Dieser Frage gingen 2014 und 2015 die vier HWKs Braunschweig-Lüneburg-Stade, München und Oberbayern, Niederbayern-Oberpfalz sowie Hannover nach. Ihre Antwort: Wissen teilen und Kräfte bündeln – zunächst durch eine Zusammenarbeit der vier HWKs. Daraus entstand von Januar 2018 bis März 2021 das von der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) mit Mitteln des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales geförderte Projekt „Fachkräftezentren Handwerk“. Nach drei Jahren Laufzeit zieht Katja Mikus (42) vom Verbundkoordinator, der Projekt- und Servicegesellschaft mbH der Handwerkskammer Hannover, im Gespräch Bilanz und gibt Einblicke in die weiteren Pläne der Partner.
OT: Was genau verbirgt sich hinter dem geförderten Projekt?
Katja Mikus: Wir wollten zwei Baustellen gleichzeitig bearbeiten: Wie erreichen wir unsere Betriebe mit unseren Angeboten und wie bündeln wir unsere Kompetenzen? Denn die meisten Kammern haben neben der umfassenden Beratung zu den allgemeinen Personalthemen eine Kernkompetenz in einem speziellen Thema. Selbstverständlich tauschen sich die Kammern untereinander aus, aber wir wollten eine intensive Kooperation aufbauen, bei der das Wissen zum Nutzen der Betriebe geteilt wird und in die Arbeit der anderen Kammern einfließt. Unsere Idee: Jede Kammer bearbeitet im Austausch mit den Partnern ihr Kernthema und stellt die Ergebnisse allen zur Verfügung. Im auf drei Jahre begrenzten Testlauf zu viert wollten wir erproben, ob und wie das funktionieren kann. Dabei hatten wir immer im Hinterkopf, dass wir bei Erfolg nach Ablauf der drei Jahre ein nachhaltiges und offenes Netzwerk für den Wissensaustausch etwa von Handwerkskammern, Verbänden oder auch Innungen knüpfen.
Wissen teilen und Kräfte bündeln – drei Musterbeispiele
OT: Wie sah die Kooperation konkret aus?
Mikus: Wir haben uns auf drei Kernthemen und ein übergeordnetes Thema konzentriert: Gesundheit im Handwerk, Frauen im Handwerk, ausländische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Verbesserung der Ansprache von Handwerkerinnen und Handwerkern für Unterstützungsangebote der Kammern. Für Letzteres waren die Handwerkskammer Hannover und ihre Projekt- und Servicegesellschaft mbH zuständig, die unter 218 Handwerkerinnen und Handwerkern in den Jahren 2019 und 2020 zwei Umfragen über ihre Kommunikationsvorlieben und ‑kanäle durchführten. Im Ergebnis konnten wir vier sogenannte Typen mit bevorzugten und abgelehnten Kommunikationsaspekten filtern. Durch die Berücksichtigung dieser Aspekte kann unsere Ansprache optimiert werden. Einer der vier Typen bevorzugt Informationen kurz und knapp sowie unabhängig von Zeit und Ort abrufbar. Podcasts schienen hier das ideale Instrument zu sein. Es entstanden 2020 insgesamt elf Podcasts mit Gesundheitstipps, die alle Kammern kostenfrei verwenden und Interessierten zur Verfügung stellen können. Die Podcasts werden zum Beispiel bei der Handwerkskammer München und Oberbayern eingesetzt. Die Kammer berät in ihrem Fachkräftezentrum, was Betriebe für die Gesundheit ihrer Beschäftigten leisten können. Die Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz nutzt die Podcasts für die Veranstaltungsreihe „Betriebsführung aktuell“ sowie 2021 im Themenjahr „Gesundheit ist das höchste Gut“.
OT: Sie haben ebenfalls das Thema ausländische Beschäftigte in den Fokus genommen …
Mikus: Hier ist der besondere Leitfaden der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz verfügbar. Diese Kammer setzt sich in ihrem Fachkräftezentrum mit der Beschäftigung ausländischer Fachkräfte und der Zusammenarbeit mit ausländischen Subunternehmern auseinander. Dieser Leitfaden ist nicht einfach nur eine Zusammenstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Er enthält zusätzlich vielfältige Informationen zu den so wichtigen interkulturellen Kompetenzen und dem INQA-Check „Vielfaltsbewusster Betrieb“. Anhand des on- wie offline zu absolvierenden Checks können Betriebe sehen, wo sie stehen und welche Lücken sie für eine erfolgreiche interkulturelle Zusammenarbeit noch schließen sollten. Selbstverständlich steht der Leitfaden mit all der vielen Erfahrung, die dahintersteckt, allen Partnern kostenfrei zur Verfügung.
OT: Ein weiterer Themenkomplex stellte Frauen im Handwerk in den Mittelpunkt. Welche Materialien stellen Sie den Betrieben hier zur Verfügung?
Mikus: Eine große Baustelle im Handwerk ist es, Frauen von der Attraktivität eines handwerklichen Berufs zu überzeugen sowie die weiblichen Fachkräftepotenziale für das Handwerk zu nutzen. Um Frauen im Handwerk mit all ihren Kompetenzen stärker ins Bewusstsein zu bringen, hat das Fachkräftezentrum „Frauen können Handwerk“ der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade im Oktober 2020 unter dem Hashtag #frauenkönnenhandwerk eine große Kampagne in verschiedenen Medienformaten gestartet. Das Ziel: mit Klischees und Rollenbildern aufräumen und Betriebe sensibilisieren, bei der Mitarbeitersuche stärker Frauen in den Fokus zu nehmen. Auch von dieser Kampagne profitieren alle Partner. Das sind für mich drei wunderbare Musterbeispiele für unsere Vorstellung von Wissen teilen und Kräfte bündeln.
Netzwerkpartner gesucht
OT: Wie geht es nach dem Ende der Förderung weiter?
Mikus: Noch vor dem Projektende haben wir – die vier HWKs, der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH), das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie das Institut für Betriebsführung im Handwerk (ITB) – im Dezember 2020 eine Kooperationsgemeinschaft gegründet, um langfristig und nachhaltig ein offenes Netzwerk aufzubauen. Wir laden herzlich neue Partner wie weitere Handwerkskammern oder Verbände und Innungen zur Mitarbeit und zum Austausch ein. In einem per Log-in zu erreichenden Bereich unserer Website hinterlegen wir alle gemeinsam erarbeiteten transferfähigen Materialen – ob Podcast, Leitfäden, Veranstaltungskonzepte, Beispiele für gelungene Ansprache, Best-Practices-Beispiele oder vieles mehr –, damit jederzeit darauf kostenfrei zurückgegriffen und sich darüber ausgetauscht werden kann. Unsere Website wendet sich aber nach wie vor mit Informationsangeboten und Ansprechpartnern aller Partner an die Betriebe sowie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Informiert euch! Das kann ich nur immer wieder Handwerkerinnen und Handwerkern zurufen. Die Angebote der Fachzentren sind zum Nutzen aller, übrigens auch im Bereich Orthopädie-Technik!
Die Fragen stellte Ruth Justen.
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