Kurz­fris­ti­ge Effek­te sen­so­mo­to­ri­scher Ein­la­gen auf die Gang­si­cher­heit bei Parkinson-Patienten

M. König, H. Maurer, M. van Munster, D. J. Pedrosa, L. Maurer
Die Parkinson-Krankheit (PK) ist häufig mit Gangstörungen assoziiert, die das Sturzrisiko erhöhen und die Alltagsmobilität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Sensomotorische Einlagen wurden entwickelt, um über die Modulation der plantaren Wahrnehmung Einfluss auf die Motorik zu nehmen und auf diese Weise potenziell die Gangstabilität zu verbessern. Die vorliegende Studie untersuchte die kurzfristigen Effekte solcher Einlagen bei Personen mit PK hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf neuronale Aktivierungsmuster, kinematische Gangparameter (einschließlich Ganggeschwindigkeit, Schrittfrequenz, Schrittlänge und Schrittlängenvariabilität) sowie auf das subjektive Empfinden der Gangstabilität. Insgesamt nahmen 16 Patientinnen und Patienten an einem standardisierten Gangparadigma teil, das jeweils mit sensomotorischen und Placeboeinlagen durchgeführt wurde.

Die Ana­ly­se der kine­ma­ti­schen Daten ergab kei­ne signi­fi­kan­ten Unter­schie­de zwi­schen den bei­den Ein­la­gen­be­din­gun­gen. Den­noch berich­te­te ein Groß­teil der Teil­neh­men­den eine sub­jek­ti­ve Ver­bes­se­rung der Gang­sta­bi­li­tät beim Tra­gen der sen­so­mo­to­ri­schen Ein­la­gen. Auf neu­ro­phy­sio­lo­gi­scher Ebe­ne zeig­te sich ein leich­ter Anstieg der The­ta-Band-Akti­vi­tät, was als Hin­weis auf eine ver­stärk­te auf­merk­sam­keits­ge­steu­er­te Gang­kon­trol­le inter­pre­tiert wer­den kann. Eine signi­fi­kan­te Abnah­me der Alpha-Band-Akti­vi­tät – ein Mar­ker für eine effi­zi­en­te­re sen­so­mo­to­ri­sche Ver­ar­bei­tung – konn­te hin­ge­gen nicht nach­ge­wie­sen werden.

Die­se Ergeb­nis­se deu­ten dar­auf hin, dass sen­so­mo­to­ri­sche Ein­la­gen kurz­fris­tig kogni­ti­ve Aspek­te der Gang­re­gu­la­ti­on sowie das sub­jek­ti­ve Sicher­heits­emp­fin­den posi­tiv beein­flus­sen könn­ten, wäh­rend unmit­tel­ba­re Ver­än­de­run­gen sen­so­mo­to­ri­scher Ver­ar­bei­tungs­pro­zes­se und kine­ma­ti­scher Gang­merk­ma­le bei PK-Pati­en­ten bis­lang nicht ein­deu­tig belegt wer­den konn­ten. Die begrenz­te Stich­pro­ben­grö­ße stellt eine wesent­li­che Ein­schrän­kung der Stu­die dar und limi­tiert die sta­tis­ti­sche Aus­sa­ge­kraft der Befun­de. Um die poten­zi­el­le Wirk­sam­keit sen­so­mo­to­ri­scher Ein­la­gen umfas­send zu bewer­ten, sind zukünf­ti­ge Unter­su­chun­gen mit grö­ße­ren Stich­pro­ben sowie Stu­di­en, die auch lang­fris­ti­ge Effek­te und funk­tio­nel­le Kon­se­quen­zen ein­be­zie­hen, erforderlich.

 

Ein­lei­tung

Die Par­kin­son-Erkran­kung (PK) zählt zu den häu­figs­ten neu­ro­de­ge­nera­ti­ven Stö­run­gen und geht mit aus­ge­präg­ten moto­ri­schen Defi­zi­ten ein­her. Beson­ders das Gang­bild ist häu­fig beein­träch­tigt, was sich in einer ein­ge­schränk­ten Mobi­li­tät, einem höhe­ren Sturz­ri­si­ko sowie erhöh­ter Mor­bi­di­tät und Mor­ta­li­tät nie­der­schlägt. Im Ver­gleich zu gesun­den, alters­ent­spre­chen­den Per­so­nen zei­gen Men­schen mit PK signi­fi­kan­te Abwei­chun­gen im Gang­mus­ter, dar­un­ter eine ver­rin­ger­te Schritt­ge­schwin­dig­keit, kür­ze­re Schritt­län­ge, ver­än­der­te Schritt­fre­quenz, redu­zier­te Kopf-Rumpf-Koor­di­na­ti­on, ver­kürz­te Stütz­pha­sen­dau­er und ein­ge­schränk­tes Arm­schwin­gen. Dar­über hin­aus sind bei Betrof­fe­nen sowohl räum­li­che als auch zeit­li­che Gang­pa­ra­me­ter deut­lich varia­bler und asym­me­tri­scher aus­ge­prägt [1].

Neben die­sen kine­ma­ti­schen Auf­fäl­lig­kei­ten sind auch funk­tio­nel­le und struk­tu­rel­le Ver­än­de­run­gen in Hirn­re­gio­nen, die mit der Gang­kon­trol­le asso­zi­iert wer­den, doku­men­tiert. Im Ver­gleich zu Jün­ge­ren oder Gesun­den ver­gleich­ba­ren Alters wird bei PK-Pati­en­ten eine höhe­re kor­ti­ka­le Akti­vie­rung wäh­rend des gewöhn­li­chen Gehens berich­tet. Ins­be­son­de­re wur­de eine ver­stärk­te Akti­vie­rung des prä­fron­ta­len Kor­tex (PFC), der sup­ple­men­tär-moto­ri­schen Area­le (SMA), des prä­mo­to­ri­schen Kor­tex (PMC) sowie des pri­mär-sen­so­mo­to­ri­schen Kor­tex (SMC) beob­ach­tet, was auf eine kom­pen­sa­to­ri­sche Inan­spruch­nah­me höhe­rer kor­ti­ka­ler Struk­tu­ren hin­weist. Die Akti­vie­rung des prä­fron­ta­len Kor­tex konn­te zudem mit spe­zi­fi­schen Gang­pa­ra­me­tern in Zusam­men­hang gebracht wer­den [2]. Die Ana­ly­se der neu­ro­na­len Akti­vi­tät erfolg­te in den meis­ten Fäl­len mit­tels Elek­tro­en­ze­pha­logra­fie (EEG). Ver­än­de­run­gen der EEG-Leis­tung in nie­der­fre­quen­ten Bän­dern wur­den dabei mit moto­ri­schen Dys­funk­tio­nen assoziiert.

Typi­scher­wei­se zeigt sich bei PK-Pati­en­ten eine erhöh­te Akti­vi­tät im The­ta-Band (4–7 Hz) sowie eine ver­stärk­te Akti­vi­tät im obe­ren Alpha-Band (10–12 Hz), was auf eine inef­fi­zi­en­te Ver­ar­bei­tung soma­to­sen­so­ri­scher Infor­ma­tio­nen und damit ver­bun­de­ne erhöh­te kogni­ti­ve Bean­spru­chung – ins­be­son­de­re im Sin­ne gestei­ger­ter Auf­merk­sam­keits­an­for­de­run­gen – hin­deu­tet [3].

Vor dem Hin­ter­grund die­ser ver­än­der­ten sen­so­mo­to­ri­schen Infor­ma­ti­ons­ver­ar­bei­tung ist zudem bekannt, dass vie­le Men­schen mit PK eine redu­zier­te plant­are Fuß­sen­si­bi­li­tät auf­wei­sen, die mit einem erhöh­ten Sturz­ri­si­ko kor­re­liert [4]. Die Mecha­n­o­re­zep­to­ren der Fuß­soh­le spie­len eine zen­tra­le Rol­le bei der Rück­mel­dung sen­so­mo­to­ri­scher Rei­ze, wel­che essen­zi­ell für Gleich­ge­wichts­er­halt und Gang­steue­rung sind. Ein viel­ver­spre­chen­der Ansatz zur För­de­rung die­ser Rück­mel­dung stellt der Ein­satz von sen­so­risch sti­mu­lie­ren­den Ein­la­gen dar. Die­se Ein­la­gen sind mit struk­tu­rier­ten Ober­flä­chen ver­se­hen, die eine geziel­te Rei­zung nied­rig­schwel­li­ger kuta­ner Rezep­to­ren ermög­li­chen [4]. Durch die tak­ti­le Sti­mu­la­ti­on wird eine ver­bes­ser­te Wei­ter­lei­tung mecha­ni­scher Rei­ze – etwa durch Druck oder Vibra­ti­on – an das zen­tra­le Ner­ven­sys­tem ange­strebt. Dar­aus ergibt sich die Hypo­the­se, dass eine ver­bes­ser­te sen­so­mo­to­ri­sche Inte­gra­ti­on zu einer effek­ti­ve­ren Gleich­ge­wichts- und Gang­re­gu­la­ti­on füh­ren und damit die Gang­sta­bi­li­tät erhö­hen kann [5].

Wäh­rend der posi­ti­ve Ein­fluss sti­mu­lie­ren­der Ein­la­gen auf kine­ma­ti­sche Para­me­ter wie Geh­ge­schwin­dig­keit, Schritt­län­ge, Kadenz und Varia­bi­li­tät in vie­len Unter­su­chun­gen bestä­tigt wer­den konn­te [4], konn­ten ande­re Arbei­ten wie­der­um kei­ne signi­fi­kan­ten Ver­än­de­run­gen fest­stel­len [6]. Dabei wur­den vor­wie­gend kurz­fris­ti­ge Effek­te unter­sucht, obwohl anzu­neh­men ist, dass sich loko­mo­to­ri­sche Anpas­sun­gen eher mit­tel­fris­tig ein­stel­len. Da sich hin­ge­gen neu­ro­na­le Reak­tio­nen häu­fig bereits unmit­tel­bar nach Reiz­set­zung mes­sen las­sen, könn­te die Kom­bi­na­ti­on kine­ma­ti­scher mit neu­ro­na­len Mess­grö­ßen einen bes­se­ren Zugang zu kurz­fris­ti­gen Anpas­sungs­vor­gän­ge ermög­li­chen. Den­noch exis­tie­ren bis­lang kei­ne Stu­di­en, die kine­ma­ti­sche und neu­ro­phy­sio­lo­gi­sche Effek­te sen­so­risch sti­mu­lie­ren­der Ein­la­gen bei PK syn­chron unter­sucht haben. Ein­zig eine Unter­su­chung von Ken­ny et al. [7] mit jun­gen, gesun­den Erwach­se­nen ver­glich die sti­mu­lie­ren­den Ein­la­gen (Stim) mit Pla­ce­boe­in­la­gen, aller­dings im beid­bei­ni­gen Ste­hen. Die redu­zier­te zentro-parie­ta­le Akti­vi­tät im obe­ren Alpha-Band sowie die ver­min­der­ten Schwan­kun­gen des Kör­per­schwer­punkts spre­chen für eine inten­si­vier­te sen­so­ri­sche Rück­kopp­lung durch eine tak­ti­le Fußsohlenstimulation.

Ziel der vor­lie­gen­den Stu­die war es daher, die Aus­wir­kun­gen sen­so­mo­to­risch sti­mu­lie­ren­der Ein­la­gen auf kine­ma­ti­sche und neu­ro­na­le Para­me­ter bei Par­kin­son-Pati­en­ten zu unter­su­chen. Die Teil­neh­men­den führ­ten wie­der­holt ein stan­dar­di­sier­tes Gang­pa­ra­dig­ma in ihren eige­nen Schu­hen durch, wobei sie zwei Ein­la­gen­ty­pen (Pla­ce­bo vs. sti­mu­lie­rend) tru­gen. Zur Mini­mie­rung poten­zi­el­ler Car­ry-over-Effek­te wur­de zwi­schen bei­den Bedin­gun­gen eine Washout-Pha­se ohne Ein­la­gen eingefügt.

Im Hin­blick auf die neu­ro­na­len Mess­grö­ßen wur­den beim Tra­gen der sti­mu­lie­ren­den Ein­la­gen im Ver­gleich zu Pla­ce­bo fol­gen­de Ver­än­de­run­gen erwartet:

  • Eine Abnah­me der EEG-Akti­vi­tät im obe­ren Alpha-Band im zentro-parie­ta­len bzw. okzi­pi­ta­len Bereich, was auf eine gestei­ger­te sen­so­mo­to­ri­sche Ver­ar­bei­tung hin­deu­ten würde.
  • Eine Reduk­ti­on der Akti­vi­tät im The­ta-Band im fron­to-zen­tra­len Bereich, was als Aus­druck einer ver­rin­ger­ten kogni­ti­ven Bean­spru­chung im Sin­ne eines Auf­merk­sam­keits­be­darfs inter­pre­tiert wer­den kann.

Dar­über hin­aus erwar­te­ten wir, dass sich die­se kor­ti­ka­len Ver­än­de­run­gen auch in den kine­ma­ti­schen Gang­pa­ra­me­tern wider­spie­geln wür­den. Kon­kret wur­de ange­nom­men, dass das Tra­gen der sti­mu­lie­ren­den Ein­la­gen zu fol­gen­den Ver­bes­se­run­gen führt:

  • Erhö­hung der Ganggeschwindigkeit
  • Reduk­ti­on der Schritt­fre­quenz (Kadenz)
  • Erhö­hung der Schrittlänge
  • Ver­rin­ge­rung der Schrittlängenvariabilität

Zusätz­lich wur­de ange­nom­men, dass die sti­mu­lie­ren­den Ein­la­gen auch die sub­jek­ti­ve Wahr­neh­mung der eige­nen Gang­sta­bi­li­tät posi­tiv beein­flus­sen würden.

Metho­dik

Es wur­den 16 Per­so­nen (12 männ­lich, 4 weib­lich) mit idio­pa­thi­scher Par­kin­son-Krank­heit gemäß den Kri­te­ri­en der Move­ment Dis­or­ders Socie­ty [1] rekru­tiert. Das Alter lag zwi­schen 44 und 73 Jah­ren (M = 60,25; SD = 8,26). Es bestan­den kei­ne höhe­ren kogni­ti­ven Defi­zi­te (MoCA < 26 [8]). Die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten befan­den sich in den Sta­di­en I–II nach Hoehn und Yahr [9] und erziel­ten Wer­te zwi­schen 2 und 43 Punk­ten im moto­ri­schen Teil der UPDRS-Ska­la (M = 16,25; SD = 11,30). Die Teil­neh­men­den waren nicht auf Hilfs­mit­tel wie Geh­stö­cke oder Rol­la­to­ren ange­wie­sen. Die Unter­su­chung fand im medi­ka­men­tös ein­ge­stell­ten Zustand statt. Die kine­ma­ti­schen Daten konn­ten von allen Teil­neh­men­den aus­ge­wer­tet wer­den. Auf­grund metho­di­scher bzw. tech­ni­scher Pro­ble­me waren die EEG-Daten nur von 10, und die sub­jek­ti­ve Sta­bi­li­täts­ein­schät­zung war nur von 14 Per­so­nen verfügbar.

Die Teil­neh­men­den führ­ten eine modi­fi­zier­te Ver­si­on des Timed-Up-and-Go-Tests (TUG) in selbst­ge­wähl­tem Tem­po über eine Stre­cke von 18 Metern durch. An deren Wen­de­punkt muss­te ein Hin­der­nis im Abstand von 9 Metern umrun­det wer­den. Der Test wur­de in ran­do­mi­sier­ter Rei­hen­fol­ge in 3 Bedin­gun­gen durch­ge­führt: sen­so­mo­to­ri­sche Ein­la­gen (Stim), nicht sen­so­mo­to­ri­sche Ein­la­gen (Pla­ce­bo) und als Washout-Bedin­gung das Gehen mit eige­nen Schu­hen und Ein­la­gen (Norm). Jede Bedin­gung bestand aus zehn Durch­gän­gen. Die sen­so­mo­to­ri­schen Ein­la­gen wur­den indi­vi­du­ell durch einen lokal ansäs­si­gen Ortho­pä­die­schuh­tech­ni­ker auf Basis des Kon­zepts nach Jahr­ling gefer­tigt [10]. Die­se ent­hiel­ten auf einer 3 Mil­li­me­ter star­ken EVA-Trä­ger­schicht ein media­les und late­ra­les Rück­fu­ß­ele­ment, eine retro­ka­pi­ta­le Pelot­te sowie einen Zehen­steg und einen Mikro­fa­ser­be­zug. Die Pla­ce­bo­kon­di­ti­on war letzt­lich nur die 3‑Mil­li­me­ter-EVA-Trä­ger­schicht mit iden­ti­schem Bezug­stoff ohne Sti­mu­la­ti­ons­wir­kung. Nach Abschluss jeder Bedin­gung bewer­te­ten die Teil­neh­men­den ihre Gang­sta­bi­li­tät auf einer visu­el­len Ana­logska­la (VAS) zwi­schen „sehr unsi­cher“ und „sehr sicher“.

Die Hirn­ak­ti­vi­tät wur­de kon­ti­nu­ier­lich mit­tels mobi­lem EEG-Sys­tem mit 32 akti­ven Ag/Ag­Cl-Elek­tro­den (Live-Amp, Brain­Pro­ducts GmbH) auf­ge­zeich­net. Die Elek­tro­den wur­den gemäß dem inter­na­tio­na­len Stan­dard: dem 10–20-System plat­ziert, wobei der Mit­tel­punkt zwi­schen den bei­den Pro­ces­sus masto­ide­us als Refe­renz­punkt ange­nom­men wur­de. Da ein akti­ves Elek­tro­den­sys­tem ver­wen­det wur­de, war ein Impe­danz­li­mit von 10 kOhm aus­rei­chend. Ana­ly­siert wur­den das obe­re Alpha-Band (10–12 Hz) und das The­ta-Band (4–7 Hz) mit­hil­fe der Soft­ware EEG­Lab (eine Open-Source-Erwei­te­rung für Mat­lab, Mathworks Inc.), unter Anwen­dung stan­dar­di­sier­ter Preprocessing-Pipelines.

Die Gang­ana­ly­se erfolg­te mit einem mar­ker­ba­sier­ten, opto­elek­tro­ni­schen Moti­on-Cap­tu­re-Sys­tem (32-­Ka­­me­ra-­

Sys­tem Van­ta­ge V5/Vero v1.3, Soft­ware: Nexus 2.15, Vicon Moti­on Sys­tems Ltd.). Das ver­wen­de­te Modell (Plug-in Gait Lower Body) wur­de durch zusätz­li­che Mar­ker an bei­den Unter­ar­men erwei­tert (ins­ge­samt 24 Mar­ker). Die­se wur­den mit dop­pel­sei­ti­gem Kle­be­band direkt auf der Haut oder eng­an­lie­gen­der Klei­dung an ana­to­misch defi­nier­ten Punk­ten ange­bracht. Die Aus­wer­tung erfolg­te mit­tels eigens ent­wi­ckel­ter Mat­lab-Rou­ti­nen. Ana­ly­siert wur­den die Para­me­ter: Gang­ge­schwin­dig­keit, Schritt­fre­quenz, Schritt­län­ge und deren Variabilität.

Zur Hypo­the­sen­tes­tung wur­den metho­den­spe­zi­fi­sche Aus­wer­tungs­tools ver­wen­det (Mat­lab R2021, JASP 0.18.3.0). Die Ana­ly­se folg­te Emp­feh­lun­gen für zwei­ar­mi­ge Cross­over-Designs [11]. Für jede Ziel­va­ria­ble wur­den Sum­men- oder Dif­fe­renz­wer­te zwi­schen ers­ter und letz­ter ver­wen­de­ter Ein­la­ge berech­net. U‑Tests wur­den zur Prü­fung von Car­ry­o­ver-Effek­ten (Sum­men­wer­te) und zum Tes­ten von aku­ten Unter­schie­den zwi­schen Pla­ce­bo und Stim (Dif­fe­renz­wer­te) durchgeführt.

Ergeb­nis­se

Gehirn­ak­ti­vi­tät

Unter­sucht wur­den zwei spe­zi­fi­sche Fre­quenz­bän­der der Hirn­ak­ti­vi­tät, die im Zusam­men­hang sen­so­mo­to­ri­scher Regel­pro­zes­se ste­hen – das Alpha- und das The­ta-Band. Abbil­dung 2a zeigt den Ver­gleich zwi­schen den sen­so­mo­to­ri­schen Ein­la­gen (Stim) und den Pla­ce­boe­in­la­gen im Alpha-Band. Nega­ti­ve Wer­te ste­hen für eine gestei­ger­te Akti­vie­rung (bes­se­re sen­so­mo­to­ri­sche Ver­ar­bei­tung), Posi­ti­ve für eine Hem­mung. Bei eini­gen Per­so­nen führ­te das Tra­gen der Stim-Ein­la­gen ten­den­zi­ell zu einer Hem­mung der sen­so­mo­to­ri­schen Ver­ar­bei­tung. Sta­tis­tisch ließ sich jedoch weder ein posi­ti­ver noch ein nega­ti­ver Effekt ein­deu­tig nach­wei­sen (W = 19; p = .171; Rang­kor­re­la­ti­on = .583).

Abbil­dung 2b zeigt die Auf­merk­sam­keit beim Gehen (eben­falls Ver­gleich Stim vs. Pla­ce­bo). Die meis­ten Teil­neh­men­den ver­wen­de­ten mit den sen­so­mo­to­ri­schen Ein­la­gen mehr kogni­ti­ve Res­sour­cen (posi­tiv), was auf eine weni­ger auto­ma­ti­sier­te Gang­kon­trol­le hin­deu­tet. Der Unter­schied ver­fehl­te knapp die sta­tis­ti­sche Signi­fi­kanz (W = 21; p = .067; Rang­kor­re­la­ti­on = .75).

Kine­ma­tik

Die Ein­la­gen­be­din­gun­gen zeig­ten kei­ne Unter­schie­de hin­sicht­lich der Gang­pa­ra­me­ter. Für kei­ne der ana­ly­sier­ten Varia­blen – Gang­ge­schwin­dig­keit (MStim = 1,2; SDStim = 0,2; MPla­ce­bo = 1,2; SDPla­ce­bo = 0,2; in m/s), Schritt­fre­quenz (MStim = 106,8; SDStim = 7,1; MPla­ce­bo = 107,2; SDPla­ce­bo = 8,0; in Schritten/min), Schritt­län­ge (MStim = 0,69; SDStim = 0,11; MPla­ce­bo = 0,69; SDPla­ce­bo = 0,11; in m), oder Schritt­län­gen-Varia­bi­li­tät (MStim = 5,24; SDStim = 1,3; MPla­ce­bo = 5,24; SDPla­ce­bo = 1,4; in %) – erga­ben sich signi­fi­kan­te Unter­schie­de (alle p > .5).

Sub­jek­ti­ve Stabilität

Die sub­jek­ti­ve Ein­schät­zung der Gang­sta­bi­li­tät war unter den Stim-Ein­la­gen ten­den­zi­ell bes­ser als unter den Pla­ce­bo-Ein­la­gen. 10 von 14 Teil­neh­men­den bewer­te­ten das Gang­ge­fühl als siche­rer mit den sen­so­mo­to­ri­schen Ein­la­gen. Auch wenn die­ser Effekt nicht signi­fi­kant war (W = 37; p = .108; Rang­kor­re­la­ti­on = .54), spricht der Trend für einen posi­ti­ven Ein­fluss auf das Sicherheitsempfinden.

Dis­kus­si­on

Soweit ersicht­lich, han­delt es sich bei der vor­lie­gen­den Unter­su­chung um die ers­te, die kurz­fris­ti­ge Effek­te sen­so­risch sti­mu­lie­ren­der Ein­la­gen bei Per­so­nen mit Par­kin­son-Krank­heit sowohl auf Ebe­ne der Gang­ki­ne­ma­tik als auch jener der kor­ti­ka­len Akti­vi­tät betrach­tet. Obwohl sich im Hin­blick auf objek­tiv mess­ba­re Gang­pa­ra­me­ter kei­ne signi­fi­kan­ten Ver­än­de­run­gen beim Tra­gen der sti­mu­lie­ren­den Ein­la­gen zeig­ten, las­sen sich den­noch Hin­wei­se auf neu­ro­na­le Anpas­sungs­vor­gän­ge sowie eine ver­bes­ser­te sub­jek­ti­ve Ein­schät­zung der Gang­sta­bi­li­tät erken­nen. Die höhe­re Gang­sta­bi­li­tät, die immer­hin bei 10 von 14 Teil­neh­men­den sub­jek­tiv emp­fun­den wur­de, sowie die gestei­ger­te The­ta-Band-Akti­vi­tät, die bei 10 von 12 Teil­neh­men­den beob­ach­tet wur­de, las­sen trotz feh­len­der Signi­fi­kanz zumin­dest beim kurz­fris­ti­gen Ein­satz sti­mu­lie­ren­der Ein­la­gen einen erhöh­ten Ein­satz auf­merk­sam­keits­len­ken­der Res­sour­cen ver­mu­ten. Dem­ge­gen­über konn­ten kei­ne Anzei­chen für eine ver­bes­ser­te sen­so­mo­to­ri­sche Inte­gra­ti­on fest­ge­stellt wer­den, da sich kei­ne signi­fi­kan­te Abnah­me der Alpha-Band-Akti­vi­tät zeig­te. Auch im Bereich der Gang­ki­ne­ma­tik blie­ben bedeu­ten­de Effek­te aus: Weder Geh­ge­schwin­dig­keit noch Schritt­län­ge, Schritt­fre­quenz oder Varia­bi­li­tät zeig­ten die erwar­te­ten Ver­än­de­run­gen. Ein mög­li­cher Erklä­rungs­an­satz liegt dar­in, dass sen­so­risch ver­mit­tel­te Anpas­sun­gen unter Umstän­den erst nach län­ge­rer Expo­si­ti­ons­zeit bzw. durch wie­der­hol­te Nut­zung der Ein­la­gen in All­tags­kon­tex­ten wirk­sam wer­den. Künf­ti­ge Stu­di­en soll­ten daher ver­stärkt auf lang­fris­ti­ge Ver­läu­fe fokus­sie­ren. Eben­so erscheint es denk­bar, dass sich poten­zi­el­le Vor­tei­le sen­so­ri­scher Sti­mu­la­ti­on vor allem unter uner­war­te­ten oder her­aus­for­dern­den Bedin­gun­gen – etwa bei Stol­per­ereig­nis­sen – deut­li­cher zei­gen könn­ten, also wenn eine schnel­le und effek­ti­ve Rück­mel­dung über die Fuß­soh­le beson­ders ent­schei­dend ist [12].

Ein metho­di­scher Schwach­punkt der Stu­die liegt in der begrenz­ten Stich­pro­ben­grö­ße, die sich unter ande­rem aus tech­ni­schen Schwie­rig­kei­ten im Stu­di­en­ver­lauf ergab und die Aus­sa­ge­kraft der sta­tis­ti­schen Ana­ly­sen ein­schränk­te. Den­noch lässt sich aus dem beob­ach­te­ten posi­ti­ven Trend hin­sicht­lich des sub­jek­ti­ven Sicher­heits­emp­fin­dens ablei­ten, dass eine ver­tie­fen­de Unter­su­chung mit grö­ße­rem Stich­pro­ben­um­fang loh­nend erscheint.

 

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

 

Hin­weis:
Die­ser Arti­kel erschien in ähn­li­cher Form und auf Eng­lisch unter der Lizenz CC BY-NC-ND 4.0 Attri­bu­ti­on-Non­Com­mer­cial-Non­De­ri­va­ti­ves 4.0 Inter­na­tio­nal https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ in dem Fach­ma­ga­zin Cli­ni­cal Par­kin­so­nism & Rela­ted Dis­or­ders 11/2024 ver­öf­fent­licht: https://doi.org/10.1016/j.prdoa.2024.100290

Inter­es­sen­kon­flikt:
Der Erst­au­tor ist Geschäfts­füh­rer der ­Foot­power Gie­ßen GmbH.
Die­se Arbeit wur­de geför­dert von der Deut­schen ­For­schungs­ge­mein­schaft (DFG, SFB/TRR 135, Pro­jekt­num­mer 222641018).

Für die Autoren:
Dr. Manu­el König
foot­power Gie­ßen GmbH
Schif­fen­ber­ger Weg 59
35394 Gießen
Tel: 064197190150
manuel.koenig@giessen.footpower.de

 

Zita­ti­on
König MM et al. Kurz­fris­ti­ge Effek­te sen­so­mo­to­ri­scher Ein­la­gen auf die Gang­si­cher­heit bei Par­kin­son-Pati­en­ten. Ortho­pä­die Tech­nik, 2025; 76 (10): 48–52

 

 

Quel­len­ver­zeich­nis

[1] Pos­tu­ma RB et al. MDS cli­ni­cal dia­gno­stic cri­te­ria for Parkinson’s dise­a­se. Move­ment Dis­or­ders, 2015; 30 (12): 1591–1601

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