Knapp einen Monat später sprach sich schließlich die Mehrheit des Bundestages mit den Stimmen der Regierungskoalition für das Gesetz aus. Damit gehören Ausschreibungen in der Hilfsmittelversorgung ab sofort der Vergangenheit an.
OT: Herr Lotz, bei Ihrem Amtsantritt vor 8 Jahren schlug Ihnen noch eine gewisse Ohnmacht und Verzweiflung im Fach entgegen, dass man Ausschreibungen von Krankenkassen weder eindämmen, geschweige denn vom Tisch bekäme. Sie haben das Ziel „Ausschreibungsverbot“ seinerzeit zum Chefthema erklärt und nach unzähligen Sitzungen in Berlin und mehreren Anhörungen im Bundestag ist es nun vollbracht. Wie wichtig war und ist die Geschlossenheit des Fachs für solche Erfolge bei der Politik?
Klaus-Jürgen Lotz: Wir haben als Verband nicht locker gelassen, der Politik die Notwendigkeit von transparenten Verträgen und deren Inhalte zu Qualität und den enthaltenen Dienstleistungen klar zu machen. Die Ausschreibungen haben gezeigt, dass Preispolitik auf dem Rücken der Versicherten gemacht wurde. Der Gesetzgeber hat nun mit dem TSVG die Grundlage für faire Vertragsverhandlungen geschaffen. Der Zusammenhalt der Branche war ein wichtiger Baustein des Erfolgs. Nun müssen alle beweisen, dass sie gewillt und in der Lage sind, auskömmliche, qualitative und hochwertige Verträge im Sinne des Versicherten zu gestalten.
OT: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn verspricht sich vom TSVG eine Verbesserung der Versorgungsqualität. Teilen Sie seinen Optimismus, oder sind Sie, das Verhalten einiger Kostenträger im Anschluss an das HHVG im Hinterkopf, skeptisch, dass bei den Kassen ein Umdenken einsetzt?
Lotz: Natürlich werden wir erleben, dass einzelne Kostenträger versuchen werden, Verträge auf der Grundlage der letzten Ausschreibungen in den Markt zu pressen. Der Gesetzgeber hat hier klare Vorgaben gemacht und einer „Open House“-Taktik eine Absage erteilt. Somit sind alle am Markt Beteiligten angehalten, vernünftige Verträge zu gestalten. Die Panikmache des GKV-Spitzenverbandes, jetzt würden die Preise explodieren und die Ausgaben erheblich steigen ist nicht nachvollziehbar. Zur Verhandlung von Verträgen gehören auch Preisverhandlungen. Leistungserbringer mit überzogenen Forderungen müssen dabei genauso eingefangen werden wie Kassen mit Dumpingpreis-Vorstellungen.
OT: Für den Abschluss von Hilfsmittelverträgen muss Leistungserbringern ab sofort ohne Ausnahme eine Verhandlungsoption eingeräumt werden. In welchem Maße profitiert die Branche davon?
Lotz: Wir werden nunmehr sehr genau darauf achten, wie Kostenträger mit dieser Verhandlungsoption umgehen und es wird sich zeigen, ob partnerschaftliche Verhandlungen die Grundlage bilden werden. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Vertragsverhandlungen der Spitzenorganisationen wie dem BIV-OT zu annähernd 100 % zu wirtschaftlichen, qualitativen und für beide Seiten langfristig stabilen Versorgungsverträgen geführt haben. Das muss das Ziel aller Beteiligten sein, damit auch Leistungserbringer ohne Organisationsmitgliedschaft getrost beitreten können, ohne dass es noch langwieriger Nachverhandlungen bedarf.
OT: Sehen Sie die Gefahr, dass Ausschreibungsgewinner der Vergangenheit den Abschluss von Verhandlungsverträgen unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen eingehen werden?
Lotz: Die Versuche auf diesem Weg Ausschreibungsverträge weiter zu leben, wird es sicher geben. Wir sind angehalten hier genau zu prüfen, wie diese Verträge, welche dann zum Beitritt angeboten werden, zustande gekommen sind. Der Gesetzgeber hat mehrfach darauf hingewiesen, dass er genau das nicht will und die Aufsichtsbehörde auf diesen Punkt hin sensibilisiert.
Die Fragen stellte Michael Blatt.
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