Zunehmend, sagt Daniel Gelbart, Gruppenleiter der Schweizer Ortho-Team-Gruppe mit 22 Standorten. Im Gespräch mit der OT-Redaktion berichtet der Orthopädietechniker und Betriebswirt über tierische Versorgungen und seinen tierischen Wunschpatienten.
OT: Wie groß ist der Anteil der Tierversorgungen am Gesamtvolumen Ihres Hauses?
Daniel Gelbart: Wir konzentrieren uns auf die Versorgung von Menschen. Die Hilfsmittelversorgung von Tieren ist nur ein kleiner Bereich, der aber seit der Erstversorgung 2008 stetig wächst. Inzwischen haben wir an den meisten unserer 22 Standorte je einen Orthopädietechniker, der sich um tierische Patienten kümmert. Pro Woche werden mehrere Tiere innerhalb der Gruppe vorgestellt. Daher gibt es an jedem Standort Räume speziell für Tiere und ihre Halter, die von den klassischen Patientenzonen abgetrennt sind.
OT: Wie erklären Sie die wachsende Zahl der Tierversorgungen?
Gelbart: Ganz klar verdanken wir das den zunehmenden digitalen Möglichkeiten wie 3D-Scans oder additive Fertigung von Orthesen und Prothesen. Dadurch können wir die Tiere passgenau versorgen. Denn für Tierhalter ist eine Operation eine extrem teure Lösung. Gleichzeitig spricht sich immer mehr rum, dass mithilfe von konservativer Versorgung Tieren geholfen werden kann oder sie sogar gerettet werden können. Bestes Beispiel dafür ist das Kamel Sambal, das mein Kollege Anton Vogel im Herbst 2020 betreut hat. Durch die maßgefertigte Orthese ist das an einer starken Gelenkarthrose leidende Kamel wieder bewegungsfähig, und zwar mit Leidenschaft. Es macht nach Aussage des Kollegen wieder einen entspannten Eindruck. Ohne Orthese wären die Schmerzen so groß gewesen, dass die Halter es wahrscheinlich erlöst hätten.
OT: Wie bereiten sich Ihre Kollegen auf die Tiere vor?
Gelbart: Im Fall des Kamels ist die größte Herausforderung die Biomechanik. Hier können sie nicht eins zu eins das humanmedizinische Wissen übertragen. Deshalb wenden sie sich zunächst an den Tierarzt und den Physiotherapeuten und besprechen gemeinsam, wo die optimalen Drehpunkte für die Orthesenversorgung sind. Abgesehen von der Rücksprache mit Experten ist die Erfahrung der Orthopädietechniker alles entscheidend. Die Tiere können ja keine Rückmeldung geben. Sie müssen ein genaues Auge haben, um Druckstellen oder Schonhaltungen zu erkennen und entsprechend zu agieren. Technisch gehen wir genauso vor wie bei Menschen. Zu Anfang fällt die Entscheidung Scan oder Gipsabdruck, dann modellieren wir das Hilfsmittel – oft im 3D-Druckverfahren – und passen es an.
OT: Welches Versorgungsspektrum müssen Sie abdecken?
Gelbart: Von der Arthrose über Band- oder Knorpelverletzungen, Knochenbrüche bis hin zu Amputation oder Querschnittlähmung bei Hunden, Pferden, Katzen und Vögeln ist alles dabei. Kamel Sambal war eine Premiere. Die meisten Tiere, die uns vorgestellt werden, brauchen ganz individuelle Orthesen, Prothesen und auch Rollstühle. Funktionalität und Passgenauigkeit sind hier gefragt und selbstverständlich auch Design. Das Hilfsmittel als medizinisches Lifestyleprodukt schafft auch bei Tierhaltern oft eine größere Akzeptanz.
OT: Greifen Sie auf Industrieprodukte zurück?
Gelbart: Nein. Wie gesagt, es sind zumeist Spezialfälle, die passgenaue Versorgungen benötigen. Die stellen wir in unseren Werkstätten selber her. Letztlich ist die Passgenauigkeit ohne Druckstellen entscheidend für die Tierhalter.
OT: Apropos Kosten. Rechnet sich die Versorgung von Tieren für Ihre Gruppe?
Gelbart: Der Bereich ist definitiv kein Gebiet der Hauptwertschöpfung in unseren Unternehmungen. Wir rechnen hier nach Pauschalen ab, bei denen wir Material und Aufwand im Blick haben. Ehrlich gesagt, betrachten wir es eher als soziales Engagement.
OT: Ist deshalb auf der Webseite von der Versorgung von Tieren kaum die Rede?
Gelbart: Es ist und bleibt sicherlich eine Nische innerhalb unseres großen Spektrums. Wir setzen hier auf die direkte Information von Tierärzten und ‑kliniken.
OT: Haben Sie ein Wunschtier?
Gelbart: (Lacht.) Einen Elefanten fände ich cool!
Die Fragen stellte Ruth Justen.
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