Die E‑Health-App funktioniert laut Firmenangaben in drei Schritten: Während der Behandlung der Wunde erfolgt eine einfache und intuitive Eingabe der zu dokumentierenden Informationen (Abmaße der Wunde, Klassifikation, etc.) in die App. Im zweiten Schritt ergänzt die im Hintergrund arbeitende Künstliche Intelligenz (KI) die eingegebenen Daten mit Handlungsempfehlungen auf der Grundlage des vom Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege herausgegebenen „Expertenstandards Pflege von Menschen mit chronischen Wunden“. Das KI-System lernt beständig hinzu und hinterlegt die Informationen in der App. Der dritte und letzte Schritt wird wiederum von den Pflegenden ausgeführt. Sie überprüfen die automatischen Ableitungen bzw. Empfehlungen der KI, übernehmen sie, können sie aber auch ablehnen.
„Alle Daten können über Schnittstellen an bestehende Dokumentationssysteme angebunden werden“, erklärt Michael Aleithe. „Dadurch spart unsere App bis zu 70 Prozent der auf die Datenerfassung verwendeten Zeit der Pflegeprofis, die ja seit Ausbruch der Corona-Pandemie noch viel mehr unter Druck stehen.“ Auf die App lasse sich ebenfalls offline zugreifen, wie der Ingenieur für Systemdesign betont: „Schließlich betreuen die Profis viele Patient:innen im ländlichen Raum, wo es kein oder nur ein unzuverlässiges Netz gibt.“
All-in-one-App in Arbeit
Starteten die beiden Sciendis-Gründer Ende 2019 nur zu zweit, hat das Unternehmen inzwischen 15 Mitarbeiter:innen. Neben einem stark ausgebauten Vertrieb entwickelt das Team die App weiter. Derzeit verhandelt das Start-up beispielsweise mit Herstellern von Wundverbänden, um deren Angebote in die App integrieren zu können. Des Weiteren sei geplant, die Anwendung um die Bereiche Dekubitusprophylaxe und chronische Schmerzen zu erweitern.
„Wir wollen den Pflegeprofis mit Wundera ein komplettes Wundmanagementsystem zur Verfügung stellen – ein All-in-one-Produkt“, so Aleithe. Dazu gehöre die Anbindung an die Telematikinfrastruktur (TI) des Bundes, die künftig alle Beteiligten im Gesundheitswesen miteinander vernetzen soll, ob Ärzt:innen, Therapeut:innen, Apotheker:innen, Krankenkassen, Kliniken oder die Hilfsmittelbranche. „Dabei wollen wir unserer Linie treu bleiben: Die Anwendung soll einfach sowie intuitiv zu bedienen sein“, sagt der Ingenieur für Systemdesign. „Weil das nicht immer mit den komplexen Vorgaben der TI korrespondiert, wird die Anbindung noch einige Zeit dauern.“
Die Kosten für das B2B-Produkt müssen Wundmanager:innen bzw. ihre Arbeitgeber:innen selber tragen. Dank des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes (PpSG) unterstützt die Pflegeversicherung die Investitionen ambulanter oder stationärer Pflegeeinrichtungen in die Digitalisierung allerdings mit einer einmaligen 40-prozentigen Kofinanzierung für die Anschaffung der entsprechenden technischen Ausrüstung.
Dringender Handlungsbedarf
„Seit der Corona-Pandemie ist in die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland Bewegung gekommen“, kommentiert Aleithe die jüngsten Entwicklungen. „Da geht aber noch mehr! Ich erhoffe mir mehr Unterstützung insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen beim Aufbau schneller, schlanker und passgenauer digitaler Lösungen.“ So stelle das Krankenhauszukunftsgesetz eine gute Unterstützung bei der Digitalisierung großer Häuser bzw. Player dar. „Bei ambulanten Diensten oder Homecare-Unternehmen fehlen aber die Personalressourcen oder die Finanzkraft, um davon zu profitieren. Hier sehe ich dringenden Handlungsbedarf seitens der Politik.“
Ruth Justen