Das Studiostyling mit der sehr präsenten Audrey Hepburn erzeuge den Eindruck, als Frau in eine Boutique und nicht als Kranke in eine medizinische Einrichtung zu gehen. Bereits mit diesem Umfeld unterstütze das Sanitätshaus das Selbstbewusstsein der Frauen, so Lettermann. Denn im Mittelpunkt der Beratung müssten die Frauen stehen, die doch Bitteres erlebt hätten: „Sie wurden teils von ihren Männern verlassen, fühlen sich eventuell nicht mal mehr als Frauen. Ein wertschätzender Umgang ist hier zwingend notwendig.“ Leider würden die Frauen in vielen Sanitätshäusern in kleinen, dunklen Kabinen hinter einem Vorhang neben einer Kabine für die Einlagenversorgung über ihre Geschichte sprechen müssen, um eine Versorgung mit Brustprothesen oder ‑teilprothesen zu erhalten. „Das ist nicht hilfreich für die Psyche und in der Versorgung“, sagt die 56-Jährige.
Über das Ambiente hinaus setze das Unternehmen im Bruststudio auf erfahrene und ganz besonders empathische Mitarbeiterinnen. „Empathie kann man nicht lernen. Keine Chance. Die hat man oder nicht“, betont Lettermann, die eine Ausbildung als Trainerin und Coach hat. Umso besser könne man die Mitarbeiterinnen im Bereich der Hilfsmittelversorgung schulen. Bei den jährlichen Seminaren und Refresherkursen und bei Schulungen zu Neuprodukten setzt das Sanitätshaus auf die Produzenten und ihre Angebote: „Die haben super angenehme Mitarbeiter und tolle Schulungen.“
Vom BH bis zur maßgeschneiderten Brustepithese
Im Bruststudio bietet das Sanitätshaus alles rund um die Versorgung für Frauen nach Brustoperationen an: Denn „alles, was die gesunde Brust braucht, benötigt auch die operierte“, erklärt Lettermann. Die angebotenen brustprothetischen Hilfsmittel kommen in ihrem Haus von Amoena und die BHs sowie Bademoden von Anita. Alle Größen und Qualitäten seien vorrätig, sodass die Kundinnen wie in einer Boutique die ausgesuchte Ware sofort mitnehmen könnten. In repräsentativen Theken fi nden die Kundinnen verschiedene Brustprothesen und ‑teilprothesen in unterschiedlichen Größen und Qualitäten. „Es ist uns wichtig, dass die Frauen die Prothesen anfassen können, um sich mit ihnen vertraut zu machen“, erklärt Lettermann. So könnten sie auch die Unterschiede in den Materialien ertasten, von denen einige gegebenenfalls eine Aufzahlung erfordern. Schließlich übernehmen die Krankenkassen nur alle zwei Jahre die Kosten für eine neue Brustprothese oder- teilprothese. Wobei der Trend klar zu Teilprothesen gehe, da immer brustaufbauender operiert werde. Deshalb habe das Unternehmen im vergangenen Jahr in eine neue Technik investiert, berichtet Lettermann: „Wir gehören zu den sehr wenigen Betrieben in Deutschland, die ein Messsystem von Amoena verwenden, um individuelle externe Brustaufbauten, sprich Maßepithesen, erstellen zu können. Damit können unsere fünf Mitarbeiterinnen die operierte Brust bei besonders starker Vernarbung an die nichtoperierte angleichen. Das ist psychisch wie physisch eine große Entlastung für die Frauen.“
Schnelle Erstversorgung in der Klinik
Vor dem Besuch des Bruststudios steht die Erstversorgung in der Klinik. Das Sanitätshaus arbeitet mit zwei Kliniken in der Region eng zusammen. Die Kliniken planen für den dritten oder vierten postoperativen Tag einen festen Termin mit einer der Fachkräfte des Sanitätshauses ein. So bekommen die Patientinnen schnell eine Erstversorgung und vertiefende Informationen über weiterführende Möglichkeiten. „Die meisten Frauen können die Fülle der Informationen kurz nach der OP nicht verarbeiten, das ist zu dem Zeitpunkt auch nicht notwendig“, unterstreicht Lettermann. „Aber sie haben einen ersten Eindruck und kommen dann nach zwei oder drei Monaten zu uns, um sich umfassend beraten zu lassen.“
Andere Kundinnen kämen auf Empfehlung, entdeckten ihre Services in den Sozialen Medien oder über ihre jährliche Modenschau. Insbesondere auf Facebook und Instagram sei das Unternehmen sehr aktiv. Einige Frauen kämen aber zu ihnen, weil sie mit der Versorgung durch ein anderes Sanitätshaus nicht zufrieden seien. „Wir sehen viel zu viele unpassende Versorgungen“, kritisiert Lettermann. Die Kundinnen ihres Bruststudios würden bis zu 80 Kilometer Anreise auf sich nehmen.
Niedergelassene Ärzte und Fachärzte seien den regelmäßigen Informationsbesuchen, mit denen sie über Versorgungsmöglichkeiten nach Brust-OPs und den oft mitbetroffenen Lymphdrüsen auf dem Laufenden gehalten werden, sehr aufgeschlossen, beobachtet die Prokuristin. Seit fast einem Jahr versucht das Sanitätshaus die Wissenslücken der Mediziner in diesem Bereich gemeinsam mit Amoena zu schließen. Eine Außendienstmitarbeiterin des Sanitätshauses besucht die Ärzte, die brustamputierte Patientinnen behandeln, und informiert sie über moderne Versorgungskonzepte mit Voll- und Teilbrustepithesen sowie Hilfsmitteln für die Kompressionstherapie. Zum ganzheitlichen Ansatz der Versorgung gehören auch die manuelle Lymphdrainage und die apparative intermittierende Kompressionstherapie (AIK). Wirtschaftlich sei es ein langfristiges Investment, wie Nicole Lettermann abschließend bemerkt. Das Sanitätshaus mit insgesamt 140 Mitarbeitern sei aber ein Vollsortimenter und da gehöre die Versorgung nach Brust-OPs selbstverständlich dazu. „Und wenn man etwas macht, dann mit Leidenschaft!“
Ruth Justen
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