Druck­ent­las­tung beim dia­be­ti­schen Fuß­syn­drom: Vor­stel­lung der aktu­el­len Leit­li­nie der Inter­na­tio­nal Working Group on the Dia­be­tic Foot (IWGDF)

K. Zink, J. Stumpf, T. Haak
Das diabetische Fußsyndrom (DFS) ist eine chronische, nicht heilbare Erkrankung mit einer jährlichen Rezidivrate [vgl. Apelqvist J, Larsson J, Agardh CD. Long-term prognosis for diabetic patients with foot ulcers. Journal of Internal Medicine, 1993; 233 (6): 485–491 und Armstrong DG, Boulton AJ, Bus SA. Diabetic foot ulcers and their recurrence. New England Journal of Medicine, 2017; 376 (24): 2367–2375] von 40 % und nach drei Jahren von 65 %. Bei den betroffenen Patienten hat die Neuropathie als Grunderkrankung ein extremes Ausmaß erreicht und zum vollständigen Verlust der protektiven Sensibilität („Loss of Protective Sensation“, LOPS) der Füße geführt. Hinzu kommen motorische Störungen mit muskulären Dys- und Imbalancen, die zu plantaren Druckerhöhungen an der Fußsohle [Crawford F et al. A systematic review and individual patient data meta-analysis of prognostic factors for foot ulceration in people with diabetes: the international research collaboration for the prediction of diabetic foot ulcerations (PODUS). Health Technology Assessment, 2015; 19 (75): 1–210] und zu Deformitäten führen. Die Schädigung des Gewebes erfolgt durch immer wieder auf den Fuß einwirkende repetitive Traumata durch diese Druckerhöhungen. Die autonome Polyneuropathie verringert die Schweißsekretion und erhöht dadurch Verletzlichkeit und Brüchigkeit der Hornschicht der Fußsohle. Bei etwa der Hälfte der betroffenen Patienten liegt begleitend eine periphere arterielle Verschlusskrankheit („pAVK“) vor, die die Abheilung der entstandenen Wunden verzögert oder sogar unmöglich macht. Daher muss diese wie auch ein Charcot-Fuß ebenfalls überwacht und ggf. auch therapiert werden. Diese vielfältigen Probleme zeigen, dass das diabetische Fußsyndrom nur im interdisziplinären Team suffizient zu behandeln ist [Blume P, Wu S. Updating the Diabetic Foot Treatment Algorithm: Recommendations on Treatment Using Advanced Medicine and Therapies. Wounds, 2018; 30 (2): 29–35 ]. Der Artikel stellt geeignete Maßnahmen zur Druckentlastung auf der Grundlage der aktuellen Leitlinie der International Working Group on the Diabetic Foot (IWGDF) vor und konzentriert sich auf überwiegend neuropathische und nicht infizierte Fußwunden.

Ein­lei­tung

Um die Abhei­lung eines dia­be­ti­schen Fuß­syn­droms zu errei­chen, ist die The­ra­pie einer vor­lie­gen­den Durch­blu­tungs­stö­rung durch revas­ku­la­ri­sie­ren­de Maß­nah­men vor­dring­lich. Eben­so wich­tig ist das Aus­schal­ten der repe­ti­ti­ven Trau­ma­ti­sie­rung des Gewe­bes durch eine suf­fi­zi­en­te ­Druck­ent­las­tung. Im Gegen­satz zu einem erlit­te­nen Trau­ma bei erhal­te­ner Sen­si­bi­li­tät, damit ver­bun­de­nen Schmer­zen und einer dar­aus resul­tie­ren­den Scho­nung wird ein Pati­ent mit Sen­si­bi­li­täts­ver­lust häu­fig nicht von sich aus eine Scho­nung ein­hal­ten, wes­halb sich die Mit­ar­beit der Pati­en­ten unter Umstän­den als schwie­rig erweist.

Die Schuh­ver­sor­gung von Pati­en­ten mit dia­be­ti­schem Fuß­syn­drom ist in Deutsch­land seit dem Jahr 2006 über eine Risi­koklas­sen­ein­tei­lung (Tab. 1) gere­gelt, die auch in der aktu­el­len Pra­xis­emp­feh­lung der Deut­schen Dia­be­tes Gesell­schaft (DDG)1ver­an­kert ist.

Risi­koklas­seErläu­te­rungRegel­ver­sor­gung
0Dia­be­tes mel­li­tus ohne PNP/pAVKAuf­klä­rung und Beratungfuß­ge­rech­te Konfektionsschuhe
Iwie 0, mit Fußdeformitäthöhe­res Risi­ko bei spä­te­rem Auf­tre­ten einer PNP/pAVKortho­pä­die­schuh­tech­ni­sche Ver­sor­gung auf­grund ortho­pä­di­scher Indikation
IIDia­be­tes mel­li­tus mit Sen­si­bi­li­täts­ver­lust durch PNP/relevante pAVKPNP mit Sen­si­bi­li­täts­ver­lust, pAVKSpe­zi­al­schuh für Dia­be­tes mit her­aus­nehm­ba­rer kon­fek­tio­nier­ter Weich­pols­ter­soh­le, ggf. mit orth. Schuhzurichtung
IIIZ. n. plant­arem Ulkusdeut­lich erhöh­tes Ulkus­re­zi­div­ri­si­ko gegen­über Gr. IISpe­zi­al­schuh für Dia­be­tes i. d. R. mit dia­be­tes­ad­ap­tier­ter Fuß­bet­tung, ggf. mit orth. Schuhzurichtung
IVwie II mit Defor­mi­tä­ten bzw. Dysproportionennicht nach kon­fek­tio­nier­tem Leis­ten zu versorgenorth. Maß­schu­he mit DAF
Vdia­be­ti­sche Neu­roos­teo­ar­th­ro­pa­thie (DNOAP, San­ders-Typ II–V, LEVIN-Sta­di­um III)Orthe­sen i. d. R bei DNOAP San­ders-Typ IV–V oder bei star­ker Lotabweichungknö­chel­über­grei­fen­de orth. Maß­schu­he mit DAF, Innen­schu­he, Orthesen
VIwie II mit Fußteilamputationmin­des­tens trans­me­ta­tar­sa­le Ampu­ta­ti­on, auch als inne­re AmputationVer­sor­gung wie IV plus Prothesen
VIIaku­te Läsion/floride DNOAPstets als tem­po­rä­re VersorgungEnt­las­tungs­schu­he, Ver­bands­schu­he, Inte­rims­schu­he, Orthe­sen, Voll­kon­takt­gips (TCC) ggf. mit DAF und orth. Zurichtungen

Tab. 1 Schuh­ver­sor­gung und Risi­koklas­sen beim dia­be­ti­schen Fuß­syn­drom und ana­lo­gen Neu­ro-Angio-Arth­ro­pa­thien. (Quel­le: Deut­sche Dia­be­tes Gesellschaft)

 

Die betrof­fe­nen Pati­en­ten erhal­ten bei sach­ge­rech­ter Ver­sor­gung wäh­rend ihres „akti­ven“ DFS eine Inte­rims­ver­sor­gung aus der Risi­koklas­se VII. Deren Ver­sor­gung wur­de im Jahr 2019 von der IWGDF neu aus­ge­ar­bei­tet, sodass auch die deut­sche Risi­koklas­sen­ein­tei­lung vor allem der Grup­pe VII der­zeit (Stand: März 2023) über­ar­bei­tet wird (Abb. 1). Im Fol­gen­den wird die Ver­sor­gung von Pati­en­ten mit akti­vem dia­be­ti­schem Fuß­syn­drom nach den Emp­feh­lun­gen die­ser Leit­li­nie2vor­ge­stellt.

Der Leit­li­nie liegt mit dem GRA­DE-Sys­tem (Gra­ding of Recom­men­da­ti­ons, Assess­ment, Deve­lo­p­ment and Eva­lua­ti­on) eine Metho­do­lo­gie zugrun­de, die auf kli­ni­schen Fra­gen im PICO-For­mat (PICO = Pati­ent, Inter­ven­ti­on, Com­pa­ri­son, Out­co­me bzw. Pati­ent, Inter­ven­ti­on, Ver­gleich, Ergeb­nis) beruht. Dabei han­delt es sich um Fra­gen, die nur mit Ja oder Nein beant­wor­tet wer­den kön­nen. Zudem wur­den sys­te­ma­ti­sche Über­sichts­ar­bei­ten aus­ge­wer­tet und die ver­füg­ba­re Evi­denz beur­teilt. Dar­aus wur­den ent­spre­chen­de Emp­feh­lun­gen abge­lei­tet und begrün­det. Im Fol­gen­den ste­hen die Aspek­te der Eig­nung nicht abnehm­ba­rer Ent­las­tungs­or­the­sen, des Unter­schieds zwi­schen einem TCC (Total Cont­act Cast) und einer nicht abnehm­ba­ren Fertig­orthese und der Eig­nung abnehm­ba­rer Ent­las­tungs­or­the­sen jeweils bei Pati­en­ten mit plant­arem dia­be­ti­schen Fußul­kus (DFU) im Vordergrund.

Die Ent­las­tung von Fer­senul­zer­a­tio­nen ist deut­lich schwie­ri­ger und schlech­ter mit Lite­ra­tur belegt. Bes­te kli­ni­sche Erfah­run­gen haben die Autoren per­sön­lich mit zwei­scha­li­gen Ent­las­tungs­or­the­sen, wenn die Pati­en­ten noch sehr mobil sind. Bei weni­ger mobi­len Pati­en­ten wer­den nur soge­nann­te Heel-Caps (klei­ner und nur den Fuß umfas­sen­de Soft­cast mit Pols­te­rung im Ulkus­be­reich) angefertigt.

Eig­nung nicht abnehm­ba­rer Entlastungsorthesen

Fra­ge­stel­lung

Die ers­te Fra­ge­stel­lung bzgl. geeig­ne­ter Druck­ent­las­tungs­maß­nah­men in der Leit­li­nie lautet:

„Sind bei Pati­en­ten mit plant­arem dia­be­ti­schem Fußul­kus nicht abnehm­ba­re Ent­las­tungs­maß­nah­men im Ver­gleich zu abnehm­ba­ren Ent­las­tungs­maß­nah­men geeig­net, ein dia­be­ti­sches Fußul­kus zu heilen?“

Emp­feh­lung der Leitlinie

Bei Men­schen mit Dia­be­tes, die an einem neu­ro­pa­thi­schen plantaren Vor­fuß- oder Mit­tel­fußul­kus lei­den, soll­te eine nicht abnehm­ba­re knie­ho­he Ent­las­tungs­or­the­se mit ange­pass­ter Fuß­bet­tung als Ent­las­tungs­be­hand­lung ers­ter Wahl ver­wen­det wer­den, um die Abhei­lung des Ulkus zu för­dern (GRA­DE-Emp­feh­lungs­stär­ke: stark; Evi­denz­qua­li­tät: hoch).

Begrün­dung

Die Hilfs­mit­tel, die hier in Fra­ge kom­men, sind ein Voll­kon­takt­gips (TCC) und knie­ho­he Fer­tig­or­the­sen. Die Nicht-Abnehm­bar­keit wird erreicht, indem die­se Hilfs­mit­tel mit einem Kle­be­band mit Signa­tur, einem Kabel­bin­der oder einer Cast­bin­de ver­schlos­sen wer­den, damit der Pati­ent die­se nur im Not­fall öff­nen kann (Abb. 2). Dies setzt aller­dings vor­aus, dass die Wun­de ein Exsu­da­ti­ons­sta­di­um erreicht hat und dass ein moder­ner Wund­ver­band das anfal­len­de Exsu­dat auf­neh­men und fest­hal­ten kann; die Tra­ge­zeit muss dar­an ange­passt wer­den. Bei schwach sezer­nie­ren­den Wun­den ist ein Wech­sel­in­ter­vall von einer Woche mög­lich. Damit Spit­zen­drü­cke in den Fer­tig­or­the­sen im Ulkus­be­reich aus­rei­chend redu­ziert wer­den kön­nen, soll­te ein modu­la­res Ein­la­gen­sys­tem in die­se Hilfs­mit­tel inte­griert sein oder eine indi­vi­du­el­le Fuß­bet­tung hier­für kon­stru­iert wer­den. Das zei­gen die Erfah­run­gen der Autoren aus dem Versorgungsalltag.

Die Vor­tei­le die­ser Hilfs­mit­tel lie­gen auf der Hand: Durch die feh­len­de Abnehm­bar­keit wer­den eine maxi­ma­le The­ra­pie­treue und eine opti­ma­le Druckum­ver­tei­lung auf den Unter­schen­kel und den gesam­ten Fuß erreicht. Dies ist durch ent­spre­chen­de Stu­di­en belegt, die alle eine höhe­re Abheil­wahr­schein­lich­keit und schnel­le­re Abheil­ge­schwin­dig­kei­ten zei­gen3.

Unter­schied zwi­schen TCC und nicht abnehm­ba­rer Fertigorthese

Die zwei­te Fra­ge­stel­lung lautet:

„Kön­nen bei Men­schen mit plantaren Fuß­wun­den ‚Total Cont­act Casts‘ (TCC) im Ver­gleich zu ande­ren nicht abnehm­ba­ren knie­ho­hen Ent­las­tungs­or­the­sen die Hei­lung der DFU bewirken?“

Die Autoren gelan­gen in die­sem Zusam­men­hang zu dem Schluss, dass hier kein Unter­schied besteht. Die Ent­schei­dung für einen TCC oder einen nicht abnehm­ba­ren knie­ho­hen Wal­ker soll­te sich daher nach der Ver­füg­bar­keit von Orthe­se bzw. Mate­ri­al (d. h. den Res­sour­cen), nach den Fähig­kei­ten der Behand­ler, nach den Vor­lie­ben des Pati­en­ten und nach dem Aus­maß der vor­han­de­nen Fuß­de­for­mi­tät (d. h. bei einem stark defor­mier­ten Fuß eher ein TCC) rich­ten (GRA­DE-Emp­feh­lungs­stär­ke: stark; Evi­denz­qua­li­tät: moderat).

Eig­nung abnehm­ba­rer Entlastungsorthesen

Die drit­te von der Leit­li­nie zu beant­wor­ten­de Fra­ge­stel­lung lautet:

„Sind bei Pati­en­ten mit plantaren DFU abnehm­ba­re knie­ho­he Ent­las­tungs­or­the­sen im Ver­gleich zu ande­ren abnehm­ba­ren Ent­las­tungs­or­the­sen geeig­net, dia­be­ti­sche plant­are Ulzer­a­tio­nen zu heilen?“

Emp­feh­lung

Wenn nicht abnehm­ba­re Hilfs­mit­tel nicht tole­riert wer­den oder kon­tra­in­di­ziert sind, sol­len als Mit­tel der 2. Wahl abnehm­ba­re Hilfs­mit­tel benutzt und die Pati­en­ten zu einer mög­lichst lan­gen Tra­ge­zeit moti­viert wer­den. Dies führt aller­dings laut IWGDF-Leit­li­nie im kli­ni­schen All­tag zu deut­lich län­ge­ren Abheil­zei­ten, da die dafür not­wen­di­ge Moti­va­ti­on und Ein­sicht der Pati­en­ten oft nicht gege­ben ist (GRA­DE-Emp­feh­lungs­stär­ke: schwach; Evi­denz­qua­li­tät: niedrig).

Wer­den knie­ho­he Ent­las­tungs­maß­nah­men nicht tole­riert, schlägt die Leit­li­nie als Dritt­li­ni­en-Ent­las­tungs­maß­nah­me die Benut­zung knö­chel­ho­her Ent­las­tungs­hilfs­mit­tel vor. Für die­se Hilfs­mit­tel fin­den sich aller­dings kei­ne Stu­di­en bzgl. der Abheil­ra­ten und ‑geschwin­dig­kei­ten (GRA­DE-Emp­feh­lungs­stär­ke: stark; Evi­denz­qua­li­tät: niedrig).

Die Fra­ge, ob ande­re kon­ven­tio­nel­le oder Stan­dard-The­ra­pie­schu­he geeig­net sind, Druck­ge­schwü­re abhei­len zu las­sen, wird in der Leit­li­nie klar ver­neint. Es exis­tie­ren den Autoren der Leit­li­nie zufol­ge kei­ne Stu­di­en, in denen sol­che Schu­he mit dem The­ra­pie­ziel der Abhei­lung benutzt wur­den. In Ver­gleichs­stu­di­en 4 mit ande­ren Ent­las­tungs­maß­nah­men waren die­se Schu­he unterlegen.

Auch klas­si­sche Vor­fuß­ent­las­tungs­schu­he sind unge­eig­net: Die gerin­ge Auf­tritts­flä­che sorgt bei Pati­en­ten mit Sen­si­bi­li­täts­ver­lust für eine ent­spre­chen­de Gang­un­si­cher­heit. Bei ganz­soh­li­gen Vor­fuß­ent­las­tungs­schu­hen rol­len die­se Pati­en­ten zwar nor­mal ab, tre­ten aber mit der Soh­le trotz­dem im Vor­fuß­be­reich auf. Hal­be Ent­las­tungs­schu­he ver­ur­sa­chen erheb­li­che Druck­spit­zen im Mit­tel­fuß­be­reich, die zu neu­en Wun­den oder zu Frak­tu­ren der Mit­tel­fuß­kno­chen und zur Ent­wick­lung eines Char­cot-Fußes füh­ren kön­nen (GRA­DE-Emp­feh­lungs­stär­ke: stark; Evi­denz­qua­li­tät: moderat).

Wei­te­re Druck­ent­las­tungs­maß­nah­men neben Schu­hen und Orthesen

„Abfil­zen“ der Fußsohle

In die­sem Zusam­men­hang wird das soge­nann­te Abfil­zen der Fuß­soh­le in Betracht gezo­gen. Dabei wer­den Filz­plat­ten so an der Fuß­soh­le ver­klebt, dass nor­ma­ler­wei­se nicht belas­te­te Fuß­zo­nen in die Belas­tungs­zo­ne gelan­gen. Hin­ter dem Ulkus erfolgt eine geziel­te leich­te Anhe­bung der Fuß­struk­tu­ren und der Ulkus­be­reich wird aus­ge­spart5 (GRA­DE-Emp­feh­lungs­stär­ke: schwach; Evi­denz­qua­li­tät: niedrig).

Im kli­ni­schen All­tag funk­tio­niert dies sehr gut, vor allem im Zusam­men­spiel mit abnehm­ba­ren Hilfs­mit­teln. Die abge­filz­te Fuß­soh­le erfährt, wenn das eigent­li­che Hilfs­mit­tel nicht getra­gen wird, dann deut­lich mehr Ent­las­tung als ohne Abfil­zen. Pro­ble­ma­tisch ist ledig­lich das Anbrin­gen der Filz­plat­ten im All­tag; ins­be­son­de­re wenn Ange­hö­ri­ge dies nicht durch­füh­ren kön­nen, da ambu­lan­te Pfle­ge­diens­te hier­zu häu­fig nicht die erfor­der­li­che Zeit auf­brin­gen kön­nen5.

Chir­ur­gi­sche Maßnahmen

Bei Ver­sa­gen der Hilfs­mit­tel soll­ten immer auch chir­ur­gi­sche Maß­nah­men in Betracht bezo­gen wer­den, um die bio­me­cha­ni­schen Hin­der­nis­se der Abhei­lung zu besei­ti­gen. So kann etwa bei plantaren Mit­tel­fußul­zer­a­tio­nen eine Achil­les­seh­nen­ver­län­ge­rung zur Druck­re­duk­ti­on füh­ren. Auch die Resek­ti­on der Mit­tel­fuß­köpf­chen kann in Erwä­gung gezo­gen wer­den, wobei dies sehr oft zu Trans­fe­rul­zer­a­tio­nen führt. Bes­ser sind daher Ein­grif­fe wie Osteo­to­mien und Gelenk-Arthro­plas­ti­ken, die nur zu einer gewis­sen und nicht kom­plet­ten Druck­re­duk­ti­on füh­ren (GRA­DE-Emp­feh­lungs­stär­ke: schwach; Evi­denz­qua­li­tät: niedrig).

Auch Seh­nen­trans­fer­ope­ra­tio­nen oder die Durch­tren­nung der dista­len Beu­ge­seh­nen bei Kral­len­ze­hen sind sehr effek­tiv und von anhal­ten­dem Effekt (GRA­DE-Emp­feh­lungs­stär­ke: schwach; Evi­denz­qua­li­tät: niedrig).

Emp­foh­len wer­den die­se Maß­nah­men vor allem bei feh­len­der Abhei­lung der plantaren Läsio­nen trotz des Tra­gens eines hoch­schaf­ti­gen und nicht abnehm­ba­ren Hilfs­mit­tels. Hier scheint der erhöh­te inne­re Druck trotz effek­ti­ver Ent­las­tungs­maß­nah­me so hoch zu blei­ben, dass eine Abhei­lung ausbleibt.

Dies ver­deut­licht wie­der­um, wes­halb es wich­tig ist, die bei einem DFS ange­wen­de­ten Hilfs­mit­tel nicht abnehm­bar zu machen. Denn nur so kann geklärt wer­den, ob ledig­lich die Tra­ge­com­pli­ance für die Abhei­lung nicht aus­reicht oder ob der zu hohe inne­re Druck dafür ver­ant­wort­lich ist.

Fazit

Bei neu­ro­pa­thi­schen plantaren und nicht infi­zier­ten Ulzer­a­tio­nen zeigt die­ser Aus­schnitt der Leit­li­nie der IWGDF den Algo­rith­mus auf, wie die­se Wun­den idea­ler­wei­se ent­las­tet wer­den soll­ten. Als effek­tivs­te und am bes­ten eva­lu­ier­te Ent­las­tungs­maß­nah­me stell­ten sich die hoch­schaf­ti­gen und nicht abnehm­ba­ren Hilfs­mit­tel wie der TCC oder Fertig­orthesen dar. Wer­den die Hilfs­mit­tel abnehm­bar gemacht oder nied­ri­ger, wird die Abheil­dau­er offen­sicht­lich län­ger. Ande­re dar­ge­stell­te Maß­nah­men wie Ver­bands­schu­he und Ent­las­tungs­schu­he oder das Abfil­zen der Fuß­soh­le haben einen nied­ri­gen Emp­feh­lungs­grad und eine schlech­te­re Evidenz.

Bei zusätz­li­cher mil­der Ischä­mie oder mil­der Infek­ti­on gilt der glei­che Algo­rith­mus. Soll­te bei­des gleich­zei­tig vor­lie­gen, soll­ten die Hilfs­mit­tel abnehm­bar blei­ben. Bei höher­gra­di­ge­ren Sta­di­en der Ischä­mie oder Infek­ti­on müs­sen die­se vor­ran­gig the­ra­piert werden.

Für die Autoren:
Dr. med. Karl Zink

Fach­arzt für Allgemeinmedizin
Ober­arzt
Dia­be­tes-Kli­nik Bad Mergentheim
Theo­dor-Klotz­bü­cher-Stra­ße 12
97980 Bad Mergentheim
zink@diabetes-zentrum.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
Zink K, Stumpf J, Haak T. Druck­ent­las­tung beim dia­be­ti­schen Fuß­syn­drom. Vor­stel­lung der aktu­el­len Leit­li­nie der Inter­na­tio­nal Working Group on the Dia­be­tic Foot (IWGDF). Ortho­pä­die Tech­nik, 2023; 74 (5): 44–48

 

  1. Mor­bach S et al. Dia­be­ti­sches Fuß­syn­drom. DDG Pra­xis­emp­feh­lun­gen. Die Dia­be­to­lo­gie, 2021; 16 (2): S362–S372
  2. Bus SA et al. Inter­na­tio­nal Working Group on the Dia­be­tic Foot (IWGDF). Gui­de­lines on off­loa­ding foot ulcers in per­sons with dia­be­tes (IWGDF 2019 update). Dia­be­tes Meta­bo­lism Rese­arch and Reviews, 2020; 36 (1): e3274 
  3. Arm­strong DG et al. Eva­lua­ti­on of remo­va­ble and irre­mo­va­ble cast wal­kers in the heal­ing of dia­be­tic foot wounds: a ran­do­mi­zed con­trol­led tri­al. Dia­be­tes Care, 2005; 28 (3): 551–554
  4. Moro­na JK et al. Com­pa­ri­son of the cli­ni­cal effec­ti­ve­ness of dif­fe­rent off­loa­ding devices for the tre­at­ment of neu­ro­pa­thic foot ulcers in pati­ents with dia­be­tes: a sys­te­ma­tic review and meta-ana­ly­sis. Diabetes/Metabolism Rese­arch and Reviews, 2013; 29 (3): 183–193
  5. Zim­ny S, Schatz H, Pfohl U. The effects of appli­ed fel­ted foam on wound heal­ing and heal­ing times in the the­ra­py of neu­ro­pa­thic dia­be­tic foot ulcers. Dia­be­tic Medi­ci­ne, 2003; 20 (8): 622–625
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