Der Sound der Paralympics

Die Party geht weiter. So fühlt es sich zumindest zum Auftakt der Paralympischen Spiele beim Rollstuhl-Basketball zwischen den Männer-Teams von Deutschland und Großbritannien an – Elektroklänge aus den riesigen Boxen, eine Lichtshow sowie feiernde Fans.

Beson­ders laut­stark: Die Anhän­ger von Team D, die schon beim gemein­sa­men Ein­marsch in die Hal­le mit Sprech­chö­ren die deut­sche Aus­wahl fei­er­ten. Der Sup­port zau­ber­te den Ath­le­ten ein Lächeln ins Gesicht und sorg­te bestimmt schon vor dem Tip-off für eine Gän­se­haut. Unter den Augen von Bun­des­prä­si­dent Frank-Wal­ter Stein­mei­er, der in der aus­ver­kauf­ten Ber­cy-Are­na neben DBS-Prä­si­dent Fried­helm Juli­us Beu­cher Platz nahm, gab es für die deut­sche Aus­wahl einen Start nach Wunsch: Mit 2:0 hat­te das Team von Bun­des­trai­ner Micha­el Engel zunächst die Nase vorn. Es soll­te aber die ein­zi­ge Füh­rung für die Män­ner in den schwar­zen Tri­kots blei­ben. Denn wäh­rend Groß­bri­tan­ni­en – vor allem in Per­son von Gregg War­bur­ton – zuver­läs­sig den Ball im Korb ver­senk­te, schei­ter­ten die deut­schen Spie­ler mit ihren Ver­su­chen. Die Kon­se­quenz: Aus 2:0 wur­de bin­nen sie­ben Spiel­mi­nu­ten ein 4:14. Trotz Time-out von Engel und Per­so­nal­wech­sel änder­te sich nichts an der Domi­nanz der Bri­ten. Nach dem ers­ten Pau­sen­pfiff stand es 8:18. Durch­schnau­fen auf Sei­ten des deut­schen Teams, das dann deut­lich bes­ser in Schwung kam. Vor allem Mat­thi­as Günt­ner führ­te mit sei­nem Scoring sei­ne Far­ben her­an – 13 Punk­te erziel­te er in der ers­ten Hälf­te. Zwi­schen­zeit­lich schmolz der bri­ti­sche Vor­sprung auf fünf Zäh­ler, zur Pau­se lag Team GB mit 32:25 vorn. Nach dem Sei­ten­wech­sel ent­wi­ckel­te sich ein offe­nes Spiel mit Punk­ten auf bei­den Sei­ten. Die deut­sche Aus­wahl schaff­te es vor allem, die Zone unter dem Korb deut­lich bes­ser zu atta­ckie­ren und sam­mel­te ein­fa­che Punk­te ein. Beim Stand von 44:40 – also vier Zäh­ler Rück­stand – bekam Tops­corer Günt­ner zwei Frei­wür­fe zuge­spro­chen. Doch kei­ner der bei­den Ver­su­che lan­de­te im Ziel – eine ver­ta­ne Chan­ce. Groß­bri­tan­ni­en wur­de wie­der mehr varia­bel im Angriff und nutz­te mit Lee Man­ning unter dem Korb die Grö­ßen­vor­tei­le aus, um zu ein­fa­chen Zäh­lern zu kom­men. Bin­nen weni­ger Minu­ten stell­ten die Bri­ten dank 10:0‑Lauf von 46:42 auf 56:42 und spiel­ten sich so den ent­schei­den­den Vor­sprung her­aus. Team D muss­te in der Fol­ge nun schnel­ler abschlie­ßen und fand nicht immer die bes­te Wurf­po­si­ti­on – logi­sche Kon­se­quenz war, dass der Ball nicht durch die Maschen fiel, son­dern auf dem Ring tanz­te und wie­der raus­sprang. Auf der Gegen­sei­te war War­bur­ton wei­ter­hin ziel­si­cher – 24 Punk­te machen ihn zum Tops­corer des Spiels – und warf den Ball immer wie­der aus guter Halb­feld­po­si­ti­on in den Korb. Am Ende rotier­te der Head­coach Engel, gab allen Spie­lern Ein­satz­mi­nu­ten im Ange­sicht der siche­ren Nie­der­la­ge. Nach dem Spiel traf dann Bun­des­trai­ner auf Bun­des­prä­si­dent, denn Stein­mei­er besuch­te die deut­sche Aus­wahl am Ran­de des Spielfelds.

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Rasant ging es auch beim Bahn­rad­fah­ren im Velo­dro­me Saint-Quen­tin en Yve­li­nes zu. Ers­ter Start nach der Ankunft, ers­ter Welt­re­kord. Das bri­ti­sche Duo Bate/Latham fuhr 4.000 Meter mit einer Durch­schnitts­ge­schwin­dig­keit von 58,783 km/h und deklas­sier­te die mit ihnen gestar­te­ten Nie­der­län­der ter Schure/Fransen, als sie sie zwei Run­den vor Schluss über­hol­ten. Die Nie­der­län­der fuh­ren zu die­sem Zeit­punkt die zweit­schnells­te Zeit im gesam­ten Feld und muss­ten sich der bri­ti­schen Domi­nanz unter­ord­nen. Doch kei­ne fünf Minu­ten spä­ter war der Welt­re­kord wie­der pul­ve­ri­siert. Mit 59,367 km/h hol­ten sich die Nie­der­län­der Bangmat/Bos die neue Best­zeit. Und wäh­rend beim Roll­stuhl-Bas­ket­ball vor allem zwei Natio­nen ihre Teams anfeu­er­ten, ging es im und um das Oval der Bahn­rad­fah­rer deut­lich inter­na­tio­na­ler zu. Fans aus Ita­li­en, Groß­bri­tan­ni­en, den Nie­der­lan­den und Gast­ge­ber­land Frank­reich sowie ein­zel­ne klei­ne Fan­grup­pen fei­er­ten, wie im Rad­sport üblich, eine gemein­sa­me Par­ty, die vor allem durch Fair­ness und Aner­ken­nung geprägt war. Für die her­aus­ra­gen­den Leis­tun­gen erhob sich das gesam­te Publi­kum, sofern es das konn­te, und zoll­te den Athlet:innen Respekt. Die deut­schen Starter:innen waren auch mit­ten­drin im Kampf um para­lym­pi­sches Edel­me­tall. Pierre Sen­s­ka unter­lag in der Dis­zi­plin 3.000-m-Verfolgung das Ren­nen um Bron­ze gegen den Spa­ni­er Ricar­do ten Argi­les. Im rein chi­ne­si­schen Fina­le been­de­te Zhan­gyu Li das Ren­nen vor­zei­tig, als er sei­nen Lands­mann nach gut zwei Minu­ten bereits ein­ge­holt hat­te und sich damit Gold in der Ver­fol­gung sicher­te. Mai­ke Haus­ber­ger ver­pass­te eben­falls in der 3.000-Meter-Verfolgung das Trepp­chen. Nach einem tol­len Start stei­ger­te sich ihre Kon­kur­ren­tin Flu­ri­na Rig­ling aus der Schweiz in der zwei­ten Renn­hälf­te kon­ti­nu­ier­lich und münz­te einen fast Zwei-Sekun­den-Rück­stand in einen Vor­sprung von zwei Sekun­den um. Gold ging an Xiao­mei Wang, die ihre bri­ti­sche Final­geg­ne­rin Daph­ne Schra­ger fast noch überrundete.

Wenn Roll­stuhl-Bas­ket­ball Elek­tro­sound und Bahn­rad­fah­ren Pop­mu­sik war, dann ist Roll­stuhl-Rug­by Hea­vy Metal – und das sogar im dop­pel­ten Sinn! Roll­stüh­le knal­len in Höchst­ge­schwin­dig­keit auf­ein­an­der, Rei­fen plat­zen spek­ta­ku­lär und die Hal­le steht kopf. Vor allem in einer Rug­by-Nati­on wie Frank­reich, in der Rug­by einen ähn­li­chen Stel­len­wert wie Fuß­ball hat, ist die Hal­le bis zum letz­ten Platz gefüllt, wenn der Gast­ge­ber auf dem Feld ist. Por­träts der Spie­le­rin­nen und Spie­ler wer­den in der Grö­ße von Auto­rei­fen in die Höhe gestreckt und als vom Heim­team der Sieg­tref­fer zum 53:51 gegen die däni­sche Aus­wahl erzielt wur­de, da beb­te die Are­na. Die Zuschauer:innen in der Hal­le fie­ber­ten mit, durch­leb­ten Schreck­se­kun­den und fei­er­ten lei­den­schaft­lich die Punk­te. Das änder­te sich ein wenig mit der zwei­ten Par­tie zwi­schen Deutsch­land und Japan, da vie­le fran­zö­si­sche Fans den Heim­weg antra­ten, aber den­noch herrsch­te eine gute Stim­mung bei einer über wei­te Stre­cken ein­sei­ti­gen Par­tie. Das japa­ni­sche Team kam immer wie­der zu ein­fa­chen Punk­ten und führ­te vor allem im zwei­ten von vier Abschnit­ten deut­lich mit mehr als sechs Toren. Auch wenn das deut­sche Team immer wie­der selbst zu Punk­ten kam, häu­fig gelang es der japa­ni­schen Aus­wahl, im direk­ten Gegen­zug den alten Abstand wie­der her­zu­stel­len. Trotz der dro­hen­den Nie­der­la­ge hör­te man immer wie­der „Deutsch­land, Deutschland“-Rufe durch das Rund der eigens für die olym­pi­schen und para­lym­pi­schen Spie­le errich­te­ten Are­na unweit des Eif­fel­turms. Am Ende wur­de es ein 44:55 aus Sicht der deut­schen Sportler:innen, die aber mit der erfolg­rei­chen Qua­li­fi­ka­ti­on bereits ihr Soll erfüllt haben und jetzt als Außen­sei­ter in einer Grup­pe mit USA und Kana­da – die USA schlug zum Auf­takt den nörd­li­chen Nach­barn mit 51:48 – für die Kür sorgen.

Aus Paris berich­tet Hei­ko Cordes.

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