Seit Anfang Juli läuft die zweite Phase des Feldversuchs im Rahmen des Pilotprojekts zur elektronischen Verordnung (eVO) für orthopädische Hilfsmittel. Nach vier Wochen liegt nun ein erstes Zwischenergebnis vor, das einen klaren Blick auf die bisherigen Fortschritte erlaubt: Mehr als 200 elektronische Verordnungen konnten nach Angaben des federführenden Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik (BIV-OT) erfolgreich mit den am Projekt beteiligten Branchensoftwarelösungen von Akquinet, Eva 3, MM-Orthosoft, OT-EDV und Top‑M realisiert werden.
Im Mittelpunkt stand dabei die Alltagstauglichkeit der Anwendungen. Die teilnehmenden Betriebe bewerteten unter anderem, wie leicht sich das Eingabefeld für die eVO finden ließ, wie die Anzeige des digitalen Musters 16 umgesetzt ist, ob und wie ein Datenabgleich durchgeführt wurde. Eine zusätzliche Frage lautete, ob durch die elektronische Form der Verordnung bereits eine Zeitersparnis erkennbar ist.
Erfreuliche Rückmeldungen
Die Antworten der Betriebe lieferten laut BIV-OT ein deutliches Bild:
- Durchgehend mit „gut“ bis „sehr gut“ wurde die Auffindbarkeit des Eingabefelds bewertet (Fragestellung: Wie einfach war das Eingabefeld zu finden und ließ es sich problemlos öffnen?).
- Die Darstellung des digitalen Musters 16 nach der Eingabe (Fragestellung: Bewerten Sie die Darstellung/Anzeige des Muster 16 nach der Eingabe) erhielt im Durchschnitt die Einschätzung „gut“.
- Die Anzeige des Datenabgleichs (Fragestellung: Bewerten Sie, ob ein Datenabgleich angezeigt und wie dieser dargestellt wird) wurde ebenfalls als „gut“ beurteilt.
- Beim Zeitaufwand (Fragestellung: Bewerten Sie Ihre Zeitersparnis 0 Mehraufwand bis 5 weniger Aufwand) gab es unterschiedliche Bewertungen, die von „sehr gut“ bis „gut“ reichten, abhängig vom eingesetzten System und der individuellen Organisation des Verordnungsablaufs im Betrieb.
„Diese Ergebnisse stimmen uns zuversichtlich“, sagt BIV-OT-Vorstandsmitglied Thomas Münch. „Wir erkennen dadurch, dass die Systeme grundsätzlich funktionieren. Damit die eVO im Versorgungsalltag gut ankommt, müssen die Softwarelösungen verständlich aufgebaut sein und sich möglichst reibungslos in die Betriebsabläufe einfügen.“ Die Tests seien mit echten Verordnungsdaten erfolgt, um die Funktionalitäten der digitalen Verordnung unter möglichst realitätsnahen Bedingungen zu prüfen. Die konkreten Ergebnisse können bei der Planung und Umsetzung der nächsten Testphase, in der die Abrechnung inkludiert ist, umgesetzt werden. Die Patientendaten seien vollständig anonymisiert und alle Prozesse selbstverständlich unter Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben durchgeführt worden, unterstreicht Münch.
TI-Anbindung: Verzögerungen sorgen für Frust
Weniger erfreulich gestalten sich die Entwicklungen bei der technischen Anbindung der Betriebe an die Telematikinfrastruktur (TI). So war eigentlich vorgesehen, dass die Ausgabe der elektronischen Berufsausweise (eBA) zur personenbezogenen Authentifizierung gegenüber der TI sowie der Institutionskarten zur Authentifizierung der jeweiligen Einrichtung (Security Module Card Typ B – SMC‑B) für die Betriebe bereits 2024 beginnt. Nach erster Verzögerung sollte dies spätestens im ersten Quartal 2025 erfolgen. Doch bis heute ist die Kartenausgabe nicht in Sicht.
Damit verzögert sich ebenfalls die Klärung der dringend notwendigen Refinanzierung der Investitionskosten für die TI-Anbindung. Obwohl diese für die Gesundheitshandwerke zum 1. Januar 2026 gesetzlich verpflichtend wird, gibt es noch keinen Gesprächstermin mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband), um über eine verlässliche Finanzierungslösung zu verhandeln. „Die Politik fordert die Digitalisierung ein. Sie muss den Betrieben aber auch ermöglichen, sie umzusetzen“, betont Münch. „Zurzeit stehen gesetzliche Pflichten im Raum, während gleichzeitig die technischen und finanziellen Grundlagen dafür fehlen. Hier sind endlich konkrete Schritte nötig, damit die Betriebe handlungsfähig werden!“ Ohne Zugang zur TI werde es keine vollwertige Einbindung des Gesundheitshandwerks in digitale Versorgungsprozesse geben, erklärt Münch. Deshalb setze sich der BIV-OT gemeinsam mit den anderen Gesundheitshandwerken sehr nachdrücklich dafür ein, „dass es bei Kartenausgabe und Refinanzierung endlich vorangeht“.
eVO fehlt in aktueller TI-Roadmap
Als Nationale Agentur für die Digitalisierung im Gesundheitswesen dokumentiert die Gematik GmbH auf ihrem Fachportal transparent die geplanten technischen Entwicklungsschritte für den Ausbau der Telematikinfrastruktur. In der im Juli 2025 veröffentlichten Roadmap bis Ende 2027 findet sich derzeit kein Hinweis auf die elektronische Verordnung für Hilfsmittel. Stattdessen wird für das Jahr 2027 das eRezept für die häusliche Krankenpflege (HKP) aufgeführt – eine Anwendung, deren Einführung laut Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) ursprünglich bereits zum 1. Juli 2024 verpflichtend vorgesehen war.
„Wir beobachten sehr genau, dass sich die Einführung des eRezepts für die Pflege verzögert. Aus der Vergangenheit wissen wir: Solche Verschiebungen ziehen oft weitere Verzögerungen nach sich – auch in anderen Bereichen. Deshalb ist es wichtig, dass die eVerordnung im Hilfsmittelbereich nicht unter die Räder kommt. Die Betriebe bereiten sich vor – nun müssen auch die politischen Rahmenbedingungen klar definiert und eingehalten werden“, erklärt Münch.
Auch die Arbeitsgemeinschaft Gesundheitshandwerke im Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) mahnt an, den Fahrplan zur Einführung der eVerordnung für Hilfsmittel politisch abzusichern: „Deshalb fordern wir von der Politik ein klares Bekenntnis zur eVerordnung für Hilfsmittel. Die Betriebe brauchen Planungssicherheit. Es muss jetzt verbindlich klargestellt werden, dass die gesetzlich verpflichtende Einführung zum 1. Juli 2027 Bestand hat. Die elektronische Verordnung ist ein zentraler Baustein für Transparenz, Sicherheit und Effizienz in der Versorgung – sie darf nicht hintenangestellt werden.“
Pilotprojekt läuft unbeirrt weiter
Trotz dieser äußeren Unsicherheiten wird das eVO-Pilotprojekt kontinuierlich fortgesetzt, zudem werden ständig neue Partner gewonnen. Der laufende Feldtest wird in den kommenden Wochen weitergeführt: „Wir erproben alle Komponenten und entwickeln sie weiter. Die Softwarehäuser stehen dafür im engen Austausch mit den Leistungserbringern, setzen Rückmeldungen zeitnah um“, erläutert Münch. Die Verzögerungen bei der TI-Anbindung seien ärgerlich, so das BIV-OT-Vorstandsmitglied. „Aber sie bremsen unser Projekt nicht aus. Wir nutzen die Zeit, um die digitalen Prozesse bis ins Detail abzustimmen. Wenn der gesetzliche Startschuss fällt, werden wir bereit sein.“
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