Der Ein­satz addi­ti­ver Fer­ti­gungs­ver­fah­ren (3‑D-Druck) in der Ver­sor­gung von Sko­lio­se­pa­ti­en­ten — Ein Erfahrungsbericht

A. Würsching, S. Bulat-Würsching
SOSORT zufolge wird die Skoliose als dreidimensionale Verformung der Wirbelsäule definiert; dementsprechend sollte auch die Korrektur in allen drei Ebenen erfolgen. Kombiniert man diesen Grundansatz mit der additiven Fertigungstechnik und einer adäquaten Physiotherapie, erhält man eine dreifache dreidimensionale Skoliosetherapie. Die Verfasser bezeichnen dieses System als „3DScolioTM“. Der Artikel beschreibt die technischen Voraussetzungen und vermittelt einen Überblick über die Arbeitsschritte. Neben Versorgungsbeispielen werden auch die wirtschaftlichen Eckdaten vorgestellt. Abschließend wird die Effektivität der 3-D-Drucktechnik in der Skoliosetherapie beurteilt.

Seit 2014 beschäf­tigt sich eine eige­ne Ent­wick­lungs­ab­tei­lung mit addi­ti­ven Fer­ti­gungs­ver­fah­ren. Ziel ist es, Kor­set­te für die Sko­lio­se­the­ra­pie mit Hil­fe der 3‑D-Druck­tech­nik her­zu­stel­len. Ange­sichts der hohen Anschaf­fungs- und Her­stel­lungs­kos­ten beim SLS-Ver­fah­ren (SLS = Sel­ec­ti­ve Laser Sin­te­ring) fiel die Ent­schei­dung zuguns­ten des FDM-Ver­fah­rens (FDM = Fused Depo­sit Molding).

Anzei­ge

Ein­lei­tung

Wäh­rend mit dem Scan­nen und der CAD/­CAM-Tech­nik die berüh­rungs­lo­se Pati­en­ten­ver­mes­sung schon lan­ge in den Werk­stät­ten imple­men­tiert wor­den ist, erfolgt die Fer­ti­gung der Kor­set­te immer noch unver­än­dert durch ther­mo­plas­ti­sches Umman­teln bzw. Tief­zie­hen unter Zuhil­fe­nah­me von Vaku­um­tech­ni­ken. Hier­bei ent­ste­hen durch die Fer­ti­gungs­tech­nik ca. 30 % Ver­schnitt, dazu das Gips- oder PU-Modell. Ver­schnitt und Model­le sind nach der Fer­ti­gung kom­plett zu ent­sor­gen. Der anfal­len­de Abfall bei der Her­stel­lung der Model­le (Gips­ras­pel oder Fräs­staub und Ras­pel aus der CNC-Frä­se) ver­ur­sacht einen Groß­teil der Rei­ni­gungs­ar­bei­ten und bil­det einen wach­sen­den Kos­ten­fak­tor beim Ent­sor­gen. Nicht zu unter­schät­zen ist auch die kör­per­li­che Belas­tung beim Bear­bei­ten der Gips­rumpf­mo­del­le. Auch bei beruf­li­cher Rou­ti­ne und opti­mier­ter Arbeits­platz­kon­fi­gu­ra­ti­on ist ein Leis­tungs­li­mit des aus­füh­ren­den Tech­ni­kers vor­her­seh­bar. Über die Gesamt­span­ne der Lebens­ar­beits­zeit führt die­ser Pro­zess zu deut­li­chen Gelenk­be­las­tun­gen, ver­ur­sacht ver­mehr­te Per­so­nal­kos­ten durch Krank­heits­aus­fäl­le und min­dert die Arbeits­zu­frie­den­heit der Ausführenden.

Dies war die Aus­gangs­si­tua­ti­on, als im Unter­neh­men der Ver­fas­ser im Früh­jahr 2014 mit den ers­ten Pla­nun­gen für die 3‑D-Druck­tech­nik begon­nen wur­de. Sowohl die hohen Mate­ri­al­kos­ten als auch die beträcht­li­chen Anschaf­fungs­kos­ten spra­chen gegen das Laser­sin­ter­ver­fah­ren (SLS = Sel­ec­ti­ve Laser Sin­te­ring) 1. Jedoch erga­ben Tests mit dem FDM-Ver­fah­ren (FDM = Fused Depo­sit Mol­ding) viel­ver­spre­chen­de Resul­ta­te. Ziel war es, öko­no­misch ren­ta­bel und per­so­nal­res­sour­cen­scho­nend luft­durch­läs­si­ge, ästhe­tisch anspre­chen­de Hilfs­mit­tel her­zu­stel­len. Der Hit­ze­stau zwi­schen Haut und Kor­sett, der in den meis­ten Fäl­len zu ver­stärk­ter Schweiß­bil­dung führt, soll­te mini­miert werden.

Ent­wick­lungs­ab­lauf

In einem Drei-Stu­fen-Plan wur­de das Pro­jekt umge­setzt. Dabei wur­den die ers­ten zwei Stu­fen par­al­lel ent­wi­ckelt und bil­de­ten sodann beim Zusam­men­füh­ren die drit­te Stufe.

Stu­fe 1: Datenbearbeitung

Nach­dem der Pati­ent gescannt (Rodin4D) und die Kor­rek­tur des Rumpf­mo­del­les am Bild­schirm abge­schlos­sen ist, wird aus dem vir­tu­el­len Modell ein digi­ta­les Kor­sett kon­stru­iert und berech­net (Abb. 1). Dazu wird das Modell mit unter­schied­li­chen Dicken ver­se­hen, wodurch die bei­den Ziel­va­ria­blen (the­ra­peu­tisch not­wen­di­ge Kor­sett­sta­bi­li­tät einer­seits und Tra­ge­kom­fort ande­rer­seits) opti­miert wer­den, um so die Gesamt­mas­se des Kor­setts zu redu­zie­ren. Zudem wer­den Per­fo­ra­tio­nen und Öff­nun­gen kon­stru­iert. Die­ser Arbeits­schritt ist am zeit­in­ten­sivs­ten und erfor­dert einen geüb­ten CAD-Tech­ni­ker. Am Ende die­ser ers­ten Arbeits­stu­fe kann der Daten­satz zum Dru­cken vor­be­rei­tet werden.

Stu­fe 2a: Druckvorbereitung

Im fol­gen­den Schritt wird das Kor­sett je nach Dru­cker­grö­ße ein­tei­lig belas­sen oder in zwei Tei­le geglie­dert, ähn­lich einem Stag­na­ra-Kor­sett, des­sen Tei­le durch Schar­nie­re mit­ein­an­der ver­bun­den sind (Abb. 2). Die­se Tren­nung war not­wen­dig, da zunächst noch kein der Kor­sett­grö­ße ent­spre­chen­der Dru­cker zur Ver­fü­gung stand. Mitt­ler­wei­le wird aus­schließ­lich mit einem Dru­cker gear­bei­tet, der ein kom­plet­tes Sko­lio­se­kor­sett in einem Stück dru­cken kann. Abschlie­ßend wird das fer­tig ent­wor­fe­ne Kor­sett von einer wei­te­ren Soft­ware zum Dru­cken auf­ge­schlüs­selt und in eine für den Dru­cker ver­ständ­li­che Spra­che übersetzt.

Der letz­te Pro­gram­mier­schritt ent­fällt auf die Aus­rich­tung und Anord­nung der Sup­port­struk­tur. Dies wird oft­mals als fer­ti­ge Pro­gram­mie­rung ange­bo­ten, hat sich aber zumeist als nicht brauch­bar erwie­sen: Zum einen müs­sen die zu dru­cken­den Kor­sett­struk­tu­ren an jeder Stel­le auf sta­bi­len und vibra­ti­ons­ar­men Sup­port­struk­tu­ren auf­bau­en, zum ande­ren sind die­se Struk­tu­ren hin­ter­her zu ent­fer­nen und soll­ten daher so wenig wie mög­lich ein­ge­setzt wer­den (Abb. 3–6). Auch Mate­ri­al­be­darf und Druck­zeit wer­den bei so gro­ßen Druck­tei­len von der Sup­port­struk­tur beein­flusst. Hier spielt erneut der Dru­cker­typ eine Rol­le, da zu Beginn mehr Sup­port­struk­tu­ren gedruckt wer­den, bis dann in höhe­ren Schich­ten die Kor­sett­an­tei­le über­wie­gen. Jedoch ent­schei­den gera­de die fes­te Haf­tung des Werk­stücks auf der Druck­plat­te und die siche­re Zufüh­rung der Fila­men­te in die­ser Anfangs­pha­se über den Erfolg des 3‑D-Drucks. Die Per­fo­ra­ti­on zu erhö­hen oder die Per­fo­ra­ti­ons­lö­cher in einer belie­bi­gen Form zu gestal­ten erscheint zwar als opti­sche Berei­che­rung der Kor­sett­ge­stal­tung, jedoch bie­tet die 3‑D-Druck­tech­nik viel kom­ple­xe­re Mög­lich­kei­ten der Funk­ti­ons­stei­ge­rung. Die­se kön­nen aller­dings nicht mit den stan­dar­di­sier­ten und sehr ver­ein­fach­ten Pro­gram­men erzielt wer­den, auch wenn die­se leich­ter zu bedie­nen sind.

Das Ziel sind Kor­sett­kon­struk­tio­nen, die all­täg­li­che Pro­ble­me lösen: Druck­stel­len im Spin­a­be­reich, Abrieb durch Klei­dung an pro­mi­nen­ten Kor­sett­tei­len, unge­eig­ne­te Ober­flä­chen­ge­stal­tung. Das Hilfs­mit­tel soll zudem dünn, leicht und luft­durch­läs­sig sein. In Bezug auf Pelot­ten bzw. Kor­rek­tur­be­rei­che im Kor­sett wird der­zeit an ver­schie­de­nen Lösun­gen gear­bei­tet, die sich schnell und ohne gro­ßen Arbeits- und Zeit­auf­wand nach­pas­sen las­sen, soll­te der Kor­rek­tur­druck erhöht wer­den müs­sen (Abb. 7).

Par­al­lel dazu wird den Wün­schen der meist jun­gen Pati­en­ten nach­ge­kom­men, die der Auf­fas­sung sind, dass Kor­set­te anders aus­se­hen dür­fen als gewohnt. Denn solan­ge Kor­set­te wei­ter wie Kor­set­te aus­se­hen und die The­ra­pie­treue vom Selbst­wert­ge­fühl der Pati­en­ten ent­schei­dend abhängt, so lan­ge wird es wich­tig sein, dass das Selbst­bild mit einem Hilfs­mit­tel auf- und nicht abge­wer­tet wird 2. Mit den Wor­ten einer Pati­en­tin (13 Jah­re): „Das Kor­sett sieht so gut aus, das tra­ge ich über mei­nem T‑Shirt. Das sol­len die ande­ren sehen!“ (Abb. 8a u. b)

Stu­fe 2b: Druck­tech­nik und Druckmaterialien

Zur Aus­wahl eines geeig­ne­ten Dru­ckers wur­de zunächst ein Anfor­de­rungs­pro­fil erstellt. Dabei stand ins­be­son­de­re der nutz­ba­re Bau­raum im Vor­der­grund; zudem soll­ten sich mög­lichst vie­le Mate­ria­li­en dru­cken las­sen. Schließ­lich war über Typ und Zahl der Druck­köp­fe zu ent­schei­den. Zu Beginn wur­de ein weit­ge­hend stan­dar­di­sier­ter Desk­top-Dru­cker ver­wen­det (23 × 23 cm Druck­flä­che), der jedoch über einen sehr hohen Bau­raum (60 cm) ver­füg­te. Nach eini­gen weni­gen Modi­fi­ka­tio­nen an der Fila­m­entzu­füh­rung konn­ten die ers­ten Test­läu­fe posi­tiv abge­schlos­sen werden.

Kom­ple­xer gestal­te­te sich die Suche nach einem befrie­di­gen­den Druck­ma­te­ri­al: Zum einen unter­schei­den sich die Mate­ria­li­en von Her­stel­ler zu Her­stel­ler, auch bei über­ein­stim­men­den Bezeich­nun­gen. Zum ande­ren wirkt sich eine Ver­än­de­rung des Ober­flä­chen­de­signs unmit­tel­bar auf die Sta­bi­li­tät des gedruck­ten Objek­tes aus, das heißt, ohne die Kor­sett­form zu ver­än­dern, erhält man mit Mate­ri­al A ein sehr star­res, fast schon brü­chi­ges Druck­ergeb­nis, wäh­rend sich Mate­ri­al B als federnd und PE-ähn­lich erweist, aber beim Dru­cker zu Fehl­stel­len führt. Der­zeit wer­den ver­schie­de­ne PLA- (Poly­l­ac­tic Acid) und PET-Fila­men­te (Poly­ethy­len­te­re­phtha­lat) ver­wen­det; die­se haben sich bis­lang als bes­ter Kom­pro­miss erwiesen.

Neben den Eigen­schaf­ten im gedruck­ten Bau­teil (steif/stabil und gleich­zei­tig ver­win­dungs­elas­tisch) bezüg­lich des Öff­nens und Schlie­ßens des Kor­setts spielt auch das Ver­hal­ten des Mate­ri­als beim Dru­cken eine wich­ti­ge Rol­le. Oft zei­gen die Mate­ria­li­en ein gelun­ge­nes Anfangs­druck­bild, um jedoch nach 24 oder 36 Stun­den Druck­zeit das soge­nann­te Hot-End zu ver­stop­fen, oder die Haf­tung zwi­schen den ein­zel­nen Schich­ten ist nicht opti­mal und zeigt Fehl­stel­len. Bei den der­zei­ti­gen Druck­zei­ten zwi­schen 48 und bis zu 77 Stun­den müs­sen alle Fak­to­ren durch­gän­gig auf­ein­an­der abge­stimmt sein.

Ein letz­ter wich­ti­ger Aspekt ist die bio­lo­gi­sche Ver­träg­lich­keit; daher wur­den von Anfang an mög­lichst leicht recy­cel- oder kom­pos­tier­ba­re Mate­ria­li­en ver­wen­det. Sowohl Ver­träg­lich­keit für den Pati­en­ten als auch Unbe­denk­lich­keit beim Ver- und Bear­bei­ten müs­sen gewähr­leis­tet sein. Was den Haut­kon­takt betrifft, gibt es bis­lang kei­ne nega­ti­ven Erfah­run­gen – weder bei den Pati­en­ten noch beim Tech­ni­ker (etwa beim Schlei­fen oder nach­träg­li­chen Erwär­men) kam es bis­her zu Reak­tio­nen oder Auf­fäl­lig­kei­ten. Aller­dings sind Tech­nik und Mate­ria­li­en noch zu neu, um hier­über lang­fris­ti­ge und siche­re Aus­sa­gen tref­fen zu können.

Auf zwei Fak­to­ren soll­te jedoch bei der Mate­ri­al­aus­wahl geach­tet wer­den: Zum einen soll­ten nur sty­ren­ar­me oder ‑freie Mate­ria­li­en ver­wen­det wer­den, da die­se Stof­fe durch die lan­gen Schmelz­pha­sen frei wer­den; sie ste­hen im Ver­dacht, krebs­aus­lö­send zu sein. Haupt­säch­lich bei der Ver­wen­dung von ABS-und SLA-Har­zen kom­men die­se Stof­fe vor. Zu PLA lie­gen noch kei­ne Daten vor bzw. es konn­te dies­be­züg­lich nichts nach­ge­wie­sen wer­den. Dazu kommt noch die Staub­emis­si­on durch den Abrieb beim För­dern des Fila­men­tes; auch hier­bei soll­te z.  B. auf bau­tech­ni­sche Lösun­gen geach­tet wer­den, die die Par­ti­kel­frei­ga­be mini­mie­ren oder dafür sor­gen, dass sie nicht unmit­tel­bar in die Raum­luft abge­ge­ben wer­den. Erfor­der­nis­se im Hin­blick auf Zu- und Abluft sowie Luft­fil­ter­tech­nik müs­sen im Ein­zel­nen geklärt wer­den, da star­ke Tem­pe­ra­tur- und Luft­feuch­tig­keits­schwan­kun­gen den Druck beein­flus­sen bzw. evtl. durch die Druck­steue­rung aus­ge­gli­chen wer­den müs­sen. Hier­bei bestehen auch die größ­ten Unter­schie­de zwi­schen den Dru­ckern und ihren Kos­ten. Zwar kann man einen 3‑D-Dru­cker­bau­satz güns­tig in fast jedem Bau­markt erwer­ben und mit etwas Geduld sogar Kor­set­te damit her­stel­len, jedoch gelan­gen gera­de klei­ne­re Desk­top-Dru­cker dabei schnell an ihre Leis­tungs­gren­zen, was zu über­mä­ßi­gem Ver­schleiß und ner­ven­auf­rei­ben­den Repa­ra­tu­ren führt. Grö­ße­re Dru­cker soll­ten vor allem dem Dau­er­ein­satz stand­hal­ten; zudem soll­ten ihre Ver­schleiß­tei­le leicht zugäng­lich sein. Ins­ge­samt ist die 3‑D-Druck­tech­nik noch zu neu, um schon jetzt Plug-and-Play-Lösun­gen für die Ortho­pä­die-Tech­nik zu erwarten.

Stu­fe 3: Ein­füh­rung und Implementierung

Ers­te Ver­sor­gun­gen von Pati­en­ten mit gedruck­ten Kor­set­ten erfolg­ten im Som­mer 2015. Die Com­pli­ance ist hoch, da es sich dabei um leich­te und luft­durch­läs­si­ge Kon­struk­tio­nen han­delt. Ver­glei­chen­de Stu­di­en zur Tra­ge­zeit wur­den bis­lang nicht unter­nom­men, jedoch wer­den die Kor­set­te mitt­ler­wei­le mit dem Orthot­imer-Sys­tem aus­ge­stat­tet, das eine hohe Aus­sa­ge­kraft bezüg­lich Tra­ge­zei­ten und The­ra­pie­treue der Pati­en­ten hat. Die bis­he­ri­gen Resul­ta­te und Ver­sor­gungs­er­geb­nis­se sind so über­zeu­gend, dass das ent­wi­ckel­te Kor­sett- und Ver­sor­gungs­ver­fah­ren die geschütz­te Bezeich­nung „3DScolioTM“ erhielt. Ange­sichts der Gips- und Modell­frei­heit des Ver­fah­rens war es bereits mög­lich, Kol­le­gen aus Nach­bar­län­dern die­se Art von Kor­set­ten für ihre Pati­en­ten anzubieten.

Aktu­el­ler Pro­zess und Arbeitsaufwand

Der Ablauf einer Kor­sett­ver­sor­gung stellt sich der­zeit wie folgt dar:

  • Scan­nen des Pati­en­ten mit Hil­fe eines M4D-Scanners;
  • Ver­mes­sen der Kno­chen­struk­tur nach Vor­la­ge eines Röntgenbefundes;
  • Bear­bei­tung mit dem Pro­gramm Rodin4D nach den Kor­rek­tur­mus­tern von Chê­neau und Rigo, noch im Pro­gramm wer­den die Schnitt­li­ni­en erstellt;
  • Wei­ter­ga­be an die CAD/­CAM-Abtei­lung zur Oberflächengestaltung;
  • Aus­rich­ten der fle­xi­blen Area­le, Defi­ni­ti­on ver­stei­fen­der Pro­fi­le 3;
  • Aus­rich­tung und Ver­tei­lung der Sup­port­struk­tu­ren (ins­ge­samt ca. 8 bis 10 Stun­den Arbeits­zeit am PC);
  • Wei­ter­lei­tung des Kor­setts an den Dru­cker (Druck­zei­ten der­zeit zwi­schen 48 und 56 Stun­den pro Korsett);
  • Säu­bern und Polie­ren des Kor­setts (ca. 45 bis 60 Minuten);
  • Anpro­be am Pati­en­ten (wenig zeit­auf­wen­dig, da not­wen­di­ge Ver­än­de­run­gen recht schnell durch leich­tes Erwär­men und manu­el­les Bie­gen vor­ge­nom­men wer­den können).

Zeit­auf­wand

Ver­glei­che zwi­schen ver­schie­de­nen Arbeits­me­tho­den sind immer unge­nau, da jede Metho­de bestimm­te Werk­zeu­ge und Maschi­nen erfor­dert und auch die jewei­li­ge Arbeits­struk­tur der Fir­ma eine wich­ti­ge Rol­le spielt. Den­noch sei hier ein rei­ner Arbeits­zeit-Auf­wand-Ver­gleich ange­fügt: Die bil­ligs­te Metho­de wird wei­ter­hin die auf Gips­ab­druck und Gips­po­si­tiv­mo­dell basie­ren­de Her­stel­lung blei­ben. Aller­dings benö­tigt sie auch einen geschul­ten und erfah­re­nen Meis­ter, der bei fast allen Arbeits­schrit­ten die Qua­li­täts­kon­trol­le durch­füh­ren muss. Die schnells­te Metho­de wird wei­ter­hin die auf einer CAD-Frä­se basie­ren­de Scan- und Fräs­tech­nik sein, jedoch ist dazu die Inves­ti­ti­on in eine Frä­se oder – bei Inan­spruch­nah­me einer Ser­vice­fer­ti­gung – ein gewis­ser Zeit­zu­schlag und eben­falls ein Kos­ten­fak­tor zur Ver­gü­tung des Ser­vice not­wen­dig. Bei bei­den Pro­zes­sen ent­steht ein gro­ßer Anteil an Abfall (Gips oder PU-Schaum).

Wäh­rend 3‑D-Dru­cker kos­ten­güns­ti­ger als eine CAD-Frä­se sind, sind die not­wen­di­gen Pro­gram­me und deren Lizen­zen durch­aus als Kos­ten­fak­tor zu bewer­ten. Die Kos­ten lie­gen jedoch weit unter denen für eine CAD-Frä­se. Aller­dings kann man die 3‑D-Tech­nik mit min­des­tens 46 Stun­den Druck­zeit gegen­über 8 Stun­den Bear­bei­tungs­zeit beim CAD-Ver­fah­ren (bei einem rou­ti­nier­ten CAD-Tech­ni­ker) der­zeit nicht als schnell bezeich­nen – wobei aller­dings der Arbeits­auf­wand wäh­rend der Druck­aus­füh­rung nur in einer Kon­trol­le besteht.

Ergeb­nis­se

Wie sich gezeigt hat, kön­nen Pati­en­ten erfolg­reich mit gedruck­ten Kor­set­ten ver­sorgt wer­den. Der Arbeits­pro­zess der digi­ta­len Daten­er­fas­sung wird um den Pro­zess der digi­ta­len Form­be­ar­bei­tung erwei­tert und mün­det in den Pro­zess der addi­ti­ven Fer­ti­gung inklu­si­ve einer digi­ta­len Fer­ti­gungs­kon­trol­le. Ohne Modell kann das ent­wor­fe­ne Hilfs­mit­tel unmit­tel­bar erstellt bzw. gedruckt wer­den. Der­zeit ent­steht hier­bei ca. 30 % (ca. 1 Stun­de) Mehr­be­darf an Arbeits­zeit für den Fach­mann bzw. Meis­ter im Ver­gleich zur PU-Fräs­tech­nik. Die not­wen­di­ge Detail­kon­trol­le und die genaue­re Pla­nung des Kan­ten­ver­lau­fes erschei­nen zwar zu Anfang etwas unge­wohnt, dafür sind nach die­sem Arbeits­schritt de fac­to poten­zi­el­le Feh­ler­quel­len bezüg­lich des Kor­sett­de­signs aus­ge­schlos­sen. Die Genau­ig­keit des Dru­ckers erfor­dert die größ­te Umge­wöh­nung, denn anders als beim Tief­zie­hen gibt es nir­gend­wo in der Pro­zess­ket­te Schrump­fung oder ein sich ver­än­dern­des Mate­ri­al – kein PU-Modell, das sich durch Hit­ze kom­pri­mie­ren lässt, kei­ne PE-Plat­te, die sich nach dem Ent­for­men wei­ter ver­än­dert. Was am Bild­schirm ent­wor­fen wur­de, ent­steht im Dru­cker bis auf einen Zehn­tel­mil­li­me­ter genau.

Die Mate­ri­al­kos­ten sind etwa gleich hoch, teil­wei­se sogar gerin­ger; es ent­fällt jedoch der gesam­te Pos­ten des PU-Roh­lings inklu­si­ve Ent­sor­gung bzw. Gips und Was­ser, eben­falls inklu­si­ve Ent­sor­gung. Somit sind auch weder Gips noch PU-Roh­lin­ge auf Lager zu hal­ten. Der gesam­te Pro­duk­ti­ons­pro­zess wird ent­schlackt: von der Bereit­stel­lung der Aus­gangs­ma­te­ria­li­en bis zum Säu­bern der Werk­statt und Maschi­nen am Schluss, zudem hin­sicht­lich der Abfall­men­ge und deren Kosten.

Kos­ten

Pro­dukt­emp­feh­lun­gen sind an die­ser Stel­le nicht sinn­voll – die Fra­ge, wel­ches Pro­gramm in Ver­bin­dung mit wel­chem Dru­cker für wel­chen Ein­satz eine adäqua­te Kom­bi­na­ti­on bie­tet, ent­hält zu vie­le Varia­blen. Ledig­lich eine Über­sicht über die not­wen­di­gen Ein­zel­pos­ten sei des­halb hier angefügt:

  • Scan­ner für die Patientenerfassung
  • CAD/­CAM-Pro­gramm zur Model­lie­rung des Patientenrumpfes
  • CAD/­CAM-Pro­gramm zur Gestal­tung des vir­tu­el­len Korsetts
  • Slicing-Pro­gramm für die Vor­be­rei­tung zum Drucken
  • evtl. eine exter­ne Druckersteuerungssoftware

Als Grund­an­schaf­fun­gen ste­hen natür­lich der Dru­cker und ent­spre­chen­de Fila­ment­rol­len an ers­ter Stelle.

Schluss­fol­ge­rung

Ange­sichts der posi­ti­ven Ergeb­nis­se steht für die Ver­fas­ser fest, dass wei­ter in 3‑D-Druck­tech­ni­ken inves­tiert wird und dass die­se wei­ter­ent­wi­ckelt wer­den. Es gibt noch vie­le Ideen und Ver­sor­gungs­an­sprü­che, die auf ihre Druck­bar­keit war­ten. CAD/CAM muss als viel­sei­ti­ges Werk­zeug ver­stan­den wer­den, das heißt auch, dass die der­zeit noch sehr auf­wen­di­gen und anspruchs­vol­len Model­lie­rungs­pro­gram­me der wach­sen­den, aber unge­üb­ten Anwen­der­zahl hin­ter­her­hin­ken 4.

CAD/CAM wird als Design­werk­zeug ein­ge­setzt, es über­nimmt die Qua­li­täts­kon­trol­le und dient als Fak­tor, um Druck­zeit und Mate­ri­al­ein­satz zu opti­mie­ren. Ähn­lich wie in den Anfangs­jah­ren im PC-Bereich wird es Ent­wick­lun­gen geben, die heu­te noch nicht vor­her­ge­se­hen wer­den kön­nen. Erfol­ge und Miss­erfol­ge wer­den dazu füh­ren, dass Dru­cker und Soft­ware sich wei­ter­ent­wi­ckeln. Der Fach­mann bzw. Meis­ter in der Werk­statt und auch der Fach­ar­bei­ter bzw. Gesel­le hat dabei nichts zu befürch­ten – neue Tech­ni­ken wer­den kom­men, aber es wird wei­ter des Fach­manns bedür­fen, um die­se opti­mal einzusetzen.

Es hat sich gezeigt, dass das FDM-Ver­fah­ren durch­aus fähig ist, in Kom­bi­na­ti­on mit einem ange­pass­ten Design Druck­ergeb­nis­se zu lie­fern, die zur Ver­sor­gung von Sko­lio­se­pa­ti­en­ten die­nen kön­nen. Pati­en­ten emp­fin­den die gedruck­ten Kor­set­te als ange­nehm und beur­tei­len die Tra­ge­ei­gen­schaf­ten als vor­teil­haft. Es gibt kei­ne Ein­schrän­kun­gen bezüg­lich der Kor­rek­tur­prin­zi­pi­en, auch Nach­pas­sun­gen sind mit Heiß­luft oder an der Trich­ter­frä­se mög­lich. Der gesam­te Arbeits­schritt der Modell­her­stel­lung als Grund­la­ge für ein ther­mo­plas­ti­sches Form­ge­ben ent­fällt und mit ihm auch der gesam­te Bereich der Ent­sor­gung von PU- oder Gips­mo­del­len nach der Fer­ti­gung (Abb. 9a u. b).

Inter­es­sen­kon­flikt

Die Ver­fas­ser machen dar­auf auf­merk­sam, dass sie ein neu­es eige­nes Sys­tem (3DScolioTM) zur Ver­sor­gung von Sko­lio­se­pa­ti­en­ten mit gedruck­ten Kor­set­ten ent­wi­ckelt haben, das auf einem bestimm­ten Ablauf von Soft­ware­pro­gram­men beruht; zudem wur­de der Dru­cker nach eige­nen Erfor­der­nis­sen modifiziert.

Für die Autoren:
Andre­as Würsching
Kuca zdravlja d.o.o.
Pol­ji­cka 31
HR-10 000 Zagreb
Kroa­ti­en
wuersching@kuca-zdravlja.com

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
Wür­sching A, Bulat-Wür­sching S. Der Ein­satz addi­ti­ver Fer­ti­gungs­ver­fah­ren (3‑D-Druck) in der Ver­sor­gung von Sko­lio­se­pa­ti­en­ten — Ein Erfah­rungs­be­richt. Ortho­pä­die Tech­nik, 2016; 67 (6): 52–55
  1. Breu­nin­ger J, Daub U et al. Poten­zia­le addi­ti­ver Fer­ti­gungs­ver­fah­ren für die Ortho­pä­die-Tech­nik. Ortho­pä­die Tech­nik, 2015; 66 (6): 22–27
  2. Wür­sching A. Com­pli­ance­för­de­rung – Psy­cho­lo­gie in der Sko­lio­se­the­ra­pie. Ortho­pä­die Tech­nik, 2009; 60 (8): 530–533
  3. Wür­sching A. Com­pli­ancestei­ge­rung durch Karbon­kor­set­te. Ortho­pä­die Tech­nik, 2013; 64 (11): 26–31
  4. Posch S, Schä­fer M. Ästhe­tik und Funk­ti­on im Fokus moder­ner Gestal­tungs­va­ri­an­ten in der Bein­pro­the­tik. Ortho­pä­die Tech­nik, 2015; 66 (6): 46–50
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