OT: Im vergangenen Jahr konntest du endlich wieder in deine Uniform schlüpfen. Welche Hürden musstest du bis dahin überwinden?
Alexander Böhmer: Auf dem Weg zurück in die Kabine gab es einige Hürden, die ich nehmen musste. Die Chemotherapien, die Operationen, die Amputation, die Anpassung des Schafts, die etlichen Stunden Physiotherapie. Es war ein weiter Weg. Aber von Anfang an war meine große Motivation, wieder in mein altes Leben, in meinen Traumjob als Flugbegleiter zurückzukehren.
OT: Auf Social Media sieht man dich privat meist mit kurzem Hosenbein. In der Lufthansa-Uniform fällt deine Prothese dagegen gar nicht auf. Hat die Amputation dennoch Auswirkungen auf deinen Arbeitsalltag?
Böhmer: So absurd, wie es klingen mag: Nein, aktuell nicht! Wenn ich an Bord bin und arbeite, vergesse ich die Prothese vollkommen! Das war schon auf dem ersten Flug nach der langen Krankheit so. Ich habe mich gefühlt, als wäre ich nie weg gewesen.
OT: Gelten für dich besondere Regeln?
Böhmer: Nein, und das war auch nie mein Ziel oder eine Hoffnung von mir. Ich wollte einfach nur zurück, als Flugbegleiter. Ganz ohne Nachteile und selbstverständlich auch ohne Vorteile.
BOA-System gleicht Volumenschwankungen aus
OT: Verändert sich der Stumpf bei Flugreisen – insbesondere bei Langstrecken? Sind deswegen Anpassungen der Prothese notwendig?
Böhmer: Bisher habe ich an meinem Stumpf keine Veränderung wahrgenommen. Weder an Bord noch bei großer Hitze in Buenos Aires oder winterlicher Temperatur in Washington D.C. Seit meiner ersten Prothese bin ich mit einem BOA-System versorgt, was es mir erlaubt, Volumenschwankungen bis zu einem gewissen Grad selbst auszugleichen. Die Funktion nutze ich privat, auf Reisen, an Bord und im Urlaub gleichermaßen.
OT: Morgens startest du im kalten Deutschland – später steigst du vielleicht im warmen Argentinien aus dem Flieger. Hat das körperliche Auswirkungen?
Böhmer: Natürlich haben das wechselnde Klima, die Zeitverschiebung und der Schichtdienst körperliche Auswirkungen. Egal, wie viele Beine man hat. Ich empfinde die wärmeren Temperaturen zwischendurch sogar als sehr angenehm.
OT: Du hast in den vergangenen Jahren viel trainiert, gehst nach wie vor zur Physiotherapie. Inwiefern hat dich das auf den Wiedereinstieg in den Beruf vorbereitet?
Böhmer: Die Physiotherapie war abgesehen von meinem Kampfgeist das größte Puzzleteil für die Wiedereingliederung. Ich musste alles neu lernen. Mit meiner Physiotherapeutin habe ich zuerst geübt, wie ich freihändig im Raum stehen kann, wie ich mich hinsetze und mich wieder hinstelle. Dann habe ich gelernt, wie ich ordentlich gehe. Dieser Prozess hat sehr viel Arbeit und Schweiß gekostet. Ich lernte erneut Fahrrad zu fahren, zu klettern, fuhr Inlineskates, Schlittschuh und lernte wieder zu rennen.
Sicherer Stand, auch bei Turbulenzen
OT: Im Flugzeug kann es auch mal Turbulenzen geben. Fühlst du dich dennoch sicher auf einem Bein und einer Prothese?
Böhmer: Ich fühle mich bei den Turbulenzen im Flugzeug sehr sicher. Wir haben bei der Physiotherapie sehr viel geübt, besonders das Gehen und Stehen bei Turbulenzen. Und die Turbulenzen, die meine Physiotherapeutin simuliert hat, habe ich in dieser Stärke noch nie erlebt.
OT: Falls es während der Reisen Probleme mit deiner Prothese gibt: Hast du einen kurzen Draht zu dem Sanitätshaus, das dich versorgt?
Böhmer: Ich stehe natürlich in Kontakt mit meinem Sanitätshaus und mit dem Prothesenhersteller. Zudem gibt es in so gut wie jedem Land ein Sanitätshaus, in das man zur Not gehen kann.
OT: Was bedeutet das Fliegen für dich?
Böhmer: Das Fliegen bedeutet für mich Freiheit. Und seit meinem Wiedereinstieg auch Erfolg. Ich habe gekämpft, jahrelang trainiert und mein Durchhaltevermögen und mein Kampfgeist wurden belohnt. Ich bin wieder dabei und könnte glücklicher nicht sein.
Die Fragen stellte Pia Engelbrecht.
Alexander Böhmer war auch auf der OTWorld 2022 zu Gast. Gemeinsam mit Influencerin Mrs Anna berichtete er für die OT von seinen Eindrücken, seiner Rolle als Markenbotschafter und warum es ihm ein Anliegen ist, seine Geschichte zu teilen.
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