Kör­per­bild im Kon­text von Ampu­ta­ti­on und Prothetik

J. Lesky
Ausgangspunkt dieses Artikels ist die Frage, ob eine Exoprothese in das Körperbild ihres Trägers integriert werden soll. Im Anschluss an einen Überblick über die einschlägige Literatur wird näher auf die Komplexität und die Unschärfe des psychologischen Körperbild-Konstruktes als Teilaspekt des Körpererlebens eingegangen. Wesentlich in der thematischen Betrachtung ist die Differenzierung vom Körperschema als neurophysiologischem Konstrukt. Unter Bezugnahme auf die spezifische Situation von Menschen mit einer Amputation wird die Körperbildthematik weiter ausgeführt und schließlich mit dem übergeordneten Konzept des Selbstbildes in Zusammenhang gesetzt.

Ein­lei­tung

Im Zusam­men­hang mit Pro­the­sen­ent­wick­lung und pro­the­ti­scher Ver­sor­gung wird mit­un­ter die Mei­nung ver­tre­ten, dass es gel­te, eine Exo­pro­the­se best­mög­lich ins Kör­per­bild zu inte­grie­ren (z. B. 1 2 3 4 5). Ist das aber tat­säch­lich ein sinn­vol­les Kri­te­ri­um für eine gelun­ge­ne exo­pro­the­ti­sche Ver­sor­gung? Zur Klä­rung die­ser Fra­ge ist es not­wen­dig, sich mit dem Begriff “Kör­per­bild” genau­er auseinanderzusetzen.

Anzei­ge

Das Kon­strukt Kör­per­bild: Erklärungsansätze

Bereits 1935 hat der öster­rei­chisch­ame­ri­ka­ni­sche Neu­ro­lo­ge Paul Schil­der in einer Mono­gra­phie vom Kör­per­bild (“body image”) gespro­chen und die men­ta­le Reprä­sen­ta­ti­on des Kör­pers ein­schließ­lich der sub­jek­ti­ven visu­el­len Kör­per­ima­gi­na­ti­on (die visu­el­le Vor­stel­lung von der eige­nen Kör­per­ge­stalt) sowie psy­cho­so­zia­le Fak­to­ren in die dama­li­ge Dis­kus­si­on in der phä­no­me­no­lo­gi­schen For­schung rund um das sub­jek­ti­ve Wahr­neh­men und Erle­ben des Kör­pers ein­ge­bracht. Als “phä­no­me­no­lo­gisch” wird hier das bezeich­net, was sich dem Wahr­neh­men­den, Füh­len­den oder Den­ken­den unmit­tel­bar prä­sen­tiert. Damit ver­wen­det er den Begriff für die Gesamt­heit der neu­ro­lo­gi­schen, kogni­tiv-affek­ti­ven und sozi­al­psy­cho­lo­gi­schen Antei­le der Kör­per­re­prä­sen­ta­ti­on: “The pic­tu­re of our body which we form in our mind, that is to say the way in which our body appears to our­sel­ves” 6.

Zuvor hat­te der eng­li­sche Neu­ro­lo­ge Hen­ry Head 7 bereits ein pro­mi­nen­tes Kon­zept vom Kör­per­sche­ma (“body sche­me”) ent­wi­ckelt und damit vor allem die sen­so­ri­schen Ein­drü­cke von Lage und Posi­ti­on des Kör­pers auf neu­ro­na­ler Ebe­ne gemeint. Im wis­sen­schaft­li­chen Dis­kurs wur­den also sehr früh die neu­ro­lo­gisch­phy­sio­lo­gi­schen Antei­le der Kör­per­er­fah­rung (“body expe­ri­ence”) als über­ge­ord­ne­tes Kon­zept um vor­wie­gend psy­cho­lo­gi­sche Aspek­te erwei­tert. In der his­to­ri­schen wis­sen­schaft­li­chen Ent­wick­lung der Dimen­si­on der Kör­per­er­fah­rung seit die­sen Anfän­gen sind eine Hete­ro­ge­ni­tät in den zahl­rei­chen Kon­zep­tua­li­sie­run­gen und eine unein­heit­li­che Ter­mi­no­lo­gie fest­zu­stel­len. Um einen unge­fäh­ren Ein­blick in die ent­spre­chen­den Modell­vor­stel­lun­gen zu geben, sei­en an die­ser Stel­le eini­ge Bei­spie­le aus den letz­ten drei Jahr­zehn­ten ange­führt, die rela­tiv will­kür­lich gewählt sind.

Bie­le­feld (1991)

In sei­nem struk­tu­rier­ten Kon­zept der Kör­per­er­fah­rung hat Bie­le­feld im Jah­re 1991 8 eben­falls ein im Wesent­li­chen neu­ro­phy­sio­lo­gi­sches Kör­per­sche­ma vom psy­cho­lo­gisch-phä­no­me­no­lo­gi­schen Kör­per­bild unter­schie­den (Abb. 1). Jeweils drei Kom­po­nen­ten wer­den defi­niert: Kör­per­ori­en­tie­rung, Kör­per­aus­deh­nung und Kör­per­kennt­nis (kogni­ti­ve Leis­tung, die er zum Kör­per­sche­ma zählt) auf der einen Sei­te sowie Kör­per­be­wusst­sein, Kör­per­aus­gren­zung und Kör­per­ein­stel­lung auf der ande­ren Sei­te, wobei eine Wech­sel­wir­kung pos­tu­liert wird.

Clement/Löwe (1996)

Der psy­cho­lo­gi­sche Gehalt des Kör­per­bil­des zeigt sich im kon­zi­sen Defi­ni­ti­ons­ver­such von Cle­ment und Löwe noch deut­li­cher: “Unter Kör­per­bild wird von uns der­je­ni­ge Aspekt des Selbst­kon­zep­tes ver­stan­den, der sich aus der Gesamt­heit der Ein­stel­lun­gen zum eige­nen Kör­per (Wahr­neh­mun­gen, Kogni­tio­nen, Affek­te und Wer­tun­gen) kon­sti­tu­iert” 9 10.

Flannery/Faria (1999)

Der dyna­mi­sche Ver­än­de­rungs­aspekt des Kör­per­bil­des kommt sehr deut­lich in einem Arti­kel von Flan­nery und Faria 11 aus dem Jahr 1999 zum Aus­druck, der expli­zit Bezug auf Kör­per­bild­ver­än­de­run­gen nach dem Ver­lust einer Extre­mi­tät nimmt: “Body image in a per­son is a dyna­mic chan­ging phe­no­me­non, it is for­med by fee­lings and per­cep­ti­ons about a person’s body that are con­stant­ly chan­ging” 12.

Taleporos/MacCabe (2002)

Auf die Bedeu­tung von Erfah­run­gen im psy­cho­so­zia­len Kon­text sowie von Form, Funk­ti­on und Aus­se­hen des Kör­pers wei­sen wie­der ande­re For­scher defi­ni­to­risch hin: “Body image may be defi­ned as the com­bi­na­ti­on of an individual’s psy­cho­so­cial adjus­t­ment expe­ri­en­ces, fee­lings and atti­tu­des that rela­te to the form, func­tion, appearan­ces and desi­ra­bi­li­ty of one’s own body which is influen­ced by indi­vi­du­al and envi­ron­men­tal fac­tors” 13.

Zeit­schrift “Body Image”

In der Selbst­be­schrei­bung des inter­na­tio­na­len wis­sen­schaft­li­chen Jour­nals “Body Image”, das seit 2004 erscheint, ist Fol­gen­des fest­ge­hal­ten: “Body image is a mul­ti-face­ted con­cept that refers to per­sons’ per­cep­ti­ons and atti­tu­des about their own body, par­ti­cu­lar­ly but not exclu­si­ve­ly its appearance.” Damit wird wie­der­um der Wahr­neh­mung und den Ein­stel­lun­gen eines Men­schen gegen­über sei­nem Kör­per beson­de­re Bedeu­tung beigemessen.

Vocks et al. (2005/2006)

Ein 3‑Kom­po­nen­ten-Modell des Kör­per­bil­des von Vocks und Kol­le­gen (2005/2006) unter­schei­det per­zep­ti­ve, kogni­tiv-affek­ti­ve und beha­vi­ora­le (ver­hal­tens­be­zo­ge­ne) Antei­le 14 15. Bei einem nega­ti­ven Kör­per­bild kön­ne – ver­ein­facht und bei­spiel­haft dar­ge­stellt – der Kör­per als unvoll­stän­dig wahr­ge­nom­men wer­den, der Gedan­ke “Ich bin häss­lich” vor­lie­gen und damit das Gefühl der Scham ein­her­ge­hen, was schließ­lich zu einem Ver­mei­dungs- und Rück­zugs­ver­hal­ten füh­re. Somit wird der psy­cho­lo­gisch rele­van­te und ver­hal­tens­de­ter­mi­nie­ren­de Effekt des Kör­per­bil­des klar.

Röh­richt et al. (2005)

Eine deutsch­spra­chi­ge, vor­wie­gend psych­ia­trisch und teil­wei­se psy­cho­ana­ly­tisch aus­ge­rich­te­te Exper­ten­grup­pe 16 kri­ti­siert im Kon­text der unscharf defi­nier­ten Ter­mi­no­lo­gie, der Begriff Kör­per­bild wer­de in infla­tio­nä­rer Wei­se inhalt­lich sehr hete­ro­gen benutzt. Die For­scher ver­su­chen einen Kon­sens zur ter­mi­no­lo­gi­schen Abgren­zung von Teil­aspek­ten des Kör­per­er­le­bens zu for­mu­lie­ren und erstel­len eine auf Kon­ven­ti­on beru­hen­de Sys­te­ma­tik der Begriff­lich­keit einer Phä­no­me­no­lo­gie der Kör­per­er­fah­rung. Dem­nach ist die Kör­per­er­fah­rung, die mit­un­ter auch als “Kör­per­er­le­ben” bezeich­net wird, grund­sätz­lich ein Kon­ti­nu­um zwi­schen einem soma­ti­schen und einem men­ta­len (kogni­tiv-eva­lua­ti­ven) Pol, näm­lich zwi­schen “Kör­per­sche­ma” und “Kör­per­bild”. Anders als bei Bie­le­feld 17, der eine rein kate­go­riel­le Ein­tei­lung in zwei Aspek­te und unter­ge­ord­ne­te Teil­aspek­te vor­ge­nom­men hat, fin­det sich hier ein Kon­ti­nu­um mit meh­re­ren gleich­wer­ti­gen Teilaspekten:

  • Das Kon­strukt Kör­per­sche­ma (soma­tisch) bezieht sich kurz gefasst auf den per­zep­ti­ven, phy­sio­lo­gisch vor­ge­form­ten und zen­tral­ner­vös ver­an­ker­ten Teil­aspekt des Kör­per­er­le­bens. Es hat eine basa­le Funk­ti­on bei der Loka­li­sa­ti­on des Kör­pers und der Steue­rung der Moto­rik im Raum und wird durch das Kör­per­emp­fin­den, d. h. die inte­ro- und extero­zep­ti­ve Wahr­neh­mung (Kör­per­per­zep­te genannt), komplettiert.
  • Kör­per­be­zo­ge­ne Erfah­rungs- und Bewer­tungs­aspek­te, also Kogni­tio­nen, fas­sen die Exper­ten unter dem Begriff Kör­per­bild (psy­chisch) zusam­men; dazu zäh­len ihrer Auf­fas­sung nach for­ma­les Wis­sen, Fan­ta­sien, Gedan­ken, Ein­stel­lun­gen, Bewer­tun­gen und Bedeu­tungs­zu­schrei­bun­gen. Die­se Aspek­te sei­en vor­nehm­lich per­sön­lich­keits­psy­cho­lo­gi­scher Art und unter­lä­gen sozio­de­mo­gra­fi­schen und kul­tu­rel­len Ein­flüs­sen. Das Kör­per­bild sei also “die Gesamt­heit der kogni­tiv-eva­lua­ti­ven Ein­flüs­se auf das Gesamt­kör­per­er­le­ben” 18.

Eben­falls dem Kör­per­bild zuzu­ord­nen, aber geson­dert zu erfas­sen ist nach Mei­nung der Exper­ten das Kör­per-Ich; es über­neh­me u. a. eine Schlüs­sel­rol­le bei der Bewer­tung sen­so­ri­scher und ande­rer erleb­nis­be­zo­ge­ner Sti­mu­li, und es orga­ni­sie­re und modi­fi­zie­re inten­tio­nal das gerich­te­te Bewe­gungs­ver­hal­ten. Für den inmit­ten des Kon­ti­nu­ums ste­hen­den emo­tio­nal-affek­ti­ven Teil­aspekt des Kör­per­er­le­bens ver­wen­det die Arbeits­grup­pe den Begriff “Kör­per-Kathe­xis” (Kathe­xis = Kon­zen­tra­ti­on psy­chi­scher Ener­gie auf einen bestimm­ten Aspekt). Damit ist das Aus­maß posi­ti­ver kör­per­be­zo­ge­ner Gefüh­le gemeint, ein­schließ­lich des Ganz­heits­emp­fin­dens und der Sen­si­ti­vi­tät sowie der Zufrie­den­heit mit dem Kör­per und der damit ver­bun­de­nen Selbstakzeptanz.

Ein von den Autoren als Kör­per­be­wusst­heit (“Gewahr­sein der eige­nen Leib­lich­keit”) bezeich­ne­tes wei­te­res gleich­wer­ti­ges Kon­strukt wird als eigen­stän­di­ger Teil­aspekt einer reflek­tier­ten Kör­per­er­fah­rung beschrie­ben, der als kogni­tiv-eva­lua­ti­ves Kor­rek­tiv modi­fi­zie­rend auf die ande­ren Teil­aspek­te einwirke.

Damit bestehen nach Ansicht der Exper­ten vom soma­ti­schen Pol zum kogni­tiv-eva­lua­ti­ven Pol hin fol­gen­de sechs Teil­aspek­te des Kör­per­er­le­bens: Kör­per­sche­ma, Kör­per­per­zep­te, Kör­per-Kathe­xis, Kör­per-Ich, Kör­per­bild und Körperbewusstheit.

Pöhlmann/Thiel/Joraschky (2008)

Nach­dem sich in einer Vor­stu­die auf Basis der Ver­wen­dung meh­re­rer Fra­ge­bö­gen zum Kör­per­bild (FBK-20, FBeK, FKKS; sie­he unten), denen etwas unter­schied­li­che Kon­zep­te zugrun­de lie­gen, im Zuge eines ope­ra­tio­na­len (durch rech­ne­ri­sche Ana­ly­se her­ge­lei­te­ten) Defi­ni­ti­ons­ver­su­ches in einer Fak­to­ren­ana­ly­se noch sie­ben Kör­per­bild­di­men­sio­nen her­aus­kris­tal­li­siert hat­ten, haben Pöhl­mann, Thiel und Jor­asch­ky in einer zwei­ten Stu­die 19 schließ­lich fünf Fak­to­ren des Kör­per­bil­des ermittelt:

  1. Vita­li­tät
  2. Selbst­ak­zep­tanz
  3. Kör­per­kon­takt
  4. Sexu­el­le Erfüllung
  5. Selbst­auf­wer­tung

Die Autorin bzw. die Autoren haben in ihrer Stu­die den Dresd­ner Kör­per­bild­fra­ge­bo­gen (DKB-35) ent­wi­ckelt, wobei sie haupt­säch­lich auf ihre Arbeit mit Men­schen mit Ess­stö­run­gen Bezug nehmen.

Martin/Svaldi (2015)

In der Ein­lei­tung eines Arti­kels von Mar­tin und Sval­di aus dem Jahr 2015 20, der sich vor allem mit Kör­per­bild­stö­run­gen befasst, heißt es: “Unter Kör­per­bild kön­nen alle psy­chi­schen Antei­le der Kör­per­re­prä­sen­tanz ver­stan­den wer­den. Typi­scher­wei­se wer­den ver­schie­de­ne Dimen­sio­nen des sub­jek­ti­ven Erle­bens des eige­nen Kör­pers hier­un­ter gefasst wie Wahr­neh­mung, Kogni­ti­on, Affekt, aber auch Ver­hal­ten.” Die Autoren wäh­len damit eben­falls ein pro­non­ciert psy­cho­lo­gi­sches Konstrukt.

Lem­che (2016)

Ein wei­te­res Mehr­kom­po­nen­ten-Modell des Kör­per­bil­des 21, das erst­mals 1995 vor­ge­stellt und kürz­lich aktua­li­siert wur­de, ver­sucht die sprach­li­che Ver­wir­rung auf­zu­lö­sen. Es ist ein neu­ro­phy­sio­lo­gi­sches Gesamt­mo­dell der Kör­per­re­prä­sen­ta­ti­on, die als Kör­per­bild im über­ge­ord­ne­ten Sinn ver­stan­den wird, und umfasst fünf Kom­po­nen­ten, denen spe­zi­fi­sche, hirn­phy­sio­lo­gisch begrün­de­te Sub­funk­tio­nen zuge­schrie­ben wer­den (Tab. 1).

Wis­sen­schaft­li­che Fra­ge­bö­gen zum Körperbild

Je nach wis­sen­schaft­li­cher Denk­wei­se haben For­scher zahl­rei­che Kör­per­bild-Fra­ge­bö­gen mit unter­schied­li­cher zugrun­de­lie­gen­der Theo­rie ent­wi­ckelt, die sich teil­wei­se ähn­lich sind, teil­wei­se aber deut­lich unter­schei­den. Im deutsch­spra­chi­gen Raum sind dies etwa der Fra­ge­bo­gen zum Kör­per­bild (FBK-20) 22 23, der Fra­ge­bo­gen zur Bewer­tung des eige­nen Kör­pers (FBeK) 24, die Frank­fur­ter Kör­per­kon­zept­ska­len (FKKS) 25 und auch der erwähn­te Dresd­ner Kör­per­bild­fra­ge­bo­gen (DKB-35) 26. Bei­spiels­wei­se wer­den im FBK-20, der mit 20 fünf­stu­fi­gen Items zwei unab­hän­gi­ge Dimen­sio­nen der kogni­tiv-affek­ti­ven Bewer­tung des eige­nen Köpers erfasst, mit der Ska­la “Ableh­nen­de Kör­per­be­wer­tung” einer­seits die äuße­re Kör­per­er­schei­nung beur­teilt, ande­rer­seits wird das Gefühl der Stim­mig­keit sowie das Wohl­be­fin­den im eige­nen Kör­per wer­tend beschrie­ben. Die Ska­la “Vita­le Kör­per­dy­na­mik” the­ma­ti­siert den ener­ge­ti­schen und bewe­gungs­be­zo­ge­nen Aspekt des Kör­per­bil­des; sie beschreibt, in wel­chem Aus­maß Kraft, Fit­ness und Gesund­heit emp­fun­den wer­den 27. Ein­zel­ne Items lau­ten z. B. “Manch­mal wün­sche ich mir, völ­lig anders aus­zu­se­hen” bzw. “Ich füh­le mich vol­ler Kraft”.

Inter­na­tio­nal wird z. B. der Body-Image Ques­ti­on­n­aire (BIQ) 28 öfter ein­ge­setzt, und im anglo­ame­ri­ka­ni­schen Raum hat sich spe­zi­ell in der Anwen­dung bei Men­schen mit einer Ampu­ta­ti­on die Ampu­ta­ti­on Body Image Sca­le (ABIS) 29 etabliert.

Häu­fig wird zum Zwe­cke der Ver­wen­dung für eige­ne belie­bi­ge Fra­ge­stel­lun­gen ein sol­cher Fra­ge­bo­gen auch spon­tan selbst erstellt oder ein vor­han­de­ner adap­tiert, wobei dann aller­dings das dahin­ter­ste­hen­de Kon­struk­ti­ons­prin­zip und Kon­zept unklar blei­ben und die psy­cho­me­tri­schen Kri­te­ri­en im Sin­ne eines Test­ver­fah­rens nicht erfüllt sind. Vie­le durch empi­ri­sche For­schung ermit­tel­te Erkennt­nis­se zum Kör­per­bild hän­gen damit vom jewei­li­gen Kon­zept des gege­be­nen­falls ver­wen­de­ten Fra­ge­bo­gens ab. In einer Art Rück­wärts­de­fi­ni­ti­on wird dabei das Kör­per­bild so gese­hen, wie es der Fra­ge­bo­gen vorgibt.

Zwi­schen­re­sü­mee

Es ist deut­lich gewor­den, dass es sich bei den erwähn­ten kör­per­be­zo­ge­nen Begrif­fen um kom­ple­xe Kon­struk­te han­delt, deren Defi­ni­ti­on bis dato nicht ein­heit­lich und all­ge­mein gül­tig vor­liegt. Trotz der Bemü­hun­gen um mehr Klar­heit hal­ten kon­zep­tu­el­le Hete­ro­ge­ni­tät und unkla­re Ter­mi­no­lo­gie in For­schung und Pra­xis wei­ter an; inhalt­li­che Aus­rich­tun­gen und Schwer­punkt­set­zun­gen erfol­gen meist je nach Fach­ge­biet der Exper­ten. Die Ver­wir­rung im fach­li­chen Dis­kurs lässt sich bis heu­te ins­be­son­de­re durch die häu­fig unre­flek­tier­te Ver­wen­dung der Begrif­fe “Kör­per­bild” und “Kör­per­sche­ma” cha­rak­te­ri­sie­ren (vgl. 30). Den­noch scheint es als Mini­mal­kon­sens gebo­ten, wenigs­tens die neu­ro­phy­sio­lo­gi­schen Aspek­te von den affek­tiv-kogni­ti­ven Aspek­ten der Kör­per­er­fah­rung zu unter­schei­den und damit prak­tisch das Kör­per­sche­ma vom Kör­per­bild zu differenzieren.

Das Kör­per­bild nach einer Amputation

Es liegt auf der Hand, dass nach einer Ampu­ta­ti­on das kom­ple­xe Kör­per­bild ver­än­dert sein kann. Zumin­dest fol­gen­de indi­vi­du­el­le Fak­to­ren, von denen eini­ge über sub­jek­ti­ve Bewer­tun­gen und Bedeu­tungs­ge­bun­gen wirk­sam wer­den, neh­men Ein­fluss darauf:

  • Per­sön­lich­keits­struk­tu­rie­rung
  • Über­zeu­gun­gen (z. B. dar­über, was kör­per­lich ästhetisch/ unäs­the­tisch ist)
  • Annah­men (z. B. über die Reak­tio­nen der sozia­len Umgebung)
  • Erwar­tun­gen (z. B. bezüg­lich künf­ti­ger ampu­ta­ti­ons­be­ding­ter Einschränkungen)
  • sozia­le Einbettung
  • Vor­er­fah­run­gen und aktu­el­le Erfahrungen
  • sozio­kul­tu­rel­le Normen
  • Alter
  • Geschlecht
  • Art und Aus­maß der Amputation

Das Kör­per­bild weist daher grund­sätz­lich eine gro­ße inter­in­di­vi­du­el­le Varia­bi­li­tät und Ver­än­de­rungs­dy­na­mik auf. Wie die Fach­li­te­ra­tur ins­ge­samt doch zeigt, bezieht sich das Kör­per­bild in den gän­gi­gen Defi­ni­tio­nen nicht auf einen extra­kor­po­ra­len Teil wie eine Exo­pro­the­se. Um in die­sen the­ma­ti­schen Kon­text den Pro­the­sen­aspekt bei Men­schen mit einer Ampu­ta­ti­on mit ein­zu­brin­gen, wur­de schon vor­ge­schla­gen, even­tu­ell ein spe­zi­fi­sches Kör­per­bild inklu­si­ve Pro­the­se zu kre­ieren und die­ses vom übli­chen Kör­per­bild zu unter­schei­den 31 32. Im Fra­ge­bo­gen ABIS fin­den sich nicht nur übli­che Items, die inhalt­lich unab­hän­gig vom Tra­gen einer Pro­the­se sind, son­dern auch sol­che, die expli­zit eine Pro­the­se mit­ein­be­zie­hen (z. B.: “I like my over­all phy­si­cal appearance when wea­ring a pro­sthe­sis”). In der Aus­wer­tung und damit der Inter­pre­ta­ti­on fehlt jedoch die Unter­schei­dung zwi­schen bei­den Kör­per­bild­va­ri­an­ten; es ergibt sich damit qua­si eine im deutsch­spra­chi­gen Raum unüb­li­che Mischform.

Ohne eines der vor­ge­stell­ten theo­re­ti­schen Model­le zu prä­fe­rie­ren, lässt sich bezo­gen auf die neue Kör­per­er­fah­rung eines Men­schen nach einer Ampu­ta­ti­on zumin­dest Fol­gen­des deskrip­tiv festhalten:

Die Funk­ti­on der Exte­ro- und Intero­zep­to­ren im eige­nen Kör­per führt ins­be­son­de­re im Rah­men der kin­äs­the­ti­schen Wahr­neh­mung bei Feh­len einer Extre­mi­tät zu ein­ge­schränk­ter Körperwahrnehmung/Körperorientierung – es fehlt sen­so­ri­scher Input. Je nach Vor­han­den­sein von Phan­tom­emp­fin­dun­gen kann die Fähig­keit zur Wahr­neh­mung der räum­li­chen Aus­deh­nung des Kör­per­teils (Stumpf) beein­träch­tigt sein. Damit sind nega­ti­ve Ver­än­de­run­gen durch eine Ampu­ta­ti­on zu erwar­ten – natür­lich mit Aus­wir­kun­gen auf sen­so­mo­to­ri­sche Abläu­fe wie Gehen oder Grei­fen mit Pro­the­sen­un­ter­stüt­zung. Inwie­weit durch impli­zi­te Lern­pro­zes­se beim Gebrauch des Stump­fes und/oder einer Pro­the­se die­se Ver­än­de­run­gen all­mäh­lich zumin­dest teil­wei­se kom­pen­siert wer­den kön­nen, ist nicht nach­ge­wie­sen; aus kli­ni­scher Erfah­rung darf ein sol­cher Lern­vor­gang aller­dings ver­mu­tet werden.

Neben die­sen Ver­än­de­run­gen im Kör­per­sche­ma sind natur­ge­mäß im affek­tiv-kogni­ti­ven kör­per­be­zo­ge­nen Bereich, also im Kör­per­bild, eben­so Ver­än­de­run­gen mög­lich. Hier­zu zäh­len die auf den Kör­per inklu­si­ve Extre­mi­tä­ten­ver­lust gerich­te­te Auf­merk­sam­keit des Betrof­fe­nen und die psy­chi­sche Reprä­sen­ta­ti­on der feh­len­den Extre­mi­tät im Bewusst­sein sowie vor allem die Ein­stel­lun­gen zum “neu­en” Kör­per mit feh­len­der Extre­mi­tät (ins­be­son­de­re auf des­sen Aus­se­hen gerich­te­te Ein­stel­lun­gen) und die (Un-)Zufriedenheit damit.

Im Übri­gen leis­tet die Chir­ur­gie impli­zit und expli­zit einen Bei­trag zum Kör­per­bild. Die Ästhe­tik des ope­rier­ten Stump­fes spielt im Rah­men der Kör­per­ein­stel­lung eine Rol­le, und die sen­so­ri­sche Situa­ti­on (Sen­si­bi­li­tät) des Stump­fes kann per­zep­ti­ven Ein­fluss auf das Kör­per­be­wusst­sein und die Kör­per­aus­gren­zung aus­üben. Was durch die chir­ur­gi­sche TSR-Metho­de (“tar­ge­ted sen­so­ry rein­ner­va­ti­on”) ope­ra­ti­ons- und pro­the­sen­tech­nisch (mit sen­so­ri­schem Feed­back) erreicht wer­den kann, ist weni­ger eine Kör­per­bild­ver­än­de­rung im enge­ren Sinn als viel­mehr eine pri­mä­re Ein­fluss­nah­me auf das Kör­per­sche­ma durch Ersatz von feh­len­den affe­ren­ten Ner­ven­im­pul­sen 33. Ins­be­son­de­re eine Ver­bes­se­rung der durch eine Ampu­ta­ti­on beein­träch­tig­ten Pro­prio­zep­ti­on (beim Gehen) könn­te hier erreicht wer­den. Durch die Wech­sel­wir­kung zwi­schen Kör­per­sche­ma und Kör­per­bild (sie­he Bie­le­feld 34) scheint aller­dings ein sekun­dä­rer Ein­fluss auf das Kör­per­bild mög­lich – bei­spiels­wei­se durch die posi­ti­ve sub­jek­ti­ve Bewer­tung der Geh­funk­ti­on als dem Kör­per zuge­schrie­be­ne Fähigkeit.

Das kon­kre­te Kör­per­bild (im enge­ren Sinn) eines Indi­vi­du­ums nach einer Ampu­ta­ti­on kann auf­grund dys­funk­tio­na­ler (sich ungüns­tig aus­wir­ken­der) Ein­stel­lun­gen zum Kör­per mit feh­len­der Glied­ma­ße ins­ge­samt nega­tiv ver­än­dert und damit psy­chisch belas­tend sein. Die ein­gangs erwähn­te Idee, man müs­se eine Exo­pro­the­se ins Kör­per­bild inte­grie­ren, wäre gera­de in die­sem Fall wohl kei­nes­falls ein erstre­bens­wer­tes Ziel, weil dann die Pro­the­se zum Bestand­teil des nega­ti­ven Kör­per­bil­des wer­den wür­de. Es lie­gen übri­gens Hin­wei­se dar­auf vor, dass bei Men­schen mit einer Ampu­ta­ti­on, die eine Pro­the­se tra­gen, nicht übli­cher­wei­se ein nega­ti­ves Kör­per­bild auf­tritt 35, aber auf­tre­ten kann 36 37 38.

Durch­aus im Ein­klang mit die­sen Über­le­gun­gen zeigt die per­sön­li­che kli­nisch-psy­cho­lo­gi­sche Erfah­rung im Umgang mit Men­schen mit Ampu­ta­tio­nen ein kla­res Bild: Mit Aus­nah­me zwei­er Betrof­fe­ner haben alle Men­schen mit einer Ampu­ta­ti­on in den letz­ten fünf bis sechs Jah­ren (ca. 100 Indi­vi­du­en mit unter­schied­lich lan­ger Zeit seit Ampu­ta­ti­on) die regel­haft gestell­te Fra­ge, ob in ihrem Erle­ben die Pro­the­se Teil ihres Kör­pers (und damit ins Kör­per­bild inte­griert) sei, letzt­lich ver­neint. Im Gespräch wur­de aller­dings dif­fe­ren­ziert nach­ge­fragt und offen über die­se Fra­ge kom­mu­ni­ziert; die Erhe­bung war also nicht so restrik­tiv, wie dies in einem Fra­ge­bo­gen der Fall ist. Sehr häu­fig wur­de von den Betrof­fe­nen hin­ge­gen formuliert:

  • “Die Pro­the­se gehört zu mei­nem Kör­per.” (Anmer­kung: Sie gehört dazu, ist aber nicht inte­grier­ter Bestandteil.)
  • “Die Pro­the­se ist Teil mei­ner Per­son.” (Anmer­kung: Kör­per ist nicht gleich Person.)
  • “Die Pro­the­se gehört zu mir.” (Anmer­kung: “Zu mir” ist nicht gleich “Teil mei­nes Körpers”.)
  • “Die Pro­the­se ist ein wich­ti­ger Behelf.”
  • “Die Pro­the­se ist ein sehr nütz­li­ches Werkzeug.”

Die­se Aus­sa­gen decken sich mit der erwähn­ten Her­lei­tung aus der Fach­li­te­ra­tur, dass ein extra­kor­po­ra­ler Teil kein Bestand­teil des Kör­per­bil­des ist.

Wahr­schein­lich betrach­ten Men­schen mit Ampu­ta­tio­nen die Pro­the­se auch des­halb nicht als Kör­per­teil, weil sie sich ihres Ver­lus­tes bewusst sind 39. Eine Exo­pro­the­se scheint im mensch­li­chen Erle­ben zwar eine Funk­ti­on (Gehen, Grei­fen) zu erset­zen, aber kei­nen Kör­per­teil. Ähn­lich wird etwa auch eine regel­mä­ßig getra­ge­ne Bril­le, die eine ein­ge­schränk­te Seh­leis­tung funk­tio­nell kom­pen­siert, von nie­man­dem als Kör­per­teil emp­fun­den. Außer­dem wäre eine Inte­gra­ti­on einer Exo­pro­the­se in das Kör­per­bild in dem Sin­ne, dass sie als Teil des Kör­pers emp­fun­den wird, mög­lich­wei­se täg­lich mit einem fata­len Ampu­ta­ti­ons­er­le­ben bei Pro­the­sen­ab­nah­me verbunden.

Fra­gen des Kör­per­bil­des sind in der psy­cho­lo­gi­schen Betreu­ung von Men­schen mit Ampu­ta­tio­nen selbst­ver­ständ­li­cher Bestand­teil 40, zumal psy­chi­sche Belas­tun­gen und Bewäl­ti­gungs­pro­ble­me mit die­ser The­ma­tik ein­her­ge­hen kön­nen. Ins­be­son­de­re die Modi­fi­ka­ti­on sub­jek­ti­ver Bewer­tun­gen, die zu Unzu­frie­den­heit mit dem eige­nen Kör­per füh­ren, sind Ziel der psy­cho­lo­gi­schen Inter­ven­ti­on in die­sem The­men­be­reich. Nicht als Selbst­zweck, son­dern weil gerin­ge Pro­the­sen­ak­zep­tanz ein empi­risch ermit­tel­ter Prä­dik­tor für das Auf­tre­ten von psy­chi­schen Sym­pto­men ist 41 42, gilt es auch, die Akzep­tanz ihrer Pro­the­se bei Men­schen mit Ampu­ta­tio­nen zu fördern.

Das Kon­strukt Selbst­bild: kur­ze Erläuterung

Abschlie­ßend sei noch ein wei­te­rer Begriff kurz ein­ge­führt, der in der psy­cho­lo­gi­schen Betrach­tung der The­ma­tik höchst rele­vant ist, näm­lich das Selbst­bild. Unser Selbst­bild (Syn­onym: Selbst­kon­zept) stellt in der all­ge­mein gül­ti­gen Auf­fas­sung die Gesamt­heit von Kogni­tio­nen und Emo­tio­nen in Bezug auf die eige­ne Per­son dar und defi­niert damit auch die Art und Wei­se, wie sich ein Indi­vi­du­um selbst sieht und wel­che Fähig­kei­ten, Rol­len etc. es sich zuschreibt 43 44. Nur am Ran­de sei hier erwähnt, dass auch dem Begriff des Selbst­bil­des kei­ne ein­deu­ti­ge und all­ge­mein gül­ti­ge Defi­ni­ti­on zu eigen ist. Das Selbst­bild im übli­chen Ver­ständ­nis inklu­diert u. a. auch die Kör­per­er­fah­rung und damit das Kör­per­bild 45 46 47, geht aber weit dar­über hin­aus; ein wesent­li­cher Kon­nex ist hier auch zum bedeut­sa­men Selbst­wert, also der sub­jek­ti­ven Bewer­tung des Bil­des von sich selbst, gege­ben 48. In der ori­gi­nal eng­lisch­spra­chi­gen Lite­ra­tur scheint der Begriff “body image” wei­ter und damit noch unschär­fer gefasst zu sein als der Kör­per­bild­be­griff im deutsch­spra­chi­gen Raum; die Bedeu­tung ver­schwimmt teil­wei­se bereits mit dem Selbst­bild (sie­he Fra­ge­bo­gen ABIS).

Es ist nach­voll­zieh­bar, dass das Selbst­bild von Men­schen mit einer Ampu­ta­ti­on anfäng­lich oder auch län­ger­fris­tig bedroht bzw. beein­träch­tigt und durch eine Selb­st­ab­wer­tung cha­rak­te­ri­siert sein kann (vgl. 49 50). Wenn Pro­ble­me in der Ver­än­de­rung und Anpas­sung des Selbst­bil­des auf­tre­ten, kommt es zumeist zu Schwie­rig­kei­ten mit der Inte­gra­ti­on einer Pro­the­se ins per­sön­li­che Leben 51. Selbst­bildaspek­te, die eben­falls einem indi­vi­du­ell ablau­fen­den und dyna­mi­schen Pro­zess unter­lie­gen, sind daher ein wesent­li­cher the­ma­ti­scher Schwer­punkt in der psy­cho­lo­gi­schen Unter­stüt­zung von Men­schen mit einer Ampu­ta­ti­on 52, deren Ziel es sein muss, ein posi­ti­ves Selbst­bild auf­recht­zu­er­hal­ten oder wie­der­her­zu­stel­len. Dazu zählt u. a. die Inte­gra­ti­on der Pro­the­se in ein posi­ti­ves Selbst­bild und ins per­sön­li­che Leben mit­tels psy­cho­lo­gi­scher und/ oder psy­cho­the­ra­peu­ti­scher Inter­ven­tio­nen. Auch die Ortho­pä­die­tech­nik trägt über Form (Aus­se­hen) und Funk­ti­on von Exo­pro­the­sen ein Stück weit zum Selbst­bild von Men­schen mit einer Ampu­ta­ti­on bei. Eine posi­ti­ve Ein­fluss­nah­me setzt dabei eine mit der betrof­fe­nen Per­son gemein­sam erar­bei­te­te Ziel­de­fi­ni­ti­on der pro­the­ti­schen Ver­sor­gung vor­aus. Die oben berich­te­ten Beschrei­bun­gen von Betrof­fe­nen brin­gen zum Aus­druck, dass eine Exo­pro­the­se tat­säch­lich Teil des Selbst­bil­des ist. Sie ist ein Cha­rak­te­ris­ti­kum der Per­son, bestimmt die sub­jek­ti­ve äuße­re Attrak­ti­vi­tät mit, begrün­det Rol­len­ver­än­de­run­gen im Leben, beein­flusst die Selbst­be­ur­tei­lung eige­ner Fähig­kei­ten etc., kurz, eine Exo­pro­the­se bestimmt in der Selbst­sicht mit, “wer und wie jemand ist”.

Fazit

Der Sach­ver­halt im Zusam­men­hang mit dem sub­jek­ti­ven Wahr­neh­men und Erle­ben des Kör­pers ist nicht so ein­fach und klar, dass davon gespro­chen wer­den kann, eine Exo­pro­the­se müs­se ins Kör­per­bild von Men­schen  mit einer Ampu­ta­ti­on inte­griert wer­den. Die dar­ge­leg­ten Über­le­gun­gen ver­wei­sen dar­auf, dass eine Exo­pro­the­se erle­bens­mä­ßig nicht Teil des Kör­pers ist bzw. wird, aber durch das teil­wei­se Erset­zen kör­per­li­cher Funk­tio­nen ein wenig Ein­fluss auf das Kör­per­bild haben kann. Jeden­falls muss in die­sem Zusam­men­hang zwi­schen dem psy­cho­lo­gi­schen Kon­strukt des Kör­per­bil­des und dem neu­ro­phy­sio­lo­gi­schen Kon­strukt des Köper­sche­mas, des­sen Beein­flus­sung das Ziel neue­rer neu­ro­chir­ur­gi­scher Ansät­ze ist, unter­schie­den wer­den. Die Inte­gra­ti­on einer Expo­pro­the­se in das Kör­per­bild im enge­ren Sinn ist kein Kri­te­ri­um erfolg­rei­cher pro­the­ti­scher Ver­sor­gung. Wenn im Ein­zel­fall ein Kör­per­bild­kon­zept gemeint sein soll­te, das die Exo­pro­the­se defi­ni­to­risch mit­ein­be­zieht, dann müss­te dies expli­zit beschrie­ben werden.

Davon abge­se­hen ist die För­de­rung einer Pro­the­sen­in­te­gra­ti­on in ein posi­ti­ves Selbst­bild, also das Gesamt­bild, wel­ches wir von uns selbst als Per­son haben, alle­mal nach­voll­zieh­bar und anzu­stre­ben. Dabei spie­len ver­schie­de­ne psy­cho­lo­gi­sche Fak­to­ren eine Rol­le, aber auch Form und Funk­ti­on der Pro­the­se im Rah­men der Versorgung.

Der Autor:
Dr. Jür­gen Lesky
Kli­ni­scher und Gesundheitspsychologe,
Psy­cho­the­ra­peut
Psy­cho­lo­gi­scher Dienst
Dr.-Georg-Neubauer-Straße 6
A‑8144 Tobel­bad, Österreich
juergen.lesky@auva.at

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zitation 
Les­ky J. Kör­per­bild im Kon­text von Ampu­ta­ti­on und Pro­the­tik. Ortho­pä­die Tech­nik, 2020; 71 (7): 50–56

Kom­po­nen­ten
Spe­zi­fi­sche Sub­funk­tio­nen bzw. Leistungen
Hal­tungs­sche­ma
  • auto­ma­ti­sier­te Stel­lungs- und Lagereaktionen

Kör­per-Ich
  • Will­kür­mo­to­rik

  • bewuss­te Somatosensorik

  • kör­per­be­zo­ge­ne Mor­pho­syn­the­se der Körperoberfläche

Kör­per-Ide­a­ti­on und Abgren­zung (Kör­per­bild im enge­ren Sinn)
  • auto­bio­gra­fi­sches Gedächt­nis für sozi­al­emo­tio­na­le Inter­ak­ti­ons- erleb­nis­se und Körpererfahrungen

  • Abgren­zungs­er­le­ben zu anderen

  • v.a. visu­el­le Körperimaginationen

Kör­per­ori­en­tie­rung
  • topo­lo­gi­sche Loka­li­sa­ti­ons­fä­hig­keit am eige­nen Körper

  • sym­bo­li­sche Ver­ar­bei­tung von Körperteilen

  • basa­le Körperorientierungsgehalte

Kör­per­selbst
  • kör­per­be­zo­ge­ne Gefüh­le (erschlie­ßen sich aus der Vis­ce­ro- zep­ti­on von affek­ti­ven Reak­tio­nen und auto­no­men Regu­la­ti­ons- prozessen)

Tab. 1 Neu­ro­phy­sio­lo­gi­sche Kom­po­nen­ten der Kör­per­re­prä­sen­ta­ti­on als Kör­per­bild im über­ge­ord­ne­ten Sinn (nach Lem­che, 2016 [efn_note]Lemche E. Wider die baby­lo­ni­sche Sprach­ver­wir­rung: gegen­wär­ti­ge Defi­ni­ti­on des Kör­per­bil­des. In: Uschok A (Hrsg.). Kör­per­bild und Kör­per­bild­stö­run­gen: Hand­buch für Pfle­ge- und Gesund­heits­be­ru­fe. Bern: Hog­re­fe, 2016: 85–106[/efn_note]).
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