Ein fron­tal beweg­li­ches Knö­chel­mo­dul für Pro­the­sen­fü­ße – was ist der Nut­zen für den Patienten?

B. Altenburg, M. Ernst, P. Maciejasz, T. Schmalz, F. Braatz, H. Gerke, M. Bellmann
Das Gehen auf unebenem Untergrund ist eine Herausforderung für Menschen mit einer Beinamputation. Prothesenkomponenten, die sich an den Untergrund adaptieren, sollen das Gehen erleichtern. Die Studie untersucht einen Prothesenfuß mit speziellem Knöchelmodul für eine gesteigerte Anpassung in der Frontalebene im Vergleich mit etablierten Referenzfüßen. An der Studie nahmen 12 Anwender mit einseitiger transtibialer Amputation teil. Die Daten wurden mittels stationärer Ganganalyse sowie durch Fragebögen erfasst. Die biomechanischen Daten zeigen eine frühere und größere Anpassung des untersuchten Fußes beim Gehen auf einer Seitschräge mit 10°. Die Fragebögen belegen einen verbesserten Schaftkomfort und eine höhere wahr­genommene Sicherheit beim Gehen auf unebenem Untergrund mit dem getesteten Fuß.

Ein­lei­tung

Für akti­ve Per­so­nen mit Bein­am­pu­ta­ti­on ist die Fort­be­we­gung auf unebe­nem Unter­grund all­täg­lich, aber den­noch anspruchs­voll: Neben Schrä­gen und Hin­der­nis­sen gehö­ren auch Seit­schrä­gen zu den häu­fi­gen Her­aus­for­de­run­gen, da vie­le Geh­we­ge zur Was­ser­ab­füh­rung quer zur Lauf­rich­tung geneigt sind. Durch die Seit­nei­gung ändert sich die Kraft­ein­lei­tung in die Pro­the­se; zudem ent­steht eine funk­tio­nel­le Bein­län­gen­dif­fe­renz, die aus­ge­gli­chen wer­den muss. Dazu gibt es ver­schie­de­ne Kom­pen­sa­ti­ons­stra­te­gien 1 2 3.

Pro­the­sen­kom­po­nen­ten, die sich an den Unter­grund adap­tie­ren, könn­ten den Kom­pen­sa­ti­ons­auf­wand für den Anwen­der redu­zie­ren. Der Pro­the­sen­fuß als zen­tra­le Kom­po­nen­te von Pro­the­sen der unte­ren Extre­mi­tät besitzt durch sei­ne Mate­ri­al­ei­gen­schaf­ten und Kon­struk­ti­ons­merk­ma­le eine indi­vi­du­el­le Fle­xi­bi­li­tät in der Fron­tal- und Sagit­tal­ebe­ne, die bei Belas­tung zur Anpas­sung an Uneben­hei­ten bei­trägt 4 5. Kon­struk­tiv besit­zen vie­le Pro­the­sen­fü­ße eine geteil­te Zehen­plat­te („split-toe“), die die Anpas­sungs­fä­hig­keit in der Fron­tal­ebe­ne erhö­hen soll 4 6. Dar­auf zurück­zu­füh­ren­de Anwen­der­vor­tei­le für das Gehen auf quer­ge­neig­tem Unter­grund wur­den bis­lang jedoch noch nicht sys­te­ma­tisch unter­sucht und konn­ten somit bis dato nicht veri­fi­ziert wer­den. Viel­mehr unter­such­ten die meis­ten vor­han­de­nen Stu­di­en Kom­pen­sa­ti­ons­me­cha­nis­men zum Bewäl­ti­gen sol­cher Seit­schrä­gen unab­hän­gig vom Pro­the­sen­de­sign. Im Vor­der­grund stand dabei meist die Situa­ti­on mit der Pro­the­se berg­sei­tig auf der Seit­schrä­ge, wobei die­se sich dann als funk­tio­nell zu lang erweist. Dies kann ins­be­son­de­re in der Schwung­pha­se pro­ble­ma­tisch sein. Bei Unter­su­chun­gen von Vil­la und Kol­le­gen zeig­ten Per­so­nen mit trans­ti­bia­ler Ampu­ta­ti­on (TTAs) pro­the­sen­sei­tig ver­grö­ßer­te Hüft- und Knie­win­kel, um Boden­frei­heit zum Durch­schwin­gen zu gene­rie­ren 2, Per­so­nen mit trans­fe­mo­ra­ler Ampu­ta­ti­on (TFAs) hin­ge­gen ein Becken­an­he­ben und Fer­sen­rei­ßen („vaul­ting“) kon­tra­la­te­ral 3. Ein erhöh­ter Ener­gie­auf­wand durch sol­che Kom­pen­sa­ti­ons­me­cha­nis­men erscheint plau­si­bel und wur­de bereits mit TFAs auf Seit­schrä­gen gezeigt 7.

Durch ein Knö­chel­mo­dul (Abb. 1), das eine Anpas­sung von +/- 10° in der Fron­tal­ebe­ne ermög­licht („Side-Flex“-Modul, Otto­bock, Duder­stadt, Deutsch­land), sol­len die­se Gang­si­tua­tio­nen für Ampu­tier­te erleich­tert wer­den. Wei­ter­füh­rend zur vor­han­de­nen Lite­ra­tur wird in die­ser Stu­die mit­tels sta­tio­nä­rer Gang­ana­ly­se der Ein­fluss die­ses „Side-Flex“-Moduls auf kine­ma­ti­sche und kine­ti­sche Gang­pa­ra­me­ter im Ver­gleich mit her­kömm­li­chen Car­bon­fe­der­fü­ßen ana­ly­siert. Zudem wer­den mit­tels Fra­ge­bö­gen die Aus­wir­kun­gen auf Schaft­kom­fort und Balan­ce unter­sucht. Die hier in Tei­len vor­ge­stell­te Stu­die wur­de bereits inter­na­tio­nal publi­ziert 8.

Metho­dik

Pro­ban­den

An der Stu­die nah­men 12 Pro­ban­den mit ein­sei­ti­ger trans­ti­bia­ler Ampu­ta­ti­on (TTA) teil (10 männ­lich, 2 weib­lich; Alter: 52.8 ± 11.5 Jah­re; Gewicht: 83.9 ± 19.4 kg, Kör­per­grö­ße: 1.77 ± 0.09 m). Die Ampu­ta­ti­on lag min­des­tens 18 Mona­te zurück, und die Teil­neh­mer ord­ne­ten sich in die Mobi­li­täts­gra­de 3 und 4 ein.

Pro­the­sen­fü­ße

Drei ver­schie­de­ne Pro­the­sen­fuß­ty­pen wur­den in der Stu­die ver­wen­det – ein Stu­di­en­fuß (TSF) und zusätz­lich zwei Refe­renz­fü­ße (RF) (Abb. 2c). Bei den Refe­renz­fü­ßen vom Typ „Tri­ton LP“ (Otto­bock, Duder­stadt, Deutsch­land) und „Pro-Flex LP“ (Össur, Reykja­vik, Island) han­delt es sich um eta­blier­te Low-Pro­fi­le-Pro­the­sen­fü­ße mit geteil­ter Zehen­plat­te für akti­ve Anwen­der. Der Stu­di­en­fuß „Tri­ton Side Flex“ (TSF, Otto­bock, Deutsch­land) ver­fügt über das oben beschrie­be­ne „Side-Flex“-Modul. Die Car­bon­ba­sis des TSF ist iden­tisch mit dem des „Triton-LP“-Fußes. Alle ver­wen­de­ten Pro­the­sen­fü­ße sind für die Mobi­li­täts­gra­de 3 und 4 geeignet.

Ver­suchs­ab­lauf

Vor Beginn wur­den die Pro­ban­den über die Stu­die auf­ge­klärt und eine schrift­li­che Ein­wil­li­gung ein­ge­holt. Die Stu­die wur­de von der loka­len Ethik­kom­mis­si­on der Uni­ver­si­täts­me­di­zin Göt­tin­gen (UMG) geneh­migt und in Über­ein­stim­mung mit der Dekla­ra­ti­on von Hel­sin­ki durch­ge­führt. Die Stu­die umfass­te die Erfas­sung bio­me­cha­ni­scher Daten mit­tels einer Gang­ana­ly­se und die sub­jek­ti­ve Bewer­tung der Pro­the­sen­fü­ße mit­tels Fra­ge­bö­gen. Dazu tes­te­te jeder Teil­neh­mer den Stu­di­en­fuß (TSF) und einen der zwei Refe­renz­fü­ße (RF) min­des­tens 4 Wochen lang, bevor die Gang­ana­ly­se und die Befra­gung durch­ge­führt wur­den. Die Wahl des Refe­renz­fu­ßes und die Test­rei­hen­fol­ge waren ran­do­mi­siert. Der Pro­the­sen­grund­auf­bau erfolg­te repro­du­zier­bar nach Her­stel­ler­an­ga­ben unter Nut­zung eines „L.A.S.A.R. Assem­bly“ (Otto­bock, Duder­stadt, Deutsch­land). Anschlie­ßend fan­den eine sta­ti­sche Opti­mie­rung mit Hil­fe eines „L.A.S.A.R. Pos­tu­re“ (Otto­bock, Duder­stadt, Deutsch­land) 9 10 und eine dyna­mi­sche Opti­mie­rung statt.

Gang­ana­ly­se

Die bio­me­cha­ni­schen Mes­sun­gen erfolg­ten in einem Gang­la­bor, das mit 12 „Bonita“-Kameras (Vicon, Oxford, UK) und 2 Kraft­mess­plat­ten (Kist­ler, Win­ter­thur, Schweiz) aus­ge­stat­tet ist. Es wur­de ein spe­zi­el­les Mar­ker­set ver­wen­det, das neben den Stan­dard-Gang­pa­ra­me­tern auch die sepa­ra­te Ermitt­lung der Anpas­sung des Fußes (Schuh und Pro­the­sen­fuß) und der Car­bon­fe­der in der Fron­tal­ebe­ne ermög­licht 11 8 (Abb. 2b).

Das Gehen in der Ebe­ne sowie das Gehen auf einer Seit­schrä­ge mit 10° Nei­gung wur­den bio­me­cha­nisch unter­sucht. Die Seit­schrä­ge war 8.5 m lang und mit einer Kraft­mess­plat­te in der Mit­te aus­ge­stat­tet. Die Teil­neh­mer wur­den ange­wie­sen, die Geh­stre­cke mehr­mals mit einer selbst­ge­wähl­ten Geh­ge­schwin­dig­keit zu gehen, bis jeweils acht gül­ti­ge Auf­zeich­nun­gen für jede Bedin­gung (ebe­nes Gehen, Seit­nei­gungs­be­din­gun­gen: 10° Pro­the­se Berg, 10° Pro­the­se Tal) erfasst waren.

Die gül­ti­gen Ver­su­che wur­den gemit­telt und wei­ter aus­ge­wer­tet. Fol­gen­de Para­me­ter wur­den ermittelt:

  • Gang-Zeit-Para­me­ter: Gang­ge­schwin­dig­keit, Schritt­län­ge, Schritt­wei­te und Dau­er der Standphase
  • spe­zi­fi­sche bio­me­cha­ni­sche Para­me­ter: Anpas­sung des Schuhs sowie der Car­bon­ba­sis des Pro­the­sen­fu­ßes in der Fron­tal­ebe­ne sowie medio­la­te­ra­ler Ver­lauf des Kraft­an­griffs­punk­tes (COPml, Cen­ter of Pres­su­re) in Bezug auf die ante­rior-pos­te­rio­re Fuß­ach­se (vgl. Skiz­ze in Abb. 3)
  • kine­ti­sche Para­me­ter: Boden­re­ak­ti­ons­kraft in ver­ti­ka­ler (GRFv) und medio­la­te­ra­ler (GRFml) Rich­tung sowie exter­nes Knie­ad­duk­ti­ons­mo­ment (EAM, ers­tes Maxi­mum und Inte­gral über Gangzyklus)

Pro­ban­den­be­fra­gung

Zusätz­lich zu den bio­me­cha­ni­schen Mes­sun­gen füll­ten alle Teil­neh­mer einen Fra­ge­bo­gen aus, mit dem sie ihre Erfah­run­gen mit der Pro­the­se wäh­rend der vier­wö­chi­gen Test­an­wen­dung bewer­ten soll­ten. Die­ser Fra­ge­bo­gen umfass­te drei Teile:

  • Acti­vi­ty-spe­ci­fic-Balan­ce-Con­fi­dence-Ska­la (ABC-Ska­la)12 (16 Fragen);
  • Pro­sthe­tic Limb Users Sur­vey of Mobi­li­ty (PLUS‑M) 13 14 (12 Fragen);
  • selbst ent­wi­ckel­ter Fra­gen­kom­plex zur Bewer­tung des Schaft­kom­forts und der emp­fun­de­nen Sicher­heit in 40 Situa­tio­nen des täg­li­chen Lebens (ADL-Ska­la).

Unter den mit der ADL-Ska­la bewer­te­ten Situa­tio­nen befan­den sich die folgenden:

  • 9 Situa­tio­nen mit Bezug zum Stehen;
  • 11 Situa­tio­nen mit Bezug zum Gehen, die mög­li­cher­wei­se durch die medio­la­te­ra­le Fle­xi­bi­li­tät beein­träch­tigt wurden;
  • 8 Situa­tio­nen mit Bezug zum Gehen, die wahr­schein­lich nicht durch die medio­la­te­ra­le Fle­xi­bi­li­tät beein­träch­tigt wurden;
  • 12 Situa­tio­nen mit Bezug zu sozia­len Aktivitäten.

Sowohl der Schaft­kom­fort als auch die wahr­ge­nom­me­ne Sicher­heit wur­den auf einer nume­ri­schen Bewer­tungs­ska­la von 0 („am schlech­tes­ten“) bis 10 („am bes­ten“) bewer­tet. Am Ende der Stu­die wur­den die Teil­neh­mer außer­dem gefragt, wel­chen der bei­den getes­te­ten Füße sie für den täg­li­chen Gebrauch bevor­zu­gen würden.

Sta­tis­tik

Für die unter­such­ten Para­me­ter wur­den für jede Situa­ti­on indi­vi­du­el­le Mit­tel­wer­te und Grup­pen­mit­tel­wer­te bestimmt. Um die Aus­wir­kun­gen der ver­schie­de­nen Pro­the­sen­fuß­ty­pen (RF vs. TSF) auf die ver­schie­de­nen Situa­tio­nen zu ver­glei­chen, wur­de ein paar­wei­ser t‑Test bzw. nichtpara­metrischer Wil­coxon-Test durch­ge­führt. Wei­ter­hin erfolg­te eine sta­tis­ti­sche Ana­ly­se der Ergeb­nis­se der Fra­ge­bö­gen unter Nut­zung des gepaar­ten t‑Tests.

Ergeb­nis­se der Studie

Bio­me­cha­ni­sche Para­me­ter aus der Ganganalyse

Gang-Zeit-Para­me­ter

Die ana­ly­sier­ten Gang-Zeit-Para­me­ter zeig­ten für kei­ne Bedin­gung sta­tis­tisch signi­fi­kan­te Unter­schie­de zwi­schen TSF und RF. Geh­ge­schwin­dig­keit und Schritt­wei­te nah­men für bei­de Pro­the­sen­fü­ße ten­den­zi­ell auf der Seit­schrä­ge im Ver­gleich zur Ebe­ne ab. Die detail­lier­ten Ergeb­nis­se sind Tabel­le 1 zu entnehmen.

Spe­zi­fi­sche bio­me­cha­ni­sche Parameter

Die Anpas­sun­gen des Schuhs und der Pro­the­se in der Fron­tal­ebe­ne in Abhän­gig­keit von der Seit­schrä­ge sind in Abbil­dung 3 dar­ge­stellt. Für den TSF wur­de im Ver­gleich zu den RF eine grö­ße­re und über die Stand­pha­se hin­weg gleich­blei­ben­de Anpas­sung gemes­sen. Die RF zeig­ten zu Beginn der Stand­pha­se nur eine gerin­ge Anpas­sung, die sich aller­dings im Lau­fe des Gang­zy­klus ste­tig ver­grö­ßert. Die ermit­tel­te Anpas­sung in der Mit­te der Stand­pha­se (30 % Gait Cycle) war für den TSF signi­fi­kant (p < 0.01) grö­ßer als für die RF. Die gemes­se­ne Anpas­sung des Schuhs zeig­te ähn­li­che Eigen­schaf­ten mit gerin­ge­ren Unter­schie­den zwi­schen den unter­such­ten Füßen.

Die COPml-Ver­läu­fe der RF zei­gen deut­li­che Unter­schie­de zwi­schen den ein­zel­nen Bedin­gun­gen. Im Ver­gleich zum Gehen auf der Ebe­ne wur­de der COPml für die Pro­the­sen-Berg-Situa­ti­on wei­ter late­ral und für die Pro­the­sen-Tal-Situa­ti­on wei­ter medi­al aus­ge­lenkt. Für den TSF hin­ge­gen lagen die Kur­ven eng bei­ein­an­der. Ein eben­falls eng bei­ein­an­der lie­gen­der Ver­lauf der COPml-Kur­ven wur­de auch bei einer Kon­troll­grup­pe fest­ge­stellt (Abb. 4; 8). Ein Ver­gleich zwi­schen RF und TSF zeig­te signi­fi­kan­te Unter­schie­de im COPml-Ver­lauf für alle Bedin­gun­gen (Tab. 2; Abb. 3b).

Kine­ti­sche Parameter

Mit dem TSF wur­de der pro­the­sen­sei­ti­ge EAM-Impuls des Knies beim Gehen mit der Pro­the­se auf der Tal­sei­te deut­lich redu­ziert. Beim Gehen mit der Pro­the­se auf der Berg­sei­te und in der Ebe­ne wur­den kei­ne Unter­schie­de fest­ge­stellt (Tab. 2). EKAM-Peaks zeig­ten für alle Bedin­gun­gen kei­ne Unterschiede.

Die beob­ach­te­ten GRFv zeig­ten für alle Situa­tio­nen kei­ne Unter­schie­de zwi­schen den Füßen. Es gab einen Trend zu einem erhöh­ten ers­ten Maxi­mum für die Pro­the­sen-Tal-Situa­ti­on. Ein signi­fi­kan­ter Unter­schied in der GRFml wur­de für die Pro­the­sen-Tal-Situa­ti­on (30  % GC) festgestellt.

Ergeb­nis­se der Probandenbefragung

Die Ergeb­nis­se der Pro­ban­den­be­fra­gung sind in Tabel­le 3 auf­ge­führt. Es wur­den signi­fi­kant höhe­re Bewer­tun­gen (p < 0.05) für den TSF-Fuß für fol­gen­de Kate­go­rien festgestellt:

  • wahr­ge­nom­me­ner Kom­fort beim Ste­hen sowie
  • wahr­ge­nom­me­ner Kom­fort und Sicher­heit beim Gehen in Situa­tionen, die mög­li­cher­wei­se durch die medio­la­te­ra­le Fle­xi­bi­li­tät beein­träch­tigt wer­den (ADL-Ska­la).

Alle ande­ren ADL-Sub­s­ka­len sowie ABC und PLUS‑M ten­dier­ten zwar zu höhe­ren Bewer­tun­gen bei Ver­wen­dung des TSF-Fußes, erreich­ten jedoch kei­ne sta­tis­ti­sche Signi­fi­kanz. In Bezug auf die Fuß­prä­fe­renz bevor­zug­ten acht Teil­neh­mer den TSF, drei Teil­neh­mer bevor­zug­ten einen der Refe­renz­fü­ße (1 × „Tri­ton LP“, 2 × „­Pro-Flex LP“), ein Teil­neh­mer hat­te kei­ne Präferenz.

Dis­kus­si­on

Meh­re­re Stu­di­en­ergeb­nis­se unter­stüt­zen die initia­le Annah­me, dass ein Knö­chel­mo­dul mit hoher Anpas­sungs­fä­hig­keit in der Fron­tal­ebe­ne das Fort­be­we­gen auf unebe­nem Unter­grund erleich­tert. Die aus­ge­präg­te Anpas­sung des TSF zu Beginn der Stand­pha­se erweist sich als wich­tig. Dies kor­re­liert mit den Ergeb­nis­sen von Yates 15, der bei sei­nen Ver­su­chen auf unebe­nem Unter­grund die ver­bes­ser­te Balan­ce der Pati­en­ten auf umfang­rei­che Fuß­an­pas­sun­gen in der Fron­tal­ebe­ne in der frü­hen Stand­pha­se zurück­führ­te. Im Ver­gleich zu den Refe­renz­fü­ßen adap­tiert sich der TSF bereits bei Last­über­nah­me in deut­lich grö­ße­rem Umfang an die Seit­schrä­ge und behält die Anpas­sung bis zum Ende der Stand­pha­se bei. Die Anwen­der beschrei­ben in die­sem Zusam­men­hang ein spür­bar ande­res Pro­the­sen­fuß­ver­hal­ten direkt beim Betre­ten einer Seit­schrä­ge mit einem höhe­ren Maß an emp­fun­de­ner Sicher­heit. Die Refe­renz­fü­ße hin­ge­gen adap­tie­ren sich erst mit zuneh­men­der Belas­tung des Vor­fu­ßes, sodass die maxi­ma­le Anpas­sung erst zum Ende der Stand­pha­se erreicht wird. Die Betrach­tung der Schuh­an­pas­sung zeigt ein ähn­li­ches Mus­ter mit frü­her gleich­blei­ben­der Anpas­sung beim TSF und mit gleich­mä­ßig zuneh­men­der Anpas­sung bei den RF – die Unter­schie­de in der Gesamt­an­pas­sung des Schuhs sind im Ver­gleich zur Anpas­sung des Fußes aber deut­lich gerin­ger. Hier lässt sich ursäch­lich eine Rela­tiv­be­we­gung zwi­schen Car­bon­fe­der, Fuß­hül­le und Schuh ver­mu­ten. Ent­spre­chend tra­gen Schuh und Fuß­hül­le auch immer zur Gesamt­an­pas­sung bei. Die her­kömm­lich erfass­ten Daten aus den zuvor genann­ten Stu­di­en mit auf dem Schuh plat­zier­ten Mar­kern geben genau die­se Misch­an­pas­sung wieder.

Anhand des gemes­se­nen Ver­laufs des Kraft­an­griffs­punkts ist eben­falls die dif­fe­ren­te Fuß­an­pas­sungs­fä­hig­keit in der Fron­tal­ebe­ne zu erken­nen (Abb. 3b). Hier zeigt der TSF für alle drei Gang­si­tua­tio­nen ähn­li­che Ver­läu­fe, was den Ergeb­nis­sen einer Kon­troll­grup­pe ent­spricht 16. Daher kann ange­nom­men wer­den, dass sich das „Side-Flex“-Modul ähn­lich schnell adap­tiert wie das unte­re Sprung­ge­lenk der Kon­troll­grup­pe und es dadurch nur gerin­ge Abwei­chun­gen im Kraft­an­griffs­punkt­ver­lauf zwi­schen den Situa­tio­nen „Ebe­ne“ und „Seit­schrä­ge“ gibt. Bei Betrach­tung der medio­la­te­ra­len Boden­re­ak­ti­ons­kräf­te zei­gen sich eben­falls ähn­li­che Mus­ter bei der TSF- und bei der Kon­troll­grup­pe 16. Die Refe­renz­fü­ße hin­ge­gen konn­ten sich nur ein­ge­schränkt an die Seit­schrä­ge anpas­sen. Ent­spre­chend erfolgt die Kraft­über­tra­gung haupt­säch­lich über den late­ra­len Fuß­rand (Pro­the­se berg­sei­tig) bzw. über den media­len Fuß­rand (Pro­the­se tal­sei­tig), was zu einer deut­li­chen Ver­schie­bung des gemes­se­nen Kraft­an­griffs­punk­tes wäh­rend der Schritt­ab­wick­lung führt. Es ist anzu­neh­men, dass die­se Abwei­chun­gen einen erhöh­ten Kom­pen­sa­ti­ons­auf­wand für den Pro­the­sen­trä­ger beim Gehen auf Seit­schrä­gen mit den Refe­renz­fü­ßen bedeuten.

Im Ver­gleich der Gang­si­tua­tio­nen bewer­te­ten die Pro­the­sen­trä­ger die Berg­si­tua­ti­on als die anspruchs­volls­te. Betrach­tet man hier­zu die funk­tio­nel­le Bein­län­gen­dif­fe­renz, zeigt sich, dass die Pro­the­se, wenn sie berg­sei­tig auf einer Seit­schrä­ge mit 10° bei 20 cm Schritt­wei­te steht, ca. 35 mm zu lang ist. Gemäß den Unter­su­chun­gen von Walsh und Kol­le­gen 1 erfor­dern Bein­län­gen­un­ter­schie­de von mehr als 5 mm jedoch bereits Kom­pen­sa­ti­ons­stra­te­gien. Ent­spre­chend ist auf der Ver­suchs-Seit­schrä­ge von 10° ein deut­li­cher Mehr­auf­wand zur Pro­the­sen­steue­rung zu erwar­ten. Der TSF ermög­licht in die­ser Gang­si­tua­ti­on durch die Rota­ti­on im „Side-Flex“-Modul eine effek­ti­ve Pro­the­sen­ver­kür­zung von ca. 5 mm, die hier aber nicht aus­rei­chend ist. Bei vie­len seit­li­chen Schrä­gen im All­tag, z. B. auf zum Was­ser­ab­lauf geneig­ten Fuß­we­gen, zeigt sich anhand der Befra­gun­gen jedoch, dass die­se Pro­the­sen­ver­kür­zung bei weni­ger stark geneig­ten Seit­schrä­gen aus­rei­chend bzw. vor­teil­haft sein kann. Ein Anwen­der berich­te­te, dass er bei län­ge­ren Spa­zier­gän­gen nach Mög­lich­keit die Stra­ßen­sei­te wech­se­le, um auf dem über­höh­ten Fuß­weg mit der Pro­the­se stets tal­sei­tig gehen zu kön­nen. Mit dem TSF muss­te er dar­auf nicht mehr achten.

Bei der Ana­ly­se der Fra­ge­bo­gen­er­geb­nis­se fällt auf, dass die Bewer­tun­gen aller Füße ins­ge­samt sehr gut und die Unter­schie­de zwi­schen den Füßen mini­mal sind. Hier ist zu berück­sich­ti­gen, dass es sich aus­schließ­lich um akti­ve, siche­re Anwen­der mit hoch­funk­tio­na­len Pro­the­sen han­delt, bei denen kei­ne mas­si­ven Ein­schrän­kun­gen im All­tag bestehen. Den­noch zei­gen alle Ergeb­nis­se höhe­re Bewer­tun­gen für den TSF, wovon drei Ergeb­nis­se sta­tis­ti­sche Signi­fi­kanz errei­chen. Die Autoren neh­men an, dass sich die Stei­ge­rung der wahr­ge­nom­me­nen Sicher­heit beim Gehen auf unebe­nem Unter­grund mit dem TSF durch die schnel­le, umfäng­li­che Anpas­sung und die kon­stan­ten medio­la­te­ra­len Boden­re­ak­ti­ons­kräf­te begrün­det. Ver­mut­lich ist dadurch der Steue­rungs­auf­wand der Pro­the­se gerin­ger, was sich auch posi­tiv auf den wahr­ge­nom­me­nen Schaft­kom­fort auswirkt.

Die abschlie­ßen­de Befra­gung der Stu­di­en­teil­neh­mer nach dem indi­vi­du­ell favo­ri­sier­ten Pro­the­sen­fuß am Ende der Stu­die zeig­te mit 8 von 12 eine kla­re Prä­fe­renz für den TSF. Bei den drei Pro­ban­den, die den RF prä­fe­rie­ren, sind die Ableh­nungs­grün­de gegen­über dem TSF inter­es­sant: Der Anwen­der, der den „Tri­ton LP“ prä­fe­rier­te, hat­te pro­the­sen­sei­tig ein insta­bi­les Knie­ge­lenk und konn­te sich über dem TSF nicht hin­rei­chend sta­bi­li­sie­ren. Dies stellt eine mög­li­che Kon­tra­in­di­ka­ti­on dar und bedarf wei­te­rer Unter­su­chung. Zwei Anwen­der prä­fe­rier­ten den „Pro-Flex LP“, weil das Über­rol­len als kom­for­ta­bler emp­fun­den wur­de. Der Abroll­kom­fort wird maß­geb­lich durch die Stei­fig­keit bzw. die Kate­go­rie der Car­bon­ba­sis­fe­der bestimmt. Die Gewichts­be­rei­che, die die ein­zel­nen Kate­go­rien bei den „Triton“-Prothesenfüßen abde­cken, sind ver­gleichs­wei­se groß. So kön­nen Pro­the­sen­fü­ße für Anwen­der mit einem Kör­per­ge­wicht am unte­ren Ende der Kate­go­rie steif wir­ken. Für sol­che Fäl­le kön­nen Pro­the­sen­fü­ße mit enger abge­stimm­ten Kate­go­rien, etwa das Modell „Taleo Side Flex“ (Abb. 1b), eine fle­xi­ble­re Alter­na­ti­ve sein.

Fazit

Es konn­te gezeigt wer­den, dass sich das Knö­chel­mo­dul des TSF bereits in der frü­hen Stand­pha­se umfäng­lich an Seit­schrä­gen anpasst. Die Autoren sehen die­se gegen­über den Refe­renz­fü­ßen gestei­ger­te Adap­ti­vi­tät ursäch­lich für das posi­ti­ve Anwen­der­feed­back mit Prä­fe­renz des TSF. Ent­spre­chend kann ein sol­ches Knö­chel­mo­dul zur ver­bes­ser­ten Fort­be­we­gung auf unebe­nem Unter­grund beitragen.

Inter­es­sen­kon­flikt

Fünf der Autoren sind Mit­ar­bei­ter der Fir­ma Otto­bock SE & Co. KGaA. Die unter­such­ten Pro­the­sen­fü­ße stam­men von unter­schied­li­chen Herstellern.

Für die Autoren:
Dipl.-Ing. (FH) Björn Alten­burg, OTM 
CRS – Bio­me­cha­ni­sche Forschung 
Otto Bock SE & Co. KGaA
Her­mann-Rein-Str. 2a
37075 Göt­tin­gen
Bjoern.Altenburg@ottobock.de

Begut­ach­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
Alten­burg B, Ernst M, Macie­jasz P, Schmalz T, Bra­atz F, Ger­ke H, Bell­mann M. Ein fron­tal beweg­li­ches Knö­chel­mo­dul für Pro­the­sen­fü­ße – was ist der Nut­zen für den Pati­en­ten? Ortho­pä­die Tech­nik, 2022; 73 (5): 76–82
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