Fach­kräf­te­zen­tren Hand­werk pla­nen offe­nes Netzwerk

Für die Fachkräftesicherung im Handwerk haben die 53 Handwerkskammern (HWK) in Deutschland unzählige Beratungs- sowie Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote für Handwerksbetriebe im Portfolio. Doch wie können Handwerkskammern die Aufmerksamkeit von Betriebsinhaberinnen und -inhabern sowie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf diese Möglichkeiten lenken?

Die­ser Fra­ge gin­gen 2014 und 2015 die vier HWKs Braun­schweig-Lüne­burg-Sta­de, Mün­chen und Ober­bay­ern, Nie­der­bay­ern-Ober­pfalz sowie Han­no­ver nach. Ihre Ant­wort: Wis­sen tei­len und Kräf­te bün­deln – zunächst durch eine Zusam­men­ar­beit der vier HWKs. Dar­aus ent­stand von Janu­ar 2018 bis März 2021 das von der Initia­ti­ve Neue Qua­li­tät der Arbeit (INQA) mit Mit­teln des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Arbeit und Sozia­les geför­der­te Pro­jekt „Fach­kräf­te­zen­tren Hand­werk“. Nach drei Jah­ren Lauf­zeit zieht Kat­ja Mikus (42) vom Ver­bund­ko­or­di­na­tor, der Pro­jekt- und Ser­vice­ge­sell­schaft mbH der Hand­werks­kam­mer Han­no­ver, im Gespräch Bilanz und gibt Ein­bli­cke in die wei­te­ren Plä­ne der Partner.

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OT: Was genau ver­birgt sich hin­ter dem geför­der­ten Projekt?

Kat­ja Mikus: Wir woll­ten zwei Bau­stel­len gleich­zei­tig bear­bei­ten: Wie errei­chen wir unse­re Betrie­be mit unse­ren Ange­bo­ten und wie bün­deln wir unse­re Kom­pe­ten­zen? Denn die meis­ten Kam­mern haben neben der umfas­sen­den Bera­tung zu den all­ge­mei­nen Per­so­nal­the­men eine Kern­kom­pe­tenz in einem spe­zi­el­len The­ma. Selbst­ver­ständ­lich tau­schen sich die Kam­mern unter­ein­an­der aus, aber wir woll­ten eine inten­si­ve Koope­ra­ti­on auf­bau­en, bei der das Wis­sen zum Nut­zen der Betrie­be geteilt wird und in die Arbeit der ande­ren Kam­mern ein­fließt. Unse­re Idee: Jede Kam­mer bear­bei­tet im Aus­tausch mit den Part­nern ihr Kern­the­ma und stellt die Ergeb­nis­se allen zur Ver­fü­gung. Im auf drei Jah­re begrenz­ten Test­lauf zu viert woll­ten wir erpro­ben, ob und wie das funk­tio­nie­ren kann. Dabei hat­ten wir immer im Hin­ter­kopf, dass wir bei Erfolg nach Ablauf der drei Jah­re ein nach­hal­ti­ges und offe­nes Netz­werk für den Wis­sens­aus­tausch etwa von Hand­werks­kam­mern, Ver­bän­den oder auch Innun­gen knüpfen.

Wis­sen tei­len und Kräf­te bün­deln – drei Musterbeispiele

OT: Wie sah die Koope­ra­ti­on kon­kret aus?

Mikus: Wir haben uns auf drei Kern­the­men und ein über­ge­ord­ne­tes The­ma kon­zen­triert: Gesund­heit im Hand­werk, Frau­en im Hand­werk, aus­län­di­sche Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter sowie die Ver­bes­se­rung der Anspra­che von Hand­wer­ke­rin­nen und Hand­wer­kern für Unter­stüt­zungs­an­ge­bo­te der Kam­mern. Für Letz­te­res waren die Hand­werks­kam­mer Han­no­ver und ihre Pro­jekt- und Ser­vice­ge­sell­schaft mbH zustän­dig, die unter 218 Hand­wer­ke­rin­nen und Hand­wer­kern in den Jah­ren 2019 und 2020 zwei Umfra­gen über ihre Kom­mu­ni­ka­ti­ons­vor­lie­ben und ‑kanä­le durch­führ­ten. Im Ergeb­nis konn­ten wir vier soge­nann­te Typen mit bevor­zug­ten und abge­lehn­ten Kom­mu­ni­ka­ti­ons­aspek­ten fil­tern. Durch die Berück­sich­ti­gung die­ser Aspek­te kann unse­re Anspra­che opti­miert wer­den. Einer der vier Typen bevor­zugt Infor­ma­tio­nen kurz und knapp sowie unab­hän­gig von Zeit und Ort abruf­bar. Pod­casts schie­nen hier das idea­le Instru­ment zu sein. Es ent­stan­den 2020 ins­ge­samt elf Pod­casts mit Gesund­heits­tipps, die alle Kam­mern kos­ten­frei ver­wen­den und Inter­es­sier­ten zur Ver­fü­gung stel­len kön­nen. Die Pod­casts wer­den zum Bei­spiel bei der Hand­werks­kam­mer Mün­chen und Ober­bay­ern ein­ge­setzt. Die Kam­mer berät in ihrem Fach­kräf­te­zen­trum, was Betrie­be für die Gesund­heit ihrer Beschäf­tig­ten leis­ten kön­nen. Die Hand­werks­kam­mer Nie­der­bay­ern-Ober­pfalz nutzt die Pod­casts für die Ver­an­stal­tungs­rei­he „Betriebs­füh­rung aktu­ell“ sowie 2021 im The­men­jahr „Gesund­heit ist das höchs­te Gut“.

OT: Sie haben eben­falls das The­ma aus­län­di­sche Beschäf­tig­te in den Fokus genommen …

Mikus: Hier ist der beson­de­re Leit­fa­den der Hand­werks­kam­mer Nie­der­bay­ern-Ober­pfalz ver­füg­bar. Die­se Kam­mer setzt sich in ihrem Fach­kräf­te­zen­trum mit der Beschäf­ti­gung aus­län­di­scher Fach­kräf­te und der Zusam­men­ar­beit mit aus­län­di­schen Sub­un­ter­neh­mern aus­ein­an­der. Die­ser Leit­fa­den ist nicht ein­fach nur eine Zusam­men­stel­lung der recht­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen. Er ent­hält zusätz­lich viel­fäl­ti­ge Infor­ma­tio­nen zu den so wich­ti­gen inter­kul­tu­rel­len Kom­pe­ten­zen und dem INQA-Check „Viel­falts­be­wuss­ter Betrieb“. Anhand des on- wie off­line zu absol­vie­ren­den Checks kön­nen Betrie­be sehen, wo sie ste­hen und wel­che Lücken sie für eine erfolg­rei­che inter­kul­tu­rel­le Zusam­men­ar­beit noch schlie­ßen soll­ten. Selbst­ver­ständ­lich steht der Leit­fa­den mit all der vie­len Erfah­rung, die dahin­ter­steckt, allen Part­nern kos­ten­frei zur Verfügung.

OT: Ein wei­te­rer The­men­kom­plex stell­te Frau­en im Hand­werk in den Mit­tel­punkt. Wel­che Mate­ria­li­en stel­len Sie den Betrie­ben hier zur Verfügung?

Mikus: Eine gro­ße Bau­stel­le im Hand­werk ist es, Frau­en von der Attrak­ti­vi­tät eines hand­werk­li­chen Berufs zu über­zeu­gen sowie die weib­li­chen Fach­kräf­te­po­ten­zia­le für das Hand­werk zu nut­zen. Um Frau­en im Hand­werk mit all ihren Kom­pe­ten­zen stär­ker ins Bewusst­sein zu brin­gen, hat das Fach­kräf­te­zen­trum „Frau­en kön­nen Hand­werk“ der Hand­werks­kam­mer Braun­schweig-Lüne­burg-Sta­de im Okto­ber 2020 unter dem Hash­tag #frau­en­kön­nen­hand­werk eine gro­ße Kam­pa­gne in ver­schie­de­nen Medi­en­for­ma­ten gestar­tet. Das Ziel: mit Kli­schees und Rol­len­bil­dern auf­räu­men und Betrie­be sen­si­bi­li­sie­ren, bei der Mit­ar­bei­ter­su­che stär­ker Frau­en in den Fokus zu neh­men. Auch von die­ser Kam­pa­gne pro­fi­tie­ren alle Part­ner. Das sind für mich drei wun­der­ba­re Mus­ter­bei­spie­le für unse­re Vor­stel­lung von Wis­sen tei­len und Kräf­te bündeln.

Netz­werk­part­ner gesucht

OT: Wie geht es nach dem Ende der För­de­rung weiter?

Mikus: Noch vor dem Pro­jek­ten­de haben wir – die vier HWKs, der Zen­tral­ver­band des Deut­schen Hand­werks (ZDH), das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Arbeit und Sozia­les sowie das Insti­tut für Betriebs­füh­rung im Hand­werk (ITB) – im Dezem­ber 2020 eine Koope­ra­ti­ons­ge­mein­schaft gegrün­det, um lang­fris­tig und nach­hal­tig ein offe­nes Netz­werk auf­zu­bau­en. Wir laden herz­lich neue Part­ner wie wei­te­re Hand­werks­kam­mern oder Ver­bän­de und Innun­gen zur Mit­ar­beit und zum Aus­tausch ein. In einem per Log-in zu errei­chen­den Bereich unse­rer Web­site hin­ter­le­gen wir alle gemein­sam erar­bei­te­ten trans­fer­fä­hi­gen Mate­ria­len – ob Pod­cast, Leit­fä­den, Ver­an­stal­tungs­kon­zep­te, Bei­spie­le für gelun­ge­ne Anspra­che, Best-Prac­ti­ces-Bei­spie­le oder vie­les mehr –, damit jeder­zeit dar­auf kos­ten­frei zurück­ge­grif­fen und sich dar­über aus­ge­tauscht wer­den kann. Unse­re Web­site wen­det sich aber nach wie vor mit Infor­ma­ti­ons­an­ge­bo­ten und Ansprech­part­nern aller Part­ner an die Betrie­be sowie ihre Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter. Infor­miert euch! Das kann ich nur immer wie­der Hand­wer­ke­rin­nen und Hand­wer­kern zuru­fen. Die Ange­bo­te der Fach­zen­tren sind zum Nut­zen aller, übri­gens auch im Bereich Orthopädie-Technik!

Die Fra­gen stell­te Ruth Justen.

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