Unterschiedlich äußerten sich die Gäste zur Frage von Moderator Prof. Dr. Wolfram Mittelmeier, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Gesellschaft für interprofessionelle Hilfsmittelversorgung e.V. (DGIHV), welche Strukturen mit den Erfahrungen der Corona-Pandemie aufgebrochen werden sollten.
Prof. Dr. med. Andreas Crusius, Präsident der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern, machte gleich drei Vorschläge für Strukturveränderungen. Er sprach vom Grundübel des 2003 in Deutschland eingeführten Abrechnungssystems nach Diagnosis Related Groups (DRGs). Er wünsche sich ein System, bei dem etwa der mündige Patient Leistungen von der Rechnung streichen könne, die er nicht erhalten habe. In Reha-Kliniken könne man zudem medizinische Ambulanzen einrichten, um die Bevölkerung auch in Flächenländern medizinisch zu versorgen. In jedem Falle brauche Deutschland mehr Ärzte: „Warum können Abiturienten mit einem Schnitt von 1,4 oder 1,5 nicht in Deutschland Medizin studieren?“, fragt er.
Gernot Kiefer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes, lobte das große Engagement des Bundes und damit der Steuerzahler für die Stärkung des Gesundheitswesens in Höhe von mehreren Milliarden Euro. Dennoch reichten die geplanten Gelder wahrscheinlich für eine solide Finanzpolitik der GKV in den Jahren 2021 und 2022 nicht aus. Gernot Kiefer zeigte sich nicht ganz so offen für strukturelle Veränderungen. Er sei aber sehr dafür, beispielsweise Dokumentationen, die sich in der Pandemie als nicht notwendig erwiesen hätten, danach nicht mehr einzuführen. „Das müssen wir aber sehr genau anschauen“, betonte er.
„Hilfsmittel bedürfen in vielen Fällen der körperlichen Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung“, erklärte Dr. med. Dietmar Rohland, Geschäftsbereichsleiter, Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Niedersachsen. Dies gelte auch in Pandemie-Zeiten, aber gleichzeitig sei es gerade da sehr schwierig gewesen. Zum Glück ginge das derzeit wieder. Die Zukunft sei aber angesichts der aktuellen Virusentwicklung ungewiss.
Wahrnehmung und Systemrelevanz gefordert
„Man kann die erste Beratung per Telefon oder digital machen, aber für die Versorgung müssen wir den Patienten vor uns haben“, betonte der Präsident des Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik (BIV-OT), Alf Reuter. Umso erstaunlicher sei es, dass die Orthopädietechnik-Branche zwar zum GKV-System gehöre, aber nicht wahrgenommen und nicht als systemrelevant eingestuft werde. Mitarbeiter von BIV-OT-Mitgliedsunternehmen hätten teils keinen Zugang zu ihren Patienten in Kliniken oder Heimen erhalten und bekämen bis heute keine Ausgleichszahlungen – im Gegensatz zu den Heilmittelerbringern – für die dringend notwendigen Schutzprodukte für Mitarbeiter und Patienten. „Wir kaufen alles selber und auf eigene Kosten“, so Reuter. Für die Zukunft halte er die Einrichtung eines bundesweiten Krisenstabs für sinnvoll, derzeit habe nicht nur jedes Bundesland, sondern jeder Kreis seinen eigenen Krisenstab.
Jürgen Gold, Vorstandsvorsitzender der Herstellervereinigung für Kompressionstherapie und orthopädische Hilfsmittel – Eurocom, unterstrich diese Position Reuters. Seine Mitgliedsbetriebe kämpften zusätzlich noch mit der europäischen Ebene. Mit dem Blick auf Deutschland forderte der Wirtschaftsinformatiker: „Der Bund muss lernen, uns stärker wahrzunehmen.“
Ruth Justen
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