Wie sen­so­mo­to­ri­sche Ein­la­gen von klein auf unterstützen

Immer in Bewegung – so sollte Kindheit aussehen. Doch Fußfehlstellungen können das Spielen, Toben und Laufen deutlich einschränken und sich langfristig negativ auf die gesamte motorische Entwicklung auswirken.

Im Gespräch mit der OT-Redak­ti­on erläu­tert Sil­vio Sema­de­ni, Inha­ber des Sani­täts­hau­ses Hell­wig, wie sen­so­mo­to­ri­sche Ein­la­gen sei­ne jun­gen Pati­en­ten unter­stüt­zen – und das nicht nur als Hilfs­mit­tel, son­dern als akti­ves Trainingsgerät.

Wel­che Fuß­fehl­stel­lun­gen oder Beschwer­den tre­ten bei Kin­dern beson­ders häu­fig auf?

Sil­vio Sema­de­ni: Bei Kin­dern sehen wir in der Pra­xis beson­ders häu­fig den Knick-Senk­fuß, dane­ben auch Sichel- und Hohl­fü­ße sowie den habi­tu­el­len Zehen­spit­zen­gang. Im neu­ro­lo­gi­schen Bereich tre­ten zudem spas­ti­sche Spitz­fuß­stel­lun­gen auf, etwa im Rah­men einer infan­ti­len Cere­bral­pa­re­se. Auf­fäl­lig ist jedoch, dass nicht allein die sicht­ba­re Fuß­fehl­stel­lung rele­vant ist, son­dern eben­so die damit ver­bun­de­nen Beschwer­den. Vie­le Kin­der zei­gen ein unsi­che­res Gang­bild, stol­pern häu­fig oder ermü­den schnel­ler als Gleich­alt­ri­ge. Man­che kla­gen über Fuß- und Knie­schmer­zen, die sich vor allem nach län­ge­ren Geh- oder Steh­pha­sen bemerk­bar machen. Ande­re ent­wi­ckeln asym­me­tri­sche Bewe­gungs­mus­ter mit ver­mehr­ter Innen­ro­ta­ti­on und Über­kreu­zen der Bei­ne. Auch Über­lastungsbeschwerden im Bereich des Fuß­in­nen­ran­des oder der Zehen gehö­ren zu den typi­schen Begleit­erscheinungen. Die­se funk­tio­nel­len Pro­ble­me sind Aus­druck mus­ku­lä­rer Dys­ba­lan­cen, die nicht nur den Fuß selbst betref­fen, son­dern sich auf die gesam­te Bein­ach­se bis hin zu Hüf­te und Becken aus­wir­ken können.

Inwie­fern kön­nen hier insbeson­dere sen­so­mo­to­ri­sche Ein­la­gen hel­fen? Wie wir­ken die­se auf die Fuß­muskulatur und die Ent­wick­lung des kind­li­chen Fußes?

Sen­so­mo­to­ri­sche Ein­la­gen set­zen geziel­te Rei­ze an Mus­kel­seh­nen­ver­läu­fen. Dadurch wird die Mus­kel­ak­ti­vi­tät ent­we­der gestei­gert oder redu­ziert. Bei der häu­figs­ten Indi­ka­ti­on, dem hypo­to­nen Knick-Senk­fuß, akti­vie­ren wir zum Bei­spiel gezielt den hin­te­ren Schien­bein­mus­kel, um das Längs­gewölbe auf­zu­rich­ten. Beim Spitz­fuß deto­ni­sie­ren wir die Waden­mus­keln mit­hil­fe der Vor­fu­ß­ele­men­te. Das Ergeb­nis ist nicht nur eine pas­si­ve Kor­rek­tur der Sta­tik, son­dern ein akti­ves mus­ku­lä­res Trai­ning. So beglei­ten sen­so­mo­to­ri­sche Ein­la­gen oder Fuß­orthesen die Ent­wick­lung des kind­lichen Fußes nach­hal­tig, indem sie die neu­ro­mus­ku­lä­re Steue­rung ver­bes­sern und Dys­ba­lan­cen regulieren.

Beim Schleifen werden die Einlagen ­final angepasst. Foto: Springer Aktiv AG, 2025
Beim Schlei­fen wer­den die Ein­la­gen ­final ange­passt. Foto: Sprin­ger Aktiv AG, 2025

Ab wel­chem Alter oder Ent­wick­lungs­sta­di­um sind sen­so­mo­to­ri­sche Ein­la­gen sinn­voll, und wann soll­te man (noch) abwarten?

Grund­sätz­lich war­ten wir die Pha­se des natür­li­chen „Wachs­tums­fu­ßes“ ab. Ab dem drit­ten Lebens­jahr ist eine Ver­sor­gung in der Regel sinn­voll, wenn Fehl­stel­lun­gen per­sis­tie­ren oder Beschwer­den wie Schmer­zen, häu­fi­ges Stol­pern oder auf­fäl­li­ge Gang­bil­der bestehen. Bei sehr deut­li­chen Defi­zi­ten, etwa einem Zehen­spit­zen­gang, kann bereits ein hal­bes Jahr nach Lauf­be­ginn eine Ver­sor­gung begon­nen werden.

Kin­der­fü­ße wach­sen schnell – wel­che Herausfor­derungen erge­ben sich dar­aus für die Ver­sor­gung und Anpas­sung der Einlagen?

Das rasche Wachs­tum erfor­dert eng­maschige Kon­trol­len. Wir über­prü­fen die Pass­form vier­tel- bis halb­jähr­lich, bei neu­ro­lo­gi­schen Pati­en­ten sogar häu­fi­ger. Oft ist eine Nach­be­ar­bei­tung der Modu­le mög­lich, um die Wir­kung anzu­pas­sen, ohne gleich ein kom­plett neu­es Paar Ein­la­gen zu fer­ti­gen. Zusätz­lich ach­ten wir auf den Schuh: Ein fes­ter Fer­sen­halt ist ent­­scheidend, damit die sen­so­mo­to­ri­schen Impul­se prä­zi­se wir­ken können.

Wie neh­men Kin­der die ­Ein­la­gen beim Gehen wahr?

Kin­der reagie­ren meist sehr schnell und intui­tiv. Oft lau­fen sie sofort mit den Ein­la­gen los, ohne Ein­ge­wöh­nungs­schwie­rig­kei­ten. Denn das Sys­tem ist ja noch viel fle­xi­bler als bei erwach­se­nen Men­schen. Man­che Kin­der berich­ten anfäng­lich von einem „komi­schen Gefühl“, nach der ers­ten Tra­ge­zeit mit­un­ter von leich­tem Mus­kel­ka­ter. Das ist Aus­druck der neu ange­steu­er­ten Mus­ku­la­tur. Nach kur­zer Ein­ge­wöh­nung inte­griert sich die Ein­la­ge in das Bewe­gungs­mus­ter. Vie­le Kin­der stol­pern weni­ger und wir­ken moto­risch siche­rer. Mit­un­ter beob­ach­ten wir im päd­ia­tri­schen Bereich sogar spon­ta­ne Gangbildverbesserungen.

Ein Hilfs­mit­tel hilft nur dann, wenn es auch getra­gen wird. Wel­che Tipps kön­nen Sie ande­ren Tech­ni­kern an die Hand geben, Eltern und Kin­der vom regel­mä­ßi­gen Tra­gen zu überzeugen?

Wir erklä­ren den Eltern sehr genau, dass die sen­so­mo­to­ri­sche Ein­la­ge wie ein Trai­nings­ge­rät wirkt – die Wir­kung ent­steht nur durch regel­mä­ßi­ges Tra­gen, am bes­ten ganz­tä­gig, auch im Kin­der­gar­ten oder in der Schu­le. Wich­tig ist auch die Moti­va­ti­on des Kin­des: Wir bezie­hen die Kin­der in den Aus­wahl­pro­zess ein, zum Bei­spiel bei der Wahl des Bezugs­stof­fes. Und wir berei­ten die Fami­li­en dar­auf vor, dass ein Muskel­kater auf­tre­ten kann – so wird er als posi­ti­ver Trai­nings­ef­fekt ver­stan­den, nicht als Grund zum Absetzen.

Wel­che Rol­le spielt die Zusam­men­ar­beit mit Ärz­ten, Phy­sio­the­ra­peu­ten und ande­ren Fach­kräf­ten bei der Ver­sor­gung von Kin­dern mit sen­so­mo­to­ri­schen Einlagen?

Die sen­so­mo­to­ri­sche Ein­la­gen­ver­sor­gung ist Teil eines inter­dis­zi­pli­nä­ren Behand­lungs­kon­zep­tes. Der Arzt oder die Ärz­tin stellt die Indi­ka­ti­on, wir über­neh­men die tech­ni­sche Umset­zung und die Phy­sio­the­ra­pie beglei­tet mit­un­ter mit geziel­ten Übun­gen. Gera­de bei Kin­dern mit neu­ro­lo­gi­schen Erkran­kun­gen ist die Abstim­mung ent­schei­dend, um Tonusregu­lation, Gang­schu­le und All­tags­in­te­gra­ti­on opti­mal zu kombinieren.

Die Fra­gen stell­te Pia Engelbrecht.

Zur Per­son

 

Sil­vio Sema­de­ni ist Geschäfts­füh­rer der Sani­täts­haus-Ortho­pä­die-Tech­nik F. Hell­wig GmbH mit Filia­len in Hal­le, Wol­fen, Zör­big und Bit­ter­feld. Der Betrieb mit Zen­tral­werk­statt in der Rosen­fel­d­er­stra­ße in Hal­le wur­de von der Sprin­ger Aktiv AG als Sen­so­mo­to­rik­zen­trum lizen­siert und ist einer von vie­len Betrie­ben im deutsch­land­wei­ten Sen­so­mo­to­rik­zen­trum-Netz­werk. Sema­de­ni ist gelern­ter Ortho­pä­die­tech­nik-Meis­ter und als Vor­stands­mit­glied der Lan­des­in­nung Sach­sen-Anhalt für Ortho­pä­die­tech­nik tätig. 

 

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