Einer der wesentlichen Fixsterne der Technischen Orthopädie in Deutschland wird 75 Jahre alt.
Lutz Brückner galt als der Spezialist für Amputationschirurgie und Prothesenversorgung in der ehemaligen DDR. Welch hohe Anerkennung er dabei auch von fachlicher Seite genoss, zeigte die Tatsache, dass er die Erlaubnis hatte, als Reisekader und offizieller Vertreter vielfältige internationale Reisen, Kongressbesuche und Vorträge abhalten zu dürfen. Lutz Brückner war dabei national und international anerkannt und pflegte weltweit zahlreiche enge Freundschaften zu wesentlichen Protagonisten der Amputationschirurgie. Besonders eng war die Verbindung zum Lehrstuhl für Technische Orthopädie und Rehabilitation in Münster, ad personem zu Prof. Dr. René Baumgartner, mit dem ihn ein jahrzehntelanger intensiver wissenschaftlicher Austausch verband.
Bekannt geworden ist Lutz Brückner insbesondere durch seine Habilitationsschrift, die er in Leipzig im Jahre 1984 einreichte: „Die Bestimmung der Amputationshöhe und die Technik der Unterschenkel-amputation bei der chronisch arteriellen Verschlusserkrankung im Stadium IV nach Fontaine“.
Aus dieser Habilitationsschrift entwickelte sich letztlich das von Lutz immer wieder angesprochene „standardisierte Vorgehen“ bei der Unterschenkelamputation. Aus der klinischen Erkenntnis heraus, dass die Beurteilung der Muskulatur bei Amputationen ausgesprochen schwierig ist und vielen subjektiven Faktoren in der Einschätzung unterliegt, versuchte er eine Technik zu entwickeln, die ein Maximum an Sicherheit für die Wundheilung, gerade bei transtibialen Stümpfen, bedingte. Aufgrund histo- und biochemischer Untersuchungen im Rahmen seiner Habilitationsschrift hatte er unterschiedliche Durchblutungssituationen und damit Anfälligkeiten für Wundheilungsstörungen bei bestimmten Muskel- und Weichteilgruppen festgestellt. Diese berücksichtigend, entwickelte er die von ihm propagierte „standardisierte Operationstechnik nach Brückner“, eine Operationstechnik mit einem kürzeren knöchernen Stumpf unter Entfernung der durchblutungsanfälligen Muskelareale und unter Resektion der Fibula, bei der eine primäre Wundheilung bei 91 % (Untersuchung an 79 Unterschenkelamputationen) gelang.
Lutz Brückner war auch nach der Wiedervereinigung ein treibender Motor in der Technischen Orthopädie in Deutschland. Zusammen mit René Baumgartner, Bernhard Greitemann und Michael Schäfer ist er Mitherausgeber des Standard-Lehrbuches „Amputation und Prothesenversorgung“. Legendär sind seine engagierten und bewusst provokativ gewählten Diskussionsbeiträge auf Kongressen und Symposien, wobei immer die Absicht dahintersteckte, durch markante Aussprüche wie z. B. „Der Pin muss weg“ für angeregte Diskussionen zu sorgen — stets mit der Zielrichtung, Lösungen und Verbesserungen für die Betroffenen anzubahnen. Weniger plausiblen Vorträgen und Darbietungen verpasste er zu Hochzeiten Prädikate wie: „Das ist doch Schafscheiß“.
Der Weg Lutz Brückners war nicht immer geradlinig. Nach der operativ geprägten Zeit am Universitätsklinikum Leipzig hat er sich über Jahrzehnte hinweg mit voller Hingabe für die Entwicklung der zwischenzeitlich weit über die thüringischen Grenzen hinaus renommierten Moritzklinik in Bad Klosterlausnitz eingesetzt und diese systematisch im besten Sinne einer Rehabilitationsklinik weiterentwickelt. Wer erinnert sich nicht an die legendären Bad Klosterlausnitzer Symposien, die nicht selten Fachbesucherzahlen von über 500 Teilnehmern aus Medizin, Technik und Therapie sowie einer stattlichen Industrieausstellung verzeichnen konnten. Alles war perfekt im Griff des Brückner‘schen Organisationskomitees.
Lutz Brückner verstand es auch in besonderem Maße, seine Mitarbeiter zu motivieren und zu fördern, so bahnte er z. B. mit weiser Vorausschau den Aufbau einer Rehabilitations-Schwerpunktabteilung für Schwerbrandverletzte, die unter der Leitung des heutigen Chefarztes Hans Ziegenthaler schon bald zum guten überregionalen Ruf der Moritzklinik beitrug.
In den vergangenen Jahren hat er sich hingegen leidenschaftlich für einen „Paradigmen-Wechsel“ in der postamputativen Nachbehandlung Amputierter eingesetzt. Durch die tägliche Arbeit in der Rehabilitation betroffener Patienten sah er die Probleme und Grenzen der Amputationschirurgie und Prothesentechnik in Deutschland. So war es dann auch nicht verwunderlich, dass er sich nach seinem offiziellen Ruhestand in den „chirurgischen Unruhestand“ versetzte, um sich wiederum vertiefend der chirurgischen Vorgehensweise zu widmen, auch unter einem Paradigmenwechsel der Vorgehensempfehlungen zu rehabilitativen Verfahren.
Sein Engagement und seine Leidenschaft für die Technische Orthopädie ist ungebrochen.
Mit keinen anderen haben die „Battle-Sessions“ auf Kongressen mehr Spaß bereitet als mit René Baumgartner und Lutz Brückner. Hier wurde stets Klartext gepflegt — jedoch niemals unter der Gürtellinie und immer konstruktiv und ergebnisorientiert.
Selbst im Ruhestand engagierte sich Lutz Brückner in den letzten Jahren vorbildlich als medizinischer Chair der DGIHV-Experten-Gruppe für die Erstellung der Qualitätsstandards in der prothetischen Versorgung der unteren Extremitäten. Eine sehr wertvolle Arbeit, die durch das zwischenzeitlich veröffentlichte Qualitätsstandardwerk für die prothetische Versorgung der unteren Extremitäten der breiten Fachwelt zugängig ist.
So war es letztendlich auch nur noch eine Frage der Zeit, bis Lutz Brückner im Jahre 2018 mit der Heine-Hessing-Medaille in Gold, der höchsten Auszeichnung des Bundesinnungsverbandes für Orthopädietechnik, geehrt wurde; verliehen auf dem von ihm so geliebten Weltkongress OT World in seiner Heimatstadt Leipzig.
Neben seinem hohen beruflichen Engagement ist Lutz aber auch noch auf ganz andere Art und Weise seiner Heimatstadt Leipzig verbunden. Als langjähriger aktiver Fußballer und „Goalgetter“ schlägt heute sein Fußballherz in besonderem Maße für die Bundesligarecken aus Leipzig. Nicht selten wird man ihm deshalb zu den Spielen in der heimatlichen Arena begegnen und das lautstarke Anfeuern „seiner Jungs“ vernehmen (auch wenn es jetzt „rote Bullen“ sind)!
Im privaten Bereich ist Lutz Brückner mit „seiner Renate“ jetzt glücklicher Rentier, er kümmert sich liebevoll um Tochter und Enkelkinder, seine fachliche Meinung wird weiterhin im Rahmen konsiliarischer Aktivitäten und auf den Kongressen geschätzt.
Aber auch die Muße kam nicht zu kurz. Seinen nach wie vor sportlichen Ambitionen konnte er in den letzten Jahren noch auf ganz andere Gefilde ausweiten: Lutz hat sich schon immer auf die Jagd von den ganz dicken Fische verstanden; was er z. B. eindrucksvoll in Norwegen unter Beweis stellte.
Lieber Lutz, wir wünschen Dir von Herzen alles Liebe und Gute zu Deinem Jubeltag! Das vierte Viertel von 100 Jahren Lutz Brückner ist angebrochen.
Bleib’ wie Du bist und „Petri Heil“, alter Freund!
Deine, Dich in hohem Maße wertschätzenden Wegbegleiter und Freunde
Bernd Greitemann und Michael Schäfer
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