Hintergrund: Soeben hatte Sven Gábor Jánzky vom 2b Ahead Think Tank die rund 180 Teilnehmer in seinem Gastvortrag mit auf eine Zeitreise in die technologische Zukunft genommen und dabei zwei Typen von Führungspersönlichkeiten vorgestellt. Der eine Charakter sei eher „konservativ“ an einem weitestgehend linearen Wachstum interessiert, der andere Typus dagegen zeige mehr Risikobereitschaft, um schnell und stark zu wachsen.
Nach Ansicht von Jánzky gingen die größten gesellschaftlichen Innovationen in der Regel von risikofreudigen Denkern & Lenkern aus. In den Reihen der Sanitätshausbetreiber neigt die Mehrzahl allerdings nicht zum exzessiven, dafür aber sicheren Wachstum. Dies bestätigen auch die Umsatzzahlen der Verbundgruppe von 2018 mit einem Wachstum von gut 5 %, die Sanitätshaus-Aktuell-Finanzvorstand Michael Haas den Mitgliedern in Frankfurt präsentierte.
Die Branche sei insgesamt betrachtet wirtschaftlich gesund, hätte aber zeitnah einige echte Herausforderungen zu meistern. „Die MDR hat das Potenzial, uns in 2019 und 2020 zu beschäftigten“, verwies Haas auf die ab Mai kommenden Jahres verbindlich anzuwendende EU-Medizinprodukteverordnung. Aus diesem Grund hielt im späteren Verlauf der Cheftagung mit Thomas Lippke von Medical Device Certification (MDC) auch ein ausgewiesener MDR-Experte einen separaten Vortrag zum Thema.
Zu den weiteren Aufgaben des Sanitätsfachhandels zählt Haas aktuell die Einhaltung der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), den Bereich des digitalen Entlassmanagements sowie eine Qualitätsverbesserung bei der Artikel-Stammdaten-Pflege. Da diese Themen letztlich alle Betriebe angingen, warb der Sanitätshaus-Aktuell-Vorstandsvorsitzende Ben Bake für ein geschlossenes Auftreten. „Die Branche muss sich verändern. Unsere große Chance ist es, die Zukunft gemeinsam zu gestalten.“ Im weiteren Verlauf der Veranstaltung nahm Bake auch die Krankenkassen mit ins Boot. Mehr Miteinander statt gegeneinander würde letztlich allen Beteiligten zu Gute kommen. Zu den Stärken des Sanitätsfachhandels zähle insbesondere die flächendeckende Versorgung durch den stationären Handel in Deutschland: „Das ist unser großes Kapital.“
Das Kapital der Zukunft, da ist sich Sven Gábor Jánzky sicher, werden Datensätze sein, deren Verkettung er als das „neue Gold“ bezeichnet: „Wir werden alles in der Welt messen können. Alles, was wir messen, können wir prognostizieren. Alles, was wir messen können, können wir verbessern.“ Für den Arbeitsmarkt 2025 prognostiziert er eine „Abwertung“ des Expertentums, da sich Verbraucher und Nutzer immer mehr Wissen selbst aneignen würden. Dem Fachhandel rät er, sich eine ausgeprägte Marketing- und Digitalkompetenz anzueignen, um im Wettbewerb zu bestehen.
Dr. Frank Antwerpes, DocCheck AG, stellte diesen Ansatz weiterführend, das Firmenbranding in den Mittelpunkt seines Vortrags. Die Marke sei, so Antwerpes, die Visitenkarte eines Unternehmens, die es nicht nur nach Außen, sondern ebenso in die eigene Belegschaft hinein zu kommunizieren gelte. Hier setzte im Anschluss wiederum Ben Bake an, als er an die Sani-Aktuell-Mitglieder gerichtet für ein 2‑Marken-System warb. Während die individuelle Marke eines Fachhändlers im Vordergrund stehe, sorge der ikonische Smiley der Verbundgruppe in Kombination mit der aktuellen „Lächeln ist…“-Kampagne für die Klammer aller in der Leistungserbringergemeinschaft vertretenen Unternehmen.
Zum Abschluss der Cheftagung rückte dann die bereits angesprochene EU-Medizinprodukteverordnung in den Fokus. Dabei gelang es Thomas Lipke dieses für alle Leistungserbringer immens wichtige, wenngleich in seinen Details „sperrige“ Thema kompetent und praxisnah vorzustellen. „Die Aussage ‚Das haben wir schon immer so gemacht‘ wird nicht mehr funktionieren“, hob er gleich zu Beginn die weitreichenden Änderungen, die die MDR für die Betriebe mit sich bringt, hervor. „Der gesamte ‚Lebenslauf‘ eines Medizinprodukts wird von der MDR geregelt.“ Wie sehr das Thema den Betrieben auf den Nägeln brennt, unterstrich in Frankfurt die an den Vortrag anschließende Debatte im Plenum.
Bei allem Aufwand der auf die Firmen zukommt, sehen sowohl Thomas Lipke als auch Michael Haas in Bezug auf die Einhaltung der MDR eine große Chance für den gut organisierten Fachhandel gegenüber stationären Discounter-Angeboten oder Online-Händlern. Zur Unterstützung der Branche erarbeitet eine Arbeitsgruppe unter der Leitung der Deutschen Gesellschaft für interprofessionelle Hilfsmittelversorgung e. V. (DGIHV) derzeit u. a. mit Beteiligung von Sanitätshaus Aktuell und weiteren Leistungserbringergemeinschaften Handlungsempfehlungen im Umgang mit der MDR. So schloss sich am Ende der Cheftagung der Kreis mit der Erkenntnis, dass die OT-Branche auf vielen Geschäftsebenen letztlich dann in ihrer Gesamtheit profitiert, wenn sie gemeinsam an einem Strang zieht.6
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