Daten­schutz­be­den­ken: E‑Re­zept-Roll­out gestoppt

Die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens hat einen weiteren Rückschlag erlitten. Nachdem bereits im August die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) die Rollout-Phase für das E-Rezept beendete, erklärte Anfang November auch die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) für ihr Gebiet das Aus für den Rollout des E-Rezepts. Grund dafür ist laut KVWL die Entscheidung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), bei der Übertragung des E-Rezeptes den Einsatz der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) abzulehnen. Seit dem 1. September 2022 beteiligen sich in Westfalen-Lippe rund 250 Praxen am E-Rezept-Rollout.

KVWL-Vor­stand Tho­mas Mül­ler, unter ande­rem zustän­dig für Digi­ta­li­sie­rung und IT, erklärt: „Die Ent­schei­dung des Daten­schüt­zers ist eine Bank­rott­erklä­rung für die Digi­ta­li­sie­rung im Gesund­heits­we­sen gene­rell und spe­zi­ell in der ambu­lan­ten Ver­sor­gung. Für die mehr als 13.000 ärzt­li­chen Mit­glie­der der KVWL wäre die digi­ta­le Lösung der ers­ten Mas­sen­an­wen­dung ein gro­ßer Schritt gewe­sen – nun wird ein­mal mehr eine gro­ße Chan­ce leicht­fer­tig vertan!“

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„Mein Respekt für die Ent­schei­dung der KVWL, die ihr sicher nicht leicht­ge­fal­len ist”, erklärt die Vor­stands­vor­sit­zen­de der KVSH, Dr. Moni­ka Schliff­ke. „Wir for­dern kom­plett digi­ta­le Lösun­gen für das E‑Rezept, die für alle Pati­en­ten, Pra­xen und Apo­the­ken leicht umsetz­bar sind und jeden Ver­ord­nungs­weg nach­voll­zie­hen“, so Schliff­ke. „Die Gema­tik-App ist die­se Lösung nicht.“ Der Stopp des eGK-Ver­fah­rens sei ein wei­te­rer her­ber Rück­schlag für die Digi­ta­li­sie­rung im Gesund­heits­we­sen und las­se Deutsch­land im inter­na­tio­na­len Ver­gleich wei­ter zurückfallen.

Die Gema­tik hat­te als Erfolgs­kri­te­ri­um defi­niert, dass ein Vier­tel der E‑Rezepte elek­tro­nisch ein­ge­löst wer­den müs­sen. Tho­mas Mül­ler dazu: „Die Ent­schei­dung des Bun­des­da­ten­schutz­be­auf­trag­ten führt im Ergeb­nis dazu, dass die­ses Ziel nicht ein­ge­hal­ten wer­den kann und der ange­streb­te Fort­schritt für Pati­en­ten, Ärz­te und alle wei­te­ren Betei­lig­ten mas­siv in Fra­ge gestellt ist. Der Bun­des­da­ten­schüt­zer zwingt uns damit, Kon­se­quen­zen zu zie­hen. Es ist für die Ärz­te­schaft nicht zumut­bar, noch bis Mit­te des nächs­ten Jah­res nahe­zu aus­schließ­lich papier­ge­bun­de­ne E‑Rezepte aus­zu­stel­len. Wir for­dern erneut eine rein digi­ta­le Lösung – nur dann kann eine Fort­set­zung des Roll­outs durch die KVWL erfolgen.“

Der Bun­des­be­auf­trag­te für den Daten­schutz und die Infor­ma­ti­ons­frei­heit (BfDI), Prof. Ulrich Kel­ber, reagier­te mit Ent­täu­schung auf die Ent­schei­dung, dass nun auch die KVWL aus dem Roll­out aus­ge­stie­gen ist. „Das E‑Rezept als sol­ches und die drei ursprüng­lich vor­ge­se­hen Ein­lö­sungs­we­ge sind kon­sen­tiert und funk­ti­ons­fä­hig. Auch die nun zusätz­li­che geplan­te Funk­tio­na­li­tät der Ein­lö­sung durch Ste­cken der elek­tro­ni­schen Gesund­heits­kar­te (eGK) ohne Ein­ga­be einer PIN ist umsetz­bar. Die geplan­te Daten­ver­ar­bei­tung mit der zunächst von der Gema­tik vor­ge­leg­ten Umset­zung ver­ur­sacht aller­dings ein gro­ßes Risi­ko für die Rech­te und Frei­hei­ten aller Nut­ze­rin­nen und Nut­zer des E‑Rezepts, bun­des­weit und bei allen Arzt­pra­xen und Apo­the­ken. Uns gegen­über gemach­te Vor­schlä­ge zur Min­de­rung des Pro­blems abseits einer ande­ren Umset­zung ver­rin­gern die Gefah­ren für die Ver­si­cher­ten nicht aus­rei­chend. Unver­ständ­lich ist, dass Kas­sen­ärzt­li­che Ver­ei­ni­gun­gen und Apo­the­ker­ver­band die­ses Pro­blem, dass ihnen seit Mona­ten und damit län­ger als dem BfDI selbst bekannt ist, nicht wahr­neh­men wol­len und statt­des­sen schon Basis­ab­si­che­run­gen von IT-Lösun­gen als über­zo­gen dif­fa­mie­ren. Leid­tra­gen­de sind die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten, die ger­ne das E‑Rezept auf einem der bereits funk­tio­nie­ren­den Wege nut­zen möchten.“

Bis zum Som­mer 2023 soll­ten die tech­ni­schen Vor­aus­set­zun­gen geschaf­fen sein, damit auch die elek­tro­ni­sche Gesund­heits­kar­te zur Ein­lö­sung des E‑Rezepts bereit ist. Der BfDI for­dert außer­dem, dass das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Gesund­heit und der Deut­sche Bun­des­tag durch­set­zen, dass vor­han­de­ne siche­re und beque­me Authen­ti­sie­rungs­mit­tel zum Stan­dard wer­den, wie bei­spiels­wei­se eine PIN für die Gesund­heits­kar­te oder den elek­tro­ni­schen Per­so­nal­aus­weis: „Es ist alles da, über­prüft und könn­te sofort ein­ge­setzt wer­den, wenn bei­spiels­wei­se die Kran­ken­kas­sen end­lich ihre Ver­si­cher­ten mit der PIN zur eGK ver­sor­gen wür­den. Digi­ta­li­sie­rung im Gesund­heits­sek­tor muss rich­tig umge­setzt wer­den: Sicher, daten­schutz­kon­form und bequem zu nut­zen. Unzu­rei­chend gesi­cher­ten Lösun­gen wer­den wir auch wei­ter eine daten­schutz­recht­li­che Absa­ge erteilen.“

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