Über die Ver­sor­gung mit Ban­da­gen, Ein­la­gen und Kompression

Der Chem­nit­zer Eis­schnell­läu­fer Nico Ihle gehört seit 2006 zum Kader der Natio­nal­mann­schaft. Der 32-jäh­ri­ge ist zwölf­fa­cher Deut­scher Meis­ter, mehr­fa­cher deut­scher

Der Chem­nit­zer Eis­schnell­läu­fer Nico Ihle gehört seit 2006 zum Kader der Natio­nal­mann­schaft. Der 32-jäh­ri­ge ist zwölf­fa­cher Deut­scher Meis­ter, mehr­fa­cher deut­scher
Rekord­hal­ter, drei­fa­cher Welt­cup­sie­ger und war bei den Olym­pi­schen Spie­len in Sot­schi 2014 und Pye­ongchang 2018 unter den Top Ten. Ihle gewann Bron­ze bei der Sprint-EM 2017 sowie bei der Ein­zel­stre­cken-EM 2018. Bei der WM 2017 sicher­te er sich im süd­ko­rea­ni­schen Gang­neu­ng die Silbermedaille.

Im Inter­view mit der OT beschreibt Ihle sei­ne Zusam­men-arbeit mit einem Sani­täts­haus und die Ver­sor­gung mit Hilfs­mit­teln für das Wett­kampf­ge­sche­hen und der Regeneration.

OT: Herr Ihle, wel­che Anfor­de­run­gen haben Sie als Spit­zen­sport­ler an Ihre ortho­pä­die­tech­ni­sche Versorgung?

Nico Ihle: Als Leis­tungs­sport­ler prü­fe ich immer, wo ich noch etwas ver­bes­sern und ein paar Zehn­tel­se­kun­den her­aus­ho­len kann. Zu Wett­kämp­fen flie­ge ich oft lan­ge Stre­cken. Von den Ärz­ten wur­de mir daher bei­spiels­wei­se nahe­ge­legt, auf Rei­sen Kom­pres­si­ons­strümp­fe zu tra­gen, um die Blut­zir­ku­la­ti­on zu unter­stüt­zen. Ban­da­gen und Orthe­sen sind eben­falls ein The­ma. Ich benö­ti­ge kom­pe­ten­te Ansprech­part­ner, die mich bera­ten und auf die spe­zi­fi­schen Bedin­gun­gen mei­nes Sports und mei­nes Trai­nings ein­ge­hen. Sol­ches Know-how ist für mich viel wert. Seit den Vor­be­rei­tun­gen zu den Olym­pi­schen Win­ter­spie­len in Van­cou­ver 2010 arbei­te ich des­halb mit dem Sani­täts­haus Reha-aktiv in Chem­nitz zusammen. 

OT: Wel­che Hilfs­mit­tel nut­zen Sie?

Ihle: Ich tra­ge Kom­pres­si­ons­strümp­fe und ver­wen­de für das Kraft­trai­ning zudem eine Ban­da­ge bzw. einen Bauch­gurt zum Stüt­zen des Rump­fes beim Heben schwe­rer Las­ten. Zu guter Letzt wur­de bei Reha-aktiv eine Lauf­ana­ly­se durch­ge­führt, um zu prü­fen, ob das Fuß­ge­lenk nach innen oder nach außen knickt. Bei mir knickt es eher nach außen, daher habe ich eine spe­zi­el­le Ein­la­ge bekom­men. Die­se sorgt für eine kor­rek­te Fuß­po­si­ti­on, denn eine Fehl­stel­lung kann Ver­let­zun­gen und Ent­zün­dun­gen her­vor­ru­fen, die sich – begin­nend im Knö­chel – bis hin­auf zum Knie und zur Hüf­te auswirken.

OT: Gab es spe­zi­el­le Wün­sche Ihrer­seits an die Ortho­pä­die-Tech­ni­ker bzw. das Sani­täts­haus, die sich aus Ihrem Sport ergeben?

Ihle: Beim Bein­um­fang links und rechts gibt es bei mir
mini­ma­le Unter­schie­de – viel­leicht, weil man beim Eis­schnell­lau­fen stets gegen den Uhr­zei­ger­sinn läuft und somit auf jedes Bein unter­schied­li­che Kräf­te ein­wir­ken. Des­halb benö­ti­ge ich maß­ge­fer­tig­te Kom­pres­si­ons­strümp­fe. Die­se umfas­sen auf mei­nen Wunsch hin das gan­ze Bein und rei­chen bis hoch in die Leis­te. Gera­de auf den acht- bis zehn­stün­di­gen Flü­gen nach Asi­en ist es mir wich­tig, dass die Kom­pres­si­on den Ober­schen­kel ein­schließt, denn dort befin­det sich der größ­te und am meis­ten gefor­der­te Mus­kel bei einem Eis­schnell­läu­fer. Daher soll­te dort auch die größ­te Wir­kung auf die Blut­zir­ku­la­ti­on erfol­gen. Ich set­ze die Kom­pres­si­on aber nicht nur auf Rei­sen ein, son­dern auch im All­tag, damit das Blut nicht in die unte­re Bein­re­gi­on absackt. So tra­ge ich die Strümp­fe gern einen Tag vor dem Wett­kampf, um die
Rege­ne­ra­ti­on anzu­kur­beln. Die Bei­ne füh­len sich dann
fri­scher und erhol­ter an.

OT: Sie erwähn­ten, dass Sie spe­zi­el­le Schuh-Ein­la­gen tra­gen – nut­zen Sie die­se nur beim Trai­ning oder auch im Alltag?

Ihle: Ich tra­ge mei­ne maß­ge­fer­tig­ten Ein­la­gen immer, um den Fuß zu unter­stüt­zen – ob im Trai­ning oder im All­tag. Ich habe mit Schuh­grö­ße 45 sehr gro­ße Füße, die aber schmal sind. Ich benö­ti­ge Sta­bi­li­tät im Schuh, die mir die Ein­la­ge ver­mit­telt. Im Wett­kampf tra­ge ich die Ein­la­gen übri­gens nicht – da ist der Schuh selbst maß­an­ge­passt und gleicht alle Fehl­stel­lun­gen aus.

OT: Wie lan­ge hal­ten die Ein­la­gen bei Ihnen?

Ihle: Etwa zwei Jah­re. Es ist gutes Mate­ri­al, da über­lebt eher der Turn­schuh das Trai­nings­pen­sum nicht.

OT: Wie hoch ist Ihr Trainingspensum?

Ihle: Pro Woche absol­vie­re ich sechs Stun­den Kraft­trai­ning, das sind zwei Ein­hei­ten à drei Stun­den. Dazu kommt eine Ein­heit – also drei Stun­den – Schnell­kraft­trai­ning
wöchent­lich, das sind schnell aus­ge­führ­te eis­schnell­lauf­spe­zi­fi­sche Bewe­gun­gen. Außer­dem ste­hen jede Woche sechs bis zehn Stun­den Aus­dau­er­trai­ning auf dem Pro­gramm – im Som­mer Rad­fah­ren und Lau­fen, im Win­ter auf dem Eis, ergänzt durch Trai­ning auf dem Ergo­me­ter. Übri­gens tra­ge ich auch bei Aus­dau­er­ein­hei­ten Kom­pres­si­ons­strümp­fe – aller­dings aus­schließ­lich für die Wade und ohne Fuß. Ich möch­te, dass durch die Kom­pres­si­on der Blut­kreis­lauf in Schwung gehal­ten wird. 

OT: Wie wesent­lich ist – neben dem inten­si­ven Trai­ning –
die Ver­sor­gung mit Hilfs­mit­teln wie Ein­la­gen oder Ban­da­gen für Ihren Erfolg?

Ihle: Das Zusam­men­spiel aller Fak­to­ren macht den Erfolg aus – dazu gehört auch die kom­pe­ten­te Ver­sor­gung mit Ein­la­gen, Kom­pres­si­on und Ban­da­gen. Wenn ich die­se Hilfs­mit­tel nicht hät­te, wäre ich viel­leicht eine Zehn­tel­se­kun­de lang­sa­mer. Das kann in mei­nem Sport bedeu­ten, fünf Plät­ze schlech­ter abzu­schnei­den, denn im Eis­schnell­lauf geht es um mini­ma­le Zeit­ein­hei­ten. Nicht zuletzt unter­stüt­zen
die Hilfs­mit­tel mei­ne Gesund­heit: Die Kom­pres­si­on
mini­miert das Risi­ko einer Throm­bo­se, der Bauch­gurt beim Kraft­trai­ning beugt Ver­schleiß­erschei­nun­gen vor. Denn bei den hohen Las­ten hat man oft Rücken­schmer­zen im Len­den­wir­bel­be­reich – hier hilft der Bauch­gurt; zusätz­lich akti­viert er durch spe­zi­el­le Nop­pen die Durch­blu­tung im Len­den­wir­bel­be­reich. Ich bin sehr sel­ten ver­letzt oder krank; 2012 hat­te ich mei­ne letz­te grö­ße­re Ver­let­zung – eine Scham­bein­ent­zün­dung, dabei haben mir Kom­pres­si­ons­strümp­fe eben­falls gehol­fen. Ande­re in mei­nem
Alter haben die Schlitt­schu­he längst an den Nagel gehängt – ich füh­le mich immer noch gut und bin nach wie vor leistungsfähig. 

OT: Wel­che Tipps geben Sie ambi­tio­nier­ten Freizeitsportlern?

Ihle: Nicht nur im Leistungs‑, son­dern auch im Frei­zeit­sport ist es wich­tig vor­zu­beu­gen – und nicht erst dann etwas zu tun, wenn Schmer­zen und Ver­let­zun­gen vor­lie­gen. Wer Sport ernst­haft betreibt, soll­te sich von Fach­leu­ten bera­ten las­sen, bevor etwas weh­tut – zum Bei­spiel ein spe­zia­li­sier­tes Sani­täts­haus besu­chen. Hilfs­mit­tel wie Kom­pres­si­ons­strümp­fe kön­nen auch Hob­by­läu­fern etwas nüt­zen: Durch die bes­se­re Durch­blu­tung sind die Bei­ne leich­ter, die
Mus­ku­la­tur bleibt län­ger frisch. Für Brei­ten­sport­ler gibt es vie­le inter­es­san­te Pro­duk­te, die nicht maß­ge­fer­tigt sein müs­sen wie im Hoch­leis­tungs­sport. Eine Lauf­ana­ly­se oder eine Leis­tungs­dia­gnos­tik mit Lak­tat­ab­nah­me kann für ambi­tio­nier­te Frei­zeit­ath­le­ten nütz­lich sein. Und wer Rad­ren­nen fährt, soll­te sich das Renn­rad von Spe­zia­lis­ten ein­stel­len las­sen – das sorgt für einen guten Sitz und beugt Falsch- und Schief­stel­lun­gen des Rückens und der Hüf­te vor.

Die Fra­gen stell­te Cath­rin Günzel.

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