Influencerin „Mrs Anna“ inspiriert über 140.000 Follower:innen mit ihrer Geschichte: Nachdem sich die 25-Jährige einen Krankenhauskeim bei einer routinemäßigen Kniespiegelung zugezogen hat, entschied sie sich nach 33 Folgeoperationen dazu, ihr steifes Bein im September 2021 amputieren zu lassen. Auch Flugbegleiter Alexander Böhmer hat auf der Suche nach dem richtigen Umgang mit seinem Schicksal Instagram für sich entdeckt, wo der 24-Jährige seine über 68.500 Follower:innen an seinen Fortschritten nach seiner Beinamputation im Jahr 2019 wegen einer Knochenkrebserkrankung teilhaben lässt – und auch an seinen Highlights wie seine Reise zu den Paralympischen Spielen nach Tokio als Ottobock-Markenbotschafter. Und diese Rolle führte „Mrs Anna“ und Alex Böhmer auch auf die OTWorld in Leipzig.
OT: Wie war es, das erste Mal auf der OTWorld zu sein?
Alex Böhmer: Aufregend, spannend, schrecklich und gleichzeitig inspirierend. Die Geschichten der anderen Ottobock-Anwender sind schrecklich, aber auch positiv, weil sie gut ausgehen. Und die tiefgründigen Gespräche mit ihnen zusammen im Hotel haben wir auch genossen.
Anna Osicki: Wir haben sonst sehr wenig Möglichkeiten andere Leute persönlich zu treffen, die den gleichen Weg gegangen sind wie wir. Persönliche Treffen gibt es in der Physiotherapie, aber dort sind die Menschen nicht in unserem Alter.
Alex: Auf der OTWorld trifft man Leute im gleichen Alter. Und es ist alles barrierefrei. Man fühlt sich wie in einem Freizeitpark, weil alles zugänglich ist. Es ist sehr chic, sehr gut organisiert. Wir haben uns wohl gefühlt dort. Und ich habe viele aus Tokio wiedergetroffen.
OT: Wie hast du deinen Aufenthalt in Tokio erlebt und wie war es, wieder im Flieger zu sitzen?
Alex: Super spannend, sehr aufregend und sehr emotional. Es war seit drei Jahren der erste Flug nach meiner Krebserkrankung. Es war ein ganz großartiges Gefühl, in ein Flugzeug zu steigen. Ich bin von den Lufthansa-Kollegen mit den Worten begrüßt worden: Alex, willkommen zurück. Ich habe viel geweint – vor Freude. Und Tokio war immer mein Traumziel, ich hatte es aber nie geschafft hinzufliegen. Mit Ottobock habe ich es erreicht. Bei den Spielen war es für mich interessant zu sehen, was man mit Disziplin und Ehrgeiz erreichen kann. Du hast es riechen können: Hier sind ehrgeizige Leute. Den paralympischen Sportgeist konnte man greifen. Man lernt noch einmal mehr: Du bist nicht alleine und kannst mit Training und Wollen alles erreichen, was du willst. Das hat mir geholfen, bei der Physiotherapie die Zähne zusammenzubeißen.
OT: Was wollt ihr erreichen? Was ist eure Mission auf Instagram?
Alex: Mein Ursprungsgedanke war es nach meiner Krebserkrankung andere Betroffene zu finden. Nach meiner Amputation dachte ich mir dann, ich suche nochmal – diesmal nach Amputierten.
Anna: Es war ein bisschen Eigentherapie. Nach meiner OP habe ich ein Video hochgeladen, das wurde 11 Millionen Mal angeguckt. Mir ist es wichtig zu zeigen, dass man sich nicht verstecken muss, dass man sich auch trauen kann, sich in T‑Shirts und kurzen Hosen zu zeigen. Und so wurde aus einer negativen Situation etwas Positives. Mir hatte auch schon jemand geschrieben, dass er jetzt eine Ausbildung in der Orthopädie-Technik macht. Ich finde es toll, wenn wir Leute animieren, diesen Beruf auszuüben.
Alex: Es ist immer das, was man draus macht. Dass man aus einem oberflächlichen Metier wie Social Media etwas Positives entstehen lassen kann. Und wenn man von der Community bestärkt wird, hat das einen so starken Effekt darauf, selbstbewusst zu bleiben. Und es hilft auch anderen. Berührt hat mich die Geschichte der Frau, die meinen Urlaub in London nachgemacht hat – mit den gleichen Zielen und Unterkünften, wie ich sie hatte. Sie hat gesagt: Alex hat das geschafft, dann schaffe ich das auch. Und so hat sie das erste Mal seit Langem ihre Couch wieder verlassen. So ist man in die Rolle reingerutscht.
OT: Wie sah eure Rolle als Markenbotschafter auf der OTWorld aus?
Anna: Wir waren die meiste Zeit am Ottobock-Stand und dort zu festen Zeiten in verschiedene Shows eingespannt. Zusammen standen wir unter dem Thema „Mobil nach Amputation. Der Weg zurück ins Leben“ auf der Bühne. Es geht darum, was nach der Amputation passiert, woher man gesicherte Infos bekommt oder eine Anlaufstelle findet. Ich habe selbst davon profitiert, als ich Ende September mein Bein amputieren ließ. Und im Dezember, zwei Tage vor Weihnachten, habe ich meine Prothese bekommen. Das was das schönste Weihnachtsgeschenk.
OT: Hattet ihr Fan-Momente mit Insta-Follower:innen auf der OTWorld?
Anna: Mehrfach. Sie kamen und wollten Fotos machen. Es ist schön zu erfahren, wer hinter den ganzen Accounts steckt und es ist interessant zu sehen, dass es nicht nur Betroffene sind, die einem folgen, sondern zum Beispiel auch Techniker und Ärzte.
Alex: Zuhause passiert das ab und zu mal. Aber auf der OTWorld am laufenden Band.
OT: Welche Türen haben sich durch Social Media für euch geöffnet?
Alex: Durch Insta ergeben sich Benefits wie z. B. die OT World besuchen zu können, reisen zu dürfen durch Events, zu denen man eingeladen wird, und natürlich auch, dass man viele Produkte kostenlos von Firmen gestellt bekommt. Und ohne Ottobock wären wir nicht auf der OTWorld gewesen.
Anna: Bei Ottobock ist immer ein Ansprechpartner da. Du bist nicht alleine. Das hat mir auch geholfen, meine Entscheidung für die Amputation zu festigen.
Alex: Eines ist mir noch wichtig zu sagen: Es ist alles schön und gut, wie es ist. Aber trotz aller Benefits würde ich alles geben, um mein altes Leben wiederzuhaben. Das ist nicht das, was ich mir ausgesucht habe. Ich hätte das lieber nicht.
OT: Was waren eure schönsten OTWorld-Momente? Gab es einen Gänsehautmoment?
Alex: Es gab viele Gänsehautmomente, besonders, wenn andere Menschen ihre Geschichte erzählt haben. Die schönsten OTWorld-Momente waren: die Menschen kennenzulernen.
Anna: Für mich gab es nicht den einen Moment. Alles, was ich dort erleben und sehen durfte, hat es zum schönsten Moment gemacht. Auch die vielen unterschiedlichen Menschen kennenzulernen. Menschen, die selbst eine Geschichte teilen. Menschen, die Erfinder sind und durch die so viele wieder ein Lächeln im Gesicht tragen, weil sie ihr Leben zurückhaben. Oder zu sehen, was alles heutzutage an Hilfsmitteln möglich ist.
Die Fragen stellte Jana Sudhoff.
Die Geschichte von Anna Osicki, „Mrs Anna“, und Alexander Böhmer wird auch vom MDR begleitet.
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