Hintergrund ist, dass dem 1917 in Leipzig gegründeten Verband nur noch ein Drittel der Betriebe in Deutschland angeschlossen ist. Damit fehlt die nötige Reputation als Bundesinnungsverband, um die Interessen der Orthopädie-Schuhtechnik deutschlandweit zu vertreten, heißt es in einer Pressemitteilung des ZVOS. Der Zusammenschluss als Bundesinnungsverband in der Orthopädie-Schuhtechnik habe sich nicht bewährt und müsse als gescheitert angesehen werden.
Hinzu kämen interne Probleme, auf die Präsident Stephan Jehring nicht näher eingehen wollte. „Wir, also der Vorstand und die Geschäftsführung, wollen einen letzten Versuch unternehmen, das Handwerk zu einen“, betont er. Das sei unter dem Dach des ZVOS nicht möglich. „Wir haben Gespräche mit allen ausgetretenen Landesinnungen geführt. Die sehen das ähnlich“, berichtet Jehring. Zum Jahresende 2018 hatten zuletzt die Landesinnungen Hessen und Niedersachsen ihren Austritt aus dem ZVOS erklärt.
Ein Antrag auf Auflösung des ZVOS liegt bereits vor. Darüber muss auf der nächsten Mitgliederversammlung entschieden werden. Aufgrund der Tragweite der Entscheidung soll die Veranstaltung in Präsenz stattfinden. Ein Termin steht coronabedingt noch nicht fest. Jehring rechnet damit nicht vor März 2022. Bei der Versammlung müssten drei Viertel aller stimmberechtigten Mitglieder für die Auflösung stimmen. Ist dies nicht der Fall, besteht die Möglichkeit, innerhalb von vier Wochen erneut abzustimmen. Dann würden die Stimmen von drei Vierteln der anwesenden Stimmberechtigten ausreichen. Kommt keine Mehrheit für eine Auflösung zustande, müsse neu überlegt werden, wie es weitergehen soll, so Jehring.
Den Weg frei machen, damit sich das Handwerk eint
Eine Abwicklung würde laut Jehring rund eineinhalb Jahre dauern. Zeit, die die Branche nutzen kann etwas Neues aufzubauen. „Wir wollen den Verband nicht an die Wand fahren, sondern den Weg frei machen, damit sich das Handwerk wieder eint.“ Bereits seit einigen Jahren gebe es Unstimmigkeiten innerhalb des ZVOS. Das liege u. a. an den Aufgaben des Verbandes. Ein weiteres Problem: „Ich bin angetreten und habe gesagt: zwei Jahre und ich saniere den ZVOS. Das ist zu großen Teilen auch gelungen, aber bei einigen Dingen überhaupt nicht, weil unser Hauptausschuss immer anderer Meinung war“, sagt Jehring. Dass dieser dem Vorstand laut Satzung alles vorschreiben kann, funktioniere für Jehring nicht. Darauf habe er bereits in der letzten Mitgliederversammlung deutlich hingewiesen.
Im schlimmsten Fall würde ein Externer eingreifen. „Wenn es keinen Präsidenten gibt, dann gibt es auch keinen Vorstand mehr. Und dann würde das Bundeswirtschaftsministerium den Verband auflösen“, zeichnet Jehring ein mögliches Szenario für die Zukunft des Verbandes. „Dann machen wir das lieber selbst.“ Vor dieser Problematik habe der ZVOS bereits vor drei Jahren gestanden. Sein Vorgänger Werner Dierolf hatte zum Abschluss seiner Präsidentschaft 2019 einen Appell an die Branche veröffentlicht, den er mit den Worten abschloss: „Stirbt der Zentralverband, stirbt das Handwerk“. Ende 2021 sehen sein Nachfolger und der Vorstand aber gerade die Zerschlagung des Verbandes als Chance.
Der ZVOS will für den Neustart eine Plattform zur Verfügung stellen, auf der die Möglichkeiten einer neuen Organisation ausgelotet werden können. „Wir als ZVOS ziehen uns zu 100 Prozent zurück. Wir machen nur den Start und geben vielleicht die eine oder andere Idee an den Moderator“, stellt Jehring klar.
Anfang 2019 übernahm Jehring das Amt des Präsidenten mit dem Ziel, verlorengegangenes Vertrauen seitens der Landesvertretungen zurückzugewinnen. Nun steht der Verband vor der Auflösung – ein Scheitern? „Nein, das sehe ich nicht so“, sagt Jehring. „Wir gehen das Risiko ein. Wir haben den Mut und geben dem Handwerk eine Chance. Wir kleben nicht an unseren Posten“, sagt er. „Wenn sich der Verband auflöst, hat unsere Geschäftsführerin Jessica Kuhn auch keinen Job mehr. Und wenn schon jemand, der im Hauptamt tätig ist, sagt, das wäre der beste Weg und ich gehe mit, dann ist das ein mutiger Schritt.“
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