Alex­an­der Böh­mer hebt wie­der ab

Nach der Krebsdiagnose und der Amputation seines rechten Beins lag ein steiniger Weg vor Alexander Böhmer. Ein Ziel motivierte ihn dabei besonders: Er wollte wieder hoch hinaus. Ein Traum, der nun in Erfüllung gegangen ist. Seit 2022 ist Böhmer wieder als Flugbegleiter für die Lufthansa tätig. Mit seiner Geschichte inspiriert er auch auf Instagram 102.000 Follower:innen und lässt sie an seinen Erfolgen teilhaben. Und jetzt erzählt der Ottobock-Markenbotschafter auch im Gespräch mit der OT-Redaktion von seiner Reise zurück an Bord, welchen Stellenwert die Physiotherapie dabei einnahm und warum seine Prothesenversorgung allen Herausforderungen standhält.

OT: Im ver­gan­ge­nen Jahr konn­test du end­lich wie­der in dei­ne Uni­form schlüp­fen. Wel­che Hür­den muss­test du bis dahin überwinden?

Alex­an­der Böh­mer: Auf dem Weg zurück in die Kabi­ne gab es eini­ge Hür­den, die ich neh­men muss­te. Die Che­mo­the­ra­pien, die Ope­ra­tio­nen, die Ampu­ta­ti­on, die Anpas­sung des Schafts, die etli­chen Stun­den Phy­sio­the­ra­pie. Es war ein wei­ter Weg. Aber von Anfang an war mei­ne gro­ße Moti­va­ti­on, wie­der in mein altes Leben, in mei­nen Traum­job als Flug­be­glei­ter zurückzukehren.

OT: Auf Social Media sieht man dich pri­vat meist mit kur­zem Hosen­bein. In der Luft­han­sa-Uni­form fällt dei­ne Pro­the­se dage­gen gar nicht auf. Hat die Ampu­ta­ti­on den­noch Aus­wir­kun­gen auf dei­nen Arbeitsalltag?

Böh­mer: So absurd, wie es klin­gen mag: Nein, aktu­ell nicht! Wenn ich an Bord bin und arbei­te, ver­ges­se ich die Pro­the­se voll­kom­men! Das war schon auf dem ers­ten Flug nach der lan­gen Krank­heit so. Ich habe mich gefühlt, als wäre ich nie weg gewesen.

OT: Gel­ten für dich beson­de­re Regeln?

Böh­mer: Nein, und das war auch nie mein Ziel oder eine Hoff­nung von mir. Ich woll­te ein­fach nur zurück, als Flug­be­glei­ter. Ganz ohne Nach­tei­le und selbst­ver­ständ­lich auch ohne Vorteile.

BOA-Sys­tem gleicht Volu­men­schwan­kun­gen aus

OT: Ver­än­dert sich der Stumpf bei Flug­rei­sen – ins­be­son­de­re bei Lang­stre­cken? Sind des­we­gen Anpas­sun­gen der Pro­the­se notwendig?

Böh­mer: Bis­her habe ich an mei­nem Stumpf kei­ne Ver­än­de­rung wahr­ge­nom­men. Weder an Bord noch bei gro­ßer Hit­ze in Bue­nos Aires oder win­ter­li­cher Tem­pe­ra­tur in Washing­ton D.C. Seit mei­ner ers­ten Pro­the­se bin ich mit einem BOA-Sys­tem ver­sorgt, was es mir erlaubt, Volu­men­schwan­kun­gen bis zu einem gewis­sen Grad selbst aus­zu­glei­chen. Die Funk­ti­on nut­ze ich pri­vat, auf Rei­sen, an Bord und im Urlaub gleichermaßen.

OT: Mor­gens star­test du im kal­ten Deutsch­land – spä­ter steigst du viel­leicht im war­men Argen­ti­ni­en aus dem Flie­ger. Hat das kör­per­li­che Auswirkungen?

Böh­mer: Natür­lich haben das wech­seln­de Kli­ma, die Zeit­ver­schie­bung und der Schicht­dienst kör­per­li­che Aus­wir­kun­gen. Egal, wie vie­le Bei­ne man hat. Ich emp­fin­de die wär­me­ren Tem­pe­ra­tu­ren zwi­schen­durch sogar als sehr angenehm.

OT: Du hast in den ver­gan­ge­nen Jah­ren viel trai­niert, gehst nach wie vor zur Phy­sio­the­ra­pie. Inwie­fern hat dich das auf den Wie­der­ein­stieg in den Beruf vorbereitet?

Böh­mer: Die Phy­sio­the­ra­pie war abge­se­hen von mei­nem Kampf­geist das größ­te Puz­zle­teil für die Wie­der­ein­glie­de­rung. Ich muss­te alles neu ler­nen. Mit mei­ner Phy­sio­the­ra­peu­tin habe ich zuerst geübt, wie ich frei­hän­dig im Raum ste­hen kann, wie ich mich hin­set­ze und mich wie­der hin­stel­le. Dann habe ich gelernt, wie ich ordent­lich gehe. Die­ser Pro­zess hat sehr viel Arbeit und Schweiß gekos­tet. Ich lern­te erneut Fahr­rad zu fah­ren, zu klet­tern, fuhr Inline­skates, Schlitt­schuh und lern­te wie­der zu rennen.

Siche­rer Stand, auch bei Turbulenzen

OT: Im Flug­zeug kann es auch mal Tur­bu­len­zen geben. Fühlst du dich den­noch sicher auf einem Bein und einer Prothese?

Böh­mer: Ich füh­le mich bei den Tur­bu­len­zen im Flug­zeug sehr sicher. Wir haben bei der Phy­sio­the­ra­pie sehr viel geübt, beson­ders das Gehen und Ste­hen bei Tur­bu­len­zen. Und die Tur­bu­len­zen, die mei­ne Phy­sio­the­ra­peu­tin simu­liert hat, habe ich in die­ser Stär­ke noch nie erlebt.

OT: Falls es wäh­rend der Rei­sen Pro­ble­me mit dei­ner Pro­the­se gibt: Hast du einen kur­zen Draht zu dem Sani­täts­haus, das dich versorgt?

Böh­mer: Ich ste­he natür­lich in Kon­takt mit mei­nem Sani­täts­haus und mit dem Pro­the­sen­her­stel­ler. Zudem gibt es in so gut wie jedem Land ein Sani­täts­haus, in das man zur Not gehen kann.

OT: Was bedeu­tet das Flie­gen für dich?

Böh­mer: Das Flie­gen bedeu­tet für mich Frei­heit. Und seit mei­nem Wie­der­ein­stieg auch Erfolg. Ich habe gekämpft, jah­re­lang trai­niert und mein Durch­hal­te­ver­mö­gen und mein Kampf­geist wur­den belohnt. Ich bin wie­der dabei und könn­te glück­li­cher nicht sein.

Die Fra­gen stell­te Pia Engelbrecht.

Alex­an­der Böh­mer war auch auf der OTWorld 2022 zu Gast. Gemein­sam mit Influen­ce­rin Mrs Anna berich­te­te er für die OT von sei­nen Ein­drü­cken, sei­ner Rol­le als Mar­ken­bot­schaf­ter und war­um es ihm ein Anlie­gen ist, sei­ne Geschich­te zu teilen. 

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