Einleitung
Beschreibungen manueller Beatmung reichen zurück bis in die Zeit von Hippokrates (460–370 v. Chr.). Der technische Fortschritt des 19. Jahrhunderts ermöglichte schließlich den Bau von Geräten, mit denen man Patienten mechanisch beatmen konnte; das bekannteste dieser Geräte ist wohl die „Eiserne Lunge“ (seit 1876). Mechanische Beatmungen finden in der Mehrzahl der Fälle im Krankenhaus statt; vor allem im Operationssaal während einer Narkose, bei kritisch kranken Patienten auf der Intensivstation oder in spezialisierten Fachkliniken für Beatmungstherapie. Galt die mechanische Beatmung zunächst nur als temporäre Maßnahme, so wird sie heute immer häufiger und für verschiedene Krankheitsbilder als Dauertherapie eingesetzt 11. Patienten, die dauerhaft, kontinuierlich oder intermittierend von der Beatmung abhängig sind, kann man daher auch immer häufiger außerhalb des Krankenhauses in Beatmungsheimen oder Privatwohnungen antreffen. Daten aus einer europäischen Erhebung zeigen eine Prävalenz von 6,6 Heimbeatmungen auf 100.000 Einwohner (BRD 6,5/100.000) 2. Neuere Erhebungen aus Kanada 3, Polen 1 sowie Australien und Neuseeland 4 ergeben eine deutlich höhere Prävalenz. Angesichts dieser Daten ist davon auszugehen, dass auch in Europa die Anzahl der heimbeatmeten Patienten insgesamt gestiegen sein dürfte 5. Dies liegt zum einen an der gestiegenen Lebenserwartung auch sehr schwer kranker Patienten, zu der auch die Heimbeatmungstherapie ihren Beitrag leistet 67. Zum anderen liegt es sicher auch daran, dass Krankheitsbilder wie das obstruktive Schlafapnoesyndrom oder die COPD („chronic obstructive pulmonary disease“) mit Hilfe der Heimbeatmung im häuslichen Umfeld behandelt werden. Durch die Heimbeatmungstherapie lässt sich bei den betroffenen Patienten aufgrund der Implikationen ihrer Erkrankung zwar meist keine Heilung erreichen, jedoch lässt sich für einige Erkrankungen die Lebensqualität der Patienten deutlich steigern 4578910, für andere wiederum konnte dieser Effekt nicht nachgewiesen werden 1112.
Die Beatmung von Patienten außerhalb des Krankenhauses stellt sowohl hohe technische und organisatorischlogistische als auch fachliche Anforderungen an Angehörige, angelerntes wie professionelles Pflegepersonal und nicht zuletzt auch an die Patienten 181314. Bei einer engen Anbindung an ein Beatmungszentrum mit geschultem Personal und spezialisierten Hilfsangeboten konnte eine Reduktion der Komplikationsraten sowie der Krankenhausaufnahmen nachgewiesen werden 1015. Diese Maßnahmen (regelmäßige Gerätekontrollen, Untersuchungen des Patienten, Telefonhotline für Fragen) werden daher dringend empfohlen 516.
Von allen wichtigen Implikationen der Heimbeatmung sollen hier folgende drei Aspekte näher beleuchtet werden: die verwendeten Beatmungsgeräte, die verschiedenen zur Verfügung stehenden Beatmungsmodi sowie der sichere Umgang mit Trachealkanülen.
Heimbeatmungsgeräte
Der Markt bietet eine schier endlose Auswahl an Beatmungsgeräten diverser Hersteller. All diese Beatmungsgeräte müssen, damit sie in Deutschland rechtmäßig verkehrsfähig betrieben werden können, das CE-Kennzeichen tragen. Dem Nutzer bietet dieses Zeichen die Gewissheit, dass das Gerät in technischen wie sicherheitsrelevanten Aspekten Mindestanforderungen entspricht. Grundsätzlich lassen sich Beatmungsgeräte nach der Art des Antriebes in turbinengetriebene und druckluftgetriebene Geräte unterteilen.
Da druckluftgetriebene Beatmungsgeräte eine entsprechende Einspeisung benötigen, kommen diese Geräte bevorzugt im Krankenhaus mit einer zentralen Druckluftversorgung zum Einsatz; Heimbeatmungsgeräte dagegen sind aus dem zuvor genannten Grund hauptsächlich als turbinengetriebene Geräte im Einsatz. Wird die Luft bei der Einatmung im Beatmungssystem beschleunigt, so wird durch die Turbine Luft mit einer hohen Flussrate in Richtung des Patienten gefördert. Mit diesem Prinzip kann auch sehr effektiv die inspiratorische Sauerstoffkonzentration gesteigert werden. In diesem Fall wird Sauerstoff während der Einatmung eingesogen; während der Ausatmung hingegen gibt es keinen Sauerstofffluss. Auch für die Patienten ist es angenehmer, mit einem turbinengetriebenen Respirator unterstützt zu atmen, da die Verzögerungen, bis das Gerät reagiert, deutlich geringer sind als bei den druckluftgetriebenen. Das liegt vor allem daran, dass druckluftgetriebene Geräte Ventile besitzen müssen, die den Gasfluss regeln. Da es sich bei den Ventilen um mechanische Bauteile handelt, unterliegen sie einer – wenn auch geringen – Trägheit. Diese Trägheit kann von Patienten durchaus wahrgenommen werden. Da ein turbinengetriebenes Beatmungsgerät keine Ventile besitzt, sondern den Druckabfall bei der Atmung unmittelbar als Flussänderung wahrnimmt und über oben beschriebenen Mechanismus unmittelbar Luft nachgefahren wird, ist die Verzögerung hier geringer. Darüber hinaus liegen die erzeugten Spitzenflüsse bei turbinengetriebenen Geräten in einem sehr hohen Bereich (Größenordnung: mehr als 200 ‑l/min). Durch diese Faktoren erscheint vielen Patienten die Atmung mit einem turbinengetriebenen Beatmungsgerät als weniger anstrengend und direkter. Außerdem bieten diese Geräte den Vorteil der Mobilität, da sie auch mit der Umgebungsluft funktionsfähig sind und nicht auf eine zentrale Gasversorgung angewiesen sind.
Beatmungsmodi
Moderne Heimbeatmungsgeräte besitzen häufig mehrere verschiedene Beatmungsmodi. Grundsätzlich wird der Beatmungsmodus durch eine ärztliche Verordnung festgelegt und die entsprechenden Einstellungen im Gerät hinterlegt. Nach Abschluss der Anpassung des Gerätes wird es mit einer Zugangssperre geschützt, und die Einstellungen sind nur durch autorisierte Personen veränderbar. Sollten die gewählten Einstellungen nicht mehr zum Patienten passen, sollte umgehend eine Neuanpassung des Beatmungsmodus mitsamt den Einstellungen initiiert werden. Die Neuanpassung sollte unbedingt in einem kontrollierten Setting stattfinden, um in dieser kritischen Phase für den nicht mehr optimal beatmeten Patienten eine hohe Sicherheit gewährleisten zu können. Häufig wird in diesen Fällen die Aufnahme in die Klinik für den Zeitraum der Anpassungen und häufigen Kontrollen gewählt. Die wichtigsten Beatmungsmodi sowie deren Besonderheiten werden im Folgenden kurz dargestellt.
Zunächst muss unterschieden werden, ob der Patient nichtinvasiv (also über eine Nasen- oder Gesichtsmaske oder eine andere „Schnittstelle“) oder invasiv über eine Trachealkanüle beatmet wird. Wird ein Beatmungsgerät im nichtinvasiven Modus (NIV; „noninvasive ventilation“) betrieben, so wird seitens des Gerätes ein höherer, sogenannter Bias-Fluss angelegt. Der Bias-Fluss wird vom Gerät automatisch angelegt; es handelt sich um einen geringen Gasfluss, der dazu dient, das Beatmungssystem immer in einem luftgefüllten Zustand zu halten. Der erhöhte Bias-Fluss bei der nichtinvasiven Beatmung dient der Leckagekompensation. Leckagen treten bei der nichtinvasiven Beatmung häufig auf, da die Maske selten zu einhundert Prozent dicht anmodelliert werden kann. Durch den erhöhten Bias-Fluss werden Volumenverluste sowie Druckabfälle im Rahmen gewisser Grenzen toleriert.
Die einfachste Form der nichtinvasiven Beatmung – die streng genommen keine Beatmung darstellt – ist die Applikation eines kontinuierlichen positiven Atemwegsdruckes (CPAP; „continuous positive airway pressure“) bei Patienten mit leicht kollabierenden oberen Atemwegen (obstruktives Schlafapnoe-Syndrom; OSAS). Während bei einem gesunden Menschen die oberen Atemwege auch im Schlaf während des gesamten Atemzyklus mit Luft gefüllt sind und damit geöffnet bleiben, ist dies bei Patienten mit einem OSAS anders: In der aktiven Einatmungsphase werden die Atemwege bei diesen Patienten, wie auch bei jedem Gesunden, zwar durch Muskelzug erweitert und geöffnet – in der passiven Ausatmung kollabieren die oberen Atemwege bei den Patienten jedoch, entweder durch den erhöhten Gewebedruck wie im Falle einer Fettleibigkeit oder durch eine Schwäche des Bindegewebes. Die Folge ist ein Verschluss der oberen Atemwege, der in der folgenden Einatmung mit einem erhöhten Kraftaufwand der Atemmuskulatur zu öffnen versucht wird. Gelingt dies, so entsteht dabei ein charakteristisches Geräusch: das Schnarchen. Gelingt es jedoch nicht, die Atemwege zu öffnen, so wird die Lunge während dieses Atemzuges nicht belüftet. Wiederholt sich dieser Mechanismus während des gesamten Schlafes, so entsteht das Krankheitsbild des obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms, das an anderer Stelle ausführlich beschrieben wurde 17. Erhalten die Patienten durch eine Gesichtsmaske einen kontinuierlichen externen Gasfluss, so wirkt dieser wie eine pneumatische Schienung der Atemwege; ein Kollaps wird damit weitgehend verhindert. Bei einem großen Teil der nichtinvasiv beatmeten Patienten wird hingegen mit einem assistierten Spontanatmungsmodus beatmet 4141618. Das bedeutet, dass der Patient spontan atmet und vom Beatmungsgerät eine voreingestellte Unterstützung („Druckunterstützung“) erhält. Damit kann zum einen die Atemmuskulatur entlastet werden, zum anderen können flache Atemzüge, die über die Zeit zu einer Anreicherung von Kohlendioxid im Blut führen würden, unterstützend vertieft werden und damit die Hyperkapnie (erhöhter Kohlendioxidpartialdruck im Blut) mit all ihren negativen Auswirkungen verhindert oder zumindest abgeschwächt werden. Mit Hilfe des Gerätes wird ein CPAP aufrechterhalten.
Eine nichtinvasive kontrollierte Beatmung ist zwar technisch möglich, wird in der praktischen Anwendung jedoch eher die Ausnahme als die Regel sein. Sollte es nötig sein, einen Patienten aufgrund einer neurologischen Schädigung des Atemzentrums oder der Atemmuskulatur kontrolliert zu beatmen, z. B. bei der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS, für Details siehe 19) oder einer Muskeldystrophie, wird in der Regel eine invasive Beatmung über eine Trachealkanüle notwendig sein. Für die invasive Beatmung halten die Hersteller der Beatmungsgeräte verschiedenste Beatmungsmodi für den Anwender bereit. Der nichtprofessionelle Anwender wird mit dem reichhaltigen Angebot der Beatmungsmodi rasch überfordert sein. Daher sollen hier nur die zwei Basismodi – die volumen- und die druckkontrollierte Beatmung – dargestellt werden. Alle anderen Modi stellen Modifikationen und Anpassungen dieser beiden Grundeinstellungen dar.
Bei der volumenkontrollierten Beatmung wird am Beatmungsgerät ein zu applizierendes Atemzugvolumen und eine Atemfrequenz eingestellt. Der Vorteil dieses Beatmungsmodus besteht darin, dass damit ein definiertes Atemminutenvolumen sichergestellt wird und sowohl eine Über- als auch eine Unterbeatmung (Hypo- oder Hyperventilation) und damit Entgleisungen des Blut-pH verhindert werden. Nachteilig ist, dass bei einer Verschlechterung der Dehnbarkeit (Compliance) der Lunge zwar das gleiche Atemzugvolumen, dafür aber ein höherer Druck appliziert wird. Da hohe Beatmungsdrücke die Lunge aber schädigen 2021, kann es über die Zeit (unbemerkt) zu einer Schädigung der Lunge kommen.
Die andere Form der Grundeinstellung ist die druckkontrollierte Beatmung. Hierbei wird eingestellt, mit welchem Druck das Beatmungsgerät die Luft fördert. Abhängig von der Compliance ergibt sich das Atemzugvolumen zum jeweiligen Zeitpunkt. Mit diesem Modus können hohe Beatmungsdrücke, die schädigend auf die Lunge wirken, weitgehend verhindert werden. Da das Atemzugvolumen jedoch abhängig von der Compliance ist, kann es bei Veränderungen der Compliance zu einer Über- oder Unterbeatmung – mit ungewollten Verschiebungen des Blut-pH – kommen. Folge einer Überbeatmung könnte zudem eine Lungenschädigung sein; eine Unterbeatmung könnte zu einem Abfall des Sauerstoffs im Blut mit einer möglichen Sauerstoffunterversorgung des Körpers führen.
Die Gegenüberstellung dieser Grundeinstellungen zeigt, dass es nicht den einen, idealen Beatmungsmodus gibt. Die Wahl des Beatmungsmodus ist von vielen verschiedenen Faktoren abhängig und immer ein Kompromiss. Aus diesem Grund sollten Ersteinstellungen sowie Umstellungen von Heimbeatmungsgeräten im stationären Setting und unter intensiver Kontrolle durch spezialisiertes ärztliches und pflegerisches Personal erfolgen.
Viele Hersteller bieten über die Grundeinstellungen hinaus eine Vielzahl weiterer Beatmungsmodi an (z. B. druckkontrollierte Beatmung mit Volumengarantie, proportional assistierte Beatmung oder Closed-Loop-Beatmungsmodi) 18. Viele dieser Modi versprechen eine verbesserte Qualität der Beatmung, höhere Patientenzufriedenheit, verbesserte Kontrolle der Beatmung, schonendere Beatmung, bessere Adaptation des Beatmungsgerätes an den Patienten und vieles mehr. Jedoch konnte nicht für all diese Beatmungsmodi in wissenschaftlichen Untersuchungen ein Vorteil nachgewiesen werden 71422.
Aus den oben bereits erwähnten Prävalenzuntersuchungen lässt sich eindeutig ableiten, dass Patienten, die aufgrund einer neurologischen Schädigung (ALS, diverse Muskelschwächen) eine Heimbeatmung benötigen, hauptsächlich über ein Tracheo-stoma beatmet werden 12411 und in den bisherigen Erhebungen nahezu ausschließlich eine volumenkontrollierte Beatmung erhalten. In Deutschland wandelt sich die Therapie bei diesen Patienten jedoch zunehmend zu einer druckkontrollierten Beatmung 23. Hingegen sind Patienten, die aufgrund einer Lungenproblematik eine Heimbeatmung erhalten (chronisch ob-struktive Lungenerkrankung, Lungenfibrose), hauptsächlich nichtinvasiv mit einer druckkontrollierten Beatmung versorgt 2416. Letztlich gilt, wie überall in der Medizin: Richtig ist, was dem Patienten am besten hilft.
Umgang mit Trachealkanülen
Luftröhrenschnitte (Tracheotomien) sind schon seit Langem bekannt und werden seit alters her durchgeführt 24. Neben der offen chirurgischen Technik wird seit der Erstbeschreibung von Ciaglia et al. (1985) auch die perkutane Dilatationstracheotomie regelhaft eingesetzt 25. Bei dieser Technik wird unter fiberoptischer Kontrolle der Beatmungstubus in die Stimmbandebene zurückgezogen und die Luftröhre von außen mit einer Hohl-nadel punktiert. Über einen eingelegten Draht wird dann das Loch zunehmend aufgedehnt und schließlich die Trachealkanüle eingelegt. Bei dieser Art der Anlage muss das Stoma über mindestens zehn bis vierzehn Tage „reifen“; in dieser Zeit sollte kein Wechsel der Kanüle stattfinden 26.
Bei der chirurgischen Technik wird im Operationssaal eine Fensterung der Vorderwand der Luftröhre durchgeführt und die Öffnung mit der Haut vernäht. Dieses Stoma ist epithelialisiert, und damit könnte sofort ein Wechsel der Kanüle stattfinden. Das ist der wesentliche Unterschied zwischen diesen beiden Techniken. Bezüglich der Komplikationsrate sowie der Mortalität dieser Techniken konnte in einer aktuellen systematischen Übersichtsarbeit kein Unterschied ermittelt werden 27.
Wird ein Patient in geplanter Weise mit einem Tracheostoma nach Hause verlegt, so wird man sich darum bemühen, das Tracheostoma offen chirurgisch anzulegen, da aufgrund der Epithelialisierung die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Stoma verschließt, geringer ist als bei einem dilatativ angelegten. Nach der Anlage eines Tracheostomas muss dieses – wie auch die Trachealkanüle aufgrund ihrer hohen Bedeutsamkeit für den Patienten – penibel gepflegt werden.
Bei den Trachealkanülen werden im Wesentlichen zwei Kanülenarten unterschieden: Moderne Kanülen sind aus sehr gut verträglichem Kunststoff (hauptsächlich Polyvinylchlorid) gefertigt. Die einfachste Variante ist eine Trachealkanüle, die direkt in das Tracheostoma eingebracht wird; diese Kanülen sind für die Kurzzeitanwendung gedacht. Darüber hinaus gibt es Kanülen, die für eine längere Anwendungsdauer ausgelegt sind, diese haben ein „Tube-in-Tube“-System. Dabei gibt es eine äußere Kanüle, die in das Tracheostoma eingeführt wird, und eine innere Kanüle, die in die äußere Kanüle platziert wird. Darüber hinaus sollten nur noch in seltenen Fällen Metallkanülen aus Silber eingesetzt werden. Silberkanülen sind zwar gut verträglich und gut zu reinigen, haben jedoch keinen „Cuff“ (aufblasbarer Ballon, der das untere Ende der Kanüle ummantelt und dadurch den Raum zwischen Trachealkanüle und Luftröhre abdichtet; die Beatmung wird dadurch effektiver, da es keine „Nebenluft“ gibt); zudem sind sie häufig nicht mit einem 15-mm-Konnektor für Beatmungsbeutel versehen und nicht zuletzt deutlich teurer als Plastikkanülen 28.
Die minimale tägliche Pflege besteht bei jeder Kanüle in deren Reinigung, der Pflege der Stomahaut sowie dem mindestens dreimal täglichen Absaugen von Sekreten 152628. Diese im Folgenden näher beleuchteten Tätigkeiten können, wenn sie gut geschult sind, von den Angehörigen der Patienten oder auch von den Patienten selbst durchgeführt werden. Obwohl es keine eindeutige Evidenz für einen regelmäßigen Wechsel der Trachealkanülen gibt, konnte in wissenschaftlichen Untersuchungen nachgewiesen werden, dass sich nach 30 Tagen Liegedauer relevante Schäden an den Kanülen zeigen 2930. Aus diesem Grunde wird empfohlen, die Kanüle mindestens vor dem Ablauf von drei Monaten geplant zu wechseln. Tägliche Reinigungen der inneren Kanüle sollten mit klarem Wasser und bei starken Verunreinigungen mit Wasserstoffperoxid durchgeführt werden 2631. Mit dieser simplen Maßnahme kann ein Großteil der Verlegungen verhindert werden 28.
Das Stoma selbst sollte ebenfalls regelmäßig mehrfach täglich gereinigt werden; es wird empfohlen, dies mindestens dreimal pro Tag zu tun. Hierbei sollten die Verbände gewechselt und der Hautzustand des Stomas eingeschätzt werden. Bei Infektionen oder Schädigungen der Haut muss unbedingt eine intensivere Pflege durchgeführt werden 28; getrocknete Sekrete sollten unter sterilen Bedingungen vorsichtig entfernt werden. Zum Sekretmanagement gehört neben einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr auch das Absaugen der Sekrete sowie die Mobilisation des Patienten, um Sekrete zu lösen. Da mit dem Zugang zur Luftröhre die oberen Atemwege umgangen werden, werden ebenfalls deren physiologische Aufgaben der Atemgaskonditionierung (Befeuchtung, Erwärmung, Reinigung) umgangen. Aus diesem Grund wird bei den meisten Patienten mit einem Tracheostoma eine externe Atemgasbefeuchtung und ‑erwärmung empfohlen 2628.
Trachealkanülennotfälle
Es gibt drei Notfallsituationen, die allen mit Trachealkanülen beschäftigten Personen bekannt sein sollten: Verlegung der Trachealkanüle, Fehllage der Trachealkanüle sowie schwere Blutung. Das Notfallmanagement bei einer Trachealkanülenverlegung umfasst zunächst den Wechsel der inneren Kanüle, womit ein Großteil der Notfälle bereits behoben werden kann. Sollte diese Maßnahme nicht ausreichen, so sollte ein Absaugkatheter durch die Kanüle eingeführt und die Sekrete abgesaugt werden. Lässt sich der Katheter nicht durch die Kanüle vorschieben, sollte unbedingt notärztliche Hilfe gerufen werden, denn in diesem Fall könnte es sich auch um eine Kanülenfehllage handeln. Diese kann vollständig oder teilweise sein. Eine vollständige Fehllage kann eine prätracheale Lage der Kanüle sein, wodurch bei der Überdruckbeatmung Luft ins Unterhautfettgewebe gedrückt wird. Dadurch würde ein subkutanes Hautemphysem entstehen. In diesem Fall wird der Patient nicht mehr suffizient beatmet. Zu der teilweisen Fehllage kommt es häufig durch Hebelwirkung der Beatmungsschläuche an der Trachealkanüle; die Fehllage kann dann sehr einfach durch Entlastung des Zuges behoben werden. Sowohl für die Verlegung der Kanüle als auch für deren Fehllage gilt: Im absoluten Notfall sollte die Trachealkanüle entfernt und eine klassische orotracheale Intubation durchgeführt werden; dies gilt selbstverständlich nicht für den Fall einer stattgefundenen Kehlkopfentfernung. Die dritte und womöglich dramatischste Notfallsituation ist die Arrosion eines arteriellen Gefäßes durch die Kanüle mit der Zeit. In diesem Fall kommt es zu einer starken Blutung, die das Leben des Patienten bedroht. Hier muss schnell chirurgische Hilfe gesucht werden. Bis zur definitiven Versorgung sollte der Cuff der Kanüle zur Verhinderung einer Blutaspiration gut geblockt werden; das Blut sollte so gut wie möglich abgesaugt werden. Nicht selten jedoch kann eine Blutung – wenn die Quelle ein oberflächlich liegendes Gefäß am Tracheostoma ist – durch eine Kompression des Gewebes um das Tracheostoma herum kontrolliert werden.
Fazit
Die Prävalenz der Heimbeatmung steigt in den letzten Jahren deutlich an, sodass die Wahrscheinlichkeit steigt, damit konfrontiert zu werden. Ein Grundverständnis der Funktionsweise dieser Beatmungsgeräte sowie deren Beatmungsmodi erscheint auch für das sogenannte paramedizinische Personal von großer Wichtigkeit. Da die Heimbeatmung nicht nur nichtinvasiv, sondern auch invasiv durchgeführt wird, sollte auch der Umgang mit einer Trachealkanüle und deren Pflege sowie der Umgang mit den spezifischen Notfallsituationen grundsätzlich bekannt sein.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass durch die Heimbeatmung, sofern die Einstellung des Gerätes und die Compliance des Patienten gut sind, der Krankheitsverlauf positiv beeinflusst werden kann und die Patienten einen Gewinn an Lebensqualität erzielen.
Für die Autoren:
Dr. med. Lars-Olav Harnisch
Klinik für Anästhesiologie
Georg-August-Universität Göttingen
Robert-Koch-Str. 40
37075 Göttingen
lars-olav.harnisch@med.uni-goettingen.de
Begutachteter Beitrag/reviewed paper
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