KVWL-Vorstand Thomas Müller, unter anderem zuständig für Digitalisierung und IT, erklärt: „Die Entscheidung des Datenschützers ist eine Bankrotterklärung für die Digitalisierung im Gesundheitswesen generell und speziell in der ambulanten Versorgung. Für die mehr als 13.000 ärztlichen Mitglieder der KVWL wäre die digitale Lösung der ersten Massenanwendung ein großer Schritt gewesen – nun wird einmal mehr eine große Chance leichtfertig vertan!“
„Mein Respekt für die Entscheidung der KVWL, die ihr sicher nicht leichtgefallen ist”, erklärt die Vorstandsvorsitzende der KVSH, Dr. Monika Schliffke. „Wir fordern komplett digitale Lösungen für das E‑Rezept, die für alle Patienten, Praxen und Apotheken leicht umsetzbar sind und jeden Verordnungsweg nachvollziehen“, so Schliffke. „Die Gematik-App ist diese Lösung nicht.“ Der Stopp des eGK-Verfahrens sei ein weiterer herber Rückschlag für die Digitalisierung im Gesundheitswesen und lasse Deutschland im internationalen Vergleich weiter zurückfallen.
Die Gematik hatte als Erfolgskriterium definiert, dass ein Viertel der E‑Rezepte elektronisch eingelöst werden müssen. Thomas Müller dazu: „Die Entscheidung des Bundesdatenschutzbeauftragten führt im Ergebnis dazu, dass dieses Ziel nicht eingehalten werden kann und der angestrebte Fortschritt für Patienten, Ärzte und alle weiteren Beteiligten massiv in Frage gestellt ist. Der Bundesdatenschützer zwingt uns damit, Konsequenzen zu ziehen. Es ist für die Ärzteschaft nicht zumutbar, noch bis Mitte des nächsten Jahres nahezu ausschließlich papiergebundene E‑Rezepte auszustellen. Wir fordern erneut eine rein digitale Lösung – nur dann kann eine Fortsetzung des Rollouts durch die KVWL erfolgen.“
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), Prof. Ulrich Kelber, reagierte mit Enttäuschung auf die Entscheidung, dass nun auch die KVWL aus dem Rollout ausgestiegen ist. „Das E‑Rezept als solches und die drei ursprünglich vorgesehen Einlösungswege sind konsentiert und funktionsfähig. Auch die nun zusätzliche geplante Funktionalität der Einlösung durch Stecken der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) ohne Eingabe einer PIN ist umsetzbar. Die geplante Datenverarbeitung mit der zunächst von der Gematik vorgelegten Umsetzung verursacht allerdings ein großes Risiko für die Rechte und Freiheiten aller Nutzerinnen und Nutzer des E‑Rezepts, bundesweit und bei allen Arztpraxen und Apotheken. Uns gegenüber gemachte Vorschläge zur Minderung des Problems abseits einer anderen Umsetzung verringern die Gefahren für die Versicherten nicht ausreichend. Unverständlich ist, dass Kassenärztliche Vereinigungen und Apothekerverband dieses Problem, dass ihnen seit Monaten und damit länger als dem BfDI selbst bekannt ist, nicht wahrnehmen wollen und stattdessen schon Basisabsicherungen von IT-Lösungen als überzogen diffamieren. Leidtragende sind die Patientinnen und Patienten, die gerne das E‑Rezept auf einem der bereits funktionierenden Wege nutzen möchten.“
Bis zum Sommer 2023 sollten die technischen Voraussetzungen geschaffen sein, damit auch die elektronische Gesundheitskarte zur Einlösung des E‑Rezepts bereit ist. Der BfDI fordert außerdem, dass das Bundesministerium für Gesundheit und der Deutsche Bundestag durchsetzen, dass vorhandene sichere und bequeme Authentisierungsmittel zum Standard werden, wie beispielsweise eine PIN für die Gesundheitskarte oder den elektronischen Personalausweis: „Es ist alles da, überprüft und könnte sofort eingesetzt werden, wenn beispielsweise die Krankenkassen endlich ihre Versicherten mit der PIN zur eGK versorgen würden. Digitalisierung im Gesundheitssektor muss richtig umgesetzt werden: Sicher, datenschutzkonform und bequem zu nutzen. Unzureichend gesicherten Lösungen werden wir auch weiter eine datenschutzrechtliche Absage erteilen.“