Als Grundlage des Fachartikels dient eine englischsprachige Leitlinie, die von einem internationalen, multidisziplinären Team von Fachexpertinnen und ‑experten erstellt wurde. Abschließend werden anhand eines Fallbeispiels, bei dem ein sehr junges Kind mit Mobilitätseinschränkung, das mit dem neu entwickelten Elektromobilitäts-Rollstuhl „Explorer Mini“ versorgt wurde, die ersten Erfahrungen diskutiert.
Einleitung
Gerade im ersten Lebensjahr erwerben Kinder in einer bestimmten zeitlichen Abfolge viele motorische und geistige Fähigkeiten1. Diese Fähigkeiten bilden die Grundlage für alle weiteren Entwicklungsschritte und Meilensteine, die es ihnen ermöglichen, ihr Umfeld zu erkunden. Beispielsweise übt ein Kleinkind durch das Erlernen des Gehens – darauf aufbauend – die zum Laufen erforderlichen Funktionen. Gleichzeitig kann es durch das Gehen einfacher und schneller Interaktionen mit Gleichaltrigen aufnehmen und auf diese Weise seine sozialen Kompetenzen erwerben.
Typischerweise verläuft die Entwicklung der motorischen Fähigkeiten für die Mobilität in folgenden Entwicklungsschritten (Abb. 1):
- Hochdrücken mit den Armen (3–6 Monate)
- Sitzen (6–9 Monate)
- Krabbeln (9–12 Monate)
- Gehen (12–18 Monate)
- Laufen (ab 2 Jahren)
Jeder dieser Schritte ist die Voraussetzung dafür, dass das Kind den nächsten der genannten Schritte erreicht (z. B. krabbeln Babys erst, nachdem sie sitzen können usw.). Dabei zeigen Studien auf, dass die Mobilität für Kinder ein innewohnendes Grundbedürfnis ist2, unabhängig von der Behinderung bzw. Einschränkung.
Behinderung und selbstbestimmte Mobilität
Kinder mit einer Behinderung sind anfälliger für Entwicklungsrisiken. Die durch die Diagnose verursachten Beeinträchtigungen stellen eine potenzielle Hürde für die weitere funktionelle, motorische, kognitive und psychosoziale Entwicklung dar. Für Kinder mit Behinderungen ist die frühe Kindheit eine wichtige Zeit für Interventionen, die ihnen helfen können, ihr maximales Potenzial zu erreichen3 4.
Selbstbestimmte Mobilität ist definiert als Mobilität, die von einer Person kontrolliert wird. Dazu gehören Mobilität mit verschiedenen Mitteln wie Gang (z. B. Gehen, Krabbeln), nicht elektrisch angetriebene Mobilität mit technischen Hilfsmitteln wie Prothesen, Gehhilfen und manuellen Rollstühlen sowie Elektromobilität mit Hilfsmitteln wie einem Elektrorollstuhl oder einem (modifizierten) Spielzeugauto5.
Selbstbestimmte Mobilität ermöglicht im Leben das Erkunden, was neue Perspektiven eröffnet, neue Informationen aufdeckt und viele neue Erfahrungen bietet, die Veränderungen unterschiedlicher psychologischer Phänomene in einer Familie vorantreiben können6. Wichtige Entwicklungsbereiche sind miteinander verknüpft und beeinflussen oder lösen sich ständig gegenseitig aus. Die Vorteile der frühkindlichen Mobilität sind vielfältig, darunter zunehmende Selbstversorgung und Unabhängigkeit, die die Belastung für die Eltern verringern, die Entwicklung der Körperfunktionen und ‑strukturen, zunehmende Partizipation, emotionale, perzeptorische und intellektuelle Entwicklung, ausgelöste Neugier, gesteigertes Selbstbewusstsein und Motivation sowie die Entwicklung von Sprach- und Kommunikationsfähigkeiten7 8 9.
In einer webbasierten Umfrage aus dem Jahr 201810 wurden qualitative und quantitative Informationen von Geräteanbietern in den USA erfasst. Der Bericht zur Umfrage ergab Folgendes:
- Es wurde berichtet, dass Tätigkeiten zur Bewertung der Notwendigkeit eines Rollstuhls häufig erfolgen. Wichtige Empfehlungen für ein Kind, dem im Anschluss an eine Bewertung ein Rollstuhl allerdings nicht genehmigt wurde, waren u. a. ein erweitertes Elektrorollstuhl-Training und die Bestimmung der Mobilitätsprognose eines Kindes.
- Eine weitere Erkenntnis ist, dass die Altersempfehlung der Umfrageteilnehmer für einen Elektrorollstuhl bei 3 – 3,5 Jahren liegt und damit dem Durchschnittsalter des jüngsten Kindes entspricht.
Angesichts der Erkenntnisse aus der Literatur hinsichtlich der Bedeutung von Mobilität für die Entwicklung von Kleinkindern und die relativ späten ersten Interventionen zum Ausgleich einer Mobilitätsbeeinträchtigung stellt sich die Frage: Wenn wir nicht frühzeitig mit der (Elektro-)Mobilität beginnen, verpassen wir dann die Möglichkeit, die allgemeine Entwicklung von Kindern mit Mobilitätseinschränkungen zu beeinflussen? Gemäß der Fachliteratur, dem typischen Entwicklungsverlauf und der klinischen Erfahrung lautet die Antwort: ja!11. Die positiven Auswirkungen selbstkontrollierter Elektromobilitätslösungen bei sehr jungen Kindern wurden anhand von Fallbeispielen und einer randomisierten kontrollierten Studie dokumentiert. Im Gegensatz dazu zeigen Studien mit älteren Kindern, dass sich deren IQ nach 6‑monatiger Nutzung von Elektrorollstühlen nicht verändert12. Die Antwort lautet also: ja! Frühe Wahrnehmungs-Motorik-Erfahrungen sind für die Entwicklung entscheidend.
Leitlinie für die Einführung von Elektromobilität für Säuglinge und Kleinkinder 13
Einführung
Anfang 2022 wurde von Feldner, Plummer und Hendry in den USA eine interdisziplinäre Leitlinie vorgestellt. Die Einbeziehung von sprachlichen, kommunikativen, physischen, sozialen und somatosensorischen Strategien bietet einen evidenzbasierten Schulungsansatz, der durch klinisches Fachwissen unterstützt wird.
Die Leitlinie kann als klinischer Fahrplan für die Einführung von On-time-Elektromobilität bei präverbalen und nonverbalen prämotorischen Kleinkindern bei der Ausrichtung der Schulungsmaßnahmen dienen.
Erarbeitung der Leitlinie
Die Leitlinie wurde erarbeitet auf der Grundlage einer gründlichen Literaturrecherche und einer Evidenzbewertung sowie einer Synthese vorhandener Instrumente, die von Forschern und Ärzten im Bereich Sitzen und Mobilität entwickelt wurden, gefolgt von einer Delphi-Konsensstudie unter Einbeziehung des Expertenwissens von Pflegekräften, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Sprachpathologen, die mit Kindern mit Behinderungen auf der ganzen Welt zusammenarbeiten, um bewährte Verfahren für die Einführung von Elektromobilität bei Säuglingen und Kleinkindern zu ermitteln.
Bei der zugrunde liegenden Literatur handelt es sich um begutachtete Veröffentlichungen. Die Basis der Evidenz-Pyramide besteht aus Expertenmeinungen, gefolgt von fallkontrollierten Studien, Kohortenstudien und RCTs, um an der Spitze mit Meta-Analysen und systematischen Übersichten zu enden. Die Delphi-Konsensstudie war auch für die von der U.S. Food & Drug Administration (FDA) für die Markteinführung des Produkts geforderte Human Factor Validation Study maßgeblich. Es hat sich gezeigt, dass die in den verschiedenen Arbeitsschritten verwendeten Referenzen mindestens den Anforderungen der FDA entsprechen.
Die Ausarbeitung einer Leitlinie für die Einführung von Elektromobilitätsgeräten bei Säuglingen und Kleinkindern ist wichtig, weil
- der Zugang zu Elektromobilität Teil der multimodalen Mobilitätsintervention während der Rehabilitation von Säuglingen und Kleinkindern mit Behinderungen ist, welche einen Fahrplan für die Einführung erfordert, der leicht zugänglich und leicht verständlich ist;
- sie hilft, sicherzustellen, dass bewährte Verfahren und Evidenz zur Unterstützung der gemeinsamen Entscheidungsfindung verwendet werden;
- sie einen Rahmen auf der Grundlage aktueller Forschungsergebnisse sowie der Fachkenntnisse von Ärzten und Pflege-/Betreuungspersonen bietet, sodass die Ergebnisse in allen Umgebungen dokumentiert und effektiver verglichen werden können;
- reproduzierbare, sich wiederholende und zuverlässige Schulungshinweise helfen, das Lernen für alle Kinder zu erleichtern;
- die Beiträge vieler Interessengruppen einen ganzheitlichen und gründlichen Ansatz zur Priorisierung von Inhalten unterstützen;
- sie den Irrtum behebt, dass manuelle Geräte zuerst initiiert werden sollten, um körperliche Aktivität zu fördern oder eine „Abhängigkeit“ von einem elektrisch angetriebenen Gerät zu verhindern14;
- sie in Verbindung mit zuverlässigen und zugelassenen elektrisch angetriebenen Mobilitätsmaßnahmen für Kinder verwendet werden kann, um die Beurteilung und die Schulung zu erleichtern15;
- weitere Forschungsarbeiten und Zuschüsse zur Unterstützung des Zugangs zu On-Time-Mobilitätserfahrungen für Kleinkinder mit Behinderungen von der Fähigkeit abhängen, Wirkung, Bedeutung und einen systematischen Ansatz sowie Verfahren zu demonstrieren.
Dieser Artikel bietet einen Überblick über die genannte Leitlinie. Die vollständige Leitlinie ist einsehbar unter: https://permobilwebcdn.azureedge.net/media/stwou5go/a‑guideline-for-introducing-powered-mobility-to-infants-and-toddlers_v0122.pdf.
Ein kooperativer Partnerschaftsansatz
Die erfolgreiche Einführung von Elektromobilität für Kinder und deren Betreuungspersonen hängt in erster Linie vom Aufbau starker, kooperativer Partnerschaften ab. Vertrauen aufzubauen und den Einführungsprozess an die Bedürfnisse und Vorlieben des Kindes, der Familie und anderer Pflege-/Betreuungspersonen anzupassen, ist ein wichtiger erster Schritt, um den Erfolg in allen nachfolgenden Aspekten der Einführung von Elektromobilität zu maximieren. Nachfolgend wird der Begriff „Betreuungspersonen“ verwendet; dieser bezieht sich allgemein auf alle Personen im Leben oder Umfeld eines Kindes, einschließlich u. a. Eltern, Großeltern oder andere Familienangehörige, Erzieher, Betreuungspersonen, Kinderbetreuungsanbieter usw., die an der Bereitstellung von Versorgung jeglicher Art beteiligt sind.
Betreuungspersonen sollten bei der gemeinsamen Entscheidungsfindung über den Zeitpunkt und die Strategien für die Einführung von Elektromobilität sowie bei der Ermittlung realistischer Erwartungen in Bezug auf das Lernen als zentrale Teammitglieder betrachtet werden16. Es ist wichtig, die Vorlieben und Motivationen des Kindes und der Betreuungsperson zu verstehen, die Interesse und Engagement anregen können. Dazu gehört das Verständnis kurz- und langfristiger Mobilitäts- und Partizipationsziele, die aktuelle Wahrnehmung der Elektromobilität und die Erkenntnis, dass sich diese im Laufe der Zeit ändern können17 18.
Für Forschende oder Ärzte ist es wichtig, Betreuungspersonen verschiedene Schulungsressourcen zur Verfügung zu stellen (z. B. schriftliche Ressourcen, Checklisten, Videodemonstrationen und Feedback), um sicherzustellen, dass sie über das notwendige Wissen und die Fähigkeiten verfügen, um den anhaltenden Erfolg des Kindes bei der Verwendung des Elektromobilitätsgeräts zu unterstützen. Es ist wichtig, das Selbstvertrauen der Betreuungspersonen bei der richtigen Einrichtung des Geräts für das Kind zu beurteilen und die Verwendung des Geräts entsprechend den Lernbedürfnissen des Kindes zu ermöglichen. Die individuelle Unterstützung zur Verbesserung des Selbstvertrauens der Betreuungsperson sollte auf der Grundlage der Bedürfnisse der Betreuungsperson erfolgen19.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist es, Betreuungspersonen zu unterweisen, wann sie eingreifen sollten und wann nicht oder wie sie hierfür verschiedene (An-)Zeichen (verbal/auditiv/visuell etc.) nutzen können. Dies kann bedeuten, von Strategien zu berichten, die in der Vergangenheit gut für andere Betreuungspersonen funktioniert haben, oder gemeinsam neue Strategien zu ermitteln. Schließlich ist es wichtig, Standard-Anweisungsstichwörter für Klarheit, Konsistenz und Selbstvertrauen innerhalb des kollaborativen Teams festzulegen, um das Lernen zu maximieren.
Elektromobilität – der Lernprozess
Das Erlernen von Elektromobilität umfasst in jedem Alter einen fließenden Prozess aus Interaktionen zwischen dem Kind, den Betreuungspersonen, den Ärzten, dem Gerät selbst, der Umgebung und den gewünschten Zielen oder Aktivitäten, die durch Bewegung je nach Lernphase erleichtert werden. Es gibt keine Erwartungen in Bezug auf bereits vorhandene Fähigkeiten, vielmehr entfalten sich Fähigkeiten durch Interaktion, Versuch und Irrtum sowie Anleitung. Empfehlungen zur Entwicklung von Fähigkeiten im Zusammenhang mit Elektromobilität oder zu den erforderlichen Fähigkeiten, um die „Bereitschaft“ zu bestimmen, haben sich im Laufe der Zeit verändert. Zum Beispiel: Als Elektromobilität zum ersten Mal für Kleinkinder eingeführt wurde, wurde bahnbrechende Arbeit geleistet, um zu demonstrieren, dass Kinder sicher und tüchtig am Lernprozess teilnehmen; auch wurden bestimmte Voraussetzungen ermittelt20 21 22. Da die Verwendung von Elektromobilitätsgeräten heute schon bei Kindern ab 7 Monaten23 demonstriert wird, deuten jüngste Forschungen und Expertenmeinungen darauf hin, dass sich Ärzte nicht mehr auf die „Bereitschaft“ für Elektromobilität konzentrieren sollten24. Stattdessen wird in der Fachliteratur nun empfohlen, dass Ärzte frühzeitig Möglichkeiten zur Verbesserung der Mobilität durch Technologien bieten sollten, um die Entwicklung in mehreren Bereichen zu unterstützen, was in der Folge das Erwerben neuer Fähigkeiten fördern kann25 26 27.
Die Nutzung von Elektromobilität wirkt sich nachweislich auf die Entwicklung in einer Vielzahl von Bereichen aus, darunter kognitive, visuelle, sprachliche, soziale und psychologische Fähigkeiten28 29 30. Aufgrund der wichtigen Rolle von Mobilität in der Entwicklung sowie des wechselseitigen Lernens, das im Rahmen der Mobilität und der Interaktion mit Menschen und dem Umfeld stattfindet, empfehlen Forscher, die Elektromobilität als Teil eines umfassenden Frühinterventionsprogramms zu erwägen. Zu den Zielen können die Maximierung dieser entwicklungstechnischen Verbindungen und die Minimierung oder Verhinderung der Auswirkungen von Immobilität gehören, einschließlich weiterer Verzögerungen bei Meilensteinen oder sozialem Engagement und erlernter Hilfslosigkeit31 32.
Überlegungen zur Fähigkeit
Obwohl es nicht entscheidend ist, dass das Kind vor Beginn einer Intervention mit Elektromobilität spezifische Fähigkeiten besitzt, kommt man tatsächlich zu dem Schluss, dass es von Vorteil sein kann, während der gesamten Intervention an bestimmten Fähigkeiten zu arbeiten, um den Erfolg mit dem Gerät zu maximieren. Dies kann Interventionen ohne das Elektromobilitätsgerät umfassen, um das Kind auf den Gebrauch vorzubereiten, oder als Intervention auch Übungen mit dem Gerät selbst (Abb. 2).
Nachfolgend einige Beispiele für Fähigkeiten, die mithilfe des Elektromobilitäts-Rollstuhls Explorer Mini nachweislich erlernt werden können (eine detaillierte Beschreibung der Fähigkeiten finden Sie in der Leitlinie):
- Geteilte Aufmerksamkeit
- Visuelle Fixierung
- Kontrolle von Rumpf und oberen Extremitäten
- Kopfkontrolle
- Verwendung eines Joysticks
- Soziale, emotionale und Kommunikationsentwicklung
Kommunikation und Sprache für die Einführung von Elektromobilität in allen Lernphasen
Eine der Stärken dieser Leitlinie ist das multidisziplinäre Team von Entwicklern, zu dem Physio- und Ergotherapeuten, Pflege-/Betreuungspersonen und Sprachpathologen gehören, da die frühe motorische Entwicklung unmittelbar mit der frühen Sprachentwicklung zusammenhängt33 34 35 36.
Sprech- und Sprachstörungen können als Begleiterscheinung vieler Erkrankungen auftreten oder von diesen verursacht werden, indem sie die Entwicklung der perzeptorischen, motorischen, kognitiven oder sozio-emotionalen Funktion beeinträchtigen, einschließlich Krankheitsbildern wie Down-Syndrom, Zerebralparese, Fragiles X, Autismus-Spektrum-Störungen, traumatische Hirnverletzungen und mehr37. Wenn ein Kind beginnt, mit einem Elektromobilitätsgerät wie dem Explorer Mini neue motorische Fähigkeiten zu entwickeln, ist dies eine unschätzbare Gelegenheit für das gleichzeitige Erweitern und Entwickeln der Sprachfähigkeiten38 39 40. Kinder, die neue Fähigkeiten erlernen, bauen durch Scaffolding-Strategien (kognitive Strukturierung) auf ihren Vorkenntnissen/aktuellen Kenntnissen auf – ein wenig über das hinaus, was das Kind selbstständig kann41. Im Rahmen von Best Practices für Kinder mit motorischen Störungen wird empfohlen, die Bewertung über mehrere Bereiche und Disziplinen hinweg durchzuführen sowie Informationsquellen einzubeziehen42 43 44.
Interventionstechniken
Die weitere Leitlinie ist so strukturiert, dass sie eine globale Zusammenfassung der Interventionstechniken für die Einführung von Elektromobilität bietet, die speziell für verschiedene Lernphasen entwickelt und ausgewählt wurden. Sie stellt eine Synthese aus bahnbrechenden Arbeiten dar, die zuvor im Bereich der pädiatrischen Elektromobilität veröffentlicht wurden, zusätzlich zu der weiter gefassten Theorie und den empirischen Studien in multidisziplinären Bereichen. Ärzte und Pflege-/Betreuungspersonen werden ermutigt, die in der Leitlinie verwiesenen Arbeiten zu studieren, um zusätzliche Strategien und Ressourcen für eine erfolgreiche Einführung der Elektromobilität zu finden.
Empfohlene Mobilitätshilfe
Die Ausführungen machen deutlich, dass Elektromobilität bereits in einem Alter beginnen sollte, in dem konventionelle Elektrorollstühle noch viel zu groß für die kindlichen Anwender sind. Aus diesem Grund wurde der Explorer Mini als ein entwicklungsbasiertes Elektromobilitätsgerät für sehr junge Kinder mit Mobilitätseinschränkungen entwickelt, mit dem Ziel, selbstbestimmte Bewegung und eine frühe Erkundung zu ermöglichen. Der Explorer Mini ist ein verschreibungspflichtiges Medizinprodukt für Kinder im Alter zwischen 12 und 36 Monaten, einem Benutzergewicht bis 16 kg und einer maximalen Körpergröße von 1 m.
Mit dem Explorer Mini wurde ein Produkt auf den Markt gebracht, das regulatorisch zugelassen und mittels Humanfaktor-Validierungsstudien für Kleinkinder mit Mobilitätseinschränkungen als sicher und wirksam eingestuft wurde. Er ist dafür konzipiert, frühes Lernen maximal zu fördern und das Erreichen von Entwicklungsmeilensteinen mittels Einführung selbstbestimmter Bewegungen bei Kindern mit Mobilitätsbeeinträchtigungen schon im früheren Alter zu unterstützen.
Um ein Gerät für Kinder im Alter zwischen 12 und 36 Monaten zu entwickeln, wurde das Sitzen nicht als eine Position mit statischen Komponenten betrachtet, sondern als eine Plattform, von der aus dynamische Bewegung stattfinden kann. Der Explorer Mini bietet daher entwicklungsabhängiges Sitzen, das eine sichere, stabile und aufrechte Haltung fördert und funktionelle Bewegung ermöglicht, um die Erkundung und Entwicklung der Grob- und Feinmotorik zu stimulieren. Die sanfte Neigung des verstellbaren Sattelsitzes begünstigt die anteriore Beckenneigung, was eine funktionsfördernde Sitzhaltung unterstützt.
Fazit
Für alle Kinder gilt: Mobilität ist kein Endziel oder lediglich die Fähigkeit, von einem Ort zu einem anderen zu gelangen, sondern vielmehr ein Mittel, um die Partizipation und Erkundung zu maximieren und die Handlungsfähigkeit sowie Identität über die gesamte Lebensdauer zu fördern. Die vorgestellte Leitlinie und die dazugehörigen Anhänge bieten multidisziplinäre Ressourcen für eine erfolgreiche Integration der Elektromobilität in den Alltag von Säuglingen und Kleinkindern mit Behinderungen. Die Leitlinie soll als Grundlage für evidenzbasierte Interventionen mit Elektromobilität dienen, vorhandene Wissenslücken und Herausforderungen in der Praxis aufzeigen und zukünftige Forschungsrichtungen fördern.
Der Autor:
Arne Compernolle, OT
Clinical Training Manager
EMEA Permobil GmbH
Brandenburger Straße 2–4
40880 Ratingen
Arne.Compernolle@permobil.com
Begutachteter Beitrag/reviewed paper
Compernolle A. Elektromobilität für Säuglinge und Kleinkinder: eine Leitlinie. Orthopädie Technik, 2023; 74 (9): 56–61
- Die neue Leitlinie zum Lipödem-Syndrom: mehr Licht als Schatten. Konsequenzen für die Praxis — 5. Dezember 2024
- Orthesenversorgung bei Läsion des Plexus brachialis — 4. Dezember 2024
- Anforderungen an additiv gefertigte medizinische Kopfschutzhelme — 4. Dezember 2024
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