Bisher spielten hier andere Materialien eine Rolle, doch Joachim Kasemann, Geschäftsführer der Mark3D GmbH, erklärt im OT-Interview, wie Carbon-Endlosfasern im 3D-Druck auch in der Orthopädie-Technik funktionieren könnten.
OT: Sie stellen im Rahmen des Seminars „Digitale Fertigung“ der Bundesfachschule für Orthopädie-Technik, das am 11. und 12. Januar stattfindet, Carbon-Endlosfaser-Drucker für den Einsatz in der Orthopädie-Technik vor. Können Sie im ersten Schritt kurz erläutern, was Carbon-Endlosfasern sind?
Joachim Kasemann: Den genialen Werkstoff Carbon kennt sicher jeder. Hohe Festigkeiten bei geringem Gewicht lassen sich mit Carbon erreichen. Eine Carbon-Endlosfaser ist ein Faserstrang, der aus mehreren Hundert Microfasern besteht und mit einer hauchdünnen Kunststoffschicht ummantelt ist. Endlos deshalb, weil in einer Druckschicht die Faser beliebig gelegt werden kann, ohne sie unterbrechen zu müssen. Somit gibt es in einer Schicht jeweils einen Anfangs- und einen Endpunkt.
OT: Was ist der Unterschied zwischen Carbon-Endlosfaser und Carbon im Bereich der Additiven Fertigung?
Kasemann: Es gibt Filamente und Pulver, denen Carbon-Kurzfasern beigemischt werden, um eine etwas höhere Festigkeit zu erreichen. Wenn die Anforderungen in Richtung Aluminiumfestigkeit oder mehr gehen, reichen die Kurzfasern allerdings nicht aus. Solche Festigkeiten können nur durch Langfasern erreicht werden. Kurzfasern sind daher nur für ausgewählte Werkstücke die Lösung, sozusagen ein Zwischenschritt, aber nicht der entscheidende Schritt vorwärts. Mit Endlosfasern sind dagegen Festigkeiten zu erreichen, die im Kunststoff-3D-Druck bisher nicht möglich waren.
OT: Welche Eigenschaften haben Carbon-Endlosfasern zum Beispiel im Vergleich zu Stahl oder Aluminium?
Kasemann: Ein Standardaluminium hat eine Zugfestigkeit von circa 280 Megapascal (MPa). Carbon dagegen von circa 800 MPa. Und ein Standardedelstahl liegt bei etwas über 600 MPa. Es ist einfach beeindruckend, was mit dem Werkstoff Carbon erreicht werden kann. Und immer mit einem Bruchteil des Gewichtes.
OT: Mit welchen Druckverfahren lassen sich die Fasern verarbeiten?
Kasemann: Da wir eine Faser benutzen, können die Endlosfasern nur mit dem Filament-basierten 3D-Druckverfahren genutzt werden.
OT: Mit Blick auf das Thema Nachhaltigkeit: Lassen sich etwaige Stützstrukturen – ähnlich wie bei anderen Filamenten – wieder in den Herstellungsprozess integrieren?
Kasemann: Ziel ist natürlich, die Bauteile so zu optimieren, dass keine Stützstrukturen notwendig sind. Das geht nicht immer, aber oft lassen sich Bauteile erfolgreich optimieren. Sollte dennoch Stützmaterial notwendig sein, ist das der einzige Abfall im gesamten Prozess. Allerdings ist der gesamte Fertigungsprozess wesentlich nachhaltiger.
OT: Carbon wird häufig in Fasermatten verarbeitet, die – je nach Ausrichtung – auch Einfluss auf Beschaffenheit des kompletten Bauteils haben. Gibt es vergleichbare Effekte, die beim Drucken mit Carbon-Endlosfasern beachtet werden müssen?
Kasemann: Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Ich muss den Belastungsfall kennen, damit ich die Endlosfaser entsprechend der Belastungsrichtung ausrichten kann. Das erledige ich einfach in der Maschinensoftware und der 3D-Drucker führt das mannlos aus.
OT: Bei den Fasermatten wird zum Beispiel häufig auf eine Kombination mit Aramid gesetzt. Ist das technisch auch in der Additiven Fertigung möglich?
Kasemann: Nein, denn ich kann pro Bauteil immer nur eine Endlosfaser nutzen. Allerdings gibt es auch Aramid als Endlosfaser. Für Applikationen, bei denen Aramid sinnvoller ist als Carbon, lässt sich natürlich auch Aramid einsetzen.
OT: Welche Konstruktionen lassen sich mit Carbon-Endlosfasern und den dazugehörigen Druckern realisieren? Was ist die maximale Bauraumgröße?
Kasemann: Grundsätzlich können Sie alles drucken, was sie auch konstruieren können. Es gibt ein paar Einschränkungen für die Endlosfaser. Ich brauche mindestens eine Länge von 40 mm, kleiner geht technisch nicht. Außerdem benötigt man eine minimale Wanddicke von 2,8 mm. Die maximale Bauraumgröße ist – Stand heute – 525 x 400 x 400 mm.
OT: Welche Anwendungsgebiete gibt es in der Orthopädie-Technik, und haben Sie Beispiele aus der Praxis?
Kasemann: Wie in fast jeder Industrie gibt es auch in der Orthopädie-Technik ein großes Potenzial für additive gefertigte Werkstücke. Das sind vor allem die klassischen Hilfsmittel wie Prothesen, Orthesen oder Einlagen. Wir sind bereits in der Testphase bei dem einen oder anderen Hilfsmittel, können und wollen aber noch nichts Konkretes dazu sagen.
Die Fragen stellte Heiko Cordes.
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