der Kri­se, in denen es um Grund­satz­ar­beit ging und rund um die Uhr neue Infor­ma­tio­nen, Frei­ga­be­ab­fra­gen für Doku­men­te und vie­les mehr auf unse­rer gemein­sa­men Web-Platt­form auf uns ein­pras­sel­ten, hat­ten nicht so tech­nik­af­fi­ne Men­schen ein Pro­blem mit­zu­kom­men. Der Haupt­pa­ra­dig­men­wech­sel fin­det im Moment, erzwun­gen durch den Virus, nicht in der Pro­duk­ti­on, son­dern in der Kom­mu­ni­ka­ti­on statt.

OT: Zum Abschluss des Gesprächs ein paar Wor­te zu Ihnen per­sön­lich. Wie sind Sie zum Ortho­pä­die-Tech­nik-Hand­werk gekom­men und wie ver­lief Ihr Weg bisher?

Reu­ter: Ich war schon immer ein mise­ra­bler Schü­ler. So hat mich mein Vater, ich war damals 17 Jah­re alt, nach der mitt­le­ren Rei­fe davon über­zeugt, dass ich eine Aus­bil­dung machen soll­te. Viel Über­zeu­gungs­ar­beit hat er damals nicht gebraucht. Da er Medi­zin­tech­nik­händ­ler war, ist mir auch die Ortho­pä­die-Tech­nik ein Begriff gewe­sen. Mei­ne Aus­bil­dung und die Gesel­len­jah­re habe ich in zwei Unter­neh­men in Ost­west­fa­len ver­bracht. Weni­ge Jah­re nach der Meis­ter­schu­le in Lands­hut bin ich dann dem Ruf in die Selbst­stän­dig­keit nach Hes­sen gefolgt. Das war 2001 und ich habe die­sen Schritt seit dem nie bereut.

Die Fra­gen stell­te Hei­ko Cordes.

Tei­len Sie die­sen Inhalt
Anzeige