Dys­pha­gie bei außer­kli­ni­schen Intensivpatienten

M.-D. Heidler
Patienten mit geblockter Trachealkanüle haben ein hohes Risiko für die Entwicklung einer Schluckstörung mit (meist stiller) Aspiration. Eine der Hauptursachen hierfür ist eine Rückbildung von Schluck- und Hustenreflex aufgrund des fehlenden laryngopharyngealen Luftstroms. Im Rahmen eines multiprofessionellen Trachealkanülenmanagements können durch Entblockung und den Aufsatz eines Sprechventils Spontanschluckrate und Sensibilität in Pharynx und Larynx durch physiologische Luftstromlenkung meist so gesteigert werden, dass Aspirationen abnehmen und Reinigungsprozeduren (Husten, Räuspern) zunehmen. Dies ist prinzipiell auch bei beatmeten Patienten in assistierten Beatmungsmodi oder in den Freiatmungsphasen bei der diskontinuierlichen Entwöhnung möglich. Eine ausreichende Sensibilität ist wiederum Voraussetzung für eine orale Ernährung, die niemals ohne vorherige apparative oder klinische Diagnostik erfolgen sollte.

Ein­lei­tung

Sprach‑, Atmungs- und Ergo­the­ra­peu­ten sind im ambu­lan­ten Bereich zuneh­mend mit Pati­en­ten kon­fron­tiert, die nach inva­si­ver Lang­zeit­be­atmung mit einer geblock­ten Tra­che­al­ka­nü­le (TK) ver­sorgt sind und unter per­sis­tie­ren­den Dys­pha­gien lei­den. Hier­bei kann es zur Pene­tra­ti­on von Spei­chel und Nah­rung (wenn die­se bis in den Kehl­kopf­ein­gang gelan­gen, jedoch ober­halb der Stimm­lip­pen ver­blei­ben) oder zur Aspi­ra­ti­on kom­men, bei der Mate­ri­al in die Luft­we­ge unter­halb der Glot­tis ein­dringt – im schlimms­ten Fall ohne Aus­lö­sung eines Hus­ten­re­fle­xes („stil­le Aspi­ra­ti­on“). Eine Aspi­ra­ti­on kann lebens­be­droh­lich sein und eine Pneu­mo­nie verursachen.

Mitt­ler­wei­le wur­den diver­se prak­ti­ka­ble Behand­lungs­pfa­de zur Schluck­therapie und zur Deka­nü­lie­rung ent­wi­ckelt [1, 2], aller­dings pri­mär für den kli­ni­schen Bereich, in dem neben einer hohen The­ra­pie­dich­te ein umfas­sen­des 24-Stun­den-Moni­to­ring des Pati­en­ten mög­lich ist. Aber auch im außer­kli­ni­schen Set­ting kann bei einer aus­rei­chend hohen The­ra­pie­fre­quenz und unter Ein­be­zug der Pfle­ge­kräf­te in das Tra­che­al­ka­nü­len­ma­nage­ment eine Deka­nü­lie­rung und Ora­li­sie­rung gelin­gen (wenn auch meist in einem etwas län­ge­ren Zeitraum).

Grün­de für das Ent­ste­hen einer Dysphagie

Schluck­stö­run­gen sind eine häu­fi­ge Kurz- und Lang­zeit­kom­pli­ka­ti­on nach inva­si­ver Beatmung und Tra­cheo­to­mie. Vor allem eine län­ger lie­gen­de geblock­te TK hat zahl­rei­che nega­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf den Schluck­pro­zess: Sie ver­mehrt die Schleim­pro­duk­ti­on und ver­hin­dert die natür­li­che Kehlkopf­hebung wäh­rend des Schlu­ckens durch Fixie­rung der Tra­chea an der Hals­haut (Anker­ef­fekt), sodass der Kehl­de­ckel wäh­rend der Schluck­reflexauslösung unter Umstän­den insuf­fi­zi­ent schließt und Spei­chel und Nah­rung dadurch leich­ter aspi­riert wer­den kön­nen 1. Die Kehl­kopf­he­bung kann dabei so stark ein­ge­schränkt wer­den, dass der obe­re Spei­se­röh­rensphink­ter nicht mehr öff­net, sodass sich Spei­chel auf­staut und in die Tra­chea über­lau­fen kann. Dane­ben ist ein phy­sio­lo­gi­scher Luft­strom durch Larynx, Pha­rynx, Nase und Mund­raum ein wich­ti­ger Anreiz zur Aus­lö­sung des Spon­t­an­schlu­ckens; fehlt die­ser Reiz auf­grund einer geblock­ten TK, sinkt die Schluck­fre­quenz rapi­de ab 2. Der feh­len­de Luft­strom führt außer­dem zu teil­wei­se mas­si­ven Sen­si­bi­li­täts­be­ein­träch­ti­gun­gen auf­grund man­geln­der Sti­mu­la­ti­on von Che­mo- und Druck­ rezep­to­ren in der Kehl­kopf­schleim­haut, sodass Schluck- und Hus­ten­re­flex sich zurück­bil­den kön­nen 3. Durch eine feh­len­de laryn­gea­le Spren­gung und einen unzu­rei­chen­den intra­tho­ra­ka­len Druck­auf­bau kann aspi­rier­tes Mate­ri­al zudem nicht effek­tiv abge­hus­tet werden.

The­ra­peu­ti­sches Dilemma

Durch die nega­ti­ven Aus­wir­kun­gen der TK auf den Schluck­pro­zess ent­steht häu­fig ein Teu­fels­kreis: Einer­seits benö­tigt der Pati­ent auf­grund sei­ner redu­zier­ten pha­ryn­go-laryn­gea­len Sen­si­bi­li­tät eine geblock­te TK, um den Tie­fer­tritt von aspi­rier­tem Mate­ri­al zu ver­min­dern, ande­rer­seits führt eine dau­er­ge­block­te TK wie­der­um zu Sen­si­bi­li­täts­stö­run­gen auf­grund des stän­di­gen Spei­chel­rei­zes auf die umge­ben­de Schleim­haut und den feh­len­den phy­sio­lo­gi­schen laryn­go-pha­ryn­gea­len Luft­strom. The­ra­peu­ten befin­den sich also in einem Dilem­ma: Zum einen soll der Pati­ent auf­grund von Aspi­ra­ti­on mög­lichst nicht ent­blockt wer­den, zum ande­ren wird sich die Sen­si­bi­li­tät ohne phy­sio­lo­gi­sche Luft­strom­len­kung nicht signi­fi­kant ver­bes­sern 4. Die­ser Kon­flikt ist letzt­lich nur zu lösen, indem The­ra­peu­ten mutig sind und unter (kal­ku­lier­tem!) Risi­ko mit kur­zen Ent­blo­ckungs­pha­sen begin­nen, da vor allem eine phy­sio­lo­gi­sche Luft­strom­len­kung durch den Kehl­kopf die Sen­si­bi­li­tät posi­tiv beein­flusst und zum Anstieg der Schluck­fre­quenz führt 2. Um den Luft­strom ent­spre­chend zu len­ken, kann ein Sprech­ven­til auf­ge­setzt wer­den, das als eine Art Rück­schlag­ven­til die Aus­at­mungs­luft in Rich­tung Larynx lenkt (Abb. 1). Durch die­ses ent­steht ein aus­rei­chend hoher sub­glot­ti­scher Druck, der eine Schlüs­sel­kom­po­nen­te des effek­ti­ven Schluck­ak­tes ist. Zahl­rei­che Stu­di­en zei­gen, dass der Auf­satz eines Sprech­ven­tils eine sofor­ti­ge posi­ti­ve Wir­kung auf die Bio­me­cha­nik des Schluck­pro­zes­ses hat und dass hier­durch schritt­wei­se das Aspi­ra­ti­ons­aus­maß ver­rin­gert wer­den kann 56.

Aller­dings kann nicht bei jedem Pati­en­ten so vor­ge­gan­gen wer­den. Kon­tra­in­di­ziert ist eine Ent­blo­ckung bei Pati­en­ten mit rezi­di­vie­ren­dem star­kem Erbre­chen, aku­tem (anti­bio­tisch behan­del­tem) pul­mo­n­a­lem Infekt, kon­ti­nu­ier­li­cher stil­ler Aspi­ra­ti­on ohne Aus­lö­sung eines reflek­to­ri­schen und/oder will­kür­li­chen Hus­ten­sto­ßes (endo­sko­pi­scher und radio­lo­gi­scher Aspi­ra­ti­ons­grad IV) und nach schwe­ren Hirn­stamm­schä­di­gun­gen, wenn nicht nur Sen­si­bi­li­täts­stö­run­gen auf­grund der dau­er­ge­block­ten TK bestehen, son­dern zudem noch neu­ro­lo­gisch beding­te laryn­go-pha­ryn­gea­le Sen­si­bi­li­täts­be­ein­träch­ti­gun­gen vor­lie­gen. Alle ande­ren Pati­en­ten kön­nen von einem klein­schrit­ti­gen Deka­nü­lie­rungs­ma­nage­ment meist gut profitieren.

Effek­ti­ves Trachealkanülenmanagement

Ers­tes The­ra­pie­ziel bei Pati­en­ten mit einer geblock­ten TK ist die Tole­ranz gegen­über zuneh­men­den Ent­blo­ckungs­zei­ten. Kurz­zei­tig ent­blockt (z. B. 10 bis 15 Minu­ten) wer­den soll­te ab Grad III der endo­sko­pi­schen Schwe­re­grad­ein­tei­lung der Aspi­ra­ti­on nach Schrö­ter- Morasch (2006), wenn bei per­ma­nen­ter Aspi­ra­ti­on ohne Hus­ten­re­flex zumin­dest ein guter will­kür­li­cher Hus­ten­stoß initi­iert wer­den kann, bzw. ab Grad III der radio­lo­gi­schen Schwe­re­grad­ein­tei­lung von Penetrationen/Aspirationen nach Han­ning (1995), wenn trotz Aspi­ra­ti­on > 10 % des Bolus ein reflek­to­ri­scher Hus­ten erfolgt 78.

Bei guter Tole­ranz und unter kon­ti­nu­ier­li­chem Moni­to­ring kön­nen die Ent­blo­ckungs­zei­ten dann schritt­wei­se aus­ge­baut wer­den. Vor­aus­set­zung für zuneh­mend län­ge­re Inter­val­le ist neben einem will­kür­li­chen und/oder erhal­te­nen reflek­to­ri­schen Hus­ten ein aus­rei­chend siche­res Abschlu­cken des Spei­chels 9. Tre­ten bei Ent­blo­ckungs­zei­ten bis zu 24 Stun­den über einen Zeit­raum von meh­re­ren Tagen kei­ne Kom­pli­ka­tio­nen (Infek­tio­nen, Atem­in­suf­fi­zi­enz etc.) auf, kann eine unge­block­te TK ein­ge­setzt wer­den, die dann wie­der­um in stei­gen­den Inter­val­len abge­stöp­selt (d. h. mit­tels eines Ver­schluss­stop­fens kom­plett ver­schlos­sen) wird. Wenn auch das Abstöp­seln ohne respi­ra­to­ri­sche Kom­pli­ka­tio­nen gut tole­riert wird, kann der Pati­ent prin­zi­pi­ell deka­nü­liert wer­den. Von Vor­teil ist, dass hier­bei auch koma­tö­se und schwer bewusst­seins­ge­stör­te Pati­en­ten von der TK ent­wöhnt wer­den kön­nen – vor­aus­ge­setzt, dass ein reflek­to­ri­scher Hus­ten­stoß aus­ge­löst wer­den kann und dass die Spon­t­an­schluck­ra­te aus­rei­chend hoch ist.

Emp­feh­lens­wert ist die Ver­wen­dung einer Kom­bi­na­ti­ons­ka­nü­le (Abb. 2a–c), die über eine gefens­ter­te und eine geschlos­se­ne Innen­ka­nü­le ver­fügt, sodass unter Blo­ckung kaum Sekret von oben durch die TK lau­fen kann (geschlos­se­ne Innen­ka­nü­le), unter Ent­blo­ckung aber eine maxi­ma­le Luft­men­ge nach oben gelan­gen kann (gefens­ter­te Innen­ka­nü­le). Auch der Umweg über eine unge­block­te TK ist bei einer Kom­bi-TK nicht zwin­gend erfor­der­lich, da die­se im ent­block­ten Zustand auch abge­stöp­selt wer­den kann. Nahe­zu jede Fir­ma hat mitt­ler­wei­le ent­spre­chen­de Kanü­len im Angebot.

Deka­nü­lie­rungs­ma­nage­ment bei beatme­ten außer­kli­ni­schen Intensivpatienten

Bei beatme­ten Pati­en­ten ist die Mög­lich­keit zur Ent­blo­ckung der TK abhän­gig vom Beatmungs­mo­dus und von der Stra­te­gie der Ent­wöh­nung („Wea­ning“).

  • Kon­trol­lier­te Beatmung: Wird ein Pati­ent kon­trol­liert beatmet, ist eine Ent­blo­ckung der TK nicht rat­sam, da der Pati­ent kei­ne selbst­stän­di­gen Atem­zü­ge tätigt. Bei Ent­blo­ckung wür­de der Atem­hub vom Beatmungs­ge­rät zwar oro­pha­ryn­ge­al ent­wei­chen, aller­dings wür­de der Pati­ent dadurch ein zu gerin­ges Luft­vo­lu­men ein­at­men, sodass eine adäqua­te Ven­ti­la­ti­on nicht gewähr­leis­tet wäre.
  • Assis­tier­te Beatmung: Hier­bei löst der Pati­ent sei­nen Atem­zug am Beatmungs­ge­rät selbst­stän­dig aus und erhält auf der Basis vor­ein­ge­stell­ter Para­me­ter (z. B. Druck­un­ter­stüt­zung bei der Ein­at­mung) Hil­fe­stel­lung vom Respi­ra­tor. In die­sem Modus kann unter Beatmung die TK ganz oder par­ti­ell ent­blockt wer­den 10. Fakul­ta­tiv kann ein an das Schlauch­sys­tem adap­tier­ba­res Sprech­ven­til auf­ge­setzt wer­den – bspw. ein Passy-Muir®-Sprechventil, das zwi­schen TK und Beatmungs­schlauch plat­ziert wird 11. In bei­den Fäl­len muss jedoch gewähr­leis­tet sein, dass die Beatmung wei­ter­hin den indi­vi­du­el­len Bedürf­nis­sen des Pati­en­ten ent­spricht. Oft müs­sen hier­zu diver­se Gerä­te­pa­ra­me­ter erhöht und die Lecka­ge-Alarm­gren­zen redu­ziert wer­den. Die Anpas­sung der Para­me­ter und die Ent­schei­dung dar­über, ob ein beatme­ter Pati­ent ent­blockt wer­den kann oder nicht, soll­te grund­sätz­lich vom zustän­di­gen Arzt getrof­fen werden.
  • Kon­ti­nu­ier­li­ches Wea­ning: Hier­bei wird der maschi­nel­le Atem­an­teil kon­ti­nu­ier­lich redu­ziert und der Anteil der Spon­tan­at­mung ent­spre­chend erhöht, d. h., die I­nvasivität der Beatmung wird schritt­wei­se ver­rin­gert. Da der Pati­ent bis zum Beatmungs­en­de nicht vom Gerät dis­kon­nek­tiert wird, ist ein Ent­blo­cken mit Sprechventil­aufsatz nur ein­ge­schränkt mög­lich. Bei wachen Pati­en­ten kann unter Anpas­sung ver­schie­de­ner Para­me­ter und Alarm­ein­stel­lun­gen am Respi­ra­tor im assis­tier­ten Beatmungs­mo­dus ein Passy-Muir®-Sprechventil an das Beatmungs­sys­tem ange­schlos­sen werden.
  • Dis­kon­ti­nu­ier­li­ches Wea­ning: Die Ent­wöh­nung besteht hier aus Pha­sen der assis­tier­ten maschi­nel­len Beatmung und Pha­sen der Spon­tan­at­mung ohne Beatmungs­ge­rät (Frei­at­mungs­pha­sen). Der Pati­ent wird zuneh­mend län­ger in eine Frei­at­mung über­führt, in der prin­zi­pi­ell (in Abhän­gig­keit von der aktu­el­len medi­zi­ni­schen Situa­ti­on) mit dem Ent­blo­cken der TK begon­nen wer­den kann. Wich­tig ist hier­bei ein umfang­rei­ches Wis­sen über Abbruch­kri­te­ri­en, sodass respi­ra­to­risch kri­ti­sche Situa­tio­nen rasch erkannt wer­den – z. B. Unru­he, Tachy­kar­die, Agi­tiert­heit, Kalt­schwei­ßig­keit, Angst, vege­ta­ti­ver Stress, Zya­no­se, eine Stei­ge­rung der Atem­fre­quenz > 35/min, eine insuf­fi­zi­en­te Atmung (Sau­er­stoff-Abfall > 10 %, Tac­hyp­noe, Dys­pnoe), ein erhöh­ter Ein­satz der Atem­hilfs­mus­ku­la­tur und/oder ein Anstieg der Herz­fre­quenz um mehr als 30 % des Aus­gangs­wer­tes 12. Zeigt der Pati­ent Sym­pto­me einer respi­ra­to­ri­schen Insuf­fi­zi­enz, müs­sen The­ra­peu­ten das Not­fall­ma­nage­ment beherr­schen und den Pati­en­ten wie­der an das Beatmungs­ge­rät anschlie­ßen können.

Kann ein Pati­ent nicht von der Beatmung ent­wöhnt wer­den, hängt die wei­te­re The­ra­pie von der aktu­el­len Beatmungs­si­tua­ti­on ab, d. h., wie inva­siv die Beatmung ist und ob Frei­at­mungs­pha­sen mög­lich sind. Inner­halb die­ser kann geprüft wer­den, ob eine Ent­blo­ckung mit Sprech­ven­til mög­lich ist – zum einen, um ver­ba­le Kom­mu­ni­ka­ti­on zu ermög­li­chen und die Sen­si­bi­li­tät durch phy­sio­lo­gi­sche Luft­strom­len­kung zu ver­bes­sern, zum ande­ren, um eine ora­le Ernäh­rung dia­gnos­tisch abklä­ren und unter wei­test­ge­hend phy­sio­lo­gi­schen Bedin­gun­gen erfol­gen las­sen zu kön­nen. Ist eine Ent­blo­ckung nicht mög­lich, gibt es seit gerau­mer Zeit eine TK, mit der ein Pati­ent auch unter Beatmung und Blo­ckung pho­nie­ren kann, und zwar mit­tels eines in die Innen­ka­nü­le inte­grier­ten Sprech­ven­tils (Blom® Tra­cheo­sto­my Tube Sys­tem von Pul­mo­dy­ne®). Aller­dings ist die Pass­form der TK (hin­sicht­lich Län­ge, Krüm­mung und Posi­ti­on der Fens­te­rung) nicht für jeden Pati­en­ten opti­mal geeignet.

Ora­li­sie­rung von außer­kli­ni­schen Intensivpatienten

Da alle Pati­en­ten nach län­ger lie­gen­der geblock­ter TK auf­grund der sich dar­aus mög­li­cher­wei­se ent­wi­ckeln­den Sen­si­bi­li­täts­min­de­rung ein sehr hohes Risi­ko für eine Dys­pha­gie haben, soll­te vor einer ora­len Nah­rungs­ga­be unbe­dingt eine appa­ra­ti­ve (fiber­op­ti­sche endo­sko­pi­sche Eva­lua­ti­on) oder kli­ni­sche Schluck­dia­gnos­tik (Spei­chel- und/oder Bolus­fär­be­test) erfol­gen 13. Eine ora­le Nah­rungs­ga­be ohne vor­he­ri­ge Eva­lua­ti­on des Schluck­ver­mö­gens ist grob fahr­läs­sig und kann zu Pneu­mo­nien füh­ren (Abb. 3 sowie 4a u. b).

Gene­rell soll­te mit einer Ora­li­sie­rung erst dann begon­nen wer­den, wenn ein Pati­ent aus­rei­chend wach und kogni­tiv unbe­ein­träch­tigt ist, reflek­to­risch und/ oder will­kür­lich abhus­ten kann, kei­ne aku­ten pul­mo­n­a­len Kom­pli­ka­tio­nen bzw. Infek­te bestehen und die TK ent­blockt wer­den kann. Auf eine Nah­rungs­ga­be bei geblock­ter TK soll­te wenn mög­lich ver­zich­tet wer­den, da unter Blo­ckung Aspi­ra­ti­on nicht unmit­tel­bar bemerkt wird, aspi­rier­tes Mate­ri­al nicht abge­hus­tet wer­den kann und der Pati­ent unter Umstän­den häu­fi­ger abge­saugt wer­den muss, wodurch unnö­ti­ge Mikro­lä­sio­nen gesetzt wer­den, ohne dass das gesam­te Aspi­rat ent­fernt wer­den kann 14. Eine dau­er­ge­block­te TK ist jedoch prin­zi­pi­ell kei­ne abso­lu­te Kon­tra­in­di­ka­ti­on gegen eine ora­le Nah­rungs­auf­nah­me: Kann ein Pati­ent auf­grund respi­ra­to­ri­scher Pro­ble­me nicht vom Beatmungs­ge­rät dis­kon­nek­tiert oder ent­blockt wer­den, ist jedoch wach, kogni­tiv unbe­ein­träch­tigt und aspi­riert nicht, kann er durch­aus ora­li­siert wer­den. Vor­aus­set­zung hier­für ist jedoch eine appa­ra­ti­ve oder kli­ni­sche Schluck­dia­gnos­tik vor der ora­len Nahrungsgabe.

Schluss­fol­ge­run­gen

Um die Kurz- und Lang­zeit­kom­pli­ka­tio­nen einer geblock­ten TK mög­lichst gering zu hal­ten, soll­te ein Deka­nü­lie­rungs­ma­nage­ment mög­lichst zügig begon­nen wer­den. Ent­schei­dend für die Wie­der­erlan­gung einer hin­rei­chen­den Sen­si­bi­li­tät in Larynx und Tra­chea sowie einer aus­rei­chend hohen Spon­t­an­schluck­ra­te ist ein Luft­strom­sti­mu­lus, der durch Ent­blo­ckung und Auf­satz eines Sprech­ven­tils in Rich­tung Kehl­kopf gelenkt wird. Selbst­ver­ständ­lich darf dabei nicht leicht­sin­nig vor­ge­gan­gen wer­den; mög­li­che nega­ti­ve Kon­se­quen­zen bei einem zu for­schen Tra­che­al­ka­nü­len­ma­nage­ment (z. B. eine Pneu­mo­nie) sind unter kon­ti­nu­ier­li­chem Moni­to­ring jedoch ver­meid­bar. Vor­aus­set­zung für ein effek­ti­ves Deka­nü­lie­rungs­ma­nage­ment ist, dass alle Berufs­grup­pen (The­ra­peu­ten, Pfle­ge, Arzt) invol­viert sind. Als Pro­ze­de­re für den außer­kli­ni­schen Bereich emp­fiehlt sich ein schritt­wei­se län­ge­res Ent­blo­cken der TK (z. B. begin­nend mit 15 Minu­ten täg­lich über eine Woche, bei guter Tole­ranz 30 Minu­ten täg­lich, dann 2 Stun­den usw.) ab Aspi­ra­ti­ons­grad III der radio­lo­gi­schen und endo­sko­pi­schen Schwe­re­grad­ein­tei­lung mit Hin­nah­me eines gewis­sen Aspi­ra­ti­ons­ri­si­kos. Die­ses besteht aller­dings so oder so: Stu­di­en zei­gen, dass auch eine kor­rekt geblock­te TK nicht sicher vor Aspi­ra­ti­on schützt 15. Da also immer Aspi­ra­ti­ons­ge­fahr besteht, spricht wenig gegen eine kurz­zei­ti­ge Ent­blo­ckung der TK, zumal der Pati­ent erst dann effek­tiv abhus­ten und aspi­rier­tes Sekret abge­saugt wer­den kann, wel­ches sich über dem Cuff ange­sam­melt hat.

Sprach‑, Atmungs- und Ergo­the­ra­peu­ten haben ein gro­ßes Spek­trum an Optio­nen bei außer­kli­nisch inva­siv beatme­ten oder gewean­ten tra­cheo­to­mier­ten Pati­en­ten. Die­se rei­chen von der Ent­blo­ckung der TK in den Frei­ atmungs­pha­sen beim dis­kon­ti­nu­ier­li­chen Wea­ning, der Ent­blo­ckung unter Beatmung und dem Ein­satz spe­zi­fi­scher Medi­zin­pro­duk­te für beatme­te Pati­en­ten (Passy-Muir®-Sprechventil, Blom® Tra­cheo­sto­my Tube Sys­tem) über Dys­pha­gie­dia­gnos­tik (appa­ra­tiv, kli­nisch) und die Ent­schei­dung zur Ora­li­sie­rung bis hin zur Erleich­te­rung bzw. Ermög­li­chung von Kommunikation.

Fazit für die Praxis

Alle Pati­en­ten mit geblock­ter TK haben ein hohes Risi­ko für eine Schluck­stö­rung mit meist stil­ler Aspi­ra­ti­on, da sich auf­grund des feh­len­den Luft­stroms Schluck- und Hus­ten­re­flex durch man­geln­de Sti­mu­la­ti­on von Che­mo- und Druck­re­zep­to­ren der Kehl­kopf­schleim­haut abschwä­chen 16. Ent­schei­dend für die Wie­der­erlan­gung der Sen­si­bi­li­tät in Larynx und Pha­rynx sowie einer aus­rei­chend hohen Spon­t­an­schluck­ra­te ist daher ein Luft­strom­sti­mu­lus. Auch bei stil­ler Aspi­ra­ti­on und ver­min­der­tem Hus­ten­stoß soll­te daher die TK (wenn zunächst auch nur kurz) ent­blockt wer­den, da eine spon­ta­ne Rück­bil­dung der Sen­si­bi­li­täts­stö­rung bei dau­er­ge­block­ter TK nicht zu erwar­ten ist 17. Selbst­ver­ständ­lich darf dabei nicht leicht­sin­nig vor­ge­gan­gen wer­den; mög­li­che nega­ti­ve Kon­se­quen­zen bei einem zu raschen Tra­che­al­ka­nü­len­ma­nage­ment (z. B. eine Pneu­mo­nie) sind jedoch unter eng­ma­schi­gem Moni­to­ring und mul­ti­pro­fes­sio­nel­ler Team­ar­beit vermeidbar.

Die Autorin:
Dr. phil. Maria-Doro­thea Heidler
Bran­den­burg­kli­nik
Neu­ro­lo­gi­sches Rehabilitationszentrum
(NRZ-N1)
Johann-Strauß-Str. 4, 16321 Bernau
heidler@brandenburgklinik.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

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