OTWorld.connect: Neue Wahrnehmung

Herausfordernd, anders, intensiv – Kongresspräsident Michael Schäfer, Dipl.-Orthopädiemechaniker-Meister und Geschäftsführer der Pohlig GmbH, spricht über „seine“ OTWorld.connect, die neue Formen der digitalen Wissensvermittlung und der Debatte erprobte.

OT: Herr Schä­fer, Sie waren der Kon­gress­prä­si­dent einer Aus­nah­me-OTWorld, die auf­grund der Coro­na-Kri­se ganz anders abge­lau­fen ist als gedacht. Wie haben Sie „Ihre“ OTWorld.connect erlebt?

Micha­el Schä­fer: Als eine span­nen­de Her­aus­for­de­rung! Auf­grund der beson­de­ren Situa­ti­on muss­ten wir uns ja zwei­mal neu ori­en­tie­ren – zuerst haben wir ein hybri­des For­mat vor­be­rei­tet, sind dann auf­grund der ver­schärf­ten Pan­de­mie-Situa­ti­on auf ein kom­plett digi­ta­les umge­schwenkt. Des­halb ein dickes Kom­pli­ment an die Kon­gress­ver­an­stal­ter bei der Con­fairm­ed, die das Pro­gramm­ko­mi­tee bes­tens betreut und sehr gute Arbeit geleis­tet haben. Ich habe mich gefreut, dass sich nahe­zu 70 Pro­zent der Refe­ren­tin­nen und Refe­ren­ten bereit­erklär­ten, die neu­en Wege mit­zu­ge­hen. Hut ab eben­falls vor der Leip­zi­ger Mes­se. Wir durf­ten ein tol­les Event erle­ben und ich habe aus der Bran­che sehr viel posi­ti­ve Reso­nanz erfah­ren. Natür­lich war es scha­de, dass der direk­te zwi­schen­mensch­li­che Kon­takt zu kurz kam – aber die Qua­li­tät des Wis­sens­trans­fers wur­de hoch gelobt. Ich wür­de sogar sagen, dass er kon­zen­trier­ter und inten­si­ver war, da es kei­ne Ablen­kun­gen gab.

Tol­les Erlebnis

OT: Bei allen Sym­po­si­en konn­te sich das Publi­kum über die Chat­funk­ti­on direkt betei­li­gen, in der digi­ta­len Aus­stel­lung – der Waben­welt – die Neu­hei­ten der Indus­trie erkun­den. Wie wur­de das angenommen?

Schä­fer: Die Leu­te muss­ten erst ein wenig „warm wer­den“ mit dem neu­en For­mat. Es hat gefühlt einen Kon­gress­tag gebraucht, bis sie sich dar­auf ein­ge­stellt und aktiv nach­ge­fragt haben. Das Publi­kum hat schnell gelernt, sich zwi­schen den Platt­for­men zu bewe­gen – dazu gehör­ten genau­so die Mar­ken­wel­ten der Indus­trie, die neue Mög­lich­kei­ten der Wahr­neh­mung geschaf­fen und ver­schie­de­ne Ansät­ze bis hin zur direk­ten Kom­mu­ni­ka­ti­on prä­sen­tiert haben. Man­che rück­ten dabei ihre Tech­no­lo­gie in den Vor­der­grund, ande­re stel­len Ver­sor­gungs­ab­läu­fe dar oder erzähl­ten emo­tio­na­le Pati­ent­ca­re-Sto­rys. Ins­ge­samt hat die OTWorld.connect den Besu­che­rin­nen und Besu­chern ein abwechs­lungs­rei­ches und tol­les Erleb­nis geboten.

Wert­vol­le Botschaften

OT: Was hat Sie wäh­rend der OTWorld.connect beson­ders überrascht?

Schä­fer: Inhalt­lich haben mich die nicht expli­zit fach­be­zo­ge­nen Key­note-Lec­tures sehr posi­tiv über­rascht – wie Trend­for­scher Oli­ver Leis­se, der einen Blick in die Zukunft gewagt und eine Digi­ta­li­sie­rung in einem huma­nen For­mat gefor­dert hat. Er ver­mit­tel­te die sehr wert­vol­le und wich­ti­ge Bot­schaft, dass Digi­ta­li­sie­rung nicht nur tech­no­kra­tisch zu betrach­ten ist, son­dern dass die zwi­schen­mensch­li­che Kom­po­nen­te auch in Zukunft eine gro­ße und wich­ti­ge Rol­le spie­len wird. Eben­so hat mich Raúl Agu­ayo-Kraut­hau­sen fas­zi­niert. Er hat das The­ma Behin­de­rung und Inklu­si­on in einer der­art beein­dru­cken­den Art und Wei­se auf­ge­ar­bei­tet! Das hat mich zum Nach­den­ken ange­regt. Ein sehr wert­vol­ler Bei­trag. Ich bin sehr froh, dass ich mir die­se Key­notes ange­se­hen habe und ich emp­feh­le allen, die das ver­passt haben, das in der Kon­gress-Media­thek der OTWorld.connect nachzuholen.

Vor­bil­der präsentiert

OT: Wor­über haben Sie sich als Kon­gress­prä­si­dent gefreut?

Schä­fer: Dass unser „Test­läu­fer“ – das Leucht­turm­sym­po­si­um als neu­es For­mat – eine so gute Pre­mie­re hat­te. Wir haben Inter­dis­zi­pli­na­ri­tät in Form eines außer­ge­wöhn­li­chen Netz­werks aus den USA prä­sen­tiert. Sol­che Pro­jek­te sind die Zukunft, davon kön­nen wir alle ler­nen! Ich bin über­zeugt, dass der­ar­ti­ge „Leucht­turm-Ses­si­ons“ künf­tig wei­ter­hin Bestand­teil der OTWorld blei­ben. Wir, Pro­fes­sor Chris­toph Jos­ten und ich, hat­ten ja zum ers­ten Mal eine gemein­sa­me Kon­gress­prä­si­dent­schaft von Medi­zin und Tech­nik. Unser Ziel war es, in den ver­schie­de­nen For­ma­ten eine inter­dis­zi­pli­nä­re Melan­ge aus Medi­zin, Ortho­pä­die- und Reha-Tech­nik,  Phy­sio- und Ergo­the­ra­pie bis hin zur Sicht­wei­se der betrof­fe­nen Anwen­der zu inte­grie­ren. Dies ist nicht zuletzt in dem Leucht­turm-Sym­po­si­um par excel­lence gelun­gen: Hier hat sich ein erfolg­rei­ches Ver­sor­gungs­team, das im All­tag eng zusam­men­ar­bei­tet, in die Kar­ten schau­en las­sen. Die drei Vor­tra­gen­den sind her­vor­ra­gen­de Fach­leu­te auf ihrem Gebiet und haben gezeigt, dass das allein nicht genügt. Jeder an der Behand­lung bzw. Ver­sor­gung Betei­lig­te muss ver­ste­hen und ver­ste­hen wol­len, was der oder die jeweils ande­re tut und mit wel­chem Ziel. Dabei ging es nicht „nur“ um Ver­sor­gungs­tech­nik, son­dern im Mit­tel­punkt aller Betrach­tun­gen stan­den die Berück­sich­ti­gung der Mög­lich­kei­ten, Bedürf­nis­se und Res­sour­cen der Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten. Das hat mir impo­niert, denn nur so ent­steht ein ech­tes und wert­vol­les Team­work, das zual­ler­erst auf die Betrof­fe­nen hört und die­se gleich­be­rech­tigt einbezieht.

Qua­li­tät als Top-Thema

OT: Gab es ein Top-The­ma, das sich durch die gesam­te Ver­an­stal­tung zog?

Schä­fer: Zu den Top-The­men zähl­te zwei­fels­oh­ne die Ver­sor­gungs­qua­li­tät, die nicht nur in Euro­pa zuneh­mend in den Fokus rückt. Auch die Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen aus den USA haben mehr­fach betont, dass gera­de in die­sen schwie­ri­gen Zei­ten die Qua­li­tät der Ver­sor­gung eine zuneh­men­de Auf­merk­sam­keit erfährt. Des­halb ist es extrem wich­tig, dass wir Qua­li­tät beschrei­ben und defi­nie­ren kön­nen. Drei Sym­po­si­en der OTWorld.connect haben sich daher schwer­punkt­mä­ßig mit Ver­sor­gungs­qua­li­tät befasst. Ein Trend, der sich sicher­lich in künf­ti­gen Ver­an­stal­tun­gen fort­set­zen wird.

High­light Branchenpolitik

OT: Wel­che High­lights sind Ihnen außer­dem beson­ders in Erin­ne­rung geblieben?

Schä­fer: Ein Uni­kat die­ser Ver­an­stal­tung waren die täg­li­chen bran­chen­po­li­ti­schen Foren des Bun­des­in­nungs­ver­bands für Ortho­pä­die-Tech­nik live aus dem „Stu­dio“ auf dem Leip­zi­ger Mes­se­ge­län­de mit natio­na­len und inter­na­tio­na­len Zuschal­tun­gen. Zu den zen­tra­len The­men gehör­ten die Coro­na-Pan­de­mie und die ver­schie­de­nen Ansät­ze, mit den Aus­wir­kun­gen umzu­ge­hen sowie neue Lösun­gen in die­ser Aus­nah­me­si­tua­ti­on zu fin­den. Für mich hoch­in­ter­es­sant. Gut gefal­len hat mir zudem, dass die Poli­tik mit an den Tisch geholt wur­de – so hat sich Dr. Roy Küh­ne (MdB, Mit­glied im Aus­schuss für Gesund­heit und zustän­di­ger Bericht­erstat­ter für Hilfs­mit­tel der CDU/C­SU-Bun­des­tags­frak­ti­on, d. Red.) direkt aus dem Bun­des­tag ein­ge­klinkt. Das ist auf jeden Fall fort­set­zungs­wür­dig, die Anlie­gen unse­res Fachs auf eine sol­che Ebe­ne zu trans­por­tie­ren. Ein wei­te­res High­light und eine inter­dis­zi­pli­nä­re Berei­che­rung waren die inter­ak­ti­ven Ses­si­ons gemein­sam mit den Fach­ge­sell­schaf­ten Deut­sche Gesell­schaft für Ortho­pä­die und Unfall­chir­ur­gie e.V. (DGOU), Gesell­schaft für Fuß- und Sprung­ge­lenk­chir­ur­gie e.V. (GFFC) und Gesell­schaft für ortho­pä­disch-trau­ma­to­lo­gi­sche Sport­me­di­zin e.V. (GOTS) sowie der Deut­schen Gesell­schaft für inter­pro­fes­sio­nel­le Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung e.V. (DGIHV).

Zeit­li­mit ausgeschöpft

OT: Was wür­den Sie beim nächs­ten Mal anders machen?

Schä­fer: Das Zeit­re­gime kam die­ses Mal – for­ciert durch das digi­ta­le For­mat – sehr strin­gent ’rüber. Wir haben so extrem viel Inhalt in die drei Tage gepackt, dass die Dis­kus­sio­nen im Anschluss stre­cken­wei­se etwas zu kurz gekom­men sind. Die Vor­trä­ge haben das Zeit­li­mit der Ses­si­ons oft­mals nahe­zu aus­ge­schöpft, da blie­ben stel­len­wei­se nur weni­ge Minu­ten übrig. Dar­aus lässt sich für die Zukunft ler­nen, bei Sym­po­si­en im Digi­tal­for­mat etwas mehr Zeit­res­sour­cen ein­zu­pla­nen. Durch­ge­hend posi­ti­ves Feed­back habe ich aber zu der Art und Wei­se erhal­ten, wie Fra­gen gestellt und durch die Chairs ver­mit­telt wur­den. Das war tech­nisch professionell.

OT: Von wo aus haben Sie sich in das Kon­gress­ge­sche­hen eingeloggt?

Schä­fer: Von zuhau­se, aus mei­nem Home­of­fice. Dort war ich am unge­stör­tes­ten. Es hat mir nichts aus­ge­macht, „nur“ mit mei­nem Moni­tor zu spre­chen. Aller­dings ist es schon scha­de, dass man so gar nicht weiß, wer zuhört. Schön wäre es des­halb künf­tig, wenn von jenen, die das erlau­ben, die Namen ange­zeigt wür­den – oder viel­leicht etwas unbe­denk­li­cher: die Lan­des­flag­gen. Dann sieht das Podi­um zumin­dest, wel­che Natio­nen mit am Tisch sitzen.

Mehr Welt integrieren

OT: Wel­che Ele­men­te der OTWorld.connect soll­ten bei­be­hal­ten werden?

Schä­fer: Unbe­dingt bei­be­hal­ten wer­den soll­te ein beglei­ten­des digi­ta­les For­mat. Denn so kön­nen Men­schen an die­sem wich­ti­gen Event teil­ha­ben, denen das sonst aus Man­gel an Zeit oder Finanz­mit­teln nicht mög­lich ist. In die­sem Jahr hat­ten zum Bei­spiel Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer aus 82 Län­dern Zugang zum Kon­gress, dar­un­ter Natio­nen, die sonst nicht in die­sem Umfang ver­tre­ten waren. Die Über­set­zun­gen haben sehr gut funk­tio­niert, ich habe extra eini­ge Ses­si­ons in der Über­set­zung ver­folgt. Also, mit einem digi­ta­len For­mat lässt sich der Welt­kon­gress berei­chern – und vor allem noch mehr in die Welt hin­aus transportieren.

OT: Was geben Sie den neu­en Kon­gress­prä­si­den­ten Mer­kur Ali­mus­aj und Prof. Mar­tin Engel­hardt mit auf den Weg?

Schä­fer: Zum einen soll­te das The­ma Digi­ta­li­sie­rung unse­rer Bran­che aus­rei­chend Platz fin­den. Das wird uns in den kom­men­den Jah­ren noch beglei­ten und wir wer­den über die Kon­se­quen­zen dis­ku­tie­ren müs­sen. Zu ande­ren waren wir ja in die­sem Jahr erst­mals zwei Kon­gress­prä­si­den­ten und jeder von uns brach­te sei­ne Sicht in die Gestal­tung der For­ma­te ein. Einen solch berei­chern­den Aus­tausch wün­sche ich unse­ren Nach­fol­gern auch. Und ich wün­sche ihnen und set­ze dar­auf, dass die Coro­na­si­tua­ti­on bis dahin abge­klun­gen ist. Denn ich freue mich schon heu­te dar­auf, in zwei Jah­ren hof­fent­lich wie­der vie­len inter­na­tio­na­len Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen per­sön­lich in Leip­zig zu begeg­nen! Die Gesprä­che zwi­schen­durch, die habe ich schon vermisst.

Die Fra­gen stell­te Cath­rin Günzel.

 

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