Seine Erfahrungen und Visionen dieser zukunftsweisenden Prothesen-Technologie hat ein Forscherteam jetzt im Fachblatt „Nature Biomedical Engineering“ veröffentlicht. Oskar Aszmann von der MedUni Wien sieht „bedeutende Schritte” in der Forschung. Und prognostiziert weitere für die nahe Zukunft. Das erklärte er im Gespräch mit der Austrian Presse Agentur (APA).
Aszmann leitet das gemeinsam mit Ottobock betriebene „Labor zur Wiederherstellung von Extremitätenfunktion“ in der österreichischen Metropole. Und er ist einer der Hauptautoren des Fachartikels. Die Veröffentlichung versammele laut Aszmann „zahlreiche führende Experten auf dem Gebiet und stellt so die wesentlichen Innovationspotenziale dar, die in diesem Forschungsfeld in den nächsten Jahren ausgeschöpft werden“.
So sehen die Forscher vor allem in der „direkten skelettären Anbringung“ (Osseointegration) enormes Potenzial. Es gehe darum, Arm- oder Beinprothesen möglichst nahe am Körper anzubringen. Die führenden Experten in dieser Disziplin sitzen in Wien, Schweden und den USA. Im „New England Journal of Medicine“ stellten Aszmann und sein Team im vergangenen Jahr die ersten Behandlungen dieser Art vor. „Das war tatsächlich eine Weltneuheit und markiert einen Meilenstein in der modernen Prothetik“, erklärt Aszmann.
Bei dieser Art der Prothetik werden die Muskeln als Verstärker und Übersetzer der noch vorhandenen Nerven genutzt. Durch eine „Umleitung“ sprechen die Nerven die Muskeln im Stumpf an, sodass sie quasi in ein „klar hörbares Biosignal“ umgewandelt werden. Damit das ganze System funktioniert, müssen Eingriffe am peripheren Nervensystem durchgeführt werden. „Wir erlauben dem Muskel als Übersetzer und Verstärker neuronaler Information aufzutreten“, heißt es in dem Fachartikel.
Allerdings gibt es aktuell auch noch Fragestellungen, die die Forscher beschäftigen. Zum Beispiel kann Schweiß die Übertragungsqualität der Sensoren verschlechtern. „Aber wir arbeiten daran, die Signale bestmöglich aus dem Körper herauszubekommen”, so Aszmann. Bislang ist die Übertragung häufig noch eine Einbahnstraße. Bedeutet, dass der Körper zwar mit der Prothese kommuniziere, eine Rückmeldung an den Körper der Patient:innen im Hinblick auf die Re-Sensibilisierung ist jedoch noch in Arbeit.
An solchen bidirektionalen Sensoren arbeiten Aszmann und Kollegen seit einiger Zeit unter anderem mit Ottobock. „Wir sind gemeinsam die Ersten, die das durchführen”, sagt Aszmann. So würde beispielsweise ein Vibrationssignal als haptisches Feedback von der Prothese an den Stumpf zurückgeleitet, wenn die Fußsohle auf den Boden trifft. So könnten Patient:innen registrieren, wann kein Bodenkontakt mehr bestehe. Was wiederum zu mehr Sicherheit beim Gehen führt und das Embodiment verbessert.
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