Aus­wir­kun­gen der Fort­schrei­bung der PG 31 auf den Ver­sor­gungs­all­tag des Ortho­pä­die-Tech­ni­kers im Bereich Diabetes

Laut Kriterienkatalog zur Präqualifizierung ist der Orthopädie-Techniker-Meister zugelassener Leistungserbringer für die Produktuntergruppen 31.03.03 „Therapieschuhe, konfektioniert“, 31.03.07 „Diabetesadaptierte Fußbettungen“ und 31.03.08 „Spezialschuhe bei diabetischem Fußsyndrom“. Alle drei Produktuntergruppen können in der Diabetikerversorgung zum Einsatz kommen. Die am 10. September 2018 wirksam gewordene Fortschreibung der PG 31 „Schuhe“ sorgt für maßgebliche Veränderungen gegenüber dem bisher Gewohnten.

Gene­rell lässt sich fest­stel­len, dass die beschrie­be­nen Anfor­de­run­gen in der gesam­ten PG 31 deut­lich umfang­rei­cher gewor­den sind. Ins­be­son­de­re ist in der Beschrei­bung der medi­zi­ni­schen Anfor­de­run­gen in den ein­zel­nen Pro­dukt­un­ter­grup­pen der Unter­punkt VII „Anfor­de­run­gen an die zusätz­lich zur Bereit­stel­lung des Hilfs­mit­tels zu erbrin­gen­den Leis­tun­gen“ neu hin­zu­ge­kom­men. Dort wer­den in Unter­punk­ten wie Bera­tung, Aus­wahl, Abga­be, Ser­vice und Nach­kon­trol­len zahl­rei­che Anfor­de­run­gen bezüg­lich for­ma­ler Rah­men­be­din­gun­gen for­mu­liert, die nicht in direk­tem Zusam­men­hang mit der spe­zi­el­len Funk­ti­on des ein­zel­nen Pro­dukts ste­hen. So ist dort bei­spiels­wei­se fest­ge­schrie­ben, dass dem Leis­tungs­emp­fän­ger min­des­tens eine Nach­kon­trol­le zur Prü­fung der Pass- und Funk­ti­ons­fä­hig­keit ange­bo­ten wer­den muss. Der Zeit­rah­men, in dem die­se erfol­gen soll, liegt für The­ra­pie­schu­he und dia­be­tes­ad­ap­tier­te Fuß­bet­tun­gen (DAF) bei vier Wochen, für Spe­zi­al­schu­he bei Dia­be­ti­schem Fuß­syn­drom bei sechs Monaten.

Anzei­ge

Erwei­tert wur­den gene­rell die Anfor­de­run­gen an die Gebrauchs­an­wei­sung. Neu ist, dass die Gebrauchs­an­wei­sung für alle beschrie­be­nen Pro­dukt­grup­pen Anga­ben zu den ver­wen­de­ten Mate­ria­li­en ent­hal­ten muss. Wie detail­liert die­se Anga­ben sein müs­sen, ist jedoch nicht defi­niert: Ob etwa bei der DAF die Anga­be „Pols­ter­schäu­me ver­schie­de­ner Shore­här­ten“ aus­reicht oder ob die ein­zel­nen Schich­ten expli­zit genannt wer­den müs­sen, geht aus der Anfor­de­rung nicht her­vor. Die Gebrauchs­an­wei­sung muss aber in jedem Fall in einem für blin­de und seh­be­hin­der­te Ver­si­cher­te geeig­ne­ten For­mat (z. B. in elek­tro­ni­scher Form) ver­füg­bar sein.

Im Fol­gen­den wer­den die ein­zel­nen Pro­dukt­un­ter­grup­pen näher betrachtet.

31.03.03
The­ra­pie­schu­he, konfektioniert

Bei The­ra­pie­schu­hen kom­men für den Dia­be­ti­ker die Pro­dukt­ar­ten „Ver­band­schu­he“, „Fuß­teil-Ent­las­tungs­schu­he“ und „Höhen­aus­gleichs­schu­he“ in Betracht. Bei den Ver­band­schu­hen ist die bis­he­ri­ge Unter­tei­lung in Lang­zeit und Kurz­zeit weg­ge­fal­len; bei­de wur­den unter dem Sie­ben­stel­ler 31.03.03.4 zusam­men­ge­fasst. Die Kom­bi­na­ti­on eines Ver­band­schuhs mit einer DAF ist expli­zit aus­ge­schlos­sen. Eine Weich­pols­ter­ein­la­ge der PG 08 „Ein­la­gen“ kann aber im Ein­zel­fall zur bes­se­ren Druckum­ver­tei­lung erfor­der­lich sein, wenn die kon­fek­tio­nier­te wei­che Soh­le des Schuhs in Ver­bin­dung mit dem Ver­band­ma­te­ri­al dafür nicht aus­rei­chend ist.

Es bleibt aller­dings unklar, wie der Nach­weis einer nicht aus­rei­chen­den Druckum­ver­tei­lung am Ulkus, also kon­se­quen­ter­wei­se zwi­schen Wun­de und Ver­band, erbracht wer­den soll. Der Fuß­teil-Ent­las­tungs­schuh wird für die Ulkus­ver­sor­gung nur dann als indi­ziert betrach­tet, wenn ande­re ent­las­ten­de Ver­sor­gun­gen (Voll­kon­takt­gips, Orthe­se) nicht mög­lich sind. Wenn aber ein Ent­las­tungs­schuh ver­ord­net wird, wird je nach Aus­prä­gung der Schä­di­gung die gleich­zei­ti­ge Ver­wen­dung einer Geh­hil­fe empfohlen.

An den Aus­füh­rungs­be­stim­mun­gen zu Ver­band­schu­hen und Fuß­teil-Ent­las­tungs­schu­hen hat sich kaum etwas geän­dert. Expli­zit neu auf­ge­nom­men wur­de jedoch die Berück­sich­ti­gung des Höhen­aus­gleichs auf der Gegen­sei­te zur Ver­mei­dung eines Becken­schief­stan­des. Emp­foh­len wer­den Zurich­tun­gen am Kon­fek­ti­ons­schuh der Gegen­sei­te; mög­lich ist aber auch die Ver­wen­dung eines Höhen­aus­gleichs­schuhs. Die­se sind unter Num­mer 31.03.03.8 gelis­tet und sol­len bei 3 bis 5 cm star­ken Lauf­soh­len der Ver­band- oder Ent­las­tungs­schu­he zum Ein­satz kom­men. Dabei ist zu beach­ten, dass der Höhen­aus­gleichs­schuh aus der­sel­ben Serie des­sel­ben Her­stel­lers wie der kon­tra­la­te­ra­le The­ra­pie­schuh stam­men muss. Dies dürf­te in der Pra­xis aller­dings schwie­rig wer­den, da bis­lang nur ein Schuh gelis­tet ist.

31.03.07
Dia­be­tes­ad­ap­tier­te Fußbettung

Die wich­tigs­te Ver­än­de­rung im Bereich der DAF bezieht sich auf den Schuh, in dem die­se getra­gen wer­den darf. War bis­lang auch die Kom­bi­na­ti­on mit ein­la­gen­ge­rech­tem, kon­fek­tio­nier­tem Schuh­werk mög­lich, so ist die­se jetzt nur noch mit Spe­zi­al­schu­hen bei Dia­be­ti­schem Fuß­syn­drom oder mit ortho­pä­di­schen Maß­schu­hen erlaubt. Eine DAF, die in „han­dels­üb­li­che Kon­fek­ti­ons­schu­he, San­da­len, Clogs und wei­te­re unge­eig­ne­te Schu­he“ ein­ge­passt wird, gehört nicht zum Leis­tungs­ka­ta­log der gesetz­li­chen Krankenversicherung.

Als Indi­ka­ti­on ist ana­log zur Ver­sor­gungs­emp­feh­lung der AG Fuß in der Deut­schen Dia­be­tes Gesell­schaft (DDG) der Zustand nach abge­heil­tem plant­arem Fußul­kus benannt. Aller­dings ist im Hilfs­mit­tel­ver­zeich­nis (HMV) die Indi­ka­ti­on – anders als in der Ver­sor­gungs­emp­feh­lung der DDG – an die Kom­bi­na­ti­on mit einer Poly­neu­ro­pa­thie und/oder Angio­pa­thie gekop­pelt. Auch die Begleit­kom­pli­ka­tio­nen, die laut AG Fuß auch schon vor dem Auf­tre­ten eines Ulkus die Ver­sor­gung mit einer DAF recht­fer­ti­gen kön­nen, wur­den lei­der nicht ins HMV über­nom­men: Eine DAF ist laut HMV nicht zur Behand­lung einer aku­ten Ulzer­a­ti­on geeignet.

Ein ver­stärk­tes Augen­merk wird bei der Fort­schrei­bung der Pro­dukt­grup­pe auch auf den Wirk­sam­keits­nach­weis gerich­tet. Wur­de bis­lang nur all­ge­mein eine „Prü­fung der Druckum­ver­tei­lung“ gefor­dert, so ist jetzt der gemes­se­ne Nach­weis einer 30-pro­zen­ti­gen Reduk­ti­on der Druck­spit­zen bei gleich­zei­ti­ger gleich­mä­ßi­ger Druck­ver­tei­lung zwin­gend erforderlich.

Die sons­ti­gen indi­ka­ti­ons- bzw. ein­satz­be­zo­ge­nen Qua­li­täts­an­for­de­run­gen wur­den unver­än­dert über­nom­men. Das bedeu­tet, dass nach wie vor das Tief­zie­hen als Fer­ti­gungs­me­tho­de vor­ge­ge­ben ist. Schäum­tech­ni­ken, Fräs­tech­ni­ken oder gar 3D-Druck sind damit ledig­lich für die Modell­er­stel­lung, aber nicht für die Fer­ti­gung der DAF erlaubt. Ergänzt wur­de ledig­lich eine detail­lier­te­re Beschrei­bung der drei zu ver­wen­den­den Schich­ten. Die­se sol­len nun unter­schied­li­che Shore­här­ten – in Rich­tung der Brand­soh­le zuneh­mend – besit­zen und somit zum Fuß hin dämp­fen bzw. pols­tern und nach unten hin sta­bi­li­sie­ren. Die Mate­ri­al­aus­wahl soll sich des Wei­te­ren an der Indi­ka­ti­on und dem Pati­en­ten­ge­wicht ori­en­tie­ren und ggf. eine zusätz­li­che Punkt­ent­las­tung ermög­li­chen. Die Min­dest­stär­ke an der dünns­ten Stel­le ist nach wie vor mit 8 mm angegeben.

Für den Ortho­pä­die-Tech­ni­ker wer­den im Wesent­li­chen die Abrech­nungs­po­si­tio­nen 31.03.07.0003 „Dia­be­tes­ad­ap­tier­te Fuß­bet­tung für den Spe­zi­al­schuh bei Dia­be­ti­schem Fuß­syn­drom“ und 31.03.07.0005 „Dia­be­tes­ad­ap­tier­te Fuß­bet­tung als Ersatz­bet­tung für den Spe­zi­al­schuh bei dia­be­ti­schem Fuß­syn­drom“ rele­vant sein. Die Nut­zungs­dau­er der Bet­tun­gen soll­te min­des­tens 12 Mona­te betra­gen. Ein frü­he­rer Ersatz bei erhöh­tem Ver­schleiß oder Fuß­ver­än­de­rung ist im Ein­zel­fall möglich.

31.03.08
Spe­zi­al­schu­he bei Dia­be­ti­schem Fußsyndrom

Ange­sichts der Tat­sa­che, dass die Pro­dukt­art 31.03.08.0 bis­lang nur als geplan­te Pro­dukt­art „Kon­fek­tio­nier­te Schutz­schu­he für Dia­be­ti­ker“ ver­füg­bar war, ist sie mit 24 Ein­zel­pro­duk­ten schon gut gefüllt. Beweg­te sich die Ver­sor­gung mit sol­chen Schu­hen also bis­lang in einer Grau­zo­ne, sind die Rah­men­be­din­gun­gen nun klar for­mu­liert. Bei man­chen Her­stel­lern und Ver­ord­nern dürf­te dies aller­dings für Unru­he sor­gen, denn die indi­ka­ti­ons- und ein­satz­be­zo­ge­nen Qua­li­täts­an­for­de­run­gen sehen aus­drück­lich nur geschlos­se­ne Schuh­schaft­sys­te­me vor – San­da­len­for­men sind somit ausgeschlossen.

Die sons­ti­gen Anfor­de­run­gen ori­en­tie­ren sich im Wesent­li­chen an den For­de­run­gen der DDG oder gehen teil­wei­se sogar dar­über hin­aus. So ist bei­spiels­wei­se die Höhe des Zehen­raums mit min­des­tens 22 mm bei Frau­en und min­des­tens 24 mm bei Män­nern (jeweils zuzüg­lich des Plat­zes für eine DAF, die an der dünns­ten Stel­le min­des­tens 8 mm beträgt) exakt vor­ge­ge­ben. Eben­so sind die maxi­ma­le Absatz­hö­he (30 mm), der mini­ma­le Fer­sen­hub (10°) und der mini­ma­le Spit­zen­hub (14°) ein­deu­tig defi­niert. Des Wei­te­ren müs­sen die Schu­he in min­des­tens drei Wei­ten ange­bo­ten wer­den. Der medi­zi­ni­sche Nut­zen muss vom Her­stel­ler durch Fall­se­ri­en und Anwen­dungs­be­ob­ach­tun­gen nach­ge­wie­sen werden.

Im Gegen­satz zu den Ver­band­schu­hen erfolgt die Ver­sor­gung mit Spe­zi­al­schu­hen bei Dia­be­ti­schem Fuß­syn­drom immer paar­wei­se. Als Stan­dard­in­di­ka­ti­on ist der Zustand nach abge­heil­tem Ulkus anzu­se­hen, dann zwangs­läu­fig in Kom­bi­na­ti­on mit einer DAF. Der Spe­zi­al­schuh kann aber auch zur Ver­mei­dung dro­hen­der dor­sa­ler Ulcera bei nicht aus­rei­chen­der Zehen­hö­he im Kon­fek­ti­ons­schuh ein­ge­setzt wer­den. In die­sem Fall kann die Ver­sor­gung auch mit Weich­bet­tungs­ein­la­gen aus der PG 08 kom­bi­niert wer­den. Für die Behand­lung eines aku­ten Fußul­kus ist der Spe­zi­al­schuh laut HMV nicht geeignet.

Zusam­men­fas­sung

Bei der Ver­sor­gung mit Ver­band­schu­hen und Fuß­teil-Ent­las­tungs­schu­hen ist ein kon­tra­la­te­ra­ler Län­gen­aus­gleich mit einem Höhen­aus­gleich­schuh mög­lich, aller­dings muss er aus der­sel­ben Serie des­sel­ben Her­stel­lers stam­men wie der The­ra­pie­schuh. Die Kom­bi­na­ti­on eines Ver­band- oder Ent­las­tungs­schuhs mit einer Dia­be­tes­ad­ap­tier­ten Fuß­bet­tung ist nicht möglich.

Die Spe­zi­al­schu­he bei Dia­be­ti­schem Fuß­syn­drom wur­den mit detail­lier­ter Beschrei­bung neu ins Hilfs­mit­tel­ver­zeich­nis auf­ge­nom­men, aller­dings dür­fen nur noch geschlos­se­ne Schu­he zum Ein­satz kommen.

Die Ver­sor­gung mit Dia­be­tes­ad­ap­tier­ten Fuß­bet­tun­gen ist für Ortho­pä­die-Tech­ni­ker nur noch in Spe­zi­al­schu­hen bei Dia­be­ti­schem Fuß­syn­drom mög­lich. Indi­ka­ti­on ist aus­schließ­lich der Zustand nach abge­heil­tem Ulkus. Nach wie vor müs­sen DAFs aus drei Schich­ten tief­ge­zo­gen wer­den und min­des­tens 8 mm dick sein.

Die in der natio­na­len Ver­sor­gungs­leit­li­nie „Typ-2-Dia­be­tes: Prä­ven­ti­ons- und Behand­lungs­stra­te­gien für Fuß­kom­pli­ka­tio­nen“ ent­hal­te­nen „Ver­ord­nungs­kri­te­ri­en zur Schuh­ver­sor­gung beim Dia­be­ti­schen Fuß­syn­drom“ fin­den sich nur rudi­men­tär in den Anfor­de­run­gen des HMV wie­der bzw. wer­den teil­wei­se sogar konterkariert.

Michael Blatt
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