Flä­chen­de­cken­der E‑Re­zept-Start gescheitert

Mit dem Start des Jahres 2022 hätte auch für das E-Rezept ein wichtiger Schritt vollzogen werden sollen: nämlich die flächendeckende Einführung für Arzneimittel. Doch statt des digitalen Fortschritts gibt es für die Patient:innen weiterhin den „rosa Zettel“, denn das Bundesgesundheitsministerium musste Ende Dezember 2021 eingestehen, dass die technischen Voraussetzungen noch nicht ausreichend sind. Deshalb ist eine Verlängerung der Erprobungsphase beschlossen worden.

Ziel ist es, laut einer Gema­tik-Pres­se­mit­tei­lung, mehr Teil­neh­men­de für die Test­pha­se zu fin­den, Updates auf­zu­spie­len, die nöti­ge Soft­ware zu instal­lie­ren, das Per­so­nal zu schu­len und die Sta­bi­li­tät des Zusam­men­wir­kens der ein­zel­nen erfor­der­li­chen Kom­po­nen­ten inten­siv zu prüfen.

Anzei­ge

„Mit der Ver­schie­bung ist klar, dass der Feld­test in sei­ner der­zei­ti­gen Form geschei­tert ist“, kri­ti­siert Sebas­ti­an Zilch, Geschäfts­füh­rer des Bun­des­ver­ban­des Gesund­heits-IT (BVITG), dage­gen die bis­he­ri­ge Pra­xis. Im Som­mer 2021 war näm­lich zunächst nur ein aus­ge­wähl­ter Kreis an Tes­tern aus den Berei­chen Pra­xen, Apo­the­ken, Kran­ken­kas­sen und Soft­ware­an­bie­ter in Ber­lin und Bran­den­burg aus­er­se­hen wor­den, das E‑Rezept und die damit ver­bun­de­nen Abläu­fe auf ihre Pra­xis­taug­lich­keit zu überprüfen.

„Die bis­he­ri­gen Tests in der Fokus­re­gi­on Ber­lin-Bran­den­burg waren lei­der nicht aus­sa­ge­kräf­tig. So soll­ten für einen bun­des­wei­ten Roll-out min­des­tens 1.000 E‑Rezepte aus­ge­stellt und erfolg­reich abge­rech­net wer­den – Anfang Dezem­ber waren es ledig­lich 42. Zudem konn­ten weder die Anzahl der teil­neh­men­den Sys­te­me in den Arzt‑, Zahn­arzt­pra­xen bezie­hungs­wei­se Apo­the­ken noch die Anzahl der teil­neh­men­den Kran­ken­kas­sen im Test erreicht wer­den“, bilan­ziert Bun­des­ärz­te­kam­mer-Prä­si­dent Dr. Klaus Rein­hardt die bis­he­ri­ge Testphase.

„Wir sind gene­rell für das E‑Rezept und sei­ne zügi­ge Ein­füh­rung. Was die Anbin­dung an die Tele­ma­tik­in­fra­struk­tur angeht, sind die Apo­the­ken auch längst E‑Re­zept-rea­dy. Aber betrach­tet man den kom­plet­ten Pro­zess von der Ver­ord­nung über die Ein­lö­sung und Quit­tie­rung bis hin zur Abrech­nung des E‑Rezepts, dann gibt es noch erheb­li­che tech­ni­sche Pro­ble­me. Sie soll­ten vor der Ein­füh­rung beho­ben sein, sonst wird die Ver­sor­gungs­si­cher­heit der Pati­en­ten gefähr­det. Und die ist in der lau­fen­den Pan­de­mie dop­pelt wich­tig“, kom­men­tier­te Tho­mas Dittrich, Vor­sit­zen­der des Deut­schen Apo­the­ker­ver­ban­des (DAV), die Verschiebung.

Mehr Tests für mehr Ver­trau­en in die Technik

Der Bun­des­ver­band Gesund­heits-IT for­dert, dass die neue Bun­des­re­gie­rung die Gema­tik mit der Koor­di­nie­rung des Pro­jekts „E‑Rezept“ betraut und mit den ent­spre­chen­den Kom­pe­ten­zen aus­stat­tet. Obers­tes Ziel muss es aus Sicht des BVITG sein, das E‑Rezept wei­ter zu opti­mie­ren, damit der E‑Re­zept-Start über­haupt mög­lich wird.

„Der Weg dort­hin führt nur über Tests, wes­halb deut­lich mehr Anwen­der für die Teil­nah­me an der Test­pha­se moti­viert wer­den müs­sen. Dafür braucht es unter ande­rem eine deut­lich trans­pa­ren­te­re Kom­mu­ni­ka­ti­on zu den Rah­men­be­din­gun­gen und Zie­len der Feld­tests. Auch im Anschluss an die Tests muss alles dafür getan wer­den, Pra­xen, Apo­the­ken und Kran­ken­häu­ser zur akti­ven Mit­ar­beit und ‑gestal­tung des Pro­jekts zu ani­mie­ren“, so Zilch.

„Es ist gut, dass das Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­um die War­nun­gen der Leis­tungs­er­brin­ger­or­ga­ni­sa­tio­nen in der Gema­tik ernst nimmt und vor dem bun­des­wei­ten Roll-out des E‑Rezepts zunächst die Test­pha­se fort­set­zen und aus­wei­ten will. Das E‑Rezept ver­än­dert bestehen­de, ein­ge­spiel­te Arbeits­ab­läu­fe in Pra­xen und Kli­ni­ken. Ärz­tin­nen und Ärz­te wer­den dies nur akzep­tie­ren kön­nen, wenn die neu­en Pro­zes­se sicher, stö­rungs­frei und zügig ablau­fen. Dafür sind inten­si­ve und flä­chen­de­cken­de Tests in einer dau­er­haft betrie­be­nen Pilot­re­gi­on not­wen­dig. Zudem muss die Been­di­gung der erfolg­rei­chen Tes­tung an trans­pa­ren­te Qua­li­täts­kri­te­ri­en geknüpft wer­den, die jeder Anbie­ter zu erfül­len hat“, schil­dert Dr. Rein­hardt die Sicht sei­nes Berufs­stan­des auf die Aus­set­zung der E‑Re­zept-Ein­füh­rung und die Ver­län­ge­rung des Tests.

Die Gema­tik beglei­tet und unter­stützt die Test­pha­se wei­ter­hin inten­siv in Abstim­mung mit allen betei­lig­ten Akteu­ren. Seit Janu­ar 2022 wer­den die Kas­sen­ärzt­li­che Bun­des­ver­ei­ni­gung (KBV), die Bun­des­ver­ei­ni­gung Deut­scher Apo­the­ker­ver­bän­de (ABDA) und die Deut­sche Kranken­hausgesellschaft (DKG) lau­fend Updates zum Aus­stat­tungs­grad der Apo­the­ken, Pra­xen und Kran­ken­häu­ser geben. Seit Dezem­ber 2021 haben bun­des­weit nun alle Akteu­re die Mög­lich­keit, sich an der Test­pha­se zu betei­li­gen. Laut Gema­tik müs­sen alle Pra­xis- und Apo­the­ken­ver­wal­tungs­sys­te­me sowie Kran­ken­haus­in­for­ma­ti­ons­sys­te­me zügig die Tes­tung auf­neh­men. Die Kran­ken­kas­sen sind dage­gen bereits in der Lage, E‑Rezepte zu empfangen.

„Es wäre jedoch das fal­sche Signal, wenn sich die Betei­lig­ten nun im Klein-Klein der Schuld­zu­wei­sun­gen ver­lie­ren wür­den. Statt­des­sen muss der Blick nach vor­ne gerich­tet wer­den, damit das E‑Rezept mit­samt sei­nen Mehr­wer­ten für Ver­si­cher­te und Leis­tungs­er­brin­ger zeit­nah in die Ver­sor­gung gelan­gen kann“, erklärt Zilch.

TI-Atlas ver­öf­fent­licht
„Mit unse­rer neu­en Publi­ka­ti­on geben wir inter­es­san­te und wich­ti­ge Ein­bli­cke, wie es um die Digi­ta­li­sie­rung des Gesund­heits­we­sens in Deutsch­land im Rah­men der Tele­ma­tik­in­fra­struk­tur steht. Damit sor­gen wir für noch mehr Trans­pa­renz unse­rer Arbeit,“ erklärt Dr. Mar­kus Leyck Die­ken, Geschäfts­füh­rer der Gema­tik, anläss­lich der ers­ten Ver­öf­fent­li­chung des TI-Atlas. In die­ser Publi­ka­ti­on fasst die Gema­tik den Sta­tus von Anwen­dun­gen wie der elek­tro­ni­schen Pati­en­ten­ak­te (ePA) bei Medi­zi­nern und Ver­si­cher­ten zusam­men. Die zugrun­de lie­gen­den Zah­len wur­den durch Umfra­gen unab­hän­gi­ger Insti­tu­te in zwei Ver­gleichs­quar­ta­len 2021 erho­ben, aus­ge­wer­tet und ana­ly­siert. Dr. Leyck Die­ken: „In der Rol­le als Natio­na­le Agen­tur für Digi­ta­le Medi­zin ist es unser Anspruch und unser Auf­trag, die Digi­ta­li­sie­rung des Gesund­heits­we­sens wei­ter vor­an­zu­trei­ben und wich­ti­ge Wei­chen für die Zukunft zu stellen.“

Der TI-Atlas steht als Publi­ka­ti­on auf der Web­sei­te www.ti-atlas.de zur Verfügung. 

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