Gemein­sam statt ein­sam – Aus­bil­den im Verbund

Eine Möglichkeit, dem Fachkräftemangel zu begegnen, ist selbst junge Menschen per Berufsausbildung ins Handwerk zu führen. Doch manche Betriebe eignen sich vielleicht nicht ganz so gut wie andere für eine Berufsausbildung aufgrund der eigenen Spezialisierung auf einen Versorgungsschwerpunkt. Dass dies keine Hürde sein muss, zeigt das Beispiel des Betriebs „Einfach machen“ – Technische Kinderorthopädie aus Ulm. Felix Haußmann, einer der drei Geschäftsführer, erklärt im OT-Interview, wie sein junger Betrieb trotz Spezialisierung junge Menschen ins Fach bringt – dank der Ausbildung im Verbund.

Ein Kon­zept, bei dem die Aus­zu­bil­den­den in meh­re­ren Betrie­ben prak­ti­sche Lehr­in­hal­te ver­mit­telt bekom­men. So kön­nen mög­li­che Defi­zi­te in der Aus­bil­dung ver­mie­den wer­den, weil die Aus­zu­bil­den­den nicht mehr an den Ver­sor­gungs­schwer­punkt ihres Aus­bil­dungs­be­triebs gebun­den sind, son­dern auch dar­über hin­aus wich­ti­ges Wis­sen erhalten.

OT: Sie sind ein rela­ti­ves jun­ges Unter­neh­men. War­um haben Sie sich dafür ent­schie­den auszubilden?

Felix Hauß­mann: In den ers­ten drei Jah­ren nach der Grün­dung unse­res Unter­neh­mens im Jahr 2016 haben wir recht schnell fest­stel­len kön­nen, dass die Auf­trags­la­ge sta­bil ist und ste­tig wächst, sodass wir uns dann im Jahr 2019 zu­trauten, das Unter­neh­men per­so­nell zu ver­grö­ßern und aus­zu­bil­den. Zudem war das The­ma Aus­bil­dung für uns schon von Anfang an ein per­sön­lich wich­ti­ges Anlie­gen. Unter ande­rem auch auf­grund des hohen Fachkräftemangels.

OT: Sie haben sich mit der Kin­der­or­tho­pä­die auf eine Ziel­grup­pe spe­zia­li­siert. Was bedeu­tet das für einen Aus­zu­bil­den­den und die Inhal­te der Ausbildung?

Hauß­mann: Unser Unter­neh­men fer­tigt aus­schließ­lich indi­vi­du­el­le Hilfs­mit­tel für Kin­der und Jugend­li­che. The­men wie kon­fek­tio­nier­te Hilfs­mit­tel, Sani­täts­fach­han­del, Pro­the­tik und Reha kön­nen lei­der nur sehr ein­ge­schränkt von uns selbst ver­mit­telt wer­den. Aller­dings wer­den unse­re Aus­zu­bil­den­den abso­lu­te Fach­kräf­te für indi­vi­du­el­le Ortho­pä­die-Tech­nik, sie wer­den vom ers­ten Tag an in Orga­ni­sa­ti­on, Pla­nung, Pro­duk­ti­on und Nach­sor­ge miteingebunden.

OT: Sie haben sich dazu ent­schie­den Aus­bil­dung im Ver­bund anzu­bie­ten. Wie funk­tio­niert dies?

Hauß­mann: Um unse­ren Aus­zu­bil­den­den eine best­mög­li­che Aus­bil­dung anbie­ten zu kön­nen, haben wir uns für die Aus­bil­dung im Ver­bund ent­schlos­sen. Hier­für haben wir uns zu Beginn ver­schie­de­ne Sani­täts­häu­ser als Koope­ra­ti­ons­part­ner gesucht, die unse­ren Aus­zu­bil­den­den die Inhal­te ver­mit­teln kön­nen, die es in unse­rem Betrieb nicht gibt, für eine qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ge Aus­bil­dung jedoch sehr wich­tig sind. Danach haben wir nur noch den inhalt­li­chen und zeit­li­chen Bedarf fest­ge­legt und die Ergeb­nis­se im betrieb­li­chen Aus­bil­dungs­plan festgehalten.

OT: Wel­che Vor­tei­le sehen Sie in die­sem Konzept?

Hauß­mann: Der größ­te Vor­teil für unse­re Aus­zu­bil­den­den ist natür­lich, dass kei­ne wich­ti­gen Inhal­te der Aus­bil­dung aus­ge­las­sen wer­den. Wei­te­re Vor­tei­le sind aber auch, dass die Aus­zu­bil­den­den schon wäh­rend der Aus­bil­dung ande­re Unter­neh­men und deren Arbeits­ab­läu­fe ken­nen­ler­nen, neue Kol­le­gen tref­fen, sich an unter­schied­li­che Gege­ben­hei­ten anpas­sen müs­sen und – „out of the box“ – um- und mit­den­ken müs­sen. Zudem ent­steht für unser Unter­neh­men ein pro­fes­sio­nel­ler Aus­tausch unter Kol­le­gen. Ein Netz­werk, das viel mehr The­men als nur die Aus­bil­dung beinhaltet.

OT: Wie sieht die Akzep­tanz unter den Aus­zu­bil­den­den aus, auch ein­mal in einem ande­ren Unter­neh­men zu arbeiten?

Hauß­mann: 100-pro­zen­ti­ge Akzep­tanz. Unse­re Aus­zu­bil­den­den ste­hen neu­en Her­aus­for­de­rung immer offen und moti­viert gegenüber.

OT: Gibt es für die Aus­zu­bil­den­den eine zusätz­li­che För­de­rung, bei­spiels­wei­se einen Rei­se­kos­ten­zu­schuss, um den ande­ren Aus­bil­dungs­be­trieb zu errei­chen, oder eine Dienst­woh­nung, wo die Aus­zu­bil­den­den schla­fen, wenn die Ent­fer­nung zwi­schen ers­tem und zwei­tem Ausbildungs­betrieb zu groß ist?

Hauß­mann: Aktu­ell sind unse­re Koope­ra­ti­ons­part­ner so nah, dass bis­her kei­nem unse­rer Aus­zu­bil­den­den hier­durch eine zusätz­li­che Belas­tung ent­stan­den ist. Soll­te sich dies ein­mal ändern, ste­hen wir unse­ren Aus­zu­bil­den­den natür­lich mit vol­ler Unter­stüt­zung zur Sei­te. Für das Unter­neh­men gibt es bei­spiels­wei­se vom Minis­te­ri­um für Wirt­schaft, Arbeit und Tou­ris­mus Baden-Würt­tem­berg ein För­der­pro­gramm, das die Aus­bil­dung im Ver­bund mit bis zu 4.000 Euro unter­stützt. Die­se Prä­mie könn­te hier­für ein­ge­setzt werden.

OT: Was muss­ten Sie für Vor­aus­set­zun­gen schaf­fen, um die Aus­bil­dung im Ver­bund zu ermöglichen?

Hauß­mann: Erst­mal gibt es kei­ne zusätz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen. Das Unter­neh­men muss nur, wie bei allen ande­ren Aus­bil­dungs­be­trie­ben, von der Hand­werks­kam­mer als Aus­bil­dungs­be­trieb geprüft und aus­ge­zeich­net wer­den. Zusätz­lich haben wir noch die Berufs­ge­nos­sen­schaft über das Vor­ge­hen informiert.

OT: Wel­che Hür­den muss­ten Sie umschiffen?

Hauß­mann: Geeig­ne­te Koope­ra­ti­ons­part­ner fin­den und Koope­ra­ti­ons­ver­trä­ge schlie­ßen, in denen die Zei­ten und Inhal­te fest­ge­legt wurden.

OT: Gibt es Hil­fe­stel­lun­gen von Ver­bän­den oder Insti­tu­tio­nen bei der Umset­zung der Ausbildung?

Hauß­mann: Es gibt eine Aus­bil­dungs­be­ra­tung der Hand­werks­kam­mer und/oder die Landesinnung.

OT: Wie läuft die Zusam­men­ar­beit mit Ihrem Part­ner­un­ter­neh­men ab?

Hauß­mann: Wie bei allen Aus­bil­dun­gen wird zuerst ein Aus­bil­dungs­ver­trag geschlos­sen. Die­ser besteht nur zwi­schen unse­rem Unter­neh­men und dem Aus­zu­bil­den­den. Zusätz­lich gibt es dann noch einen Koope­ra­ti­ons­ver­trag, der zwi­schen allen drei Par­tei­en besteht. Die Aus­bil­dungs­ver­gü­tung wird nur von uns gezahlt. Das ist aber kein Muss. Dies kann mit den jewei­li­gen Part­ner­un­ter­neh­men indi­vi­du­ell ver­ein­bart wer­den. Urlaub, sons­ti­ge Rech­te der Aus­zu­bil­den­den oder Ver­pflich­tun­gen unse­rer­seits sind wie bei jeder ande­ren Aus­bil­dung gere­gelt. Unse­re Aus­zu­bil­den­den wer­den dann inner­halb ihrer drei­jäh­ri­gen Aus­bil­dung für ins­ge­samt 20 Wochen, ähn­lich dem Block­un­ter­richt in der Berufs­schu­le, immer wochen­wei­se zu dem Koope­ra­ti­ons­part­ner geschickt. Inhal­te und Auf­ga­ben wer­den vor­ab ver­ein­bart. Die Orga­ni­sa­ti­on mit den Part­ner­be­trie­ben über­neh­men unse­re Aus­zu­bil­den­den größ­ten­teils selbst.

OT: Wie kann man ein ande­res Unter­neh­men fin­den, das im Ver­bund aus­bil­den will?

Hauß­mann: Am bes­ten direkt anfra­gen, per E‑Mail oder tele­fo­nisch, Trans­pa­renz zei­gen und offen mit­ein­an­der kommunizieren.

OT: Für wen eig­net sich „Aus­bil­den im Verbund“?

Hauß­mann: Für klei­ne Unter­neh­men, die selbst nicht alle Inhal­te abde­cken kön­nen, ist das Kon­zept natür­lich opti­mal geeig­net. Mei­ner Mei­nung nach kön­nen aber auch gro­ße Sani­täts­häu­ser dadurch pro­fi­tie­ren. Durch den Aus­tausch und die unter­schied­li­chen Arbeits­ab­läu­fe in den Koope­ra­ti­ons­be­trie­ben ler­nen die Aus­zu­bil­den­den sehr viel­sei­tig, kön­nen zusätz­li­che Erfah­run­gen sam­meln und bekom­men ver­schie­de­ne Ein­bli­cke in die Branche.

OT: Was lässt sich noch ver­bes­sern an dem Konzept?

Hauß­mann: Ich den­ke, es liegt am Unter­neh­men selbst, die Aus­bil­dung im Ver­bund noch wei­ter zu ver­bes­sern. Sind Sie als Aus­bil­der an einer qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­gen Aus­bil­dung inter­es­siert, lässt sich mit die­sem Kon­zept alles Mög­li­che umset­zen. Den Rah­men dazu bestimmt man selbst. Hilf­reich wäre ein Por­tal, in dem alle Unter­neh­men auf­ge­lis­tet sind, die bereits Teil des Ver­bun­des sind oder den Wunsch haben auch im Ver­bund aus­zu­bil­den. Sodass man schnell einen geeig­ne­ten Part­ner fin­den kann oder, um Fra­gen und Infor­ma­tio­nen aus­zu­tau­schen. Super wäre auch, wenn sich der Weg zum Bean­tra­gen der Prä­mie noch ver­ein­fa­chen las­sen würde.

OT: Wel­che drei Rat­schlä­ge kön­nen Sie Betrie­ben geben, die mit dem Gedan­ken spie­len auch im Ver­bund auszubilden?

Hauß­mann: Ers­tens: sich vor­ab bei der Hand­werks­kam­mer, Innung etc. bera­ten las­sen. Zwei­tens: von Anfang an auf ande­re Unternehmen/mögliche Koope­ra­ti­ons­part­ner zuge­hen. Fra­gen, Wün­sche, Anre­gun­gen offen und direkt mit­ein­an­der bespre­chen. Eine offe­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on ist hier das A und O. Und drit­tens: mutig sein, moti­viert sein, ein­fach machen!

OT: Wer­den Sie dem Kon­zept treu bleiben?

Hauß­mann: Auf jeden Fall. Wir arbei­ten ste­tig dar­an, durch wei­te­re Koope­ra­ti­ons­part­ner die Qua­li­tät hoch­zu­hal­ten und auszubauen.

Die Fra­gen stell­te Hei­ko Cordes.

Prä­mi­en­pro­gramm „Azu­bi im Ver­bund – Aus­bil­dung teilen“
In Baden-Würt­tem­berg gibt es För­der­pro­gram­me für Betrie­be, die sich für die Aus­bil­dung im Ver­bund ent­schei­den. Zwi­schen 2.000 und 4.000 Euro kön­nen die Antrag­stel­ler erhal­ten. Dafür müs­sen ver­schie­de­ne Vor­aus­set­zun­gen erfüllt wer­den. Es muss ers­tens eine för­der­fä­hi­ge Ver­bunds­aus­bil­dung sein – das heißt, die teil­neh­men­den Betrie­be müs­sen die Aus­bil­dung nach dem Berufs­bil­dungs­ge­setz oder der Hand­werks­ord­nung aus­füh­ren, der Stamm­be­trieb kann einen Teil der Aus­bil­dung nicht selbst durch­füh­ren, die Dau­er der Aus­bil­dung im Part­ner­be­trieb beträgt 20 Wochen oder mehr und der Stamm­be­trieb führt min­des­tens 50 Pro­zent der Aus­bil­dung selbst durch. Zwei­tens muss die Antrags­frist vor dem Start des Aus­bil­dungs­ver­hält­nis­ses ein­ge­hal­ten wer­den und drit­tens muss das Land Baden-Würt­tem­berg die nöti­gen finan­zi­el­len Mit­tel auch noch im För­der­topf haben. Die Antrags­for­mu­la­re sind über die Web­site des Lan­des Baden-Würt­tem­berg ver­füg­bar.

 

 

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