Das will Doerks ändern und führt unter dem Titel „Bewegungsanalyse zur Erforschung des Gehens nach Vorfußamputation“ eine Studie durch, die bis zum nächsten Sommer laufen soll. Die Hintergründe erläutert er im Gespräch mit der OT-Redaktion.
OT: Warum ist die Studie notwendig? Welche Ziele verfolgen Sie damit?
Frithjof Doerks: Amputationen im Vorfußbereich verändern die Hebellänge des Fußes und haben damit Auswirkungen auf das Gangbild. Traditionelle Versorgungskonzepte haben häufig zwar eine kosmetische Funktion, können aber die biomechanischen Defizite nur teilweise kompensieren. Bei der prothetischen Versorgung existiert dadurch noch viel ungenutztes Potenzial. Ziel dieser Studie ist es, die bestehenden Abweichungen im Gangbild mittels Ganganalyse zu erfassen und damit das Fundament für die Anforderungen innovativer Versorgungsansätze zu liefern. Die Fragestellung ist dementsprechend, welche Auswirkung die Amputation auf das Gehen hat und inwiefern sich dieses vom gesunden Gangbild unterscheidet. Damit soll die Studie einen Beitrag liefern, um den betroffenen Personen in Zukunft ein möglichst physiologisches Gehen zu ermöglichen.
OT: Wie viele Proband:innen nehmen teil? Welche Voraussetzungen müssen diese mitbringen?
Doerks: Es werden 25 Patient:innen mit einer einseitigen Amputation im Vorfußbereich gesucht. Dabei reichen die Einschlusskriterien von einer Zehenamputation bis zu einem maximalen proximalen Amputationslevel auf Höhe der Lisfranc-Gelenklinie. Die Patient:innen dürfen keine muskuloskelettalen Beeinträchtigungen über die Amputation hinaus haben und müssen schmerzfrei und ohne Unterarmstützen gehen können. Für die Messung im Bewegungsanalyselabor ist ein mindestens moderates Aktivitätslevel von Vorteil.
OT: Wie läuft die Messung ab? Wie werden die Daten evaluiert?
Doerks: Die Messung nimmt etwa eine Stunde in Anspruch. Dabei werden zunächst allgemeine Daten erfasst, wie Geschlecht, Alter, Körpermaße und Gewicht. Anschließend werden mehrere kleine, lichtreflektierende Marker auf die Haut an den Beinen und auf den Fuß/Schuh geklebt. Während der Messung werden die Gehbewegungen von zwölf Infrarotkameras und zwei Videokameras erfasst. Die Analyse erfolgt, falls möglich, barfuß und mit der eigenen individuellen Versorgung sowie alltäglichem Schuhwerk. Zusätzlich werden Kraftmessplatten und Methoden zur dynamischen Druckverteilungsmessung eingesetzt. Die Messungen haben keine Nebenwirkungen und verursachen keine Strahlenbelastung. Evaluiert werden schlussendlich unter anderem Gelenkwinkel, Gelenkmomente, Bodenreaktionskräfte und Druckverteilungen.
OT: Welche Ergebnisse hoffen Sie, aus der Studie ableiten zu können?
Doerks: Durch den Vergleich der Daten der Patient:innen mit denen des physiologischen Gehens der gesunden Personen sollen Defizite und kompensatorische Muster quantifiziert werden. Basierend auf den Ergebnissen dieser Studie soll das Verständnis über die Auswirkungen der Amputationen auf das Gangbild erweitert werden. Gleichzeitig sollen biomechanische Anforderungen für zukünftige Produkte in Abhängigkeit verschiedener Parameter wie Amputationslevel, anthropometrische Daten und Mobilitätslevel abgeleitet werden.
OT: Wer soll von den Studienergebnissen profitieren können?
Doerks: In der Literatur sind bislang ausschließlich Studien mit kleinen Patientenkohorten oder dem Fokus auf bestimmte biomechanische Parameter zu finden. Außerdem sind Studien mit dem Fokus auf Zehenamputationen unterrepräsentiert, obwohl die Mobilität der Patient:innen auch dabei eingeschränkt wird. Die geplante Studie soll diese Lücke schließen und zum grundlegenden Verständnis beitragen. In erster Linie können Orthopädietechniker:innen und Patient:innen von den Ergebnissen profitieren. Die Ableitung von biomechanischen Anforderungen bietet die Grundlage für innovative Versorgungskonzepte, die möglicherweise noch besser die individuellen Bedürfnisse der Patient:innen adressieren. Außerdem werden aber auch die individuellen traditionellen Versorgungen und deren biomechanische Wirkung untersucht, sodass die Ergebnisse die Orthopädietechniker:innen bei ihrer Versorgungsentscheidung unterstützen können. Aber auch Mediziner:innen können aus den Ergebnissen Rückschlüsse für die Planung von Amputationen bezüglich des Amputationslevels und der Stumpfgestaltung ziehen. Insgesamt soll diese Studie einen Beitrag zur Verbesserung der Mobilität einer in der Literatur vernachlässigten Patientengruppe liefern.
Die Fragen stellte Pia Engelbrecht.
Wer Interesse hat, an der Studie teilzunehmen oder weitere Informationen benötigt, kann sich an Frithjof Doerks unter Tel. 0511 5354–455 oder per E‑Mail an doerks.frithjof@mh-hannover.de wenden.
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